… ich sitze bei einem Glas Rotwein *Gran Reserva, Jahrgang
1990 *Valdepenas auf meinem Balkon und genieße die milde
Abendluft und die Stille nach dem wütenden Sturm, der in
der letzten Nacht wieder kräftig an den Blüten und
Bäumen in den Gärten und auf dem Balkon gezerrt hat.
Unvermittelt kommen mir Gedanken in den Kopf an meine Begegnung
mit Barbara. Ich nehme mir das Buch heraus von Barbaras großen
Werken, welches ich, von ihr mit einer freundlichen Widmung
versehen, damals in dem Seminar erstanden habe.
Ich rolle die Geschichte von hinten auf und denke an meine letzte
Begegnung mit ihr! Eine rote Rose in der Hand und eine Flasche
besonders guten australischen Rotwein unterm Arm, schelle ich
aufgeregt an der Türe von der Künstlerin, die nicht
weit von mir in Düsseldorf lebt!
Die Türe geht auf und ich darf ins *Allerheiligste der
Barbara!
Die außergewöhnlich große blühende Rosenblüte,
dunkelrot – fast schwarzrot mit ihren Blütenblättern
wie Samt, überreiche ich ihr und umarme sie herzlich …ein
Lächeln der natürlichen und doch so eindrucksvollen
Frau, mit ihrem glatten braunen, halblangen Haar und ihrer menschlichen
Wärme, die einen sofort ergreift, belohnt mich, als sie
die Rose sieht.
Noch während sie eine Vase für die
Rose holt und Gläser für den Wein, veranlassen mich
bereits die in den vorderen Räumen ihrer großen,
luftig und künstlerisch eingerichteten Wohnung hängenden
riesigen Gemälde an den Wänden immer wieder zum *Stehen
bleiben*.
Passende Worte hierfür fallen mir nicht ein, aber sie bemerkt
meine Begeisterung lächelnd und erzählt mir, wo und
wann sie entstanden sind. Danach bittet sie mich in ihr Atelier,
welches gleich an die Wohnung anschließt.
Wir haben uns wieder einmal verabredet, um nachher in Krefeld
eine Aufführung einer Tänzerin und anderer Performance
- Künstler anzuschauen, die sie kennt und mit denen sie
ihre Werke gemeinsam vorgeführt hat.
Uns bleibt noch eine Menge Zeit zum Reden, das haben wir extra
so geplant. Sie schaut liebevoll auf den Rotwein, ich habe ihn
genau richtig ausgesucht!
Die besondere Stimmung dieser Stunden werde ich nie vergessen.
Es ist ein ungewöhnlich warmer Sommertag. Die Nachmittagssonne
scheint durch das Fenster in das riesige Atelier, an dem die
Wände mit vielen riesigen Exponaten zugestellt sind. Der
Sonnenstrahl fällt wie Scheinwerferlicht, nur sanfter,
direkt auf unser kleines Tischchen in der Mitte des Ateliers,
an dem wir es uns mit der Rose und dem guten *Tropfen gemütlich
gemacht haben. Eine Szene wie aus dem Beginn eines Films.
Der vertraute Duft der Farben verrät, hier ist eine kreative
*freie Zone, fernab von allem anderen, kein Geräusch erinnerte
an die Großstadt vor der Tür. Unsere Seelen sind
gleichgeschaltet und unsere Herzen schlagen im gleichen Takt.
Nachdem ich alle Werke bewundert habe und Barbara erklärt,
für wen sie bestimmt sind, erzählt sie von Ländern,
Menschen und Ausstellungen! Gerade von ihrer Reise aus Kairo
zurück, schildert sie, wie sie die hohen Herrschaften -
mit der doch ganz anderen Mentalität – von ihren
Werken überzeugen konnte und sogar einen Auftrag für
ein großes Projekt in der Tasche hat. - Eines Ihrer großen
Exponate hängt im Düsseldorfer Landtag, andere Bilder
in Kirchen und Museen in vielen verschiedenen Orten. Dies ist
nachzulesen und ihre Werke sind auch im Internet zu finden.
Dann wiederum berichtet sie spannend
von ihren Urlauben ganz allein, wo sie mit Papier und Aquarellstiften
versehen oft stundenlang an den Klippen sitzt und zeichnet,
was die Natur so gerade bietet, eine Abwechslung zu ihren sonst
so großen Projekten in ihrer einzigartigen Art! ... Meisterin
schneller Entschlüsse schlägt sie vor, ob ich nicht
in diesem Jahr mitkommen wolle nach Griechenland, ebenso mit
Stift und Papier bestückt. Ich will sofort, aber wenig
später hat mich die Realität wieder eingeholt, ich
kann mir das im Moment nicht leisten und verwerfe den Plan kurze
Zeit später schweren Herzens wieder. In meinem Job als
Sekretärin in einem großen Forschungsinstitut ist
es schwer, den Urlaub sporadisch einzureichen und ihn mit den
Sekretärinnen der anderen Abteilungen kurzfristig abzustimmen.
Viel zu schnell verfliegt die Zeit, die wir sehr genießen.
Wir trinken uns zu und haben bald vom Erzählen und dem
guten *Roten rote Wangen bekommen.
Einiges Räuspern und Husten während ihrer Erzählungen
ließ mich aufhorchen. Barbara sah nicht so gesund aus.
Die jahrelange Kälte eines riesigen, nicht warm zu kriegenden
Ateliers, viel Arbeit, kaum Ruhepausen und wie man sich denken
kann, nicht zuletzt das Einatmen von Farben, Firnis und Lacken
über Jahre, haben unbemerkt ihre Spuren hinterlassen …
*Barbara, Dir geht es nicht gut?* frage ich. *Na ja, das wird
schon wieder, doch ich brauche dringend etwas Pause und wärmere
Gefilde, mehr Sonne für neue Inspiration und Schaffenskraft,*
meint sie, mit einem Lächeln auf dem Gesicht. Sie berichtet
mir, dass sie einen Freund gefunden habe und die selbst gewählte
Einsamkeit - nur für die Kunst - nun beenden will und sich
in wärmere Gefilde zurückziehen möchte, mit ihrem
neuen Lebenskameraden und zum Auftanken für neue Ideen.
Dies ist meine letzte Begegnung mit der Künstlerin! Sie
hat ihren Traum wahr gemacht und Düsseldorf – so
wie ich vermute – für immer verlassen!
Ich schalte nun zurück, wie es begann….1. Tag eines
dreitägigen Seminars mit der Künstlerin
wir betreten den riesigen *Bach-Saal* in den oberen Stockwerken
der Stadtkirche von Düsseldorf, der *Johanneskirche*, der
für Aufführungen und Konzerte benutzt wird sowie für
große Aktionen oder Projekte auch der Stadt-Akademie und
engagierten Künstlern für Seminare zur Verfügung
gestellt wird.
Rundrum sind schon die großen Staffeleien mit den Leinwänden
in einer Größe von über 2 m Höhe aufgebaut.
Seitlich davon sind große Tische voller Farbflaschen,
Eimer, Pinsel und weiteres Material bereitgestellt.
Nachdem alle Anwesenden eingetragen wurden, setzten wir uns
in den Kreis und machten uns bekannt.
Zuerst galt es, zu assoziieren. Die Künstlerin nannte eine
Farbe und wir mussten reihum dazu ein Wort sagen, was uns einfiel.
Danach setzten wir uns an einen großen runden Tisch, banden
uns dünne Leinentücher vor das Gesicht und mussten
uns mit drei vorher ausgesuchten Farben ohne ein Wort zu sagen
mit dieser Farbe intuitiv das Gesicht bemalen. Dies war ein
spannender Moment, denn wir wussten nicht, was wir trafen und
wie es aussehen würde.
Danach nahmen wir die Tücher ab, und setzten uns wieder
in den Kreis.
Die merkwürdigen Masken wurden besprochen, habe nie vorher
so etwas gesehen.
Meine Maske sah so aus wie ein Gesicht, Augen und Nase sowie
Mund waren getroffen aber in einer unheimlichen Form, da das
Tuch, was um das Gesicht gebunden war, nun ja breit da lag,
eben wie ein Maske! Andere hatten das ganze Tuch mit Farbe verschmiert,
was noch unheimlicher aussah…
So fanden wir den ersten Kontakt zu der Farbe mit den bloßen
Fingern. Danach erklärte die Künstlerin uns, was sie
eigentlich macht.
Es geht hierbei nicht um das Abmalen eines Gegenstandes, einer
Landschaft oder eines Menschen, was sie ohne Zweifel beherrscht,
sondern eine weitere Form der Gestaltung, von ihr erdacht. Für
ihr Projekt braucht sie diese großen durchsichtigen feinen
Leinwände, durch die man durchsehen kann. Dahinter befindet
sich ein Mensch, vorzugsweise ein Tänzer, in irgendeiner
Position, den sie nach seinen Fähigkeiten, seiner Ausdrucksform
emphatisch versucht, durch Farbe auf die Leinwand zu bringen.
Seine Bewegungen, seine innere Kraft, seine Performance, seine
Gedanken und Wünsche, eben seine Individualität, die
sie vorher in langen Gesprächen mit ihm erforscht, die
Stimmung wird durch Farben belegt! Sie bringt im raschen Wechselspiel
zwischen ihrer wechselnden Farbenkombination und seinen Bewegung
hinter der Leinwand, durch die sie hindurch sehen kann, den
Verlauf seiner Bewegungen auf dieselbe. Bei der Vorführung
wird eine entsprechende klassische Musik untermalend abgespielt.
Wenn sich das ganze auf einer Bühne in einem Kirchenschiff
abspielt, wird das ganze ebenfalls mit entsprechender Musik
bereichert. Am Schluss der Vorführung nimmt der Künstler
hinter der Leinwand ein kleines Messer, schlitzt die Leinwand
auf und schlüpft durch sie hindurch der Künstlerin
die Hand gebend, bekommt auch er noch Farbe ab und ist erst
dann zu sehen, auftauchend aus seinem eigenen Bild.
Wir bekamen jeder für die drei Tage zwei Leinwände.
Zu beginn mussten wir uns erst mal eine Partnerin aussuchen,
mit der wir arbeiten würden. Danach war unsere Aufgabe,
uns drei bis vier Farbflaschen auszusuchen, Eimer, Pinsel sowie
Papier als Unterlage um unseren Schaffenskreis herum.
Dann war unsere erste Übung mit bloßer Hand, mit
Farbe etwas auf die Leinwand zu bringen intuitiv. Der andere
stand hinter derselben Leinwand und musste diese Spuren von
der anderen Seite ergänzen. Ein seltsames faszinierendes
Gebilde entstand. Ein neues Gefühl, die Farbe mit den Händen
auf der Leinwand zu verstreichen.
Der 1. Tag geht dem Ende zu, erschöpft und müde stellen
wir unsere Sachen beiseite. Wir sind begeistert und voller Freude
über die neuen Erfahrungen.
Nun haben wir Hunger, notdürftig versuchen wir, die Farbe,
von den Händen und Armen zu bekommen, was jedoch nicht
hinhaut, Unsere Kleidung hatte logischerweise jede Menge abbekommen.
Die Künstlerin fragt, ob wir noch gemeinsam irgendwo essen
gehen wollen zum Ausklang des harmonischen Tages. Einige schlagen
den Chinesen um die Ecke, den *Kaiserhof* vor, alle sind einverstanden.
Im Lokal haben wir eine große Ecke mit einem runden Tisch
erwischt und bestellen uns – nun doch müde in den
Beinen vom langen Stehen – jeder eine kleine Köstlichkeit.
Wir trinken uns zu, eine überaus harmonische Gruppe. Wir
erzählen uns voneinander und ich kann mich nicht erinnern,
jemals so frei und vergnüglich irgendwo gegessen und diniert
zu haben, dazu noch mit Farben verschmierten Unterarmen und
Händen, Farbtupfern an Haaren und Kleidung sowie ungekämmt
und ungeschminkt. Es war mir zum ersten Mal im Leben egal, ob
und was die anderen Gäste im Lokal dachten, es zählten
nur wir – der Kreis und die Künstlerin – sonst
nichts!
2. Tag des Seminars
Schon früh sind wir wieder an Ort und Stelle. Die Hauptaufgabe
erwartet uns nun.
Jeder soll in den nächsten beiden Tagen den anderen auf
seine Leinwand verbannen mit den von ihm dazu ausgesuchten Farben.
Der Partner steht oder hockt, sitzt oder liegt dicht hinter
der Leinwand und der andere muss gemäß seiner Meinung
nach herausfinden, mit welche Form, Struktur und Farbe er den
anderen darstellen will, den er nun durch den vorigen Tag kennen
gelernt hat. Auch hier geht es wiederum nicht um das Äußere
des anderen, sondern um Empathie, darum - das Wesen des anderen
versuchen zu erfassen.
Ich lasse meiner Partnerin den Vortritt, die Ehefrau des Direktors
der Stadt-Akademie im *Haus der Kirche in der Düsseldorfer
Altstadt, von wo die Kurse und Seminare ausgingen und die Künstler
engagiert wurden.
Aber auch an diesem Tag brauchten die Beine eine Pause und der
Hunger stellte sich auch wieder ein. Wir hatten verabredet,
gemeinsam etwas zu kochen. Das war eine Freude, jeder brachte
etwas mit, es wurde eine feine Weinlauchsuppe zubereitet, selbstgebackenes
Brot gereicht, ein leichter Weiswein, Kaffee und Nachtisch für
den müden Geist und wir speisten inmitten der großen
Leinwände. Wir rückten dabei innerlich wiederum ein
Stückchen näher, was gut für unsere gemeinsame,
kreative Arbeit war.
Meiner Teilnehmerin wurde es später schlecht und so kam
es, dass ich nun keinen Partner zum malen hatte. Ich erschrak,
sollte der Kurs für mich schlecht enden?
Doch Rettung war sofort in Sicht. Die Künstlerin selbst
bot sich nun als meine Partnerin an. Nun hatte ich mein Modell.
Strahlend ging ich an die Arbeit, Wir lächelten uns beide
an. Mit der Künstlerin hinter der Leinwand war meine gesamte
innere Kreativität geweckt. Wen könnte ich besser
in Form und Farbe ausdrücken, als sie?! Dicht an das Leinen
geschmiegt, stand sie still da und ich legte los, gab ihr Farbe,
Form und Schwung, Energie in Farbe und Form. So wie es mir einfiel.
Es machte mir große Freude durch sie zu experimentieren!
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Dann setzte ich die Künstlerin auf die
andere Seite des Bildes und ich malte sie konturengenau mit
den Fingern ruhend nun in zartem Hellbau ab. Das Bild konnte
so von beiden Seiten betrachtet werden. Die leuchtenden Farben
schienen stark durch und man konnte jeweils wählen, welche
Seite man in den Vordergrund stellen will.
Toll wäre gewesen, ich hätte ein großes Atelier,
wo ich es als Paravant aufstellen könnte.
Es wurde spät an diesem Abend und wir waren sehr erschöpft
Anschließend setzten wir uns in den Kreis und die von
uns erstellten und Kunstwerke wurden besprochen. Herrlich, was
die Paare alles dargestellt hatten. Deutlich sah man natürlich
die Handschrift derer, die Maler oder Designer waren. Aber keine
Leinwand musste sich vor der anderen verstecken. Besonders gut
war gelungen die Leinwand einer Malerin aus Australien, die
am ersten Tage das Vergnügen hatte, Barbara zu malen.
Zum Schluss meinte die Künstlerin, ob sich einige über
Nacht eine kleine Performance einfallen lassen wollten und diese
am letzten Tage mit ihrer Partnerin vorführen wollen. Natürlich
frei nach unseren Gedanken und Wünschen!
Sofort willigte ich ein, noch nicht ahnend, was dabei rauskommen
würde. Die Künstlerin lächelte mir zu. Sie konnte
meine Gedanken lesen, ja – Ela war in Hochform. Rasch
formierten wir uns wieder zu Zweiergruppen für den anderen
Tag. Es musste geklärt werden, wer den Part der Malerin
übernimmt und wer die Performance hinter oder neben der
Leinwand machen sollte. Meine Partnerin Maler- und Designer
wollte malen, also blieb für mich der Part der Darstellerin.
Drei Paare hatten sich nun entschieden für den morgigen
Tag eine Idee umzusetzen.
Was soll’s, dazu verblieb ja noch die ganze Nacht!! ;-)
Endlich zu Hause angekommen unter die Dusche, die Farbe entfernen,
ein wenig essen und dann die Beine hochlegen. Bei gedämpftem
Licht saß ich da und überlegte mir, welches Thema
über Nacht darzustellen sein könne, was ich dann am
anderen Tage noch mit meiner Partnerin abstimmen musste.
Nicht lange und mir fiel eine Kassette ein, auf der eine wunderschöne
Melodie von *Deuter* drauf war, ich legte sie ein und spielte
sie ab. In Gedanken formte sich eine Figur zu der Musik. Ich
spielte die kleine Rolle in real nach, passend zum Takt und
klang der Musik immer und immer wieder, stellte mir dabei die
Leinwand vor und das, was die Malerin tun musste…Gegen
4.00 Uhr morgens war es im Kasten.
Dann hörte ich leise den Schlüssel in der Tür
und mein Sohn mit Freundin kehrten heim von einer Fete. Sogleich
mussten sie meine Generalprobe ansehen. Sie waren begeistert.
Erst dann konnte ich zu Bett gehen und schlief für einige
wenige Stunden, gedanklich noch bei der Künstlerin und
unseren Werken sowie dem morgigen Tag…Der 3. Tag des Seminars
Nun einander schon vertraut, saßen wir aufgeregt da und
besprachen den Tag.
Vor der großen Bühne waren schon die Stühle
aufgebaut.
Während einige noch ihre Bilder fertig stellten, zogen
sich die drei Paare jeder in eine andere Räumlichkeit zur
Besprechung zurück, bei der die Künstlerin jeweils
anwesend war.
Dann war ich an der Reihe, die erdachte Performance im Ansatz
vorzuführen und zu erklären.
Leise stellte ich das Kassettengerät mit der wunderbaren
Musik an, die in diesen großen Räumen schon einen
besonderen Klang hatte, das von mir beschriebene Konzept ging
auf, die Malerin wusste, was sie machen würde und die Künstlerin
war einverstanden mit der Performance, wie ich sie kurz darstellte
natürlich ohne die Leinwand…. Dann ging es los!Die
1. Performance
Die Leinwand des 1. Paares darauf wurde vor die Bühne geschoben.
Die Performance-Person war weit hinten auf der Bühne versteckt.
Die Malerin des Paares begann lustig und keck bunte Farben auf
die Leinwand zu bringen und rief die andere immer, die sich
aber nicht traute hervorzukommen. Bis sie endlich näher
robbte und langsam ihre Hand in die Leinwand legte, so begann
ein buntes Wechselspiel, in dem die Malerin die Hand erhaschen
wollte mit Farbe und jedes Mal war sie wieder weg, bis die Leinwand
ganz bunt war und die Frau aus dem Hintergrund ein Messer nahm
und das Leintuch zerschnitt und hindurch sprang…
Eine lustige Aufführung, spannend und keck dargestellt.
Unser Beifall war ehrlich, das war interessant. In der Idee
hatten wir Barbaras Art der Performance begriffen. Die 2. Performance
Wieder eine leere Leinwand vor der Bühne aufgebaut. Eine
Musik mit Wellenrauschen ertönt. Die Malerin taucht den
großen Pinsel in die Farbe und malt die Wellen blauen
Meeres.
Hinter der Leinwand liegt die andere Person auf der Erde und
schläft. Das Farbenspiel auf der Leinwand wird bunter,
im Takt der Musik und der sich dahinter aufwachenden Frau -
ein Himmel, Sonnenstrahlen und die Person hinter dem Leinen
reckt sich und steht auf. Dies wird mit der Farbe blitzschnell
nachgemalt. Die Frau geht auf die Leinwand zu und zerschneidet
sie ebenfalls und zwängt sich durch das Leinen hindurch,
im Durchschlüpfen noch bemalt von ihrer Malpartnerin.
Wieder war unser Beifall der Lohn. Inzwischen waren der Pastor
der Stadtkirche und einige Gäste auf der Empore versammelt.
Wir nahmen es nicht war, sahen nur uns und waren ganz bei der
Sache vor Eifer.
Die 3. Performance
Nun musste es auch bei mir gelingen, nicht geprobt, hoffte ich,
dass es synchron mit meiner Partnerin klappen würde. Gespannt
wartete jeder, was nun kommen würde.
Noch ehe die Musik angestellt wurde, dachte ich so bei mir,
dass die Vorführung in dem dunklen Malerdress hinter der
Leinwand kaum zu sehen sein würde und so nicht zur Wirkung
kam. Rasch entledigte ich mich meiner Kleidung und sprang in
den roten Dessous hinter die Leinwand.
Dann waren alle mucksmäuschenstill und die Musik erklang.
Eine Melodie, die mit Vogelgezwitscher und Sphärenklängen
eingeleitet wurde, langsam wie ein beginnender Morgen. Ich hockte
zusammengekauert, mit einem Bein gekrümmt nach vorn da,
aufgestützt auf mein Knie, den Kopf in den Händen
verborgen. Bei einem bestimmten Zeichen in der Musik, gleich
einem winziges Glöckchen, wurde ich geweckt und nahm langsam
den Kopf in die Höhe und schaute nach oben zum Himmel -
in Richtung Musik, meine Partnerin begann die zusammengekauerte
Figur schnell auf die Leinwand zu bringen mit den Farben rot,
goldgelb und braun, nach dem Takt der Musik….dann wurde
die Musik frischer und schneller und ich lockerte meine zusammengekauerte
Haltung auf und stand langsam auf, das war der schwierigste
Part, das auf die Beine zu kommen, ohne aufzustützen und
zu wackeln, hatte es nachts stundenlang geübt. Es gelang.
Die Malerin musste rasch die Farben wechseln und meine aufstehende
Geste nachvollziehen auf der Leinwand. In ihrer Haut wollte
ich nicht stecken. Die Musik wurde schneller, eine wunderbare
Stelle in dem Stück, die mich im Takt wiegend veranlasste,
mich rhythmisch schneller zu bewegen, dies hatte ich ebenfalls
nachts bis zum geht nicht mehr geübt, damit ich Note um
Note genau auskam mit der Musik und der Vorführung. Die
Malerin musste wieder meine Bewegung der Arme und des Körpers
auf der Leinwand festhalten, sie hatte zu tun, und das in Windeseile!
Langsam steigerte sich die Musik und mein Tanz wurde schneller,
ich zog mich Schritt für Schritt langsam seitlich aus dem
Bild, die Malerin folgte mir mit der Farbe strichweise bis zum
Rahmen der Leinwand!
Dann stand ich immer noch im Takt tanzend vor dem Bild und tanzte
meinen Part langsamer werdend zu Ende, die Malerin setzte ein
paar Schlusspunkte auf dem Bild, auch sie wusste genau, wann
die Musik zu Ende war.
Als die Musik leiser wurde und abebbte, zog ich die Hände,
die beim Tanzen nach oben gewandert waren nun langsam nach unten
links und rechts von mir und hielt am Schluss die Handinnenflächen
einladend und gebend nach oben wie ein Schale und verhaarte
mit dem letzten Ton auf der Stelle wie ein Standbild, desgleichen
erstarrte die Hand der Malerin mit dem letzten Ton…
Nach einigen Sekunden der absoluten Stille, tobte ein starker
Beifall für uns, die Künstlerin kam auf mich zu und
sagte leise, “das war toll Ela, das warst ganz Du“!
ich werde das nie vergessen – ein Erlebnis ganz eigener
Art, spontan und ohne viel Publikum, aber eine bereichernde
Erfahrung für mich, für uns alle…
Noch einige Male trafen wir uns. Beim vorletzten Male in dem
Büro der PC-Grafikerin und Designerin, wo wir um einen
großen Tisch herum beisammen saßen, eine gemeinsam
gebraute Suppe genossen und natürlich einen guten *Roten!
Die Künstlerin Barbara hatte starke Rückenschmerzen
wegen der Bandscheibe, was ich nachvollziehen konnte, weil es
mir nicht unbekannt war. Das machte sie mir noch sympathischer,
ich muss lächeln! Da wir anschließend noch ins Theater
wollten, musste Abhilfe geschaffen werden. Ich hatte eine Idee,
mein Vorschlag war, dass sie sich auf die Erde legen solle,
denn ein Sofa oder Bett war in dem großen Büro nicht
vorhanden und die Beine auf den nächsten Stuhl legen im
rechten Winkel zur Entspannung der Lendenwirbel. Gesagt, getan!
Damit sie nicht so einsam war da unten, legte ich mich zu ihr
auf die Erde unter den Tisch, wir haben uns köstlich unterhalten
und bei dem Gedränge da oben um den Tisch wurden wir nicht
vermisst, oder doch? Einen guten *Roten hatten wir mit nach
unten genommen, logisch! Uns wurde es nicht langweilig und als
es losging ins Theater, ging es Barbara vom Rücken her
wirklich besser. Lächelnd krabbelten wir unter dem Tisch
wieder hervor.
Ein weiteres 2wöchiges Seminar mit Übernachtung in
der Akademie in Gütersloh kam leider trotz Anmeldung nicht
zustande, was ich sehr bedauerte. Ich hätte von Barbara
noch vieles lernen können. Ich lege das Buch mit ihren
Werken liebevoll beiseite und wünsche ihr gedanklich *Alles
Gute*, wo immer sie jetzt ist …
Ela Steiner