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Es ist möglich, dass einige Leute Mitleid mit mir
haben, aber ich spüre nichts davon. Mein kleines Geschäft erfüllt mich mit Sorgen, die
mich innen an Stirne und Schläfen schmerzen, aber ohne mir Zufriedenheit in Aussicht zu
stellen, denn mein Geschäft ist klein.
Für Stunden im Voraus muss ich Bestimmungen treffen, das Gedächtnis des Hausdieners
wachhalten, vor befürchteten Fehlern warnen und in einer Jahreszeit die Moden der
folgenden berechnen, nicht wie sie unter Leuten meines Kreises herrschen werden, sondern
bei unzugänglichen Bevölkerungen auf dem Lande.
Mein Geld haben fremde Leute; ihre Verhältnisse können mir nicht deutlich sein; das
Unglück, das sie treffen könnte, ahne ich nicht; wie könnte ich es abwehren! Vielleicht
sind sie verschwenderisch geworden und geben ein Fest in einem Wirtshausgarten, und andere
halten sich für ein Weilchen auf der Flucht nach Amerika bei diesem Feste auf.
Wenn nun am Abend eines Werktages das Geschäft gesperrt wird und ich plötzlich
Stunden vor mir sehe, in denen ich für die ununterbrochenen Bedürfnisse meines
Geschäftes nichts werde arbeiten können, dann wirft sich meine am Morgen weit
vorausgeschickte Aufregung in mich, wie eine zurückkehrende Flut, hält es aber in mir
nicht aus und ohne Ziel reißt sie mich mit.
Und doch kann ich diese Laune gar nicht benützen und kann nur nach Hause gehn, denn
ich habe Gesicht und Hände schmutzig und verschwitzt, das Kleid fleckig und staubig, die
Geschäftsmütze auf dem Kopfe und von Kistennägeln zerkratzte Stiefel. Ich gehe dann wie
auf Wellen, klappere mit den Fingern beider Hände, und mir entgegenkommenden Kindern
fahre ich über das Haar.
Aber der Weg ist kurz. Gleich bin ich in meinem Hause, öffne die Lifttür und trete
ein.
Ich sehe, dass ich jetzt und plötzlich allein bin. Andere, die über Treppen steigen
müssen, ermüden dabei ein wenig, müssen mit eilig atmenden Lungen warten, bis man die
Tür der Wohnung öffnen kommt, haben dabei einen Grund für Ärger und Ungeduld, kommen
jetzt ins Vorzimmer, wo sie den Hut aufhängen, und erst bis sie durch den Gang an einigen
Glastüren vorbei in ihr eigenes Zimmer kommen, sind sie allein.
Ich aber bin gleich allein im Lift, und schaue, auf die Knie gestützt, in den schmalen
Spiegel. Als der Lift sich zu heben anfängt, sage ich: »Seid still, tretet zurück,
wollt ihr in den Schatten der Bäume, hinter die Draperien der Fenster, in das
Laubengewölbe?«
Ich rede mit den Zähnen und die Treppengeländer gleiten an den Milchglasscheiben
hinunter wie stürzendes Wasser.
»Flieget weg; euere Flügel, die ich niemals gesehen habe, mögen euch ins dörfliche
Tal tragen oder nach Paris, wenn es euch dorthin treibt.
Doch genießet die Aussicht des Fensters, wenn die Prozessionen aus allen drei Straßen
kommen, einander nicht ausweichen, durcheinander gehn und zwischen ihren letzten Reihen
den freien Platz wieder entstehen lassen. Winket mit den Tüchern, seid entsetzt, seid
gerührt, lobet die schöne Dame, die vorüberfährt.
Geht über den Bach auf der hölzernen Brücke, nickt den badenden Kindern zu und
staunet über das Hurra der tausend Matrosen auf dem fernen Panzerschiff.
Verfolget nur den unscheinbaren Mann, und wenn ihr ihn in einen Torweg gestoßen habt,
beraubt ihn und seht ihm dann, jeder die Hände in den Taschen, nach, wie er traurig
seines Weges in die linke Gasse geht.
Die verstreut auf ihren Pferden galoppierende Polizei bändigt die Tiere und drängt
euch zurück. Lasset sie, die leeren Gassen werden sie unglücklich machen, ich weiß es.
Schon reiten sie, ich bitte, paarweise weg, langsam um die Straßenecken, fliegend über
die Plätze.«
Dann muss ich aussteigen, den Aufzug hinunterlassen, an der Türglocke läuten, und das
Mädchen öffnet die Tür, während ich grüße.
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