Der Bau und die Eröffnung der Strecke

Die bereits aus den Jahren um 1870 bestehenden Pläne eines Bahnbaus von Greußen nach Keula über Ebeleben waren trotz der neu entstandenen Linien nicht vergessen.
Bachstein selbst griff diese Pläne auf, als um die Jahrhundertwende südöstlich von Keula Kalisalzlagerstätten erkundet wurden. Das beim Abbau zu erwartende Frachtaufkommen versprach sichere Einnahmen. Außerdem hoffte Bachstein, mit der neuen Bahnlinie auch die Gewinne der schon existierenden Strecke Hohenebra-Ebeleben verbessern zu können.
Verhandlungen mit der fürstlichen Regierung zeigten aber, daß das Fürstentum Schwarzburg-Sondershausen nicht in der Lage war einen solchen Bahnbau zu finanzieren, betrug doch die Länge der neu zu bauenden Strecke das Vierfache der der Hohenebra-Ebelebener-Eisenbahn. Die zum Bau notwendigen Mittel konnte der Kleinstaat bei weitem nicht aufbringen. Im Ergebnis der Verhandlungen erhielt jedoch Bachstein von der fürstlichen Regierung am 19. Februar 1901 die Konzession zum Bau und Betrieb der Strecke. Anscheinend war es für den Eisenbahn-Generalunternehmer kein finanzielles Problem die Bahnlinie zu bauen. Er baute diese dann auch auf eigenes Risiko.

Über den Bau der Bahnlinie selber gibt es nur wenige Unterlagen, die Angaben sind nur spärlich. Die Strecke verlief von Greußen-Nebenbahnhof, später nannte man den Bahnhof Greußen West, bis Keula auf eigenem Bahnkörper. Da Bachstein seine Bahnen mit dem geringsten Kostenaufwand zu bauen verstand, war die Trassierung dem Gelände sehr gut angepaßt. Größere Brücken und Kunstbauten waren nicht erforderlich, die Dämme und Einschnitte nur von geringer Höhe bzw. Tiefe.
Der Oberbau, kieferne Querschwellen in Kiesbettung mit leichten Schienenprofilen von 25 kg/m, erwies sich aber dann doch als zu schwach für die schweren Kalizüge und mußte in den dreißiger Jahren verstärkt werden. Gegen Anfang der sechziger Jahre wurde er durch stärkeren K 49 Oberbau auf den höher belasteten Streckenabschnitten ersetzt.

Die geographischen Bedingungen beim Bau waren nicht einfach und die Bewältigung der Neigungsverhältnisse kompliziert. Doch auch heute noch ist zu erkennen, wie geschickt die Trasse dem schwierigen Gelände angepaßt war. Dennoch erscheint die Bauzeit von etwa acht Monaten sehr kurz.
Vermutlich hat Bachstein bereits vor Erteilung der Konzession entsprechende Vermessungsarbeiten durchführen lassen, dem das Projekt dieser Bahnlinie war ja bereits einige Jahre alt und Bachstein selbst war es, der dem Fürstentum den Bau dieser Bahnlinie vorschlug. Aber auch bei sofortigem Baubeginn muß der Arbeitskräfteeinsatz sehr hoch gewesen sein.

Erwin Bach schreibt in seinem Buch "Das Verkehrsnetz Thüringens geographisch betrachtet" unter Anderem:
"Daß Geländeschwierigkeiten westlich der Gera-Unstrut-Linie allgemein größer werden, ist nicht verwunderlich, da hier der größere Abschnitt des Beckens gegen eine höhere Umarmung ansteigt. Ihm fehlt die Auflockerung des östlichen Abschnitts, in dem die weiträumigen, tektonisch angelegten und durch Salzauslaugungen ausgetieften Senken an Gera, Unstrut, Lossa und Scherkonda nur von gewellten Keuperrücken unterbrochen werden.
Lokalbahnen, die die Muschelkalkfläche hinauffahren, haben großen Höhenunterschied zu überwinden. Die Strecke Greußen-Keula klettert allmählich 245 m hoch und besitzt 56 % ihrer Gesamtlänge Gebirgsneigung (mehr als 1:100) bei einer Höchstneigung von 1:38."


Die stärksten Steigungen hat die Strecke zwischen Westgreußen und Rohnstedt (1:56), wo sie das Helbetal verläßt, zwischen Holzsußra und Kleinbrüchter (1:61), Kleinbrüchter und Urbach (1:55), sowie zwischen Urbach und Menteroda (1:44 !) aufzuweisen.
Insgesamt werden auf einer Strecke von 37 km etwa 245 m Höhenunterschied überwunden.

 

Die Eröffnung

 

Nachdem am 25. und 26.September 1901 die Vorbesichtigung durch die Bauabteilung Ebeleben stattgefunden hatte, folgte am 30.September die landespolizeiliche Abnahme der Strecke.
Die Eröffnung sollte feierlich begangen werden und wurde von der Betriebsabteilung Weimar vorbereitet. Die "Centralverwaltung" stimmte dem Vorschlag aus Weimar zu, in dem es hieß:
"Zum Dienstag, 1.October, würden-dem Vorschlag des Herrn Geheimrat Bauer entsprechend-Einladungen zu einem Eröffnungszug erlassen und die Geladenen (thunlichst) im Zuge in einfachster Weise bewirtet werden."

Da sich die Wagen jedoch als wenig geeignet hierfür erwiesen, wurde von einer Bewirtung im Zug abgesehen, dafür eine Bewirtung in Keula im Güterschuppen vorbereitet. Dafür versuchte man zunächst den Bahnhofswirt in Ebeleben zu gewinnen. Der lehnte aber ab mit der Begründung, keine Vorbereitungsräume für so viele Gäste zu besitzen. Schließlich erbot sich der Bahnhofswirt Völker in Berka (Bad Berka oder Berka a.d. Wipper ?) das Fest auszustatten. Die "Centralverwaltung" war einverstanden und sandte am 20.09.1901 mehrere Kisten mit folgendem Inhalt nach Ebeleben:
"70 Fl. Rotwein, 20 Fl. Sherry, 70 Fl. Champagner, 30 Fl. Moselwein, 30 Fl. Aromatique, 2 Fl. Nordhäuser, 3 Fl. Cognac, 2 Fl. Benediktiner und 2 Fl. Ingwer."
Die Kisten waren mit dem Bauzug nach Keula zu transportieren und dort
"... nach Ankunft sogleich zu öffnen und die Flaschen unter sicheren Verschluß zu bringen".

Bei "August Opel, Fleischwarenfabrik Apolda", waren 70 Bratwürste, einige Cervelat- und Blutwürste bestellt worden.
Die Abrechnung dieser Feier, am 04.10.1901 aufgestellt, ist noch erhalten. Sie weist u.a. aus:

  Essen in Keula (Fr.Völker)  317,57 Mark
  Gratification für Fr. Völker  100,00 Mark
  Cigarren  165,95 Mark
  Cigarrentaschen  85,75 Mark
  Bier und Cafe in Ebeleben (Jödicke)  61,05 Mark
  Wein  453,00 Mark
  Caviar  40,00 Mark
  Rostbratwürste  25,60 Mark


Insgesamt wurden für diese Feier 1394,42 Mark ausgegeben, 85 Gäste waren eingeladen. Darunter waren fast alle Mitglieder der fürstlichen Regierung, die Bürgermeister der berührten Ortschaften, weitere Honoratioren, Vertreter der Centralverwaltung, der Betriebsabteilung Weimar und der Bauabteilung Ebeleben.

Für H. Bachstein und Geheimrat Budde aus Sondershausen sollten auf der letzten Wagenplattform Stühle aufgestellt werden, damit sie sich die Strecke genau ansehen konnten.
Jeder Teilnehmer der Eröffnungsfahrt erhielt eine Einladung und ein Programm zu der
"Eröffnungsfahrt der Nebenbahn Greußen-Ebeleben-Keula am Dienstag den 1. October 1901".
Der der Einladung beigefügte Fahrplan sagte aus, daß die Abfahrt in Greußen um 8.30 Uhr, die Ankunft in Keula um 11.00 Uhr sein sollte.
Die Rückfahrt in Keula war für 12.30 Uhr geplant und die Ankunft in Greußen sollte nachmittags 3.15 Uhr sein. Der Zug hatte Anschluß in Ebeleben und Greußen.

Die "Schwarzburger Zeitung" in Greußen gab am 01.10.1901 bekannt:



Eine weitere kleine Notiz fand sich ebenfalls in der Zeitung:



Selbstverständlich wurde die Eröffnungsfahrt vom 01.Oktober in der "Greußener Zeitung" vom 05.10.1901 ausführlich beschrieben. Einige Auszüge sollen hier angeführt werden:



Hier hielt nun Bürgermeister Straube eine zündende Rede und danach nahmen die Gäste im Zug Platz.

  Der Eröffnungszug in Keula

Bahnhofsgebäude, Lok und Wagen waren mit Girlanden und Fahnen geschmückt, die Wagen außerdem noch mit Blumensträußen aus verschiedenen Gärtnereien dekoriert.



  Die Lokomotive des Eröffnungszuges



So las man in der "Greußener Zeitung" weiter.

Um 8.30 Uhr verließ der Zug unter jubelnden Hochrufen den Bahnhof Greußen Nbf. Der Zug wurde auf allen Stationen festlich und mit Jubel empfangen. Musikkapellen spielten, Vereine mit ihren Fahnen und Schulkinder waren angetreten, Bürgermeister hielten mehr oder weniger gut gesetzte Reden.
Der Zug kam nur langsam voran und erreichte gegen 1.00 Uhr (nachmittags), zwei Stunden später als geplant den Bahnhof Keula. Während der Fahrt waren im Zuge an die Teilnehmer Zigarrentaschen vereilt worden, später noch Blumensträuße und jeder erhielt als Präsent einen Betriebsfahrplan im Taschenformat.
Im Bahnhof Keula hieß


Auch hier gab es Reden, Toaste auf die Regierung, auf Bachstein, die Eisenbahn und vieles andere mehr. Die Speisen und Getränke taten das Ihrige, und so war man bald in recht angeregter Stimmung.



Mit Lobes- und Dankeshymnen an die "Durchlauchten" und die Veranstalter schließt der, im typischen, schwülstigen Zeitungsstil der damaligen Zeit geschriebene Bericht.