Sie Kapitalist!
Die Lüge des
„ethischen“ Geldwesens:
Claus
Faber & Bernd Schuh
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Haben
Sie ein Sparbuch? Sie Kapitalist! Wir auch. Haben Sie ein Öko-Sparbuch?
Sind Sie ein „grüner“ Kapitalist? Der glaubt, daß sein Geld
für die Umwelt arbeitet? Sie Optimist. Erstens haben wir Geld noch
nie arbeiten sehen, und zweitens noch nie für die Umwelt. Wir leben
in einem Wirtschaftssystem, das auf Geld basiert. Wir haben uns ursprünglich
damit eine Krücke geschnitzt, die uns helfen sollte, das Tauschen
einfacher zu machen. Aber mittlerweile ist der Bock schon lange der Gärtner.
Holzt unsere Wälder ab und zwingt Menschen in schlechte Jobs. Bei
steigendem Wohlstand, und ungleicherer Verteilung. Mittlerweile nehmen
wir gar nicht mehr wahr, daß die einstige Krücke von damals
uns den Buckel vollhaut.
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Überall
wird verbreitet, „grünes Geld“ sei die Lösung. Finden wir nicht:
Alle Ressourcen, die in diesem System arbeiten, schädigen. „Grünes“
und „soziales“ Investment ist zwar besser als nichts, aber auch nicht mehr.
Denn niemand kann sich aus diesem Wirtschaftssystem so einfach verabschieden.
Warum? Denken Sie doch mal nach, was eigentlich Geld ist:
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Wissen
Sie, was Geld ist? Wir nicht. Geld ist, was gilt, und das ist, was die
Leute glauben, daß es ist. Also was glauben wir, was ist Geld?
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Ursprünglich
war Geld eigentlich nur ein bequemes Mittel, um Tausch zu erleichtern.
Wenn ich einen Apfel habe und einen Kuli möchte, tausche ich den Apfel
gegen einen Spielstein, und den Spielstein tausche ich dann gegen einen
Kuli. Oder einen Bleistift, oder einen Kaugummi, oder ich behalte ihn einfach
auf, bis mir einfällt, was ich möchte. Aber der Spielstein war
immer ein Gegenwert einer realen Leistung, auf die wir vertrauen. Zunächst
wurde dieses Vertrauen durch Edelmetalle aufrecht erhalten. Erst mit der
modernen Geldpolitik hat sich das abgekoppelt, und Geld ist nur mehr, was
wir glauben, daß es ist. Ein Geldschein ist nur ein Blatt Papier.
Sein Wert ist das Vertrauen in die Wirtschaftsleistung des zetteldruckenden
Landes. CyberMoney, schon wesentlich älter als das Internet.
„Blutkreislauf“
Geld?
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Was ist
das Problem? Geld wurde gemacht aus Bequemlichkeit, als „Blutkreislauf“
der Wirtschaft: Tauschmittel, Wertaufbewahrungsmittel, Recheneinheit, aber
immer gemacht als Zwischenwert. Mit Geld kann man tatsächlich Äpfel
und Birnen zusammenzählen. Die ursprüngliche Funktion des Geldes
war, wie eine Schere auf- und zuzugehen: Eine Leistung wird erbracht, und
als Gegenleistung erhält einer der beiden eine Art Bestätigung
über eine „offene Transaktion“, also ein Leistungs-Guthaben, das er
auch bei jemand anderem einlösen kann. Geld wird also durch offene
Transaktionen gemacht. Wenn der Spielstein rundherum gegangen ist, und
der erste hat ihn wieder in der Hand (gegen eine Gegenleistung, die er
am Anfang nicht erbracht hat), geht die Schere wieder zu, und das Geld
ist wieder vernichtet.
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Aber
unser Geld ist schon längst mehr als das. Geld selbst ist zu einer
Ware geworden, wie Äpfel selbst. Also fangen die Menschen an, nicht
nur mit Äpfeln zu handeln, sondern auch mit offenen Transaktionen.
Damit ist Geld knapp. Nicht im Sinn von Äpfeln. Aber es gibt Menschen,
die mehr davon haben, und mehr Menschen, die weniger haben, als sie möchten.
Zusätzlich gibt es eine Zentralbank, die wacht, daß nicht zuviel
davon herumfliegt. Und damit hat „überflüssiges“ Geld seinen
Preis: den Zins. Dabei ist die Entstehung von Zins ganz banal:
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Stellen
Sie sich vor, Sie haben mehr Geld, als Sie brauchen, und könnten nichts
damit anfangen: Sie würden glatt aufhören zu arbeiten. Was in
verschiedenen Kulturkreisen zu verschiedenen Zeiten immer wieder der Fall
war und ist. Beispielsweise ging im Spätmittelalter das Verlagsystem
zugrunde, weil die Familien zu arbeiten aufhörten, wenn es ihnen reichte.
Aber da kamen findige Leute auf eine Idee: Sie könnten das Geld doch
denen geben, die es brauchen. Dazu müssen Sie es ja noch nicht hergeben,
verleihen wäre ja genug. Aber Sie wären ja blöd, wenn Sie
das gratis täten, immerhin ist ja jemand anderer darauf angewiesen.
Also verlangen Sie Zinsen und haben Geld zur Ware gemacht: Dabei ist es
egal, mit welcher Rechtfertigung Sie das tun: Als Verzicht auf Liquidität,
als Risikoabgeltung oder als Ersatz für möglichen Ertrag. Sie
können es einfach tun.
Für unerwünschte
Nebenwirkungen, fragen Sie Ihren Berater oder Politiker?
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Das Verleihen
von „ungebrauchtem“ Geld hat erst die ganze Spirale in Gang gesetzt, die
unseren namenlosen Wohlstand, unsere Videorecorder und Kondome ermöglicht
hat. Wenn die Leute ihr ungebrauchtes Geld einfach herumliegen ließen,
würde sich nie etwas ändern.
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Aber
der große Wohlstand ist nur die Kopfseite der Münze. Die Zahl
erinnert sehr ans „Zahlen“:
1. Die Zinseszinsfalle
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Wenn Menschen
Geld verborgen und dafür Zinsen bekommen, bleibt ihnen am Schluß
immer mehr. Wir nennen das dann „Kapitalakkumulation“. Was noch nicht das
Problem wäre: Das Problem ist, daß „einer zunehmend verschämten
Armut ein zunehmend unverschämter Reichtum gegenübersteht“. Geld
verschiebt sich: Einerseits wächst der Reichtum der Privathaushalte
durch Schulden der Wirtschaft und des Staates. Dabei ist problematisch,
daß nicht jene verdienen, die Werte schaffen, sondern jene, die Geld
besitzen. Es wird also zu den falschen verschoben: Die Hälfte der
deutschen Privathaushalte besitzt 96% des Privatvermögens des Landes.
Die andere Hälfte geht leer aus. (Statistisches Bundesamt der BRD,
1983) Von dieser reichen Hälfte haben wiederum 10% den Großteil
des Vermögens, und so weiter. Immer weniger Menschen sind immer größere
Gläubiger, und immer mehr andere Menschen werden immer größere
Schuldner.
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Das
Problem ist diesmal ausnahmsweise nicht, daß einige wenige Leute
sehr reich sind, sondern daß sie das ihnen zuströmende Einkommen
beim besten Willen nicht ausgeben können. Sie veranlagen es also und
bekommen noch mehr Zinsen, mit denen sie wieder nichts anzufangen wissen,
als es zu veranlagen und Zinsen zu kassieren. Sie bekommen immer mehr,
die anderen immer weniger. In Summe wachsen die Kapitaleinkommen stärker
als die Einkommen aus Arbeit.
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Die
„Armen“ gegen die „Reichen“? Wer ist arm, nur der, der hungert und friert?
„Arm“ in diesem (relativen) Sinne sind alle, die mehr in dieses System
einzahlen, als sie bekommen: Mit jeder Wurstsemmel zahlen Sie Zinsen, und
auf Ihr Sparbuch kriegen sie welche. Aber erst wenn Sie mehr als zwei Millionen
Schilling (Berechnet in Creutz, 1995) auf der hohen Kante haben, sind Sie
auf der Netto-Gewinnerseite. Haben Sie zwei Millionen? Nein? Dann sind
sie so arm wie wir.
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Dieselbe
Armutsfalle schnappt auch international zu: 20% der Nationen (wir auch)
besitzen 82% des Weltvermögens. Die 80% armen Nationen lassen ihre
eigene Bevölkerung hungern, um die Zinsen zahlen zu können. Oder
sie schneiden den Regenwald um, was uns gleich zum zweiten Punkt führt:
2. Die Ressourcenfalle
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Unsere
Wirtschaft funktioniert über Preise. Wer etwas nimmt, was vorher keinen
Preis hatte (oder einen niedrigen), und hoch verkauft, hat „Wert geschaffen“.
Daß ein Stück natürliche Ressourcen fehlt, fällt niemandem
auf (bis keine mehr da sind). Aber wir beuten nicht nur natürliche
Ressourcen aus, sondern auch soziale: Das Drängen in die Erwerbsarbeit,
um das Kindermädchen oder die Hauskrankenpflege für die Oma zu
bezahlen, wird durch den Selbstbetrug der grenzenlosen persönlichen
Freiheit versüßt. In Wirklichkeit liquidiert man damit die sozialen
Ressourcen „Familienbande“, „persönliche Nähe“ und „familiäre
Anteilnahme“.
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3. Das Pusten
in die Geldblase
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Dieser
Basis-Zusammenhang des Geldverleihens führt noch zu einem weiteren
Problem: Der Abstand zwischen Gütern und Geld wird immer größer.
War der Tauschvorgang Güter-Geld-Güter ursprünglich ein
ursächlicher, ist die Geld-Geld-Geld-Kette mittlerweile sehr lange
geworden, bis sich wieder einmal ein „Gut“ darin verirrt. Praktisches Beispiel:
Auf den internationalen Finanzmärkten wird mittlerweile zu 97% spekuliert,
also Geld gegen Geld gewettet, und nur mehr 3% wird gehandelt, um reale
Gütertransaktionen abzuschließen (Bernard Lietaer, Ex-Notenbankchef
von Belgien und jetzt im Center for Sustainable Resources, UCA Berkeley).
Ein gesamtes Umschlagvolumen, das etwa dreißigmal das BSP aller Industriestaaten
umwälzt. Eine gigantische Geldblase geht hier auf, die mit Gütern
schon lange nichts mehr zu tun hat.
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Auf
den Punkt gebracht: Wir haben ein Problem mit Geld: Es ruiniert uns mittlerweile
mehr, als es uns nützt. Wer am Geldkreislauf teilnimmt, nimmt Teil
am Ruin. Geld hat kein Mascherl.
„Grünes“ Geld?
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Und nun
kommen Menschen auf die Idee und machen „grünes Geld“. Fonds, die
in umweltschonende Betriebe veranlagen, und daraus sogar noch Zinsen ausschütten
können: „Durch diesen Vorgang reingewaschen, wird es erst zum alternativen
Geld, weil es aus alternativen Quellen rückfließt“ (Peter Reithofer)
Eine höchst saubere Angelegenheit? Mitnichten. Einerseits etwas grundsätzliches:
Wer mit umweltschonenden Einsatzmöglichkeiten Geld verdient, ist in
erster Linie einmal ein guter Betriebswirt. Daß er sich nur „umweltfreundliche“
Betriebe aussucht, kann viele Gründe haben. Jede Bank veranlagt natürlich
auch in umweltschonende Betriebe, wenn sie Rendite bringen. Sie erfinden
dafür einen „grünen Fonds“ für Anleger mit Gewissen. Automatisch
ethisch sauber ist das noch nicht. Andererseits: Wie sauber ist sein Geld
wirklich, und das Geldsystem, mit dem er es verdient? Aber versuchen wir,
die zwei Hauptargumente für „grünes Geld“ auseinanderzuhalten:
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Die Gelder
sind in Betrieben investiert, die zumindest nicht mit Umweltschädigung
ihr Geschäft machen. Zugestanden. Eine Aktie der Hackschnitzelanlage
Großklein ist besser als eine von Sandoz. Das kritisieren wir auch
nicht.
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Das
Geld (weiter oben zitiert) verursacht nicht die Schäden, die
es sonst im Geldsystem verursachen würde. Eindeutig daneben: Auch
„grünes Geld“ nimmt teil am allgemeinen Ringelreihen um mehr Wachstum,
das Natur und soziale Ressourcen auszehrt Die gesellschaftliche Konvention,
für „nicht verfügbare Liquidität“ (ein gegebenes Darlehen)
Zins verlangen zu dürfen, erzwingt ein Anwachsen der Schulden- und
Schuldnerberge. Wer sein Geld verwendet, wozu auch immer, spielt mit. Er
sorgt damit vielleicht dafür, daß ein wenig weniger Schaden
angerichtet wird, „reingewaschen“ ist bestenfalls das schlechte Gewissen
der Anleger, die endlich wieder auf ihrem Geld schlafen können, und
dabei sogar noch Geld verdienen. Mit diesem Gewissen Geschäfte zu
machen, ist schon überhaupt höchst anrüchig.
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Das gilt
auch für das Argument, daß auf Zins ganz oder zum Teil verzichtet
wird. Nur wenn alle Menschen auf Zins verzichten, profitiert die Gesamtheit.
Ein Teil nobler Verzichtender fällt dem „Dummer-Bauer-Syndrom“ zum
Opfer, andere verdienen daran. Obendrein zeigt die Praxis, daß selbst
in radikalsten Ökobanken (z.B.: GLS Bochum) nur eine Minderheit ihren
Zins verschenkt.
Und sozial auch
noch?
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Seit kurzem
ist das „grüne Geld“ nicht mehr alleine mit dem Selbstklebe-Etikett
„ethisch“. Nun taucht in der Diskussion auch der Ruf nach sozialen Kriterien
in der Geldanlage auf. Und damit wird es nun vollends kompliziert: Beim
„grünen Geld“ läßt sich der Schein noch aufrechterhalten,
denn Geld hat kein Mascherl, und was wissen wir schon, was mit unserem
Geld weiter passiert, wenn es mal das grüne Unternehmen verlassen
hat. Beim „sozialen Geld“ wird es unmöglich den Schein, etwas ethisches,
sozial gerechtes mit dem Geld zu bewirken, aufrecht zu erhalten: Ich borge
einem Betrieb Geld, auf daß dort Menschen für mich arbeiten
und mir einen Teil des Erarbeiteten schenken. Das ist ethisch? Das ist
Realität. Ethisch ist es nicht. Es ist auch nicht „ethisch“, wenn
man das Verhältnis des Aufteilens ändert, und ich „etwas weniger“
nehme. Noch immer habe ich ein Einkommen, für das nicht ich arbeite,
sondern andere. Mein Geld steckt in Projekten, das leidenden Menschen helfen
soll. Und ich verdiene Geld damit, daß ich mit ihnen nicht ganz so
schlimm umgehe wie die anderen. Hier wäscht jemand nicht sein Geld
rein, sondern seine Hände.
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Verstehen
Sie uns nicht falsch: Das ist ein moralisches Argument. Ein Argument, das
lautet „ist es vertretbar, daß andere für mich arbeiten, ohne
daß ich einen Finger rühre“? Wir glauben einfach nicht. Hier
gilt gleiches wie für „grünes Geld“: Natürlich ist es besser,
Geld in Sozialprojekte zu stecken als in die Hirtenberger. Aber Geld bekommen
ohne Arbeit ist nicht ethisch. Oder sind wir schon so weit, daß wir
arbeitsloses Einkommen soweit anerkannt haben, daß es sauber geworden
ist? Jeder Sozialschmarotzer wird dafür öffentlich geprügelt.
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Dennoch
haben beide Ströme („grünes“ und „soziales“ Geld) eine beachtliche
pragmatische Überzeugungswirkung, und die wollen wir nicht negieren.
In Umweltschonung veranlagtes Geld schädigt weniger als sonst. Und
„sozial“ veranlagtes Geld kann in einigen Nischen bessere Arbeitsplätze
erhalten oder schaffen. Die Projekte kann man besichtigen, die Luft riechen,
die freundlichen Gesichter der Menschen sehen und sich mit ihnen mitfreuen.
Das ist wichtig, denn damit entsteht ein neuer Bezug zur Realität.
Das ist wichtiger als alles Geld, das dort hineinfließt. Damit entstehen
Beziehungen zwischen Menschen.
Am System, unter
dem wir leiden, ändert es gar nichts.
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Wir wollen
nicht gegen „grünes“ und „soziales“ Geld wettern und dafür werben,
es lieber in eine Chlorbleiche zu stecken. Uns geht es um zweierlei: Einerseits
ist es Klarheit: Wir unterstützen ein System, das unsere Lebensgrundlagen
zerstört. „Grünes Geld“ ist nicht so sauber, wie viele sagen.
Andererseits ist es Ehrlichkeit: Geld ohne Arbeit ist alles mögliche,
aber nicht „ethisch“. Finden wir zumindest. Denn auch das vielbenützte
Argument „ich habe dafür ja lange arbeiten müssen“ ist kein gutes:
wieso darf ich andere ausbeuten, dafür daß ich selbst lange
Jahre ausgebeutet wurde. Hören wir am Grab es Wortes „nachhaltige
Entwicklung“ auf, daß uns die nächsten Begriffe verloren gehen.
Das wirkt kontraproduktiv: Die Menschen sind wieder zufrieden und satt
und leben wieder gerne in dem System, unter dem die meisten Menschen dieses
Globus leiden. Damit ist das Potential, etwas zu verändern, wieder
ein Stück geringer geworden. Mit einer neuen Brille auf der Nase sieht
es sich wieder zwanglos in die sengende Sonne, mit einem grünen und
einem sozialen Glas drin.
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Darüber
hinaus erschwert es jenen das Leben, die wirkliche Alternativen zum bestehenden
Geldsystem entwickeln wollen: LETS, lokale Währungen und so weiter.
Sie, die Sie in „grünes“ oder „soziales“ Geld investieren, gehören
ohnehin nicht zu den Menschen, die mit Wonne in ihrem goldenen Käfig
singen, wie gut es uns doch allen geht. Aber wir alle könnten den
Mut haben, zuzugeben, daß wir mit drinsitzen, wenn wir schon wenigstens
nicht mitsingen.
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