Berggeister gibt es nicht

Glaubt Ihr an Kobolde, Elfen, Trolle oder Berggeister? Ja? Oder gehört Ihr zu denjenigen, die dies alles in dem Bereich der überstrapazierten Fantasie gewisser Spinner zuschreibt?

Nun will ich euch die Geschichte eines Menschen erzählen, nennen wir ihn einfach Stephan Winter, der auch nicht an solche Fabelwesen glaubte, und doch eine recht seltsame Begegnung mit dem Übernatürlichen hatte.

Wollen wir ihn uns einmal vorstellen. Ein Geschäftsmann wie er im Buche steht. Seine Branche, Ferienhotels und Ski-Pisten.

Sein Motto: „Mit Geld erreicht man alles, ohne Geld ist man nichts“

Äußerlich charmant, gediegen, doch durch und durch ein aalglatter Windhund.

Fangen wir unsere Geschichte an. Sie beginnt auf der Kampenwand in Oberbayern. Beim Berggasthof am unteren Kreuz, nahe der Seilbahn, die nach unten in das kleine Feriendorf Aschau führt. Stephan Winter ist gerade aus dem Berggasthof gekommen, nach dem er ein unbefriedigendes Gespräch mit den Besitzern über den Verkauf der Hofes geführt hatte.

In seinen Träumen malte er sich hier ein neues riesiges Ferienhotel aus, mit Sauna und Sonnenstudio. Etwas für die Reichen, für die Vornehmen.

Die Kampenwand eignete sich dazu hervorragend, da der eigentliche Gipfel, zu dem man nur über einen Zugang hochsteigen kann, auch für nicht Bergsteiger erreichbar ist.

So das sich jeder rühmen kann, einmal auf dem Gipfel eines Berges gewesen zu sein.

Doch es gab Schwierigkeiten; die Bauern und Bergleute waren nicht einverstanden, schon gar nicht als Stephan erwähnte, dass die Kühe, die hier ihre Weideflächen besaßen, natürlich nicht bleiben könnten.

Schließlich, wer wollte schon überall Kuhfladen herumliegen sehen?

Nun war Stephan verdrießlich, die Bauern sagten nein, deshalb war auch der derzeitige Besitzer des Gasthofes zur Kampenwand nicht zu einem Verkauf bereit.

Als er den Hof verließ, bemerkte er einen kleinen rotznasigen Jungen mit den hier so typisch bayrischen Lederhosen bekleidet, der mit einem Stab in der Hand und einem Rucksack auf dem Rücken, auf einem Felsen stand und ihn hämisch angrinste.

„Was grinst du so?“ fragte Stephan, doch der Junge antwortete ihm nicht, sondern grinste ihn nur weiter

mit diesem unverschämten Gesichtsausdruck an. Stephan beschloss ihn zu ignorieren.

Da er schon vorher geplant hatte, auf den Gipfel hinauf zu steigen, würde er dieses, trotz vorläufiger Niederlage auch tun.

Also begab er sich zum einzigen Einstieg, über ein sogenanntes Geröllfeld, in die wand. Als er sich noch einmal herumdrehte bemerkte er den Jungen ein paar Meter weiter unten, wieder auf einem Felsen stehend, er schien ihm zu zuwinken.

Wahrscheinlich war es einer der Bauernlümmel, der von seinem Vater beauftragt wurde, ihn etwas zu ärgern. Doch Stephan würde sich nicht ärgern lassen, dass beschloss er zumindest.

Er machte sich an den Anstieg.

Als er oben angekommen war, schaute er voll Freude zum Gipfelkreuz hin, allerdings verschwand seine Euphorie so schnell wie sie gekommen war, den direkt neben dem Kreuz saß der Junge von unten am Boden, und schaute ihn wieder mit diesem unverschämten Grinsen an.

Das konnte nicht sein es gab nur einen Weg hier rauf, den, den Stephan gekommen war.

Ihm viel nur eine mögliche Lösung ein. Er sprach den Jungen an: „Sehr witzig, was du und dein Zwillingsbruder euch da einfallen habt lassen, wirklich sehr witzig.“

Der Junge lachte meckernd, sprang auf und hüpfte ihm entgegen.

„Du irrst mein Freund, ich habe keine Brüder, oder viele wenn du so willst.“ der Junge verbeugte sich frech vor Stephan „Ich heiße Lucifer * , willkommen in meinem Reich“

„was geht hier vor sich? Was ist das wieder für eine blöde Show“ Stephan wurde leicht ärgerlich, er mochte Kinder nicht sonderlich, schon gar nicht, wenn sie so frech waren. Der  Junge tanzte um ihn herum und sang:

„Es ist kein Kobold, kein Zwerg und auch kein Wicht,

Es ist nur Lucifer, der Berggeist, der mit dir spricht.“

Für Stephan war es klar, er sollte hier auf den Arm genommen werden. „Berggeister gibt es nicht, und jetzt hör auf mit dem Unsinn“

Der Junge blieb vor ihm stehen, in seinen Augen ein böses Funkeln. Plötzlich verschwand er. Er ging nicht etwa fort, nein er löste sich vor Stephans Augen einfach in Luft auf. Verblüfft schaute er sich um. Von irgendwoher traf ihn ein Stein an der Schulter. Ein gehässiges Lachen, das von überall her zu kommen schien folgte.

Stephan dämmerte nun das hier etwas nicht mit rechten Dingen zuging. Der nächste Stein verfehlte ihn knapp. „Berggeister gibt es nicht!“ sprach eine Stimme aus dem nirgendwo, die nichts mehr mit der Stimme des rotznasigen Jungen zu tun hatte. Diese Stimme klang rau, fast heiser und gefährlich. Ein weiterer Stein, wieder begleitet mit diesem Lachen, traf Stephan am Knie. Er krümmte sich vor Schmerzen zusammen. „Was willst du?“ rief er. Doch nur das Lachen des unsichtbaren Berggeistes ertönte. Und wieder kam ein Stein geflogen, der ihn am Handgelenk traf.

Dann erschien vor Stephan eine riesige leuchtende Gestalt, deren Konturen immer wieder zu verschwimmen schienen. Nur die Augen, diese furchtbar roten Augen, blieben an Ort und Stelle und schauten ihn bösartig an.

„Sieh her, geldgieriger Umweltzerstörer!“ erklang die Stimme.

In der leuchtenden Gestalt begannen sich Bilder zu formen, Bilder von abgeholzten Bergwäldern, Schlammlawinen, die ganze Dörfer überfluteten, Geröllwüsten, sterbende Tiere und kranke Bäume. Ein Bild nach dem anderen, von der Zerstörung der Bergwelt und deren Folgen, prasselte auf ihn ein.

„Höre,“ sagte die grausame Stimme „wohin du auch gehst,  was du auch tust, ich werde immer in deiner Nähe sein, und wehe dir.......!“

Ein letzter Stein traf Stephan am Kopf und er versank in Bewusstlosigkeit.

Als er wieder aufwachte, lag er unterhalb des Einstieges zur Wand, im Geröllfeld. Zwei Männer, in der Uniform der Bergwacht, beugten sich über ihn.

„Bleiben Sie noch einen Augenblick liegen, Ihnen ist nichts passiert, Sie sind nur auf einem Nassen Stein ausgerutscht und haben sich den Kopf etwas angeschlagen.“ sagte der eine, der andere fühlte seinen Puls und meinte: „So etwas passiert hier oft, vor allem wenn es am Tag zuvor geregnet hat, da sind die Steine oft noch feucht.“

Die Erleichterung viel wie ein Felsblock von seinem Herzen, er hatte dies alles nur geträumt. Die Bergwacht brachte ihn vom Berg herunter und in sein Hotel nach Aschau. Er verabschiedete sich herzlich von den Männern, die ihm geholfen hatten.

Als er noch ein mal aus dem Fenster auf die Straße runter schaute, sah er einen kleinen rotznasigen Jungen, in den hier so typischen Lederhosen, der zu ihm herauf sah, ihn hämisch angrinste und winkte.


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