Spuren im Schnee

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(Hainjahr 1, Winter)

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Mondstein blickte auf und witterte. Unbemerkt hatten sich die Wolken über ihnen zusammengezogen. Es roch nach Schnee. Leise fluchte sie. Gerade jetzt. Selten entfernten sich die Elfen bei Winter sehr weit vom Lager, doch der Hunger ließ ihnen diesen Winter wenig Wahl. Diese verfluchten Trolle! Wegen ihnen hatten sie nicht so viele Wintervorräte wie sonst ansammeln können. Aber diese Nacht hatten die Elfen Glück gehabt, der weite Weg hatte sich gelohnt. Sie hatten ein paar Rehe aufgestöbert und ein Jungtier erlegt, das zu schwach zum Fliehen gewesen war.
Gerade eben waren sie fertig mit dem Verladen der Beute. Mit noch einem besorgten Blick zum Himmel sah sich Mondstein um. Sie sollten sich beeilen und versuchen, vor dem drohenden Schneesturm zurück zum Hain zu gelangen. In dem Augenblick fiel ihr Blick auf ein kleines schneebedecktes Dickicht dicht am Wasser. Ein kleiner Schrei der Überraschung entfuhr ihr: Dort im Schnee waren Spuren. Spuren, wie sie sie noch nie gesehen hatte. Fast könnte man sie für die eines Elfen halten, doch dafür waren sie zu groß!
**Kommt mal alle her und seht euch das an!**

Nachtschatten, die ebenfalls wie Mondstein auf der Lauer gelegen hatte, sprang hoch und spurtete zu Mondstein. Die eisige Luft drang während des Rennens in ihr Lunge ein, so dass sie später etwas aus der Puste Mondstein fragte: **Was gibt's?**

Federregen kam von der anderen Seite herangetrottet, Schleicher hinter ihr, stob mit den Füßen Schnee in die Luft und konnte sich gerade noch beherrschen, Mondstein nicht mit einer gutgelaunten Kitzelattacke zu überraschen. Vorsichtig lugte sie über Mondsteins Schulter. "Was ist so besonders?", fragte sie, dann sah sie die Spuren. Ihr Mundwinkel zuckte missmutig. War das, was sie dachte, dass es war? Schleicher drückte seine Schnauze hinunter in eine der Spuren und gab einen tiefes Grollen von sich. Dann sah er von Mondstein, zu Federregen, zu Nachtschatten und wieder zurück. "Mondstein...?", fragte Federregen und sah ihrer Anführerin abwartend ins Gesicht.

Mondstein warf Federregen einen raschen Blick zu und formte ihrer aller Ängste in Worte. "Diese Spuren... ich habe noch nie solche gesehen. Dabei sehen sie fast aus wie die Spuren eines Elfen... Wenn ich an letzten Frühling denke, kann das nur eines bedeuten. Menschen. Hier. In unserem Tal." Sie sah sich um. Die Spur war nicht mehr sehr frisch, aber man konnte erkennen, in welche Richtung sie führte. Mondstein konnte die Fragen, die sich in den Gedanken der Anderen formten, förmlich spüren. Sollten sie den Spuren folgen? Doch es wurde bereits Morgen und im Hain wartete man auf sie. Auf der anderen Seite, sie waren alle in Gefahr, wenn die Menschen tatsächlich ihr Tal gefunden hatten. Und zu allem Überfluss fing es in diesem Moment auch noch an zu schneien. Mondstein fasste einen Entschluss. "Wir sollten so schnell wie möglich das Fleisch zurück ins Lager bringen und warten, bis der Schneesturm sich austobt. Dann können wir einen Suchtrupp aufstellen, der die Gegend nach weiteren Anzeichen von Menschen absucht".

Nur ungenau hatte Rabies Mondsteins Ruf gehört, zu beschäftigt war sie gewesen, mit ihrem Wolfsfreund übermütig herumzutollen. Doch sie hatte ihn gehört und war sofort losgeeilt. Aufgrund all der Ereignisse, die seit noch nicht mal einer Schneezeit bis zur nächsten stattgefunden sind, war es geradezu unmöglich, sich nicht auf der Stelle dahin zu begeben, wo etwas Ungewöhnliches auftauchte.
Wäre Rabies dazu geneigt, nicht neugierig zu sein, wäre sie vielleicht vorsichtiger herangestürmt, doch gerade diese Neugier beflügelte ihre Schritte zum Rufer.
Sie erreichte Mondstein, Nachtschatten und Federregen in dem Moment des Gesprächs, als es um die Beute ging. Nach einem halbherzigen Gruß half sie Mondstein bei einem Teil der Beute: "Na dann lasst uns beeilen, ich wär gern im Warmen wenn es hier ungemütlich wird!"

Nachtschatten stöhnte innerlich. Das, was sie Ende letzten Frühlings mit den Menschen erlebt hatte, reichte ihr. "Ja, lasst uns zurückkehren. Je eher, desto besser. Wenn ich nämlich noch länger hier stehe, bin ich erfroren."

Mondstein nickte und führte den Zug am Ufer des Flusses entlang auf den See zu, um das Lager über den See schneller zu erreichen. Inzwischen fiel der Schnee heftiger und auch der Wind nahm bedeutend zu. Es wurde immer schwieriger, dagegen anzukämpfen, und Mondstein konnte durch das dichte Schneetreiben kaum mehr die anderen erkennen. Sie waren noch nicht weit gekommen, doch Mondstein kam es vor wie eine Ewigkeit, wie sie sich da durch den Schnee und den Wind kämpften. Endlich hielt sie inne. **Es hat keinen Sinn, es ist zu spät, um ins Lager zurück zu kehren** Sie musste Senden, denn über den Wind war es unmöglich, sich zu verständigen. **Wir brauchen einen Unterschlupf, bis sich das schlimmste legt!**

Federregen schüttelte den Kopf. Sie wusste, dass sich ihr Vater in der Nähe befand. "Die Spuren," sagte sie. "Lasst uns ihnen folgen!" Sie schirmte ihre Augen gegen den Schnee und blinzelte, weil die weiße Landschaft im Licht des Mondlichts ihr doch ein wenig zu grell wirkte. "Wir müssen wissen, welche Gefahr, falls eine, uns von dem Menschen drohen. Wenn die Spuren bald verwischt sind, haben wir keine Chance mehr! Und das Fleisch wird sich in der Kälte sicherlich gut halten." Sie sah eine unförmige Gestalt auf sich zukommen. *Vater, hast du die Spuren gesehen?* fragte sie, als Weitblick bei der kleinen Gruppe ankam. Er nickte langsam. "Nie ein Tier mit solchen Fährten gesehen!", sagte er. "Nichts desto trotz, es sieht familiar aus!"

Der Wind wehte Nachtschatten nun heftig um die Ohren. Sie fror. Es war ein kalter Winter, kälter als die Winter in ihrem ersten Stamm. Aber daran würde sie sich wohl gewöhnen müssen. **Was ist jetzt? Wollen wir nun einen Unterschlupf für den Schneesturm suchen oder den Spuren folgen? Wenn wir den Schneesturm abwachten, werden die Spuren vom Schnee bedeckt sein!**

Weitblick strich sich mit einer behandschuhten Hand über seinen kurzen Bart. In einem Winter wie diesem war er froh, dass er ihn hatte. Jeder Schutz vor der Kälte half. Er betrachtete Federregen und bemerkte, dass sie eigentlich ganz munter wirkte, auch wenn sie Kälte nicht mochte und sich wahrscheinlich am liebsten irgendwo im Warmen verkrochen hätte. Vielleicht war es die Aufregung über die fremden Spuren. Er blickte zu Mondstein. "Deine Entscheidung, Anführerin!", sagte er, aber wenn sie um seinen Rat fragen Würde, würde er ihr raten, einen Unterschlupf zu suchen. Die Sicherheit der Jäger war wichtiger als die Spuren eines einzelnen, seltsamen Tieres.

Mondstein zögerte nicht lange. **Es ist sinnlos, den Spuren jetzt noch zu folgen, so wie der Sturm aussieht, würden wir sie eh innerhalb kürzester Zeit verlieren. Auf der anderen Seite des Flusses ist eine Felswand, in der es Höhlen geben müsste. Lasst uns dort unterkriechen!**

Federregen maulte leise vor sich hin, akzeptierte aber Mondsteins Entscheidung. Trotz des kleinen Abenteuers, das sie erlebt hatten, als Nachtschatten und Sternentau zu ihnen kamen, fürchtete sie sich nicht vor Fünffingern. Im Gegenteil, auch wenn sie sie nicht mochte, sie begann sie in ihrer seltsamen Weise irgendwie interessant zu finden. Außerdem war es anscheinend nur ein einzelner Fünffinger und konnte nicht so viel Schaden anrichten. Aber wenn es ein Späher war und weiter entfernt noch mehr Fünffinger lauerten? Sie zuckte mit den Achseln und kuschelte sich tiefer in ihren Umhang, als sie Mondstein in die angewiesene Richtung folgte.

Nachtschatten sah es Federregen irgendwie an, dass sie Mondsteins Entscheidung nicht so toll fand und sendete ihr: **Hey, vielleicht werden wir noch Gelegenheit haben, herauszufinden, wer diese Spuren hinterlassen hat, nach dem Schneesturm. Es kann doch sein, dass es nach dem Schneesturm wieder Spuren im Schnee hinterlässt.**

Mondstein führte die kleine Gruppe über den zugefrorenen See auf das andere Ufer zu. Die Felswände ragten hoch über ihnen auf, doch der Wind war dort schon spürbar weniger stark, obwohl der Schnee noch immer in dichten Flocken fiel. **Hier muss irgendwo eine Höhle sein!** Sie erinnerte sich undeutlich an eine Jagd mit Silberfluss, wo sie auch vom Wetter überrascht wurden und dort Zuflucht gesucht hatten. Doch durch den Schnee war wenig zu erkennen. **Wir sollten uns leicht aufteilen, und sie suchen. Verliert einander aber ja nicht aus den Augen!**

Weitblick nickte. *Am besten in zweier Gruppen!* meinte er und winkte Federregen, mit ihm zu kommen. Zusammen trennten sie sich von Mondstein, Nachtschatten und wandten sich nach rechts. **Wann warst du das letzte Mal in der Höhle?** fragte er Mondstein beim Fortgehen. **Der Schnee fällt heftig, vielleicht ist sie zugeschneit und wenn nicht, wie kann man sie erkennen?**

**Trennen wir uns hier noch einmal und einer muss allein gehen, oder bleiben wir zu dritt?**, fragte Nachtschatten Rabies und Mondstein. Ihr wurde immer kälter und wenn sie nicht bald die Höhle fanden, vermutete sie, würde sie bald erfroren sein.

Mit gerunzelter Stirn hatte sich Dunkelwind die Spuren angesehen und war ein Stück zurückgeblieben. Jetzt tauchte er wieder bei den andern auf. **Ich kann mit Rabies gehen.**, sendete er. Suchend sah er sich in dem Schneetreiben um. Stern war an seiner Seite und reckte die Nase in die Luft. In welche Richtung sollten sie gehen?

Federregen schwang herum, als sie Dunkelwinds Senden hörte. So schnell sie konnte rannte sie zurück, sprang, schlang ihre Arme um seinen Hals und riss ihn mit sich zu Boden. Breit grinsend saß sie auf ihm und nestelte an seiner Kleidung herum. bis sie ihre eiskalten Hände zwischen Körper und Leder quetschen konnte. "Brüderchen," sagte sie, als wäre sein einziger Zweck ihr als Händewärmer zu dienen, und mit einer kleinen Warnung 'Beweg dich nicht, sonst kitzel ich', "Schön, dass du auch endlich nachkommst!"

Rabies versuchte, ihr Gesicht zu schützen, indem sie einen Arm davor hielt. Diese ganze Schneesturmsache entwickelte sich langsam zu unerträglichem Eulendreck.
Sie sah sich in grotesker Haltung um und entdeckte, dass sie kaum was erkennen konnte. Sie meinte: **Ich würde heute nix essen, wenn ich stattdessen jetzt in meiner Höhle liegen könnte!** Dann erblickte sie Dunkelwind und Federregen wieder und trat zu den Beiden. **Ich kann kaum noch die Richtungen unterscheiden. Aber ich hoffe doch, dass Mondstein dies tut und die Höhle findet...** Sie versuchte sich umzusehen, doch erneute Schneestöber reizten ihre Augen.

Nachtschatten konnte kaum noch was sehen, da die Schneeflocken immer dichter fielen. 'Wann hört doch bloß dieser eisige Winter auf?', fragte sie sich und freute sich schon auf den Frühling. Dann antwortete sie auf Rabies Senden: **Das hätten wir uns vorher überlegen müssen! Zurück können wir ja leider nicht mehr... Aber wer von uns hat schon mit so einem Sturm gerechnet? Ich frage mich, wie wir diese Höhle bei einem solchen Sturm finden sollen! Aber wenn, dann hoffentlich bald!**

Rabies wollte Nachtschatten zustimmend entgegennicken, aber das schaffte sie nicht und wandte sich wieder um: **Mondstein kannst du irgendetwas entdecken?**
Tollpatsch presste sich an Rabies und gab ein Winseln von sich, auch ihm bereiteten die scharfen Flocken ziemlich Probleme.

Federregens Grinsen wurde breiter. **Also mich stört es nicht so lange meine Hände warm bleiben, aber bevor mein Handwärmer auskühlt**, sie deutete auf Dunkelwind, **finden wir besser die Höhle, sonst muss ich mir ein neues Opfer suchen!** Sie lachte kurz, machte eine Kopfbewegung in Rabies und Nachtschattens Richtung und versuchte einige der Schneeflocken mit ihrem Mund aufzufangen. Sie schien sich anscheinend doch ganz gut zu amüsieren.

Dunkelwind grinste Federregen an **Na, so eine stürmische und kalte Begrüßung hatte ich ja lange nicht mehr!** Dann auf einmal schnellten seine Arme hoch, drückten Federregen mit einem kräftigen Stoß nach hinten und rollte sie herum. Jetzt saß er auf ihr und stopfte ihr erst mal lachend eine Ladung Schnee ins Gesicht. Die beiden wälzten sich noch eine Weile lachend im Schnee herum (im Herzen sind sie immer noch wie kleine Kinder), bis Rabies dazukam. Dann stand Dunkelwind auf und schüttelte den Schnee ab. Jetzt war ihm doch langsam kalt und er wollte so schnell wie möglich die Höhle finden, vielleicht war es ja darin angenehmer. **Tja, hier die Orientierung zu behalten ist gar nicht so einfach, dort vorne ist Mondstein, sieht so aus, als hätte sie etwas entdeckt, schnell, lasst uns nachsehen. **Und schon stapfte er los, durch den tiefen Schnee. Jetzt ärgerte er sich, dass er Stern nicht mitgenommen hatte, die Wölfin konnte viel besser im Schnee laufen. Doch sie hatte gerade geschlafen, als sie aufgebrochen waren und er wollte sie nicht aufwecken.

Mondstein hatte tatsächlich etwas entdeckt. Vor ihr in der Felswand tat sich ein großes Loch auf: Die Höhle. Einen Moment lang hielt sie inne. Sie war sich nicht sicher, doch ihre Nase hatte etwas wie Rauch gerochen. Doch im nächsten Moment war der Geruch schon wieder verflogen, und es war schwierig, in der eisigen Luft einen Geruch genau festzulegen. Sie drehte sich um und versuchte durch das dichte Schneetreiben die anderen auszumachen, die nur noch als Silhouetten auszumachen waren. **Kommt alle her, ich habe die Höhle gefunden! Lasst das Reh draußen und vergrabt es im Schnee, damit das Fleisch frisch bleibt!**

Nachtschatten war froh, dass Mondstein die Höhle endlich gefunden hatte und konnte nicht warten, endlich reinzukommen. Plötzlich roch sie genauso wie Mondstein Rauch. **Riecht ihr das? Woher kommt das?**

Federregen lachte und beschmiss nicht nur das Reh mit Schnee, aber auch Dunkelwind. Vor lauter Herumtollen roch sie nichts, und es interessierte sie auch wenig. Schließlich hatten die Spuren ja in eine andere Richtung gezeigt. Als schließlich das Reh größtenteils bedeckt war, blickte sie auf. *Was ist los?* fragte sie und hob ihre rotgefrorene Nasenspitze, jedoch war es zu kalt und zu schneestürmerisch, so dass sie kaum etwas roch. *Du musst dich wohl geirrt haben! Ich riech nichts!* meinte sie zu Nachtschatten. *Komm, lasst und schnell zu Mondstein, bevor wir festfrieren!* Sie grinste breit und hob eine behandschuhte Hand um ihren Vater mit sich zu winken.

Mondstein drehte sich erstaunt zu Nachtschatten um. **Du riechst auch so etwas wie Rauch? Ich dachte, meine Nase hätte mich getäuscht, in der Kälte... Wir sollten vorsichtig sein...** Mondstein wollte ihre weiteren Gedanken nicht unbedingt weiterverfolgen. Wenn es jedoch echt Rauch war, den sie gerochen hatten, dann musste ein intelligentes Lebewesen in der Nähe sein, das mit Feuer umgehen konnte. Und solche Lebewesen kannte Mondstein nur 3: Elfen, Trolle - und Menschen!
Mondstein gab sich einen Ruck. Im Moment hatten sie nicht sonderlich die Wahl, die Höhle war der einzige ausreichend windgeschützte Ort, den sie in der Gegend kannte. Außerdem, der Geruch war schon alt gewesen, und sie waren sich ja nicht einmal sicher ob es ihn wirklich gab...
Langsam und vorsichtig betrat sie das Innere der Höhle. Sie ließ sich Zeit um ihre Augen von dem grellen Schnee draußen an die Dunkelheit der Höhle gewöhnen. Doch dann erkannte sie etwas, was sie innehalten ließ. Ihre Füße waren auf Tierknochen und ähnliche Abfälle getreten. Und ganz hinten in der Höhle lag ein Bündel Felle und auf ihnen schlief kein anderer als - Rakas!

Nachtschatten hatte den Menschen auch erkannt. 'Und was jetzt?' schoss es ihr durch den Kopf. Sie sah zu den anderen. **Hey, den kennen wir doch!** Und für die, die Rakas nicht kannten, fügte sie hinzu: **Als meine Schwester und ich die Mondreiter fanden und wir (Wildhirsch, Federregen, Schatten, Mondstein, Sternentau und ich) uns auf den Weg zum Hain machten, lernten wir Rakas kennen. Da der Bruder von Rakas nach seinem Leben trachte, beschloss Sternentau, ihm zu helfen. Und jetzt wo man meine Schwester einmal braucht, ist sie nicht da! Verdammt! **

Weitblick und Federregen stoben schnell, aber leise und unscheinbar zu Nachtschatten und Mondstein in die Höhle. Federregen legte den Kopf schief in einer vogelartigen Bewegung und begutachtete den Menschen. Rakas. Ihr Traum war ihr plötzlich wieder überdeutlich vor Augen. Die Spuren... das waren seine Spuren gewesen! Bevor Weitblick sie aufhalten konnte, war sie schon vorgesprungen und hatte sich vor den schlafenden Menschen gekniet. Vorsichtig liftete sie die Felle, mit denen sich Rakas zugedeckt hatte, bis ein nackter Zeh zum Vorschein kam, an dem sie leicht zu ziehen begann.
**Federregen!!** rief Weitblick empört über die Leichtsinnigkeit seiner Tochter. Dann wandte er sich besorgt zu Mondstein und Nachtschatten. **Ist dieses... Ding... ein Mensch?!**

Rabies empfing das Senden und sandte zu Dunkelwind und Federregen, die sich gerade auf den Weg machen wollten! **Hey nicht abhauen, ich will auch ins Trockene, aber wir sollen das Reh ordentlich "verstecken"!**
Sie richtete sich auf machte sich an die Arbeit, das hätten sie auch schon Augenblicke eher erledigt haben können.

Schnell half Dunkelwind, das Reh zu vergraben. Dann lief er in die Höhle und sah gerade, wie Federregen Rakas am Fuß zog. Erschrocken hielt er die Luft an. **Bist du wahnsinnig?!**, war seine erste Reaktion.
Er hatte auch Nachtschattens Senden gehört und erinnerte sich nun, wie Federregen ihm damals von Rakas erzählt hatte. Entweder war seine Schwester heute besonders übermütig und besonders leichtsinnig, oder sie wusste genau, was sie tat. Doch nach kurzem Zögern dachte er eher das Zweite. Normalerweise war sie nicht so unvorsichtig mit Menschen und schließlich kannte sie Rakas. Trotzdem blieb er misstrauisch. Aber, so dachte er sich, gefährlich konnte er ihnen nicht werden. Sie waren viel mehr und hatten ihre Waffen dabei. Aber das wäre sowieso das letzte Mittel gewesen, zu dem er gegriffen hätte. Er war zwar ein guter Jäger, aber er hasste es, Lebewesen zu töten, wenn es nicht unbedingt sein musste.
Und, weil Federregen Rakas ziemlich heftig am Fuß zog, kam es, wie es kommen musste: Der Mensch wurde wach, setzte sich abrupt auf, (vorsichtshalber hatte er in der gleichen Bewegung einen Dolch aufgehoben) und starrte verduzt die Elfen an.

Rakas zuckte zusammen, als er Federregen sah. Doch er spürte, dass sie nicht allein war. Sein Blick fiel auf weitere fünf Gestalten, die am Eingang der Höhle standen. Was wollten die von ihm, fragte er sich. Erst dann erkannte er die spitzen Ohren und dann bemerkte er erst, dass Dämonen vor ihm standen. Sein Blick wanderte zu Federregen und er glaubte, sie zu kennen. Sie war damals dabei gewesen, als der rothaarige Dämon sie gerettet hat.
Nachtschatten sah, wie er zusammenzuckte bei ihrem Anblick. **Ich glaube, wir erschrecken ihn gerade zu Tode. Er war schon damals nicht besonders mutig, ich glaube nicht, dass er uns etwas tun wird. Jetzt müssen wir nur noch versuchen, uns mit ihm zu verständigen.**

Federregen musste über Rakas erschrockenen Gesichtsausdruck lachen. Bevor er seinen Fuß wegziehen und aufspringen konnte, ließ sie ihren Speer fallen, packte seinen Fuß fest mit einer Hand und tat, was sie am besten konnte. Sie begann ihn unter den Fußsohlen zu kitzeln. Es konnte ja schlecht etwas ernstes passieren. Dunkelwind und Weitblick waren da, um sie zu beschützen und draußen war sogar noch Rabies. Sie hörte selbst noch nicht mit dem Kitzeln auf, als Rakas sich vor Lachen krümmte, alle Felle von sich geworfen hatte und Tränen in den Augen hatte. Schließlich erbarmte sie sich doch ein wenig und stellte sich breitbeinig über Rakas, als wolle sie sagen: "Na, kennst de mich noch?" Der Mensch schaute sie nur erstaunt an. Langsam wurde ihm klar, dass er wirklich wieder den Dämonen gegenüber stand. Damals hatte er geglaubt, dass er ihnen entkommen und noch mal mit heiler Haut davongekommen war. Aber jetzt waren sie wieder da. Was wollten sie bloß von ihm? War es nicht genug, dass er seinen Sohn verloren und aus dem Stamm verstoßen wurde, nein, jetzt wurde er auch noch von den Nachtdämonen verfolgt. Er errötete leicht, als er bemerkte, dass die grauäugige Elfe, die über ihm stand, weiblich war, sowie einige andere in der Höhle. Scheu schnappte er sich eines der Felle und krabbelte so schnell er konnte weiter von den Elfen fort. Draußen hörte er den Schneesturm heulen und das machte das Ganze noch unheimlicher. "W... was wol... lt ihr v...v...von mir?", stotterte er ängstlich. Federregen wandte den Kopf zu den anderen. **Versteht ihr, was er sagt?** fragte sie.

Dunkelwind sah nun, dass dieser Mensch wirklich keine Bedrohung für sie war. Dieser Mensch hatte einfach nur Angst. Er wollte nicht, dass er Angst hatte. Er sollte sehen, dass sie ihm nicht wehtun wollten und ihm freundlich gesinnt waren. Und da er die Sprache der Menschen nicht verstehen, geschweige denn sprechen konnte, musste er es mit Gesten versuchen.
Er legte seinen Bogen und den Köcher ab und ging vorsichtig auf Rakas zu. Dann nahm er auch noch seinen Dolch, drehte ihn herum und reichte ihn mit dem Knauf nach vorne Rakas zu. Dieser schien nicht ganz zu verstehen. Nachdem der Mensch nach einiger Zeit immer noch keine Anstalten machte, den Dolch zu nehmen, legte er den Dolch auf den Boden. Dann trat er ein paar Schritte zurück und zeigte auf den Höhleneingang. Er versuchte Rakas klarzumachen, dass sie hier Unterschlupf suchen mussten.
Er wusste, dass die Sache mit dem Dolch nicht ganz ungefährlich war. Schließlich könnte er aus Angst überreagieren. Doch das hielt Dunkelwind für nicht sehr wahrscheinlich.
Er sah die Andern an. "Kann ihm irgendjemand deutlicher klarmachen, dass wir ihm nichts tun wollen?"

Federregen grinste frech. Ihr war gerade eine neue Idee gekommen! "Kuschelrunde!" rief sie, schlüpfte unter Rakas Felle und kuschelte sich an ihn, worauf der Mensch nur noch röter im Gesicht wurde. Federregen deutete auf seine Wangen. "Ob das normal ist?", fragte sie.

**Hey, Federregen, erschreck den Armen nicht so**, meinte Nachtschatten. Dann antwortete sie auf Dunkelwinds Frage: **Ich kann's ihm nicht anderes deutlich machen. Ich sagte doch, wenn man meine Schwester mal braucht, ist sie nicht da. Sie kann als einzige ein wenig von der Menschensprache. Vielleicht könnte Rakas uns sie beibringen, während wir hier den Schneesturm abwarten?**

Federregen kicherte unter den Decken. **Ich könnte ja versuchen, Schwarzgefieder zu erreichen und ihm Sternentau den Weg zeigen lassen, aber ich glaube kaum, dass sie bei diesem Wetter eine Chance hätten."

Rabies blickte mit äußerst skeptischem Blick auf Federregen und Rakas. Sie kratzte sich am Kopf und wies auf Federregen und wollte etwas sagen, doch brachte kaum ein Wort heraus. Sie sandte stattdessen **Was tust du denn da?** Als wenn das vielleicht eine Art gewesen wäre. Einfach den Menschen zu 'überfallen'.

Federregen kicherte leise. *Wonach sieht's denn aus?* fragte sie Rabies.

Nachtschatten musste Rabies zustimmen: **Federregen, du kannst doch nicht einfach...**, und warf dann einen Blick zu Rakas, **der Mensch sieht nun wirklich nicht so aus, als fände er deine Idee so toll.**

Dunkelwind sah Federregen empört an. Seine Schwester hatte vielleicht Ideen! Und Rakas fand das anscheinend auch nicht so toll. Aber da merkte Dunkelwind, dass ihm ganz schön kalt war. Also, eiferte er seine Schwester nach und kroch zu ihr unter die warme Decke und grinste dabei den Menschen freundlich an.

Federregen beugte sich über Rakas zu Dunkelwind hinüber, umarmte ihn herzlich und rieb ihr kalte Nasenspitze zärtlich an seiner Wange. **Danke, Brüderchen!** sendete sie ihm zu. **Ich glaube, die anderen waren schon fast völlig von meiner Verrücktheit überzeugt und erwarten mich im nächsten Moment mit Schaum vor dem Mund zu sehen.**

Dunkelwind grinste. **So manches mal möchte ich aber auch wissen, welcher Wolf dich schon wieder gebissen hat!** Und den andern sendete er zu: **Keine sorge, wir sind nicht verrückt geworden, uns ist nur kalt.**

Vollkommen verwirrt und mit gerunzelter Stirn starrte Rabies Federregen an und schüttelte dann verärgert den Kopf: **Dir scheint's ja sehr langweilig zu sein, wenn du schon Menschen erschreckst!** Dann wandte sie sich um warf einen bösen Blick auf Rakas, aus irgendeinem Grund wollte sie ihm misstrauen, auch wenn er wirklich nicht in der Lage war, irgendjemanden anzugreifen!
Rabies schluckte und wandte sich wieder etwas besser gelaunt an Federregen: **Du Menschenerschrecker!**

Nachtschatten war zwar auch kalt, aber sie würde sich sicherlich nicht zu dem Menschen setzen, solange es keine andere Möglichkeit gab. Trotzdem ging sie langsam auf Federregen, Dunkelwind und Rakas zu, zog dann ganz leicht an der Decke und zeigte darauf eine zwei mit ihren Fingern. Sie hoffte der Mensch verstand, was sie wollte.

Rakas, der wie zu einer Säule erstarrt dagesessen hatte, starrte die andere Elfe mit großen, sprachlosen, erschrockenen Augen an. Dann verstand er. Mit einiger Mühe strampelte er sich frei und überließ Federregen und Dunkelwind seine Decke. Er ging weiter in die Höhle hinein und kam mit einer Decke und zwei weiteren Fellstücken wieder. Er deutete auf sein kleines Feuer. /Feuer?/ fragte er und reichte Nachtschatten etwas unsicher die Felle.

Mondstein sah den Menschen überrascht an. Das hätte sie jetzt nicht von ihm erwartet. Nicht nur war dieser Mensch fähig zu denken, und sie zu verstehen, doch er schien nicht nur klug, sondern auch einigermaßen hilfsbereit! Dankbar nahm sie ihm eins der Felle ab und wickelte sich fest darin ein. Ob er sich an sie erinnerte? Mit ein paar einfachen Handbewegungen versuchte sie ihm ihren Dank klarzumachen, aber sie war sich nicht sicher ob sie Erfolg dabei hatte. Auf jeden Fall schenkte sie ihm ein strahlendes Lächeln.

Federregen sah Mondsteins Lächeln und eines breitete sich auch auf ihrem Gesicht aus. Es war anscheinend für ihre Anführerin doch nicht so schlimm, dass sie und Dunkelwind zu dem Menschen unter die Felle gekrochen waren. "Er sieht hungrig aus! Vielleicht sollten wir etwas von der Beute reinbringen und ihm ein bisschen als Dankeschön geben!", schlug sie vor. Ihre Augen wanderten zu Rabies. **Sag das ja nicht zu den Bewahrern!** warnte sie ihre Freundin. **Sonst wird aus mir noch ein Menschen-schreck Hochding!** Sie kicherte leise.

Nachtschatten hatte sich ebenfalls eines der Felle von Rakas genommen und sich gemütlich darin eingekuschelt. Nachtschatten wurde immer wärmer und dies veranlasste sie vielleicht, trotz ihrer Abneigungen gegen die Menschen, Federregens Vorschlag zu zustimmen. Sie erhob sich seufzend und fragte, während sie zum Eingang der Höhle schritt, ob auch wirklich alle mit Federregens Vorschlag einverstanden waren.

Dunkelwind fand den Vorschlag gut. "Ich geh das Reh holen, wenn du nichts dagegen hast, Mondstein?" Er sah Mondstein fragend an und wühlte sich aus den warmen Fellen. Der Sturm schien nicht mehr ganz so schlimm zu sein wie vorher. Da fiel ihm ein, dass es alleine schwierig sein würde, das Reh reinzuholen. Also fragte er Federregen: "Hilfst du mir?"

Mondstein nickte Dunkelwind und Federregen zu. "Gute Idee. Wer weiß, wie lange wir hier eingeschneit sein werden." Besorgt warf sie einen Blick zum Eingang. Der Schnee lag dort schon knietief und war um einiges in die Höhle hineingeweht. "Wir sollten auch ein Fell im Eingang befestigen um zumindest das gröbste an Schnee draußen zu halten."

Federregen sprang leichtfüßig auf und hängte sich lachend bei Dunkelwind ein. "Auf ins Weiße!", rief sie übermütig und verschwand mit Dunkelwind aus der Höhle.

Rabies sah sich verwirrt um und schüttelte dann den Kopf. Warum hatten sie die Beute dann nicht gleich mit genommen?
Aber egal, sie sah sich um und meinte zu Mondstein: **Welches Fell sollen wir in den Eingang hängen?**
Dann blickte sie zu ihrem Wolfsfreund, der es sich schon in einer Ecke bequem gemacht hatte. Der hatte es gut, sein Fell war so oder so warm genug!
Dann fiel ihr noch ein: **Federregen: Komm einmal auf die Idee mich zu ärgern und ich werde den Bewahrern von deiner glorreichen Tat berichten - Menschen-Schreck-Federregen!**

Federregen lachte, auch wenn man es von draußen im Sturm nicht hören konnte. **Ich warn dich, Rabies!** rief sie. **Wenn du das machst, kitzel ich dich, bis du blau wirst!**

Nachtschatten sah, dass Federregen und Dunkelwind nach draußen gingen und die Beute suchten und war froh darüber. 'Sehr praktisch.' Dann musste sie wenigstens nicht raus in die Kälte. Sie kuschelte sich wieder in die Decke und hoffte, dass der Schneesturm bald vorbei ginge.

***

Mühsam kämpfte sich der Elf durch das Schneetreiben. Er war fast am Ende seiner Kräfte angelangt und die Wunde an seinem Bein blutete wieder stark. Sein Kopf glühte und seine Brust stach wie tausend Nadeln bei jedem Atemzug. Doch das alles nahm er kaum noch wahr, genauso wenig wie die Kälte. Er taumelte gegen den Wind und stürzte schließlich auf die Knie. Mühsam hob der Elf den Kopf und blinzelte, da war ein Licht und... sie. Sie lebte und war schön wie das letzte Mal, als er sie sah. Lächelnd streckte sie ihre Hand aus und winkte ihm, ihr zu folgen. Der Elf kroch ein paar Schritte nach vorne, streckte seine Hand in ihre Richtung Licht aus, doch sie wich immer weiter zurück, verblasste langsam, nur das Licht schien stärker zu werden. "Ilida..." murmelte der Elf und brach zusammen. Dann war alles schwarz um ihn.

***

Federregen stob Schnee auf und lachte vergnügt, als der Wind die weißen Flocken um sie wehte. **Komm schon!** rief sie Dunkelwind zu und rannte voraus zu der Stelle, wo sie die Beute vergraben hatten.

Dunkelwind kämpfte sich mit Federregen durch den Schnee. Der Wind war doch noch recht heftig. Gleich würden sie auf die Stelle stoßen, wo das Reh vergraben war. Auf einmal stockte Dunkelwind. Vor ihnen im Schnee lag etwas. Eine Gestalt. Federregen wäre beinah drüber gestolpert. Dunkelwind bückte sich runter. Ein Elf! Und er war total blutverschmiert. Verwirrt sah er seine Schwester an. *Der war doch eben noch nicht da.* Dann sandte er den andern, während er sich runterbeugte und feststellte, dass der Elf noch lebte: *Hier draußen liegt ein Elf! Er scheint schwer verletzt zu sein, aber er lebt noch. Federregen und ich bringen ihn rein.* Er machte eine entsprechende Geste zu Federregen und die beiden hoben vorsichtig den bewusstlosen Elf auf und trugen ihn Richtung Höhle. Hoffentlich konnten sie noch etwas für ihn tun und es war noch nicht zu spät!

Mondstein sah überrascht auf. Ein Elf? Jemand aus dem Hain? Doch dann hätte Dunkelwind ihn beim Namen genannt. Also noch jemand neues! Sie sprang auf, ließ das Fell, in das sie sich gewickelt hatte, fallen und lief zum Eingang, um Federregen und Dunkelwind zu helfen. **Bring ihn hinein! Wie schlimm ist es?** Dabei fiel ihr noch etwas ein. Ohne auf eine Antwort zu warten, sah sie an ihnen vorbei ins Freie.
**Vielleicht ist er nicht alleine gekommen! Federregen, Dunkelwind, könnt ihr euch noch mal in der Nähe umsehen? Entfernt euch nicht zu weit. Wir wollen euch nicht verlieren.** Sie drehte sich nach Rabies und Weitblick um. **Könnt ihr das Reh hinein holen?** Dann endlich beugte sie sich über den verletzten fremden Elfen. **Nachtschatten, komm hilf mir. Wir müssen ihn ins Warme bekommen. Diese Wunden am Bein sehen übel aus. Als hätte ihn ein wildes Tier angefallen.!** Sie seufzte. Zwei Heiler hatten sie im Lager und genauso viele Kräuterkundige, aber wenn man sie brauchte, waren sie natürlich nicht da. **Nachtschatten, hast du nicht die Kräuter, die uns Marleen für den Notfall mit gegeben hat? Ich glaube, du kommst mit ihnen von uns allen hier am besten klar. Kannst du ihm helfen?**

Weitblick brummte verwundert vor sich hin. Erst einer dieser Fünffinger und dann ein neuer Elf. Eine seltsame Nacht. Besorgt blickte er auf den Neuen. Wo waren diese Heiler, wenn man sie mal brauchte? Er winkte Rabies und zusammen gingen sie hinaus in die Kälte.

Federregens Ausdruck vereinte vieles. Sie war erschrocken, über die Verletzungen des Fremden und gleichzeitig erfreut, hoffentlich bald einen neuen Elfen kennen zu lernen. Die Aussicht auf neue Elfen war für sie immer aufregend. Sie ergriff Dunkelwind am Ärmel und zerrte ihn mit sich. *Komm, hoffentlich sind da noch mehr und hoffentlich nicht verletzt oder tot!*

Rakas war total durcheinander. Erst waren zwei Elfen rausgerannt nachdem er ihnen die Decken gegeben hatte und dann kamen sie mit einem Verletzten wieder. War das die Art der Dämonen, ihre Verletzten und Kranken einfach in der Kälte liegen zu lassen, weil sie sich selbst in Sicherheit und ins Warme brachten? Und dann sprachen sie nicht und rannten auf einmal alle wieder hinaus und fingen auf einmal an, sich um den Verletzten Dämonen zu kümmern. Mit großen missverstehenden Augen begutachtete er die ganze Szene. Wer wusste, was sie mit ihm machen würden? Etwas verängstigt und verunsichert schnappte er sich seine Decke und versteckte sich im hinteren Teil der Höhle. Sie würden seine Hilfe wahrscheinlich nicht brauchen und wenn würden sie sich verständlich machen.

Himmelsstürmer stöhnte leise, als die Elfen ihn aufhoben, aber er wachte nicht auf. Sein Körper glühte trotz der Kälte vom Wundfieber, die Wunde am Bein blutete sehr stark und quer über die Brust und am Hals hatte er mehrere tiefe Kratzer von dem Langzahn abbekommen, die momentan noch von seiner Kleidung verdeckt waren.

Federregen schirmte ihre Augen gegen das Schneetreiben und sah sich hilfesuchend zu Dunkelwind um. Irgendwie wiederstrebte es ihr, die Suche aufzugeben, aber sie sah auch ein, dass es nicht viel Sinn hatte. Eine ganze Weile hatten sie schon gesucht. **Ich glaube, hier ist nichts mehr!** meinte sie betrübt. **Wir sollten zurückkehren, oder was denkst du?**

Rabies folgte Weitblick wieder ins Kalte und grummelte etwas wie: "Dabei wollte ich gerade den Vorhang gegen die Kälte aufhängen!", zu sich und verschwand aus der Höhle. Eine bissige Antwort auf Federregens Kommentar hatte sie sich angesichts der Umstände verkniffen. Als sie auf halben Wegen waren, sahen sie Federregen und Dunkelwind den Elf tragen. Doch Rabies schaute nur kurz zu ihnen und warf einen etwas mitleidigen Blick auf den Verletzten. Dann drängte sie Weitblick weiter und Rabies erreichte die Stelle an der das Reh lag.

Nachtschatten nahm das Säckchen, in dem sich Marleens Kräuter befanden und öffnete es. **Äh, ich versuch's.** Sie sah sich einige der Kräuter an und glaubte ein paar von ihnen ganz gut gebrauchen zu können. Dann betrachtete sie genauer die Wunde des Elfen, der mittlerweile im Warmen lag, und glaubte sich daran zu erinnern, was zu tun war. Sie sah sich um. Alles, was hier rumlag, waren Felle, die waren aber eindeutig zu dick. Nein, sie brauchten dünneren Stoff. Aber den gab es hier offensichtlich nicht. Auf die Gefahr hin, dass sie selbst erfror, riss sie den Schlag der Hose ab, trennte ihn auf und griff ein Kraut, von dem sie wusste, dass es Blutungen stillt. Sie nahm ein wenig von dem abgetrennten Schlag und wusch damit das Blut auf dem Bein weg. Danach legte sie auf die Wunde die Kräuter und band das ganze mit dem Rest des abgetrennt Schlags fest. Sie nahm noch ein Fell und wickelte den Elf darin ein.

Weitblick schob die Schneedecke von der Beute und das halb vereiste, starre Reh kam zum Vorschein. Das Blut an der Seite glitzerte von Eiskristallen. Weitblick bückte sich und packte die Vorderläufe des Rehs. **Nimm du die Hinterläufe!** wies er Rabies an.

Himmelsstürmer stöhnte bei Nachtschattens Berührung und öffnete die Augen. Aus glasigen Augen sah er zu der Elfe. "Ilida" murmelte er und streckte eine Hand aus, versuchte sich aufzusetzen. Er war aber zu schwach und sank zurück in das Fell.

Mondstein beugte sich besorgt über den kranken Elfen. **Glaubst du, er schafft es?** sendete sie nur an Nachtschatten. Sie fühlte sich so hilflos ohne irgendeinen ausgebildeten Heiler. In Zukunft würden sie ohne Heiler das Lager nicht mehr verlassen, nahm sie sich vor. Bei all den Elfen, auf die sie gestoßen sind...
Als Nachtschatten alles für den Elfen getan hatte, das sie konnte, stand Mondstein auf. Hier konnte sie kaum mehr helfen. Sie beschloss sich ums Feuer zu kümmern. Dabei fiel ihr zum ersten Mal seit einiger Zeit wieder der Mensch ein. Was sollte mit ihm geschehen? Er schien alleine zu sein. Er war schon damals alleine gewesen, von den anderen verfolgt. Er selbst stellte wohl keine Gefahr dar. Ein besonders kriegerischer Mensch schien er sowieso nicht zu sein. Was allerdings, wenn er immer noch verfolgt war? Er könnte die Menschen in ihr Tal locken! Mondstein wagte gar nicht daran zu denken, was dann passieren könnte. Das Leben war in letzter Zeit so schwierig geworden, mit all den Menschen und Trollen und sonstigen Gefahren.
Sie zwang sich mit ihren Gedanken zu Rakas zurück zu kehren. Er war das unmittelbarste Problem. Wenn sie das so recht bedachte, hatte sie zwei Möglichkeiten. Oder drei sogar, aber ihn töten, wollte sie nicht. Er hatte ihnen nichts getan. Also konnten sie ihn entweder dort lassen wo er war, oder aber ihn verjagen. Das beste war, mit den anderen darüber zu beraten.
An diesem Punkt hielt Mondstein inne und sah sich um. Rabies und Weitblick kamen gerade eben mit dem Reh zurück. Gut, sie hatte Hunger. Ob der Mensch auch Hunger hatte? Ein komischer Gedanke...

Rakas hatte sich in die hinterste Ecke der Höhle zurückgezogen. Diese Wesen, die seine Höhle regelrecht überfluteten, waren ihm nicht geheuer. Es hatte immer geheißen, sie seien Dämonen, die ihnen das Land wegnehmen wollten, das Manak ihnen gegeben hatte. Aber sie hatten ihm einmal das Leben gerettet... Rakas wusste nicht mehr so recht, was er glauben sollte. Im Moment aber ließen sie ihn in Ruhe, also ließ er sie in Ruhe. Er wickelte sein Fell enger um sich. An Schlafen war nicht zu denken, solange diese ungebetenen Gäste da waren. Soviel traute er ihnen noch nicht. Daher beschloss er, sich Arbeit zu suchen. Der Korb, den er vor einigen Wochen angefangen hatte zu weben, war immer noch nicht viel weiter. Er musste grinsen beim Gedanken daran, wie ihn die anderen angesehen hätten, wenn er sich früher mit so etwas wie Körbe weben beschäftigt hätte. Das war Frauenarbeit. Doch in der Wildnis auf sich gestellt hatte er sich einiges dieser Frauenarbeit mühsam aneignen müssen, um zu überleben, und dabei festgestellt, dass es ihm sogar Spaß machte. Kopfschüttelnd nahm er den unfertigen Korb und machte sich an die Arbeit.

Rabies hatte einen kurzen Moment überlegt und sich dann aber entschieden, Weitblicks Anweisung auszuführen und immerhin, angesichts des vielen Schnees, schnellstmöglich in die Höhle zu kehren.
Und in der sie auch dann schon bald zitternd stand. Die Anstrengung, das Reh herein zu bringen, war minimal gewesen, aber die Kälte brannte auf ihrer Nase und ihren Wangen. Sie legten die Beute ab und Rabies klopfte sich den Schnee von den Schuhen, sowie vom Mantel. Dann sah sie sich kurz um und erhaschte Mondsteins Blick, der grüblerisch auf einen Punkt gerichtet war, außerdem sah sie den Menschen und legte den Kopf schief. Er saß mit dem Rücken zur Wand, blickte mit skeptischen Augen auf so etwas wie wohl einen Korb und schaute ab und zu auf, um die Elfen in Augenschein zu nehmen. Rabies zog die Augenbrauen hoch, als sein Blick auch auf sie und die Beute zu ihren Füßen fiel. Ob er versuchen würde, etwas Fleisch zu klauen? Angesichts all der Elfen wohl nicht und wohin hätte er auch laufen sollen, wenn er so dumm gewesen wäre jetzt raus zugehen? Sie rieb sich ihre Ohrspitzen und wandte sich um.
Tollpatsch gähnte laut und rollte sich wieder zusammen, irgendwie steckte die Müdigkeit auch Rabies an.

Weitblick trat hinter Rabies hervor und befestigte das Tuch wieder vor dem Höhleneingang. Seine Kinder waren immer noch da draußen und er sorgte sich leicht. Schließlich klopfte auch er sich den Schnee von den Kleidern und wandte sich zu Mondstein. "Wie geht es ihm?", fragte er auf Himmelstürmer deutend. "Gibt es irgendetwas, was wir tun könnten? Vielleicht könnte sogar der Fünffinger uns helfen. Gefährlich scheint er nicht zu sein."

**Ich weiß nicht. Vielleicht. Wenn er will.**, antwortete Nachtschatten auf Mondsteins Frage. Sie hoffte, dass er es schaffen würde. Denn irgendwie fühlte sie sich ein wenig für ihn verantwortlich, obwohl sie wusste, alles getan zu haben, was möglich war.

Weitblick trat vorwärts und kniete sich neben Himmelsstürmer. Vorsichtig legte er ihm eine Hand auf die Stirn. 'Er ist so heiß!' dachte er und gleichzeitig war ihm bewusst, dass der andere Elf lange in der Kälte gelegen haben musste und durch die Kälte und den Blutverlust wahrscheinlich völlig entkräftet war. Er bückte sich und war erstaunt, wie leicht es ihm fiel, Himmelsstürmer hochzuheben und näher zum Feuer zu tragen.

Rabies sah sich um, es war still geworden, von draußen hörte man den Wind herumpfeifen und auch wenn Schnee eigentlich geräuschlos zu Boden fiel, so schienen die Flocken wie ein Trommelschläge gegen das Tuch vor dem Eingang zu hämmern.
Das Reh lag immer noch da, wo sie es abgelegt hatten. Rabies wandte sich um und sandte offen: **Lasst uns etwas essen und dann hinlegen, mehr können wir im Moment eh nicht tun! Wer geht mir zur Hand?** Und sie beugte sich zu der Beute nieder, sie war kalt wie der Schnee draußen.

Weitblick nickte. Er zog seinen Dolch und begann an der Beute herumzuschneiden.

Himmelsstürmer stöhnte immer wieder im Fieber und warf sich unruhig hin und her. Nur langsam taten die Kräuter ihre Wirkung und das Fieber sank, so dass der Elf in einen ruhigeren Schlaf glitt.

Nachtschatten sah zu dem Fremden rüber. Sie sah, dass er begann, ruhiger zu schlafen. Sein ruhiger Schlaf konnte nur eins bedeuten, entweder es ist bald vorbei oder er war auf dem Wege der Besserung. Sie legte noch einmal ihre Hand auf seine Stirn und spürte, dass er nicht mehr so glühte wie vorher. **Ich glaube, unser neuer Freund ist auf dem Wege der Besserung**, meinte sie ein wenig erleichtert.

Weitblick schüttelte den Kopf. "Ich glaube kaum, dass das so schnell geht!", antwortete er. "Aber wir können ihm etwas Nahrhaftes einflößen, das könnte ihn wieder etwas zu Kräften bringen." Ihm gelang es, ein paar Streifen von dem starren Leib des Rehs zu reißen und gab sie zu Nachtschatten. "Wir sollten sie in Wasser aufheizen und dann zu einer Brühe verkleinern, die wir ihm dann einflößen können. Kannst du das machen, während ich etwas Schnee von draußen hohle?" fragte er.

In der Zeit, in der Weitblick Schnee holte, suchte Nachtschatten die Sachen zusammen, die sie für gleich brauchen würde.

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