|Katastrophe vorprogrammiert|
Ich sitze an meinem Schreibtisch in meinem Zimmer. Hausaufgaben stehen an. An
einer Stelle im Mathebuch komme ich nicht weiter. Ich frage Mutter. Sie steht
in der Küche und spult ihren Standartsatz ab: „Geh zu deinem Vater. Frage
ihn!“
Ich gehe wieder zurück in mein Zimmer und versuche es noch mal allein.
Trotzdem raffe ich es nicht. Geh zu deiner Schwester und frage die, denke ich.
Ich trotte in das Mädchenzimmer. Es ist keiner da. Vater sitzt im Wohnzimmer
und glotzt TV. Er bemerkt mich nicht. Oder besser: Er will mich nicht
bemerken.
So langsam verzweifle ich. Ohne Hilfe komme ich nicht weiter. Doch frage ich
Vater gibt es wieder eine Katastrophe. Ich weiß wie das endet. Das letzte mal
bin ich mit einem riesigen blauen Fleck auf dem rechten Arm zur Schule
gegangen und musste mich außerdem für das durchweichte Deutschheft
entschuldigen. Vater hatte Tinte reingekippt, weil ich in der Korrektur eine
Diktates zwei Fehler gemacht habe. Ich sei ein Schwachkopf der es nie
begreifen würde, hat er gemeint.
Der Punkt ist gekommen. Die Hausaufgaben sind zu wichtig als das ich dafür
wieder eine schlechte Zensur bekommen darf. Ich gehe ins Wohnzimmer und
spreche ihn vorsichtig an:
„Papa?“
Er rührt sich nicht. Ich gehe zwei Schritte vor und spreche ihn wiederum an:
„Papa?“
„Was willst du?“
Er schaut mich durch die Heliomatik-Gläser seiner Brille an. Seine Augen kann
ich nicht sehen. Ich erinnere mich nicht, sie überhaupt mal gesehen zu haben.
Er setzt die Brille nur zum Putzen ab und schaut dabei stets nach unten. Er
hat sehr lichtempfindliche Augen.
„Kannst du mir bei Mathe helfen?“, frage ich
Er mustert mich und brabbelt, das er gleich käme.
Ich nutze die Zeit bis dahin um aufs Klo zu gehen. Sicher ist sicher. Vor
einigen Wochen durfte ich fünf Stunden nicht vom Schreibtisch aufstehen. Das
ganze Erdkundeheft musste ich neu abschreiben, weil ich einen Ländernamen mit
dem Tintenkiller wegmachen wollte. Er meinte das das Heft wie Sau aussieht und
nicht mehr zu gebrauchen. Deshalb müsse ich es komplett neu machen.
Unterstrichen hat der seine Forderung mit drei Kopfnüssen.
Ich sitze am Schreibtisch. Er setzt sich nah neben mich und stützt seine Hand
auf meinen Oberschenkel. Mir wird übel. Ich tu so als sei ich durstig und
gehe in die Küche. Das Wasser rinnt langsam durch meine Kehle. Ich lasse mir
viel Zeit dabei. Mutter sitzt in der Küche am Fenster, raucht und liest.
Ich gehe wieder ins Zimmer. Er hängt über dem Matheheft und liest. „Was
verstehst du nicht? Ist doch alles ganz einfach! Aber du hast wieder nicht
aufgepasst!“
Falsch, denke ich, ich verstehe es einfach nicht. Doch Wiederspruch gibt’s
bei Vater nicht. Das bereut man später.
Er erklärt mir den Rechenweg. Ich bin froh das er dabei so ruhig bleibt. Um
den Zustand aufrecht zu halten, täusche ich Mitarbeit vor, schreibe extra
sauber und die 5 mit dem großen perfekten Bogen wie er es immer mag. Nur
seine Hände machen mir Angst. Entweder streichen sie meinen Rücken oder die
Innenseite meiner Oberschenkel. Ich beobachte sie aus meinen Augenwinkeln.
Bemerkt er das, drückt er meinen Kopf in Richtung Hausaufgaben. „Hey
konzentriere dich auf deine Aufgaben!“
Eine viertel Stunde später. Jetzt hat er seinen rechten Arm um mich gelegt.
Sein linker ruht nahe meines Schritts. Ich traue mich nicht zu bewegen und
schaue starr auf das heft. Angst kriecht hoch.
Ich nenne das dritte mal ein falsches Ergebnis. Er wird knurrig und haut mir
auf den Rücken. „Konzentriere dich doch endlich. Was erzählst du mir hier
für einen Scheiß?“
Er wird immer lauter, nennt mich Klapperkopp. Ich weine. Mein Kopf saust auf
den Tisch. Er schreit mich an das ich aufhören soll zu flennen. Es wird immer
schlimmer. Mutter schließt die Küchentür und meint, das wir nicht zu laut
sein sollen. Er ruft. „Halt dich da raus. Sonst kapiert er das nie!“
Ich wische mir die Tränen aus den Augen. Vater sagt: „Mache deine Tür zu.
Sonst wirst du nur gestört!“
Nein, denke ich, nicht mit ihm allein in einem Zimmer. Das darf nicht sein.
Doch ihm wiedersprechen kann ich auch nicht. Langsam stehe ich auf und gehe
zur Tür. Ich schließe sie. Er sitzt am Tisch und mustert mich. „Komm
her!“
Ich setze mich wieder. Er kommt mit seinem Kopf ganz nahe an meinem. Reibt
seinen Bart an meiner Wange und grinst dabei. Seine Arme sind wieder überall.
Er erklärt und streichelt mich. Auf dem Rücken und den Oberschenkeln. Ich rücke
weg. „Was hast du?“, fragt er mich. „Nichts, ich sitze nur unbequem!“
„Mann, du sollst hier was lernen und dich nicht hinfläzen.“
„Papa“ , frage ich vorsichtig, „darf ich alleine weitermachen? Ich
schaffe das jetzt!“
Das war ein Fehler, jetzt flippt er aus. Er brüllt.
„Nein, junger Mann. Du hast gar nichts gerafft. Schau dir nur mal an mit
welcher Krakelschrift du alles geschrieben hast. Das ist nicht akzeptabel! Die
Achten müssen einen größeren Bauch haben und die Fünfen auch. Überhaupt
wie sieht das Heft bloß wieder aus? Mann, du bist doch das Letzte. Immer muss
man dir alles hundertmal sagen. Du begreifst das einfach nicht!“
Rumms, fliegt mein Kopf auf den Tisch. Ich weine wieder. „Mann hör jetzt
auf mit dem Weiberscheiß. Du bist ein Junge und flennst wie ein Mädchen.
Wird Zeit, das ich dich mal unter meine Fittiche nehme!“
Meine Tränen rinnen auf meine Hausaufgaben. Ich traue mich nicht meinen Kopf
zu heben. Er gibt mir eine schallende Ohrfeige und brüllt: „Schau dir mal
den Mist an. Nun hast du die Tinte weggeheult. So kommst du mir nicht davon.
Das schreibst du mir alles fein säuberlich wieder ab! Aber nicht nur deine
Hausaufgaben sondern das ganze Heft. Und damit du mir nicht schummelst...“
Ratsch macht es und mein Matheheft ist mit einem Ruck in der Mitte
durchgerissen...
Er wirft das Heft auf den Boden. „In zwei Stunden bist du fertig, sonst
setzt etwas!“, und knallt wutentbrannt die Tür beim Hinausgehen hinter sich
zu. Ich beruhige mich.
Die Tür geht auf. Mutter kommt hinein. „War’s schlimm?“, fragt sie
mich. „Nein, Mama“, antworte ich gelöst, „diesmal war es nicht so
schlimm.“
Ich sitze an meinem Schreibtisch in meinem Zimmer. Hausaufgaben stehen an. An
einer Stelle im Mathebuch komme ich nicht weiter. Ich frage Mutter. Sie steht in
der Küche und spult ihren Standartsatz ab: „Geh zu deinem Vater. Frage
ihn!“
Ich gehe wieder zurück in mein Zimmer und versuche es noch mal allein. Trotzdem
raffe ich es nicht. Geh zu deiner Schwester und frage die, denke ich. Ich trotte
in das Mädchenzimmer. Es ist keiner da. Vater sitzt im Wohnzimmer und glotzt
TV. Er bemerkt mich nicht. Oder besser: Er will mich nicht bemerken.
So langsam verzweifle ich. Ohne Hilfe komme ich nicht weiter. Doch frage ich
Vater gibt es wieder eine Katastrophe. Ich weiß wie das endet. Das letzte mal
bin ich mit einem riesigen blauen Fleck auf dem rechten Arm zur Schule gegangen
und musste mich außerdem für das durchweichte Deutschheft entschuldigen. Vater
hatte Tinte reingekippt, weil ich in der Korrektur eine Diktates zwei Fehler
gemacht habe. Ich sei ein Schwachkopf der es nie begreifen würde, hat er
gemeint.
Der Punkt ist gekommen. Die Hausaufgaben sind zu wichtig als das ich dafür
wieder eine schlechte Zensur bekommen darf. Ich gehe ins Wohnzimmer und spreche
ihn vorsichtig an:
„Papa?“
Er rührt sich nicht. Ich gehe zwei Schritte vor und spreche ihn wiederum an:
„Papa?“
„Was willst du?“
Er schaut mich durch die Heliomatik-Gläser seiner Brille an. Seine Augen kann
ich nicht sehen. Ich erinnere mich nicht, sie überhaupt mal gesehen zu haben.
Er setzt die Brille nur zum Putzen ab und schaut dabei stets nach unten. Er hat
sehr lichtempfindliche Augen.
„Kannst du mir bei Mathe helfen?“, frage ich
Er mustert mich und brabbelt, das er gleich käme.
Ich nutze die Zeit bis dahin um aufs Klo zu gehen. Sicher ist sicher. Vor
einigen Wochen durfte ich fünf Stunden nicht vom Schreibtisch aufstehen. Das
ganze Erdkundeheft musste ich neu abschreiben, weil ich einen Ländernamen mit
dem Tintenkiller wegmachen wollte. Er meinte das das Heft wie Sau aussieht und
nicht mehr zu gebrauchen. Deshalb müsse ich es komplett neu machen.
Unterstrichen hat der seine Forderung mit drei Kopfnüssen.
Ich sitze am Schreibtisch. Er setzt sich nah neben mich und stützt seine Hand
auf meinen Oberschenkel. Mir wird übel. Ich tu so als sei ich durstig und gehe
in die Küche. Das Wasser rinnt langsam durch meine Kehle. Ich lasse mir viel
Zeit dabei. Mutter sitzt in der Küche am Fenster, raucht und liest.
Ich gehe wieder ins Zimmer. Er hängt über dem Matheheft und liest. „Was
verstehst du nicht? Ist doch alles ganz einfach! Aber du hast wieder nicht
aufgepasst!“
Falsch, denke ich, ich verstehe es einfach nicht. Doch Wiederspruch gibt’s bei
Vater nicht. Das bereut man später.
Er erklärt mir den Rechenweg. Ich bin froh das er dabei so ruhig bleibt. Um den
Zustand aufrecht zu halten, täusche ich Mitarbeit vor, schreibe extra sauber
und die 5 mit dem großen perfekten Bogen wie er es immer mag. Nur seine Hände
machen mir Angst. Entweder streichen sie meinen Rücken oder die Innenseite
meiner Oberschenkel. Ich beobachte sie aus meinen Augenwinkeln. Bemerkt er das,
drückt er meinen Kopf in Richtung Hausaufgaben. „Hey konzentriere dich auf
deine Aufgaben!“
Eine viertel Stunde später. Jetzt hat er seinen rechten Arm um mich gelegt.
Sein linker ruht nahe meines Schritts. Ich traue mich nicht zu bewegen und
schaue starr auf das heft. Angst kriecht hoch.
Ich nenne das dritte mal ein falsches Ergebnis. Er wird knurrig und haut mir auf
den Rücken. „Konzentriere dich doch endlich. Was erzählst du mir hier für
einen Scheiß?“
Er wird immer lauter, nennt mich Klapperkopp. Ich weine. Mein Kopf saust auf den
Tisch. Er schreit mich an das ich aufhören soll zu flennen. Es wird immer
schlimmer. Mutter schließt die Küchentür und meint, das wir nicht zu laut
sein sollen. Er ruft. „Halt dich da raus. Sonst kapiert er das nie!“
Ich wische mir die Tränen aus den Augen. Vater sagt: „Mache deine Tür zu.
Sonst wirst du nur gestört!“
Nein, denke ich, nicht mit ihm allein in einem Zimmer. Das darf nicht sein. Doch
ihm wiedersprechen kann ich auch nicht. Langsam stehe ich auf und gehe zur Tür.
Ich schließe sie. Er sitzt am Tisch und mustert mich. „Komm her!“
Ich setze mich wieder. Er kommt mit seinem Kopf ganz nahe an meinem. Reibt
seinen Bart an meiner Wange und grinst dabei. Seine Arme sind wieder überall.
Er erklärt und streichelt mich. Auf dem Rücken und den Oberschenkeln. Ich rücke
weg. „Was hast du?“, fragt er mich. „Nichts, ich sitze nur unbequem!“
„Mann, du sollst hier was lernen und dich nicht hinfläzen.“
„Papa“ , frage ich vorsichtig, „darf ich alleine weitermachen? Ich schaffe
das jetzt!“
Das war ein Fehler, jetzt flippt er aus. Er brüllt.
„Nein, junger Mann. Du hast gar nichts gerafft. Schau dir nur mal an mit
welcher Krakelschrift du alles geschrieben hast. Das ist nicht akzeptabel! Die
Achten müssen einen größeren Bauch haben und die Fünfen auch. Überhaupt wie
sieht das Heft bloß wieder aus? Mann, du bist doch das Letzte. Immer muss man
dir alles hundertmal sagen. Du begreifst das einfach nicht!“
Rumms, fliegt mein Kopf auf den Tisch. Ich weine wieder. „Mann hör jetzt auf
mit dem Weiberscheiß. Du bist ein Junge und flennst wie ein Mädchen. Wird
Zeit, das ich dich mal unter meine Fittiche nehme!“
Meine Tränen rinnen auf meine Hausaufgaben. Ich traue mich nicht meinen Kopf zu
heben. Er gibt mir eine schallende Ohrfeige und brüllt: „Schau dir mal den
Mist an. Nun hast du die Tinte weggeheult. So kommst du mir nicht davon. Das
schreibst du mir alles fein säuberlich wieder ab! Aber nicht nur deine
Hausaufgaben sondern das ganze Heft. Und damit du mir nicht schummelst...“
Ratsch macht es und mein Matheheft ist mit einem Ruck in der Mitte
durchgerissen...
Er wirft das Heft auf den Boden. „In zwei Stunden bist du fertig, sonst setzt
etwas!“, und knallt wutentbrannt die Tür beim Hinausgehen hinter sich zu. Ich
beruhige mich.
Die Tür geht auf. Mutter kommt hinein. „War’s schlimm?“, fragt sie mich.
„Nein, Mama“, antworte ich gelöst, „diesmal war es nicht so schlimm.“