Gegner der Industrialisierung

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1. Einführung
2. Doch wie kam es überhaupt zu dieser Entwicklung?
   
2.1 Geschichte von Gampel
   
2.2 Vorgeschichte
    2.3. Fabrikarbeit in der Lonza: eine hochwillkommene Verdienstmöglichkeit
3. Auswirkungen dieser Entwicklung
4. Schlussfolgerungen  
    4.1. Vor allem die Kirche stellte sich gegen sie
5. Interview Paul Heldner
6. Quellen



1. Einführung


Es wird wohl keine Industrie geben, die in der Öffentlichkeit keinen Anstoss erregte.

Während der Industrialisierung gab es viele Konflikte zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Die Arbeiter stellten der Industrie ihre Kräfte zur Verfügung, erhielten dafür aber nur einen geringen Lohn, da die Eigentümer einen grossen Gewinn erzielen wollten. Dies stiess auf Widerstand. Daraufhin wurden Verbände gegründet, die sich für die Arbeiter einsetzten und deren Interessen verteidigten.
Die Industrialisierung drängte Kirche und Katholiken in eine Defensivgesellschaft. Wegen den Industrien zogen viele Leute in die Städte. Dadurch lebten die Menschen anonymer als in einem kleinen Dorf. Dies hatte zur Folge, dass sie sich weniger am Glauben interessierten. Nur noch 1/3 der Gesellschaft beschäftigte sich regelmässig mit der Kirche.
Die Reaktion der Kirche war dementsprechend. Sie versuchten, die Fabriken zu christianisieren, da sie der Meinung waren, eine gute Fabrik sei nur dann gut, wenn sie unter einem katholischen Fabrikherr stand.. Deshalb wurden in„guten Fabriken“ nur diejenigen aufgenommen, welche Christen waren oder beabsichtigten, es zu werden.
Die Geistlichen warnten die Bevölkerung auch, ihr Land zu verkaufen. Sie sahen den Grundbesitz als das Fundament des Vaterlandes der Heimat. Doch die Leute waren kapitalistisch veranlagt, das heisst, sie waren geldgierig. So verkauften auch viele ihren Grundbesitz, wodurch sie wirtschaftlich abhängig wurden.

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2. Doch wie kam es überhaupt zu dieser Entwicklung?


Alles begann am Ende des 19.Jahrhunderts:
Zu dieser Zeit fanden in Europa viele Ereignisse statt, die den Prozess der Industrialisierung beschleunigten. In der Öffentlichkeit führte dies zu Diskussionen und Widerstand.

-    Am 28.Mai 1890 fand in Berlin der Evangelisch-soziale Kongress statt. Er wurde mit der Absicht geleitet, die Arbeiterschaft, welche sich zunehmend organisierte, wieder für die Kirche zu gewinnen. Es ging vor allem darum, die soziale Aufgabe der Kirche gegenüber den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Kämpfen wahrzunehmen. Zudem wollte der Kongress den zunehmend politischen Einfluss des Sozialismus eindämmen. Man warb bewusst um die unteren Bevölkerungsschichten. Dies kennzeichnet auch die am 15.Mai 1891 von Papst Leo XIII. verkündete Enzyklika „Rerum novarum.“
-    Am 1.Sept. 1910 führrte der Papst Pius x. in Rom den „Antimodernisteneid“ ein. ( Modernisten waren diejenigen, die von einer klaren Trennung zwischen Glauben und Wissen ausgingen.) Wer als Geistlicher höhere Weihen erhalten wollte, musste fortan in einem Eid den Lehren des Modernismus abschwören. Diese um 1900 entstandene Richtung der katholischen Theologie wollte zwischen der Kirche sowie neueren wissenschaftlichen Erkenntnissen und gesellschaftlichen Entwicklungen vermitteln. Mit dem Eid, der erst 1967 von Papst Paul VI. abgeschafft worden war, sollte die Autorität des Heiligen Stuhls gestärkt werden.
1907 folgten weitere Schritte gegen den Modernismus, der als schwerwiegende Abweichung vom Glauben galt.
In der am 24. Sept. 1912 veröffentlichten Enzyklika „Singulari quadam“ mahnte der Papst, soziale Probleme nicht ohne Religion und Sittengesetz zu lösen. Christliche Gewerkschaften sollten jedoch in Ausnahmefällen geduldet werden.
-    Bischof Wilhelm Emannuel Freiherr von Ketteler schrieb eine Studie mit dem Titel „ Die Arbeiterfrage und das Christentum“. In der Studie wurden vor allem eine Erhöhung der Löhne, Verkürzung der Arbeitszeiten, Gewährung von Ruhetagen, Verbot der Kinderarbeit usw. gefördert.
-    Kaplan Adolf Kolpingg machte die Aussage: „ Unsere Industrie ist raffinierter, kalter Egoismus, wie er kaum schlimmer in der Welt gewesen, und dieser übt maschinenartig eine Tyrannei auf Herren und Knechte aus...“

Anhand dieser Texte und Äusserungen kann man herauslesen, dass die Geistlichen der Industrialisierung eher kritisch gegenüberstanden, wenn nicht sogar abgeneigt. Sie sahen vor allem die soziale Not, wie zu lange Arbeitszeiten, zu tiefe Löhne usw., welche die Industrialisierung mit sich brachte.
Die Kirche schien alles daran zu setzen, das Volk gegen die Industrialisierung zu richten und für sich zu gewinnen. Sie sahen die Industrialisierung sozusagen als „Konkurrenten“.


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2.1. Geschichte von Gampel

Nicht nur in Grossräumen spürte man die Entwicklung, sondern auch in Dörfern , wie zum Beispiel in Gampel.

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2.2. Vorgeschichte

1663 trennte sich Gampel endgültig von seiner Mutterpfarrei Leuk.

1834 kämpfte Gampel mit einem schweren Unwetter, es dauerte lange, bis das Geröll und der Sand weggeschafft waren und man an ein neues Besäen und Beackern denken konnte.

1890 vernichtete ein grosses Feuer 4/5 des Dorfes

Das Dorf stand am Abgrund grösster materieller Not.

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2.3. Fabrikarbeit in der Lonza: eine hochwillkommene Verdienstmöglichkeit

Ob diese Bedrängnis und Notsituation es waren, die den Widerstand der alten Gampjer gegen den Verkauf des Lonzawassers an eine fremde Industriegesellschaft und den Bau der Lonza-Fabrikanlagen brachen? Oder war es die kluge Einsicht, dass ein ortseigener Fabrikbetrieb vielen gute Arbeitsmöglichkeiten bieten könnte? Wahrscheinlich hat alles mitgewirkt, dass man in Gampel fürderhin als Schichtarbeiter in der Karbidproduktion und nebenbei als Bauer und Kleingewerbler solide finanzielle Bedingungen fand. Nicht nur viele Steger, sondern auch Frauen und Kinder (!) fanden in der „alten Fabrik“ eine hochwillkommene Verdienstmöglichkeit. Viele Arbeiter auch aus den höher gelegenen Dörfer waren sogar bereit, täglich zu Fuss nach Gampel zu gehen. Das heisst, sie nahmen einen Marsch von teilweise bis zu drei Stunden auf sich um Arbeiten zu können.

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3. Auswirkungen dieser Entwicklung


Durch die Industrialisierung entstand eine neue Sozialordnung. Dies verursachte Probleme, wie zum Beispiel menschenunwürdige Arbeitsbedingungen, geringe Löhne, schlechte Wohnverhältnisse usw. Folge daraus war, dass die Arbeiter streikten.
Diese Missstände warfen die Frage auf, wie man diese sozialen Nöte beseitigen könnte. Die soziale Frage versuchte, eine Antwort darauf zu geben.
Mit dieser sozialen Frage beschäftigte sich auch die Kirche. Sie versuchten, eine Lösung zu finden, um das Leben der Arbeiter erträglicher machen zu können. Doch das war nicht einfach.
Um die Arbeiter zu unterstützen, halfen sie ihnen, Gewerkschaften zu gründen. Dies sollte ihnen helfen, ihre eigenen Interessen besser verteidigen zu können und auch eine Verbesserung der Arbeitsverhältnisse zu erreichen.
Die Geistlichen halfen vor allem den sozial schwachen Menschen.

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4. Schlussfolgerungen


Die Meinungen über die Industrialisierung waren geteilt. Sie stiess keineswegs nur auf Gegner, im Gegenteil, viele empfanden sie auch als positiv. Denn für viele war die Fabrikarbeit auch eine sichere Einkommensquelle, wie das Beispiel Gampel zeigt. Man war froh über jede zusätzliche Verdienstmöglichkeit. Das Geld konnte gut gebraucht werden und darum nahm man auch in Kauf, jeden Tag mehrere Stunden laufen zu müssen, um zur Fabrik zu gelangen und arbeiten zu können.
Aber, wie gesagt, die Industrialisierung hatte auch Gegner, obwohl wir in unseren Nachforschungen weitgehend auf positive Reaktionen gegenüber der Industrialisierung gestossen sind. Es scheint, dass Negatives über die Industrialisierung eine Art „Tabu Thema“ für viele war oder ist. Trotzdem kann man aus dem, was wir jetzt gesehen haben , auch erkennen, dass es auch Gründe gegen die Industrialisierung gab.

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4.1. Vor allem die Kirche stellte sich gegen sie:

Aufgrund der Industrialisierung lösten sich viele Gemeinden von der Mutterkirche was auf Widerstand bei den Geistlichen stiess.
Die Kirche hatte Angst, in den Hintergrund gedrängt zu werden und ihren hohen Stellenwert zu Gunsten der Industrialisierung zu verlieren. Sie sah die Industrialisierung als Feind, als Bedrohung Die Angst bestand darin, dass die Menschen ihre kirchlichen Pflichten vergessen könnten. Man befürchtete, dass man dem Glauben nicht mehr genug Interesse schenken könnte und sich von ihm abwendet.
Ein weiterer Punkt für die Kirche, sich gegen die Industrialisierung zu stellen, war sicher auch die Arbeit an Sonntagen und Feiertagen. Immer weniger Leute besuchten die Kirche. Einige mussten arbeiten, andere schliefen, um sich von der schweren Arbeit zu erholen. Man hatte keine Zeit mehr, auch noch in die Kirche zu gehen.

Neben der Angst, das Volk kehre der Kirche den Rücken zu, sorgten sich die Geistlichen auch um das Wohl der Bevölkerung. Man sah vor allem die soziale Not, welche die Industrialisierung mit sich brachte.
Die schweren Düfte und Gase, die den Fabrikkaminen entwichen, verschmutzten die Umwelt und verseuchten Gewässer und Felder. Dies verärgerte die Bauern und auch die Gesundheit des Volkes war gefährdet. Auch dies wieder ein Grund für die Kirche, der Industrialisierung den Rücken zu kehren.
Ein weitere Grund dafür war sicherlich auch die Kinder - und Frauenarbeit. Im Text „ Der Rotten erzählt“ wird dies beschönigt. Man spricht von einer „hochwillkommenen Verdienstmöglichkeit für Frauen und Kinder.“ Doch es war sicher nicht nur eine „hochwillkommene Verdienstmöglichkeit“, es war auch eine grosse Belastung und diese war teilweise kaum auszuhalten, vor allem für die Kinder.


Abschliessend ist zu sagen, dass die Industrialisierung Gegner und Befürworter hatte. Die Kirche sprach sich klar gegen die Industrialisierung aus, sie sah die Industrialisierung als Feind. Sie sah sich in ihrer Existenz bedroht.


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5. Interview mit Heldner Paul (Geschichtsforscher)

 

Im Jahr 1874 kam die Jura-Simplon-Bahn nach Brig. Dadurch durchquerte das erste Mal eine Dampflokomotive das Wallis.

Die Leute waren überrascht und konnten nicht verstehen , wie diese Lok funktionierte. Das Neue machte den Menschen damals Angst. Deshalb entstand wohl auch der Ausdruck „D’Dampflok isch es Tifelspack .„ Darüber erzählten sie sich Schauermärchen.

 Heldner Paul berichtete uns, dass seine Grossmutter ihm früher solche Geschichten erzählt hatte . Ausserdem hielten die Leute an alten Gewohnheiten fest. Dies sieht man am Beispiel als der Meter als Längenmass definiert wurde. Die Leute brauchten weiterhin die alten Begriffe Fuss und Elle.

Herr Heldner kann sich nicht daran erinnern, dass seine Grosseltern jemals etwas über Aufstände in Fabriken im Wallis berichteten. So wie dies beispielsweise in Uster geschah, als die Bauern auf Grund der Fabriken ihre Arbeit verloren. Diese wurde nun nämlich mit Hilfe von Maschinen viel schneller und einfacher ausgeführt. Die Folge davon war, dass die Bauern aus Protest die Fabriken niederbrannten.

Im Wallis stellte die Industrie in erster Linie nicht eine Konkurrenz dar. Die meisten Bauern blieben der Landwirtschaft treu und arbeiteten nebenbei in den Fabriken, denn dies wurde als zusätzliche Verdienstmöglichkeit angesehen.

Zum Schluss erzählte er uns noch:

Durch die Industrialisierung siedelten sich viele Italiener in Naters und Brig an.

Herzlichen Dank für das Interview

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6. Quellen:

- „Der Rotten erzählt“

- „ Chronik des Christentums“<

- „ Chronik von Gampel“

- „ Chronik von Steg“

- „ Walliser Geschichte, Band 3.1&##147;

- „ http://www.gzg.fn.bw.schule.de//lexikon/referate/kirchsoz.htm“

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