Ganz durchfroren kam er zu Hause an, es war
überall finster, die Kerzen in den Laternen waren niedergebrannt, von den Gehilfen
geführt, die sich hier schon auskannten, tastete er sich in ein Schulzimmer durch.
»Euere erste lobenswerte Leistung«, sagte er in Erinnerung an Klamms Brief; noch halb im
Schlaf, rief aus einer Ecke Frieda: »Lasst K. schlafen! Stört ihn doch nicht!« So
beschäftigte K. ihre Gedanken, selbst wenn sie, von Schläfrigkeit überwältigt, ihn
nicht hatte erwarten können. Nun wurde Licht gemacht; allerdings konnte die Lampe nicht
stark genug aufgedreht werden, denn es war nur sehr wenig Petroleum da. Die junge
Wirtschaft hatte noch verschiedene Mängel. Eingeheizt war zwar, aber das große Zimmer,
das auch zum Turnen verwendet wurde die Turngeräte standen herum und hingen von
der Decke herab , hatte schon alles vorrätige Holz verbraucht, war auch, wie man K.
versicherte, schon sehr angenehm warm gewesen, aber leider wieder ganz ausgekühlt. Es war
zwar ein großer Holzvorrat in einem Schuppen vorhanden, dieser Schuppen aber war
versperrt, und den Schlüssel hatte der Lehrer, der eine Entnahme des Holzes nur für das
Heizen während der Unterrichtsstunden gestattete. Das wäre erträglich gewesen, wenn man
Betten gehabt hätte, um sich in sie zu flüchten. Aber in dieser Hinsicht war nichts
anderes da als ein einziger Strohsack, anerkennenswert reinlich mit einem wollenen
Umhängetuch Friedas überzogen, aber ohne Federbett, und nur mit zwei groben, steifen
Decken, die kaum wärmten. Und selbst diesen armen Strohsack sahen die Gehilfen begehrlich
an, aber Hoffnung, auf ihm jemals liegen zu dürfen, hatten sie natürlich nicht.
Ängstlich blickte Frieda K. an; dass sie ein Zimmer, und sei es das elendste, wohnlich
einzurichten verstand, hatte sie ja im Brückenhof bewiesen, aber hier hatte sie nicht
mehr leisten können, ganz ohne Mittel, wie sie gewesen war. »Unser einziger
Zimmerschmuck sind die Turngeräte«, sagte sie, unter Tränen mühselig lachend. Aber
hinsichtlich der größten Mängel, der ungenügenden Schlafgelegenheit und Heizung,
versprach sie mit Bestimmtheit schon für den nächsten Tag Abhilfe und bat K., nur bis
dahin Geduld zu haben. Kein Wort, keine Andeutung, keine Miene ließ darauf schließen,
dass sie gegen K. auch nur die kleinste Bitterkeit im Herzen trug, obwohl er doch, wie er
sich sagen musste, sie sowohl aus dem Herrenhof als auch jetzt aus dem Brückenhof
gerissen hatte. Deshalb bemühte sich aber K., alles erträglich zu finden, was ihm auch
gar nicht so schwer war, weil er in Gedanken mit Barnabas wanderte und seine Botschaft
Wort für Wort wiederholte, aber nicht so, wie er sie Barnabas übergeben hatte, sondern
so, wie er glaubte, dass sie vor Klamm erklingen werde. Daneben aber freute er sich
allerdings auch aufrichtig auf den Kaffee, den ihm Frieda auf einem Spiritusbrenner
kochte, und verfolgte, an dem erkaltenden Ofen lehnend, ihre flinken, vielerfahrenen
Bewegungen, mit denen sie auf dem Kathedertisch die unvermeidliche, weiße Decke
ausbreitete, eine geblümte Kaffeetasse hinstellte, daneben Brot und Speck und sogar eine
Sardinenbüchse. Nun war alles fertig, auch Frieda hatte noch nicht gegessen, sondern auf
K. gewartet. Zwei Sessel waren vorhanden, dort saßen K. und Frieda beim Tisch, die
Gehilfen zu ihren Füßen auf dem Podium, aber sie blieben niemals ruhig, auch beim Essen
störten sie. Obwohl sie reichlich von allem bekommen hatten und noch lange nicht fertig
waren, erhoben sie sich von Zeit zu Zeit, um festzustellen, ob noch viel auf dem Tisch war
und sie noch einiges für sich erwarten konnten. K. kümmerte sich um sie nicht, erst
durch Friedas Lachen wurde er auf sie aufmerksam. Er bedeckte ihre Hand auf dem Tisch
schmeichelnd mit seiner und fragte leise, warum sie ihnen so vieles nachsehe, ja sogar
Unarten freundlich hinnehme. Auf diese Weise werde man sie niemals loswerden, während man
es durch eine gewissermaßen kräftige, ihrem Benehmen auch wirklich entsprechende
Behandlung erreichen könnte, entweder sie zu zügeln oder, was noch wahrscheinlicher und
auch besser wäre, ihnen die Stellung so zu verleiden, dass sie endlich durchbrennen
würden. Es scheine ja kein sehr angenehmer Aufenthalt hier im Schulhaus werden zu wollen;
nun, er werde ja auch nicht lange dauern, aber von allen Mängeln würde man kaum etwas
merken, wenn die Gehilfen fort wären und sie beide allein wären in dem stillen Haus.
Merke sie denn nicht auch, dass die Gehilfen frecher würden von Tag zu Tag, so, als
ermutige sie eigentlich erst Friedas Gegenwart und die Hoffnung, dass K. vor ihr nicht so
fest zugreifen werde, wie er es sonst tun würde.
Übrigens gäbe es vielleicht ganz einfache Mittel, sie sofort ohne alle Umstände
loszuwerden, vielleicht kenne sie sogar Frieda, die doch mit den hiesigen Verhältnissen
so vertraut sei. Und den Gehilfen selbst tue man doch wahrscheinlich nur einen Gefallen,
wenn man sie irgendwie vertreibe, denn groß sei ja das Wohlleben nicht, das sie hier
führten, und selbst das Faulenzen, das sie bisher genossen hatten, werde ja hier
wenigstens zum Teil aufhören, denn sie würden arbeiten müssen, während Frieda nach den
Aufregungen der letzten Tage sich schonen müsse und er, K., damit beschäftigt sein
werde, einen Ausweg aus ihrer Notlage zu finden. Jedoch werde er, wenn die Gehilfen
fortgehen sollten, dadurch sich so erleichtert fühlen, dass er leicht alle
Schuldienerarbeit neben allem Sonstigen werde ausführen können.
Frieda, die aufmerksam zugehört hatte, streichelte langsam seinen Arm und sagte, dass
das alles auch ihre Meinung sei, dass er aber vielleicht doch die Unarten der Gehilfen
überschätze, es seien junge Burschen, lustig und etwas einfältig, zum ersten Mal in
Diensten eines Fremden, aus der strengen Schlosszucht entlassen, daher immerfort ein wenig
erregt und erstaunt, und in diesem Zustand führten sie eben manchmal Dummheiten aus,
über die sich zu ärgern zwar natürlich sei, aber vernünftiger sei es zu lachen. Sie
könne sich manchmal nicht zurückhalten zu lachen. Trotzdem sei sie völlig mit K.
einverstanden, dass es das Beste wäre, sie wegzuschicken und allein zu zweit zu sein. Sie
rückte näher zu K. und verbarg ihr Gesicht an seiner Schulter. Und dort sagte sie, so
schwer verständlich, dass sich K. zu ihr hinabbeugen musste, sie wisse aber kein Mittel
gegen die Gehilfen und sie fürchte, alles, was K. vorgeschlagen hatte, werde versagen.
Soviel sie wisse, habe ja K. selbst sie verlangt, und nun habe er sie und werde sie
behalten. Am besten sei es, sie leichthin zu nehmen als das leichte Volk, das sie auch
sind, so ertrage man sie am besten.
K. war mit der Antwort nicht zufrieden; halb im Scherz, halb im Ernst sagte er, sie
scheine ja mit ihnen im Bunde zu sein oder wenigstens eine große Zuneigung zu ihnen zu
haben; nun, es seien ja hübsche Burschen, aber es gäbe niemanden, den man nicht bei
einigem guten Willen loswerden könne, und er werde es ihr an den Gehilfen beweisen.
Frieda sagte, sie werde ihm sehr dankbar sein, wenn es ihm gelinge. Übrigens werde sie
von jetzt ab nicht mehr über sie lachen und kein unnötiges Wort mit ihnen sprechen, es
sei auch wirklich nichts Geringes, immerfort von zwei Männern beobachtet zu werden, sie
habe gelernt, die zwei mit seinen Augen anzusehen. Und wirklich zuckte sie ein wenig
zusammen, als sich jetzt die Gehilfen wieder erhoben, teils um die Essvorräte zu
revidieren, teils um dem fortwährenden Flüstern auf den Grund zu kommen.
K. nützte das aus, um Frieda die Gehilfen zu verleiden, zog Frieda an sich, und eng
beisammen beendeten sie das Essen. Nun hätte man schlafen gehen sollen, und alle waren
sehr müde, ein Gehilfe war sogar über dem Essen eingeschlafen, das unterhielt den
anderen sehr, und er wollte die Herrschaft dazu bringen, sich das dumme Gesicht des
Schlafenden anzusehen, aber es gelang ihm nicht, abweisend saßen K. und Frieda oben. In
der unerträglich werdenden Kälte zögerten sie, auch schlafen zu gehen; schließlich
erklärte K., es müsse noch eingeheizt werden, sonst sei es nicht möglich, zu schlafen.
Er forschte nach irgendeiner Axt, die Gehilfen wussten von einer und brachten sie, und nun
ging es zum Holzschuppen. Nach kurzer Zeit war die leichte Tür erbrochen, entzückt, als
hätten sie etwas so Schönes noch nicht erlebt, einander jagend und stoßend, begannen
die Gehilfen Holz ins Schulzimmer zu tragen, bald war ein großer Haufen dort, es wurde
eingeheizt, alle lagerten um den Ofen, eine Decke bekamen die Gehilfen, um sich in sie
einzuwickeln, sie genügte ihnen vollauf, denn es wurde verabredet, dass immer einer
wachen und das Feuer erhalten solle, bald war es beim Ofen so warm, dass man gar nicht
mehr die Decke brauchte, die Lampe wurde ausgelöscht, und glücklich über die Wärme und
Stille streckten sich K. und Frieda zum Schlaf.
Als K. in der Nacht durch irgendein Geräusch erwachte und in der ersten unsicheren
Schlafbewegung nach Frieda tastete, merkte er, dass statt Friedas ein Gehilfe neben ihm
lag. Es war das, wahrscheinlich infolge der Reizbarkeit, die schon das plötzliche
Gewecktwerden mit sich brachte, der größte Schrecken, den er bisher im Dorf erlebt
hatte. Mit einem Schrei erhob er sich halb und gab besinnungslos dem Gehilfen einen
solchen Faustschlag, dass der zu weinen anfing. Das Ganze klärte sich übrigens gleich
auf. Frieda war dadurch geweckt worden, dass wenigstens war es ihr so erschienen
irgendein großes Tier, eine Katze wahrscheinlich, ihr auf die Brust gesprungen und
dann gleich weggelaufen sei. Sie war aufgestanden und suchte mit einer Kerze das ganze
Zimmer nach dem Tiere ab. Das hatte der eine Gehilfe benützt, um sich für ein Weilchen
den Genuss des Strohsackes zu verschaffen, was er jetzt bitter büßte. Frieda aber konnte
nichts finden, vielleicht war es nur eine Täuschung gewesen, sie kehrte zu K. zurück,
auf dem Weg strich sie, als hätte sie das Abendgespräch vergessen, dem zusammengekauert
wimmernden Gehilfen tröstend über das Haar. K. sagte dazu nichts; nur den Gehilfen
befahl er, mit dem Heizen aufzuhören, denn es war, unter Verbrauch fast des ganzen
angesammelten Holzes, schon überheiß geworden.
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