Wie wir uns als Opfer fühlen – Oder: „Stell dich nicht so an!“


Im ersten Moment denkst du dir „Ist es Wahr oder blosse Einbildung?“. Dann kommen Gefühle die du nicht verstehst, Verwirrt, Angst, Ekel, Hilflosigkeit. Du bist ohnmächtig vor Schreck, denn nie konntest du dir vorstellen dass diese Person zu so etwas fähig ist. Du fängst jetzt schon an dich zu hassen, denn dir wird bewusst, du wirst missbraucht von einer Person die du bis dahin geliebt hast. Du hasst dich, denn du bildest dir ein, ein Lügner zu sein, du fühlst dich Schuldig, denn du sagst ja nicht „Nein“. Wie sollst du auch etwas sagen, wenn du starr vor Schreck bist? Du stehst unter Schock und du kannst dich nicht mehr bewegen. Du lässt es über dich ergehen und verlierst all dein Zeitgefühl. Du weißt nicht mehr wann es angefangen hatte und du hoffst das es bald aufhören wird. Aber das wird es nicht, denn die Sekunden werden sich jetzt für dich zu Minuten ausdehnen und die Minuten werden dir wie Stunden vorkommen.

Ganz davon abgesehen ahnst du jetzt noch nichts von den Albträumen die dich danach heimsuchen werden, Nacht für Nacht, immer wieder. Du weißt noch nicht, dass dich bestimmte Gerüche und Farben an diese Nacht erinnern werden, dass du panisch den Fernseher ausschalten wirst, wenn du das Thema „Vergewaltigung“ oder „Missbrauch“ siehst. Du wirst lange Zeit keine Menschen mehr umarmen und berühren können, denn diese Person wird dir heute Nacht all dein Vertrauen dass du jemals hattest wegnehmen. Du wirst lange Zeit brauchen um es wiederzufinden. Dir tut dein Körper weh und die Schmerzen entstehen jetzt, aber an deine psychischen Verletzungen wirst du erst später erinnert werden. Dann wenn du dein Essen nicht mehr in dir behalten kannst oder dir die Arme als Bestrafung oder Reinigung vom inneren aufschneiden musst. Deine Freunde werden dich komisch ansehen, du bist ihnen neuerdings so fremd. Sie verstehen dein Verhalten nicht, sie wissen nicht mit deinen Agressionen umzugehen. Denn diese wirst du aufbauen, dann wenn deine Schuldgefühle gehen und du nur noch Hass auf die Person spürst, die dir dieses Leid jetzt in dieser Nacht zufügt. Vielleicht verfällst du aber auch in schwere Depressionen, willst mit deinen Freunden nichts mehr zu tun haben. Deine Leistung in der Schule oder auf der Arbeit werden schlechter, du wirst arbeitslos, verdienst kein eigenes Geld mehr. Du kannst deine Schulden nicht mehr bezahlen, dir wird die Wohnung gekündigt. Danach wirst du die Treppen auf dem Bahnhof als dein Zuhause nennen und deine Mitbewohner sind all die Punks und Junkies die es so wie du nicht geschafft haben sich in unserer Gesellschaft zu behaupten. Aber vielleicht hatten sie nie die Chance bekommen ein Leben ganz „Normal“ zu führen und vielleicht ist ihre Geschichte gar nicht so anders wie deine.

Aber jetzt befindest du dich noch im Schock, deine Gedanken kreisen in deinem Kopf. Du kannst nicht mehr klar denken, du nimmst nichts mehr wahr. Irgendwann wird es aufhören und diese Person wird sich nicht mehr um dich kümmern. Für sie geht das Leben ganz normal weiter, aber bedenke, heute Nacht ist dein Leben von dieser einen Person für immer komplett verändert worden.

„Stell dich nicht so an!“ – Wähle deine Wort gut, denn du musst diese Gefühle nicht erleben. Man sollte nie der Meinung sein, man könne „sein Maul“ zu einem Thema "aufreissen", von dem man doch eigentlich gar keine Ahnung hat. Deswegen lies meine Seite bitte sorgfälltig und aufmerksam durch, denn vielleicht lernst du noch etwas dazu.