Lonza Chemie vor dem 1. WK

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Produktion von Calciumcarbid in Gampel

 

Bau und Inbetriebnahme der ersten Schweizer Carbidfabrik. Dem französischen Chemiker Henri Moissan gelang in Paris 1892 erstmals die Herstellung von Calciumcarbid im elektrischen Ofen. Kurz danach bot die Firma S. Schuckert, Maschinenfabrik, Nürnberg, Schweizer Finanzkreisen ein Verfahren für die Herstellung von Carbid an. Sie erwartete als Gegenleistung Aufträge für die Maschinenlieferung beim Neubau eines Kraftwerkes am Lonza-Fluss. So begann nach der Gründung des < Elektrizitätswerks Lonza» am 27. Oktober 1897 nicht nur der Bau des Kraftwerkes Gampel 1, sondern auch der ersten Carbidfabrik in der Schweiz. Die ersten Öfen wiesen Leistungen von 300 bis 350 Pferdestärken (PS) auf. Das im Jahr 1900 in Betrieb gesetzte Kraftwerk Gampel 2 gab rasch Gelegenheit zur Erweiterung der Öfen und der Produktion.

Die Inbetriebnahme der ersten Produktionsanlage in Gampel war im Juni 1898 vorgesehen, aber verschiedene Schwierigkeiten führten zu einer Verzögerung. Schuckert war mit der Lieferung der Elektroöfen in Verzug. Im April barst in der Zentrale des Kraftwerkes ein Druckrohr. Statt mit Carbid füllten sich die Ofengruben mit Sand und Steinen. Zur Beschleunigung der Reaktion wurden Kalk und Kohle vor der Zugabe in den Elektroofen fein gemahlen. Dabei entstand in der Mahlanlage eine damals unerklärliche Staubexplosion.

Am 27. August 1898 gelang es erstmals, die Carbidöfen in Gang zu setzen. Als Signet für die ersten Lonza-Produkte wählte man den Luchs, der lange Zeit im Lötschental heimisch war. Vermutungen gehen sogar dahin, dass das Wort «Lonza» dem keltischen Wort für Luchs entspricht. Auf kaum mehr zählbaren Düngersäcken fand der Lonza-Luchs Wege bis in die hintersten Winkel der Schweiz. 1970 musste er einem moderneren Werbekonzept weichen.

­Zum Inhaltsverzeichnis

 

Anlaufschwierigkeiten und Verbesserungen des Verfahrens

 

Bereits der Probebetrieb liess erkennen, dass die erste Carbidausbeute bei weitem nicht den vertraglich vereinbarten Mengen entsprach, was der Firma S. Schuckert eine Schadenersatzklage einbrachte. Der ständig unterbrochene Blockbetrieb führte zu einer Verschleuderung des Rohmaterials und einer unwirtschaftlichen Ausnutzung der Elektrizität. Enge Verbindungen zu ausländischen Carbidwerken wie der Elektro-Bosna in Bosnien und dem Carbidwerk Hafslund in Norwegen ergaben eine wesentliche Weiterentwicklung der Ofentechnik. Bei der Elektro-Bosna hatte der Schweizer Helfenstein den elektrischen Abstich mit einer Hilfselektrode vorgeschlagen, was zu einer bedeutend wirtschaftlicheren kontinuierlichen Arbeitsweise führte. Weitere Verbesserungen brachte die Verwendung der Ofenzugaben - Kalk und Kohle - in stückiger Form. Die Verfeinerung der Ofentechnik während fünf Jahrzehnten erlaubte es, die. Carbid-Ausbeute von 3,5 kg pro Kilowatt/Tag auf 7 kg zu verdoppeln. Im gleichen Zeitraum sank der. Verbrauch an Kohle für eine Tonne Handelscarbid von 1100 auf 650 kg.

­Zum Inhaltsverzeichnis

 

 

Vom Block- zum Abstichbetrieb

 

Erhitzt man in einem feuerfesten Trog ein Gemisch von Kohle und Kalk mit Strom, der mit Graphitelektroden zugeführt wird, so entsteht bei Temperaturen von mehr als 2000 °C Calciumcarbid in geschmolzener Form. Zieht man nun die Elektroden heraus und lässt das Carbid erkalten, bildet sich.ein Block, der beim Umkippen des Troges herausfällt. Der nach 12 bis 14 Stunden erstarrte Block, 120 bis 150 kg Carbid je Einzelofen, wird aus dem kastenförmigen Trog herausgeschlagen und von Hand sortiert.

Bedeutend leistungsfähiger ist eine Anlage, in der um fix eingebaute Elektroden herum ständig Kohle und Kalk nachgefüllt und die Carbidschmelze unten flüssig abgezogen wird. Praktisch wird dazu regelmässig, normalerweise alle Stunden, mit einer < Lanze> , einer Hilfselektrode oder einem Sauerstoffstrahl, ein Loch in die Ofenbrust geschmolzen. Nach dem Abstich wird das Loch mit erstarrtem Carbid verschlossen, der Trog kann sich wieder füllen.

­Zum Inhaltsverzeichnis

 

Der verlorene Wettstreit ums Licht

 

Der ursprüngliche Einsatz des Calciumcarbids war praktisch vollständig auf die Beleuchtung ausgerichtet. Aus Carbid und Wasser entwickelt sich Acetylengas, welches mit einer glänzend weissen Flamme brennt. (Genaue Chemische Reaktion )

Sogar Fahrräder wurden zur Verbessung der Verkehrssicherheit mit Carbidlampen ausgerüstet. Eine unkontrolliert wachsende Beleuchtungsindustrie warf Acetylenlampen in grossen Mengen auf den Markt. In einem Spekulationsfieber entstanden noch vor der Jahrhundertwende Carbidfabriken ohne einwandfreie technische und finanzielle Basis: Acetylenexplosionen in tragbaren Lampen und ortsfesten Anlagen liessen Zweifel an dieser Beleuchtungstechnik aufkommen. Gleichzeitig erlebte die Elektrotechnik mit der Einführung des Wechselstroms einen grossen Aufschwung. Um 1905 war der Wettstreit zwischen Carbid- und elektrischem Licht entschieden. Nach den technischen Einfahrproblemen stand der Carbidindustrie eine erste Absatzkrise bevor.

 

Acetylengas ist ein brennbares Gas, was auch zum Schweissen verwendet wird  und sich durch eine extrem helle Flamme ausgezeichnet zum Beleuchten von Höhlen eignet (Karbidlampen weden auch Heute noch von Höhlengängern benutzt). Um das Karbidgestein nutzen zu können wird es in den Karbidentwickler gefüllt. In diesem Entwickler befinden sich zwei Kammern. In der oberen befindet sich Wasser, in der unteren das Karbid. Durch eine Regulierschraube wird der Wasserfluss zum darunter befindlichen Karbid geregelt, und somit die Gasmenge.

Das Gas wird dann über einen Schlauch zum Kopfteil geleitet. Dort befindet sich eine Keramikdüse, durch welche das Gas strömt und dabei gebündelt wird.

­Zum Inhaltsverzeichnis

 

 

Kalkstickstoff als Retter

 

Die Forschungsarbeiten der beiden deutschen Chemiker Adolf Frank (1834-1916) und Heinrich Caro (1834-1910) brachten einen neuen Aufschwung. Frank leitete den elementaren Stickstoff der Luft über glühendes Calciumcarbid. Mit dem 1899 von Frank und Caro weiterentwickelten Verfahren gelang die Herstellung von Calciumcyanamid, dem Kalkstickstoff. Dieser erste synthetisch hergestellte Dünger neutralisiert den sauren Boden und bietet der Pflanze seinen Stickstoff langsam dosiert an. Bereits 1907 wurde in Gampel die Herstellung von Kalkstickstoff in Aussicht genommen. Erst 1915 gelang die Dün­gerproduktion in technischem Massstab und damit die Eigenverwertung des Calciumcarbids in grösse­ren Mengen.

Die Düngemittelherstellung war eine sehr wichtige Einnahmequelle für die Lonza.

­Zum Inhaltsverzeichnis

 

 

Der Weg nach Visp

 

Die bescheidenen Kraftwerke in Gampel und die in den Eingang des Lötschentals eingekeilte Fabrik liessen die Grenzen der damaligen Lonza rasch erkennen. Einen Ausweg aus dieser Enge bot der breite Grund nördlich von Visp. Hier entstanden, parallel zum Kraftwerk Ackersand 1, 1907-1909 erste Anlagen für die zusätzliche Produktion von Calciumcarbid. Noch während des Baues zwangen Schwierigkeiten mit dem Carbidabsatz die Verantwortlichen, andere Wege für den Einsatz der elektrischen Energie und des Elektroofens zu suchen. Verschiedene Erfolge in der Stahl- und Maschinenindustrie führten zur Produktion von Ferrolegierungen (Ferrosilicium, Ferrochrom und Ferrowolfram) und von Hartstoffen. Ferrosilicium mit einem variablen Gehalt von 45, 75 und 90% Silicium diente als Desoxidationsmittel.

­Zum Inhaltsverzeichnis

 

Carbidboom während des Ersten Westkriegs

 

Der Erste Weltkrieg liess die Nachfrage nach Calciumcarbid und seinen Folgeprodukten sprunghaft anwachsen. Kalkstickstoff war in den kriegführenden Ländern begehrt als Basisprodukt für die Herstellung von Schiesspulver und Sprengstoff. Gleichzeitig gelang bei der Herstellung von Acetaldehyd und Essigsäure die Acetylenverwertung in industriellem Massstab. Für die Lonza stand die Essigsäure zur Erzeugung von Indigo, einem Farbstoff, im Vordergrund. Im September 1917 begann in Visp die Produktion von Calciumcarbid im Ofen I mit einer Leistung von 8000 Kilowatt (1 kW = 1,36 PS). Mit dieser Produktion konnte der Mangel an Essigsäure schlagartig behoben werden. Vom Acetaldehyd führt auch ein Reduktionsprozess zu Alkohol. Die Eidg. Alkoholverwaltung verpflichtete sich zu guten Preisen zur Übernahme einer Menge, die dem Vorkriegsbedarf der Schweiz entsprach. Die Beschaffung der notwendigen Apparate verzögerte die Inbetriebnahme bis Ende 1918. Insgesamt konnten nur 100 Tonnen Alkohol geliefert werden, danach verhinderten zu hohe Kohlepreise eine weitere Produktion.

Die internationale Nachfrage nach Carbid schnellte von 160 000 Tonnen im Jahr 1913 auf 1300 000 Tonnen bei Kriegsende. Die katastrophale Überproduktion in den ersten Nachkriegsjahren zwang die Lonza im Jahr 1920 nicht nur, die Carbidproduktion in Gampel und Visp auf die Hälfte zu reduzieren, sondern auch, die früher übernommenen Carbidfabriken in Thusis und Clèvres bei Genf stillzulegen. Gleichzeitig stand in Visp der während grösserer Nachfrage beschlossene, nochmals mit 8000 kW Leistung ausgerüstete Ofen Il zur Inbetriebnahme bereit.

­Zum Inhaltsverzeichnis