Karl Henrik Robèrt ist einer der führenden schwedischen Krebsforscher und Begründer der Umweltinitiative. "The Natural Step" (TNS). Die 1989 ins Leben gerufene Initiative, die weltweit auf große Anerkennung gestoßen ist, setzt sich für nachhaltiges Wirtschaften ein. Mit Karl Henrik Robert unterhielten sich Martina und Johannes Hartkemeyer.
Hartkemeyer: Herr Robert, was ist die Grundlage Ihres Konsensprozesses?
Robert: Unsere Grundlage ist die Zelle, die kleinste Einheit des Organismus, die schleichend vergiftet wird. Von dieser Vergiftung sind alle betroffen. Also sollten wir in der Lage sein, einen menschlichen Konsens in den entscheidenden Zukunftsfragen herzustellen.
Hartkemeyer: Mit Ihrer Methode sind Sie bei vielen gesellschaftlichen Gruppen auf Anerkennung gestqaen, bei Greenpeace, den Gewerkschaften, dem Bauernverband bis hin zur Industrie. Was will TNS?
Robert: Wir Menschen verhalten uns wie Affen in einem sterbenden Baum. Wir palavern über die verfärbten Blätter, statt uns dem Hauptproblem im Stamm und den Wurzeln zu widmen. Konkret: Wir sollten uns fragen, wie wir eine Kultur schaffen, die den Übergang von einer linear-industriellen zu einer nachhaltigen, zukunftsfähigen Gesellschaft hinbekommen. Die Wirtschaft braucht dazu eine Vision, denn wahrscheinlich hat nur sie die Kraft, auf solch eine Zukunft hinzuwirken. Unser Konsens basiert wissenschaftlich auf den Gesetzen der Thermodynamik: 1. Materie und Energie können nicht verschwinden. 2. Materie und Energie haben die Tendenz sich auszubreiten. 3. Die Qualität der Erde ist ausschließlich das Ergebnis des sonnengetriebenen Prozesses. Das heißt, wenn wir die Qualität verbessern wollen, geht es nur, indem Energie von außen zugeführt wird. Und 4. Die Qualität der Materie ist begründet in der Konzentration und Struktur. Das heißt, wenn wir einen Tropfen Tinte und ein Glas Wasser haben, sind beide für unterschiedliche Zwecke nützlich. Wenn ich die Tinte aber in das Wasser kippe, ist das Ergebnis Abfall. Ich kann die Tinte nicht mehr herausfiltern.
Hartkemeyer: Die Gesellschaft freilich verhält sich nicht nach diesen Prinzipien. In das Bruttosozialprodukt geht die Zerstörung der natürlichen Grundlagen als positive Leistung ein, und Ökosteuern auffossile Energien sind immer noch nicht realisiert.
Robert: Das ist die Politik von Interessensverbänden. Gruppen sind häufig dümmer als Individuen, weil sie nicht gelernt haben, kreativ zusammenzuarbeiten. Für unsere Frage müssen wir nur die richtige Perspektive wählen, die Vogelperspektive. Jeder ist Bestandteil der Stoffketten. Und wir alle konsumieren Qualitäten, die von der Natur stammen.
Hartkemeyer: Aber unsere Wirtschaft scheint bezogen auf die gesamte Menschheit ineffektiv zu sein.
Robert: Wir müssen erkennen, daß wir kein Umweltproblem haben, sondern ein soziales Problem, ein fundamentales Designproblem. Die Firma Elektrolux, die an TNS beteiligt ist, erklärt natürlich, daß sie keine Einrichtung sei, um die Welt zu schützen, sondern sie ist da, um mit Service am Menschen Geld zu verdienen. Viele kluge junge Menschen wollen aber heute nicht mehr so gern in einem Unternehmen arbeiten, das den Ruf hat, umweltschädigend zu sein. Naturlich ist es für die Unternehmen heute nicht einfach, an der Spitze zu stehen. Aber zur richtigen Zeit das Richtige zu tun, das System zu verstehen, ist Voraussetzung, den Konkurrenten davonzusegeln. Wir tun alles, um dieses Systemwissen zu verbreiten und dadurch den Markt für intelligente Produkte zu erweitern.
Hartkemeyer: Wie sieht die Zukunft für TNS aus?
Robert: Meine Überzeugung ist, daß gute Beispiele ihre eigene Kraft haben. Es ist auch gut, wenn Menschen in Unternehmen spüren, wie ihre fachliche Arbeit mit Umweltzielen zusammengebracht werden kann und wenigstens systemische Fehler erkannt werden. Immer mehr Länder fragen nach den schwedischen Erfahrungen.
An diesem Wochenende stellt Robert auf der Tagung "Modernisierung der Umweltpolitik in Europn -- findet Schweden den Königsweg? sein Konzept in der Evangelischen Akademie Loccum vor. Mit dabei sind unter anderen Ernst Ulrich von Weizsäcker, Klaus Töpfer und Monika Griefhahn. Information: Telephon: 0 57 66-8 11 05.
1. Substanzen, die der Erde entnommen werden, dürfen nicht zur Verschmutzung und Anreicherung in der organischen Natur führen. Das heißt, daß fossile Rohstoffe nicht im größeren Umfang entnommen werden dürfen, als sie sich im geosphärischen Kreislauf rückbilden können.
2. Substanzen, die von der Gesellschaft künstlich produziert werden, dürfen in der natürlichen Umwelt nicht angereichert werden. Das heißt, daß es für eine zukunftsfähige Gesellschft nowendig ist, die Freisetzung von Stoffen innerhalb ihrer Abbauwerte zu halten.
3. Die natürliche Basis für die Produktivität und die natürliche Vielfalt darf nicht systematisch verringert werden. Das heißt, daß der Natur nur soviel entnommen werden darf, wie auch nachwachsen kann.
4. Energie und andere Ressourcen müssen effizient genutzt werden.
Sueddeutsche Zeitung 22/23 November 1997 Seite V1/1