Zwangsarbeit

 

In den Jahren 1940 bis 1945 kam in der Grenzacher Fabrik von Roche eine grössere Anzahl von ausländischen Zivilisten ( als Fremdarbeiter, Zivilarbeiter bezeichnet ) zum  Einsatz. Diese sind aufgrund ihrer Rekrutierungs- und Arbeitsbedingungen als Zwangsarbeiter zu bezeichnen.

Keine Hinweise finden sich auf einen Einsatz jüdischer Zwangsarbeiter oder KZ-Häftlinge bei Roche. Sie sind mit dem Terminus „Zwangsarbeiter“ hier nicht gemeint. Zudem wurden in den Jahren 1940 und 1941 kriegsgefangene Soldaten im Betrieb eingesetzt.

Quelle: Veröffentlichungen der UEK; Bd. 7 "Schweizer Chemieunternehmen im Dritten Reich"; S. 256

 

 

 

Chronologie und Umfang des Einsatzes von Zwangsarbeitern

Der Einsatz ausländischer Arbeitskräfte begann im Dezember 1940 bzw. Februar 1941 mit dem Zugang von 40 französischen Kriegsgefangenen. Nach reichlichen Abgängen durch Flucht nach der Schweiz sollen diese Franzosen im April 1941 durch 21 russische Kriegsgefangene ausgetauscht worden sein. Später erhielt die Firma ca. 90 Ukrainer. Ausser ukrainischen Arbeitern beschäftigte Roche seit 1942 Franzosen, Holländer, Spanier, Italiener, Slowenen, Belgier und Bulgaren...

Zwischen Dezember 1940 und April 1945 gab es also insgesamt mindestens 61 Kriegsgefangene und ca. 150 andere ausländische Arbeiter in Grenzach tätig.

Nach Kriegsende zogen die alliierten Besatzungsbehörden die Verantwortlichen für die Kollaboration der deutschen Industrie mit dem NS-Regime zur Verantwortung; auch in die Schweiz wurde die Verflechtung der Schweizer Wirtschaft mit dem Dritten Reich nach 1945 zum Gegenstand öffentlich Kritik.

Quelle: Veröffentlichungen der UEK; Bd. 7 "Schweizer Chemieunternehmen im Dritten Reich"; S. 257f

 

Der Entscheidungsprozess für den Einsatz von ausländischen Zivilarbeitern 1942

Die Entscheidung für den Einsatz ausländischer Zivilarbeiter in Grenzach fiel im Sommer 1942. Im April 1942 wurde die Grenzacher Fabrik im Rahmen der kriegswirtschaftlichen Klassierung der Industrie nach ihrer Kriegswichtigkeit zum „OKW-Spezialbetrieb“ ernannt. Diese Klassierung war laut Waldemar Hellmich –Grenzacher Werkleiter- mit besonderen „Erleichterungen für Beschaffung von Arbeitskräften, Kohle, etc...“ verbunden. Trotzdem klagte „Betriebsführer“ Hellmich im Mai 1942 darüber, dass sich die Schwierigkeiten in der Beschaffung aller Arten von Material, am meisten aber bei der Beschaffung von Arbeitskräften akzentuiert hätten.

Quelle: Veröffentlichungen der UEK; Bd. 7 "Schweizer Chemieunternehmen im Dritten Reich"; S. 258f

 

 

Lebens- und Arbeitsbedingungen der Zwangsarbeiter

Über die konkreten Lebens- und Arbeitsbedingungen der bei Roche eingesetzten Kriegsgefangenen und Zivilarbeiter ist wenig bekannt. Rechtlich am schlechtesten gestellt waren die in der NS-Ideologie als russische Untermenschen betrachteten „Ostarbeiter“ aus der Sowjetunion. Für sie galt aufgrund der „Ostarbeiter-Erlasse“ des Reichssicherheitshauptamtes vom 20. Februar 1942 eine Kennzeichnungspflicht in Form eines auf der Kleidung angebrachten Abzeichnens mit dem Schriftzug „Ost“. Auf „Vergehender „Ostarbeiter“ wie Disziplinwidrigkeit, reichsfeindliche Bestrebungen, kriminelle Verfehlungen oder Geschlechtsverkehr mit Deutschen standen drakonische Strafen. Die als „Westarbeiter“ klassierten Arbeitskräfte wie Franzosen, Holländer und Belgier waren demgegenüber bessergestellt.

Aus den Basler Firmenquellen ist nur wenig über die ausländischen Zwangsarbeiter zu erfahren. Gegen Ende des Krieges, im Herbst 1944, tauchen die „Fremdarbeiter“ dann als Problem für die Firma in den Akten auf:  Hellmich ist eigentlich in Besorgnis nur wegen der Holländer; er hat  für eine  kontinuierliche und strenge Bewachung dieser Arbeiter m Werk Sorge getragen“. 

 

Gelöst wurde das Problem im Dezember des gleichen Jahres: „Die <unzuverlässigen> Fremdarbeiter werden abgeschoben“. Ihr Schicksal in die eigene Hand genommen hatten 7 sowjetische Zwangsarbeiterinnen, die im August 1944 über die nahe Grenze in die Schweiz flohen. Unter ihnen war die aus der Ukraine stammende 26jährige Landarbeiterin Maria Karpowa, die in der Grenzacher Fabrik eingesetzt war. Sie begründete ihre Flucht wie folgt:

 

„Ich konnte es nicht mehr länger aushalten in Deutschland da uns Russinnen immer mit dem Leben gedroht wurde, wenn wir nicht übermenschlich arbeiten würden. Das Essen und die Behandlung waren auch sehr schlecht.“ 

 

 

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Roche im Interesse der Grenzacher Produktion im Einvernehmen mit der Basler Roche-Direktion am System der von den NS-Behörden organisierter Zwangsarbeit partizipierte. Im Unterschied zu anderen deutschen Industriebetrieben sind bei Roche keine Misshandlungen von Zwangsarbeitern bekannt. Trotzdem bestand für die betroffenen Arbeiter Anlass zur Flucht in die Schweiz – eine Flucht, die im Fall ihres Scheiterns von deutscher Seite mit der Todesstrafe geahndet worden wäre.

 

Quelle: Veröffentlichungen der UEK; Bd. 7 "Schweizer Chemieunternehmen im Dritten Reich"; S.  260ff

 


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