Angriff der Wölfe

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(Hainjahr 1, Sommer)

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Seufzend setzte sich Grünblatt ans Bachufer. 'Hier ist es einfach schön. Und Blumen wachsen hier, fast wie in einem Beet!' dachte sie sich. Sie lehnte sich zurück, schloß die Augen und genoß den Frieden um sich herum.

Ein lautes Fluchen war aus dem Wald zu hören. "Verdammte Wespe! Ich hab dir doch ganz deutlich gesagt, daß ich deine Blume nicht mißhandeln möchte, sondern lediglich ein Blatt haben will!" Schatten sah die Wespe, die ihm nun um die eben gestochenen Finger rumsummte, böse an. "Nicht, daß ich was Besseres zu tun hätte, als Wespenstiche zu heilen!" summte er sauer. Im selben Moment hörte er jedoch ein lautes, belustigtes Krächzen.
"Schwarzstern, du Verräter! Frißt du diese Wesen nicht?" krächzte er gereizt, woraufhin der Rabe den Kopf schüttelte. #Die sind giftig mein Freund ... oder denkst du, ich will mir den Magen verderben?# Ein erneutes, hämisches Krächzen des Raben. # Du solltest dir ein Beet anlegen! Die sind ungefährlich und werden zumeist nicht von gefährlichen Streifengiftlingen beschützt!#
Schatten erwiderte dazu nichts. Er hatte ja irgendwie Recht. Der Elf seufzte leicht und setzte sich neben die Blume.

Grünblatt hörte Schattens Fluchen und ging zu ihm hin. "Nanunana, wer sitzt denn da im Gras und grummelt wie ein Sommergewitter?" fragte sie schalkhaft und lächelte Schatten an. "Diese Blumen sind die Lieblingsblumen von Wespen, wußtest du das nicht?"

Der Elf hatte sich mittlerweile den schmerzenden Finger in den Mund gesteckt und sah Grünblatt eindringlich, aber keineswegs abweisend an. "Nein, wußte ich nicht. Ich kenne mich nur mit ihrer Wirkung aus, nicht mit dem, was drum schwirrt..." gab er schließlich zu.

"Wieso hast du eigentlich die Wespe so erschreckt?" fragte Grünblatt und schaute Schatten neugierig an. 'Wieso lutscht er eigentlich auf dem Finger herum, anstatt ihn zu heilen?' dachte sie erstaunt.

Schatten hielt es für Verschwendung, seine Gabe für so etwas zu mißbrauchen, wie einen Wespenstich zu heilen. "Ich habe sie nicht erschreckt ..." murmelte er. "Ich habe lediglich die Pflanze haben wollen, aber die Wespe war dagegen und selbst als ich sie fragte ...", er verstummte kurz., "stach sie mich." Es war ihm arg peinlich, daß Grünblatt ihn so sah. Der Elf fühlte sich wie ein kleines Kind..

"Halt den Finger ins kühle Wasser, sonst ist der Stich nachher so groß wie eine Haselnuß", riet sie ihm. "Was wolltest du eigentlich mit der Pflanze machen?"

Nickend ging er zum Bach hin und streckte den Finger ins kalte Wasser. "Das ist Wespenkraut, es hilft gegen Schlaflosigkeit", murmelte er, beantwortete ihre Frage aber nicht direkt.

Leicht verdutzt schaute Grünblatt Schatten an. 'Schlaflosigkeit?' dachte sie sich. 'Schatten und Schlaflosigkeit?' "Ahja", sagte sie betont verständnisvoll. "Aber es ist schon komisch. Normalerweise findet man diese Pflanze nicht sehr oft ... Es wäre gut, wenn man sie irgendwo züchten könnte", fuhr sie mehr zu sich gewandt fort.

Schatten sah auf und nickte. "Sehr gute Idee", meinte er und begann zu Lächeln bei dem Gedanken. "Vielleicht auch andere Pflanzen und Kräuter .... das wäre doch mal was. Schließlich müßte man dann zum Verarzten nicht mehr weit laufen." Sacht lächelnd stand er auf. Die Wunde an seinem Finger - ob nun auf natürliche Weise oder nicht - war verschwunden.

"Du meinst so eine Art Garten?" Grünblatt gefiel die Idee. Wie oft war sie schon ewig durch den Wald gelaufen auf der Suche nach Pflanzen, die es nur ganz selten gab! "Man müßte einen Platz finden, wo möglichst viele Pflanzen wachsen können", fuhr sie begeistert fort.

Der Elf lächelte noch etwas mehr. Der Gedanke begeisterte ihn. "Ich denke, am Bach wäre ein sehr guter Platz. Es ist schattig, ausreichend sonnig, dort ist genug Wasser, guter Boden und alles andere, was Pflanzen brauchen ..." Er strich sich das schwarze Haar aus dem Gesicht und stand auf.

Auch Grünblatt war aufgesprungen und lief begeistert zum Bach. Sie schritt am Ufer ein mittelgroßes Gebiet ab. "Am besten hier, dann müssen wir nicht so weit laufen, falls wir mal gießen müssen. Und wir könnten auch noch andere Pflanzen als Heilkräuter anpflanzen, vielleicht Beeren oder so."

"Sehr gut, sehr gut ..." Schatten nickte. "Aber wir sollten ihn hauptsächlich mit seltenen oder Heilpflanzen bestücken. Obwohl Teepflanzen sicherlich auch was Schönes wären ..." Sofort mußte er an einen schmackhaften Tee aus Schwarzbeerblättern denken.

"Echt? Nur so nützliches Zeug wollt ihr pflanzen? Nicht mal Traumbeeren?" fragte jemand belustigt. Die Stimme kam von irgendwo hinter den beiden.

"OH AHORN! Kannst du eigentlich nur noch in Traumbeeren denken?" rügte Grünblatt scherzhaft. "Traumbeeren kannst du überall sammeln. Außerdem glaube ich nicht, daß sie lange genug hängen könnten, um richtig reif zu werden, wenn du und andere Elfen," sie warf einen bedeutungsvollen Blick zu Schatten, "sich mal wieder 'aussprechen' wollen, nicht wahr, Schatten?" Sie lächelte den beiden Elfen breit zu.

Ahorn ärgerte sich, daß er bei Grünblatts scherzhaftem Tadel doch tatsächlich rote Ohren bekam. Einige aus dem Stamm zogen sie bei passender Gelegenheit zu gern mit diesem "Männergespräch" auf. "Ich hab doch nur wegen Schatten gefragt, der hat damals viel mehr gegessen als ich", verteidigte er sich, während er hinter den Sträuchern hervorkam.

"Das ist eine pure Lüge", verteidigte sich Schatten. "Du hast fünfmal so viel von denen geschluckt wie ich. Oder wer war derjenige der nachher gleich mit der Traumbeerensaftflasche ins Bett gehen wollte? Ich ganz sicher nicht." Dann sah er wieder zu Grünblatt. "Ich würde nie in einem Heilerbeet Traumbeeren pflanzen. Auf die Idee kann auch nur Ahorn kommen."

"Klar. Logisch." sagte Grünblatt ironisch. "Aber mal ehrlich, was wollen wir anpflanzen? Es gibt ziemlich viel Heilpflanzen und ich hab keine Lust, im Sommer ein riesiges Feld zu gießen. Und selbst bei den selteneren gibt es ziemlich viele."

"Ich glaub, du hast damals schon ganz schön doppelt gesehen ... fünfmal mehr ... also echt mal." Der Junge legte den Kopf schief und beeilte sich, wieder von dem Thema abzulenken: "Nimm doch einfach irgendwas, was du sonst selten finden kannst, Grünblatt."

"Ich würde sagen, wir nehmen größtenteils stark wirkende Pflanzen. Davon gibt es hier in den Wäldern nicht zu viele. Kleine Bäume, deren Wurzeln und Früchte heilend sind, können wir auch noch hinzunehmen." Schatten warf Ahorn noch einen leicht drohenden Blick zu. Er war nicht halb so angetrunken wie der Junge gewesen, davon war er jedenfalls überzeugt.

"Hm, ich habe da noch irgendwo Samen von einer seltenen Pflanze, die ich im alten Stamm immer gesammelt habe. Aber ich weiß nicht, ob sie hier wächst. Sie ist gut gegen Fieber und Wundbrand", sagte Grünblatt nachdenklich. "Dummerweise ist es ziemlich schwierig, jetzt noch Samen zu finden. Aber ich könnte Marleen fragen, ob sie noch welche hat."

Schatten legte kurz den Kopf zur Seite, dachte dann nach. "Etwas weiter weg von hier müßte es einige Pflanzen geben, die noch gut blühen ... vielleicht in etwas wärmeren Umgebungen. Kennt ihr da etwas?"

"Das wäre eine Tagesreise, mindestens, wenn nicht sogar mehr. Ich weiß nicht. Man könnte es probieren. Ich wüßte einige Pflanzen, die ich gut gebrauchen könnte, die da wachsen. Einige schmecken sogar gut", setzte sie schelmisch hinzu.

"Einen kleinen Ausflug?" Der Gedanke gefiel Ahorn, falls sie das wirklich vorhatten. "Oh, da komm ich gern mit. Oder soll ich erstmal Marleen rasch fragen gehen, ob sie noch Samen hat?"

"Ich glaube nicht, daß sie gerade die hat, aber es wäre nicht schlecht zu wissen, welche sie hat. Falls sie welche hat." Auch Grünblatt freute sich über die Aussicht auf einen kleinen Ausflug. "Schatten, was hältst du von einem Ausflug?"

"Sehr gute Idee." Schatten gefiel es ebenfalls - sogar mehr, als er es zeigte. Er hatte sich schon länger nicht mehr um Sichel gekümmert ... in der Hinsicht. Dem Wolf würde etwas Bewegung auch gut tun, dachte er sich. "Vielleicht sollten wir den zweitägigen Umweg durch die kleine, wäldliche Hügellandschaft nehmen ... dort sollen auch seltene Pflanzen wachsen." Er dachte kurz nach. "Aber zuerst sollten wir uns bei Mondstein 'abmelden', sonst sorgt sie sich nur wieder unnötig." Sofort begannen seine Gedanken um Proviant und jegliches Wichtige zu schwirren..

"Am besten gehst du zu ihr, Schatten. Derweil können Ahorn und ich die nötigen Sachen besorgen, wie Taschen und Proviant", schlug Grünblatt vor.

Ahorn hoffte nur, daß sie unterwegs nicht Beere über den Weg laufen würden. Er mochte die Kleine, aber heute hatte er einmal keine Lust, den Welpensitter zu spielen, wenn sie mal wieder mit ihrer kindlichen Sturheit darauf bestand, UNBEDINGT mitgenommen werden zu müssen. Ein Ausflug nur mit Schatten und Grünblatt - unter "Erwachsenen" sozusagen - sagte ihm viel mehr zu.
"Ja, wir holen das Zeug schnell. So lange wird's ja nicht dauern, bis Schatten uns bei Mondstein abgemeldet hat."

Zumindest dauerte es nicht lange, alles Nötige für den Ausflug zusammenzusuchen.
Seufzend legte Grünblatt ihr Bündel nieder. Hatte sie auch alles? Sie überprüfte noch einmal den Trinkbeutel, den sie um den Hals trug und legte Sorge einige leere Beutel über die Schultern. In diesen wollte sie später die Kräuter und Samen transportieren.
"Fertig?" wandte sie sich an Ahorn. "Wo bleibt Schatten nur so lange?"

"Ich weiß auch nicht ..." Ahorn reckte den Hals und schaute sich ungeduldig nach ihm um. Außerdem hielt er heimlich Ausschau nach Beere - hoffte, daß die Kleine sie nicht eher fand als Schatten und sie sie doch noch mitnehmen mußten.

"Ah, da kommt Schatten ja auch schon." Sie winkte ihm zu und schwang sich dann auf Sorges Rücken. "Du wirkst leicht gehetzt, Ahorn. Du hast doch hoffentlich nichts angestellt, oder?" Obwohl ihre Miene ernst war und ihr Blick durchdringend, konnte sie den Schalk in ihren Augen nicht vollkommen unterdrücken. Sie liebte es, Ahorn aufzuziehen. Das war nie böse gemeint, meistens zumindest. In dieser Hinsicht glich sie sehr Federregen.
"Haben wir alles?"

"Ich ... nein ... also ..." Ahorn kam sich vor, als hätte Grünblatt ihn bei irgendeiner Dummheit ertappt. "Ist überhaupt nicht wahr!" verteidigte er sich, ärgerlich über sich selbst, daß er sich so leicht aus der Fassung bringen ließ, und rief Maus zu sich.

Grünblatt konnte sich ein kleines Lächeln nicht verkneifen. "Also, dann laßt uns aufbrechen."

Schatten sah die beiden kurz grinsend an. Er wußte auch nicht ganz warum, hatte aber gute Laune nach dem kurzen Gespräch mit Mondstein. Im selben Moment spürte er jedoch ein sachtes Stupsen, woraufhin er seinen Wolf hinter sich erblickte, auf dessen Rückseite sein Rabe Platz genommen hatte. Dieser krähte fröhlich. Weiterhin einigermaßen gut gelaunt stieg der Heiler auf und sah sich zu den beiden anderen um. "Wir können?" fragte er schließlich und kraulte sein schwarzes Federvieh leicht.

"Ja, wir haben alles. Wenn du soweit bist?" Ahorn war die Ablenkung ganz recht. Er grinste Schatten an, setzte sich dann auf seiner Wölfin zurecht und wartete darauf, daß einer den Anfang machte und vorausritt, um den Weg zu weisen.

Der Elf nickte leicht. Der Rabe krächzte laut -Volle Kraft voraaaaus!!!- damit ritt Schatten auf dem schnellen Sichel voraus, in die Richtung, die er sich vorher zurecht gelegt hatte, damit sie keine unnötigen Umwege machen würden. Er sah jedoch öfters zurück, um sicherzustellen, daß auch ja alle mitkamen.

Erleichtert schwang sich Grünblatt auf Sorge. Endlich konnte es losgehen. "Wo wollen wir anfangen zu suchen?" fragte sie die anderen.

"Also ich war noch nicht weit vom Lager weg ..." sagte Ahorn, drehte sich zu Schatten um und gab die Frage damit an ihn weiter.

"Dann gehen wir jetzt die große, weite Welt erkunden ..." grinste Schatten zurück und lief noch ein Stück schneller dabei. "So lange wir uns nicht in Menschengebiete begeben ist alles in Ordnung, denk ich."
"Ich wäre dafür, uns nicht weiter als ungefähr drei Tagesreisen vom Lager zu entfernen. Zumindest jetzt noch nicht", warf Grünblatt ein.


"Hast du Angst?" fragte Schatten zurück. Auf seinen Zügen zeigte sich ein leicht keckes Grinsen. "Wir sind doch eine Gruppe von drei Personen. Und wir sind keine Kinder mehr. Als Welpe habe ich drei Tagesreisen als Maximum genommen. Aber doch nicht heute..."

Ahorn grinste verstohlen in sich hinein. Was Schatten sagte, gefiel ihm. Vor allem das mit den "Erwachsenen" ... "Also ich hab keine. Wenn irgendwas passieren sollte, dann muß Schatten halt auf uns aufpassen. Der schafft das schon." sagte er abenteuerlustig, seine sonst übliche Vorsicht außer Acht lassend.

"Ich denke, du kannst doch auf dich selbst aufpassen, oder, Ahorn?" Schatten grinste. Sein Wolf drosselte die Geschwindigkeit nach ein paar Minuten etwas, blieb einen Moment unruhig stehen und schien weiter weg irgend etwas zu wittern. Jedoch konnte er es noch nicht einordnen und lief weiter.

"Also wenn eine Horde Menschen auftauchen sollte, dann verlaß' ich mich lieber auf dich", konterte Ahorn, ebenfalls grinsend, denn irgendwelche Gefahren erwartete er ja auf ihrem Ausflug nicht. "Oder auf Maus. Aufsteigen, wegreiten und nur noch eine Staubwolke zurücklassen ..."

"Was soll ich denn mit einer Horde Menschen anfangen? Verlaß' dich in dem Fall besser auf Maus, genau wie ich mich auf Sichel verlasse ..." Schatten sah tiefer in den Wald, hob eine Augenbraue, als sein Wolf wieder etwas unruhiger wurde. Schließlich sah er zu den anderen beiden Wölfen hinüber.

Theatralisch verdrehte Grünblatt die Augen.
"Männer!"
Im nächsten Moment grinste sie aber auch breit. "Na gut, fünf Tage. Ist das ein Angebot?" Als aber Sorge ebenfalls langsamer wurde und schließlich stehenblieb, spähte die Elfe aufmerksam in das Halbdunkel des Waldes. **Was ist?** sandte sie leicht beunruhigt.

'Ich hab keine Ahnung', hätte Ahorn beinahe geantwortet, aber er verbiß sich das gerade noch. Irgendwie weckte das schlechte Erinnerungen an frühere Unterrichtsstunden in Wildnisleben und Jagen ... wo er das viel zu oft hatte sagen müssen. Dann lieber den Mund halten, die anderen beobachten und abwarten. Maus war jetzt auch stehengeblieben, folgte wie stets dem Beispiel der anderen Wölfe, und prüfte aufmerksam die Gerüche der Umgebung.

Es verging Stunde um Stunde. Die Wölfe wurden unruhiger. Seit der Heiler mit einem Spatz geredet hatte, schien er noch doppelt so unruhig wie seine Begleitung. Langsam bewegte sich die Sonne Richtung Horizont und kletterte langsam, mühsam den Himmel hoch.
"Wollen wir hier rasten?" Schatten sah sich zwischen den beiden unruhig um. "Nach dieser Strecke fängt der extrem unwegsame Teil an."

"Oh ja, das können wir machen", nickte Ahorn und rutschte von Maus' Rücken, um sich ein bißchen die Beine zu vertreten. So lange Strecken zu reiten war er gar nicht gewohnt. "Da drüben ist sogar ein kleiner Bach." Er fragte sich immer noch, was Schatten eigentlich beunruhigte. So richtig hatte er nicht mit der Sprache herausgerückt vorhin.

Schatten lehnte sich an einen Baumstamm, einen Spatz auf seinem Finger. Er beobachtete seinen Raben auf einem entgegengesetzten Ast, wie dieser Faxen machte. Sichel schlich derweil unruhig ums Lager. "Grünblatt, kannst du Feuerholz besorgen?" fragte er die Elfe. "Sonst erfrieren wir noch. Ich bereite eine Feuerstelle vor."

Grünblatt hatte schon eine bissige Bemerkung in Bezug aufs Holzholen auf der Zunge, schluckte diese aber hinunter. Irgend etwas beunruhige Schatten, bloß was?
Nach kurzer Zeit kam sie wieder mit einem Stoß Holz unterm Arm. "Du bist unruhig, Schatten, was ist los?" fragte sie den Elfen, während sie das Holz neben der Feuerstelle aufschichtete.

Schatten richtete seinen Blick zu den Wölfen, verengte die Augen dabei leicht. "Siehst du, wie unruhig sie sind?" murmelte er abwesend. "Hier ist irgendwas ... Irgendwas Gefährliches. Sie haben Angst." Er seufzte. "Der Spatz sprach von großen Monstern, mehr konnte er mir nicht sagen."

So ganz konnte Ahorn Schattens Sorge dabei nicht nachvollziehen. "Also für einen Spatz ist so ziemlich jedes Tier ein 'großes Monster', würde ich sagen ... so klein wie die sind." Er mußte schon wieder grinsen und sagte 'vorwurfsvoll': "Und da schickst du Grünblatt allein Holz sammeln, wenn große Monster im Wald lauern?"

Grünblatt knuffte Ahorn in den Bauch. "Wahrscheinlich ist es nur wieder irgendeine aufgeplusterte Geschichte. Was die Spatzen von den Bäumen pfeifen, ist meistens um die Hälfte übertrieben." Sie musterte Ahorn mit gerunzelter Stirn. "Daß die Wölfe so unruhig sind könnte einen ganz anderen Grund haben, als wir glauben. - Ahorn, wann hast du dich das letzte Mal gebadet?" setzte sie scherzhaft nach und revanchierte sich für Ahorns charmanten Kommentar.

Schatten schnaubte. "Könnt ihr nun mit Tieren reden oder ich, meine Lieben?" gab er irgendwo nicht mehr so freundlich zur Antwort. "Und das Sichel sich von Ahorns Körpergeruch beeinflussen läßt, ist sehr fraglich" Er stand auf. "Wenn man euch so sieht, könnte ich rechtfertigen, daß Grünblatt so 'freundlich' wäre, daß alle Monster davonlaufen würden, wenn sie Grünblatt sehen" knurrte er mit einem extrem ironischen Unterton. Ach, wie machte das Spaß...

Ahorn schaute Grünblatt etwas entrüstet an, aber irgendwie wollte ihm zuerst kein kluger Spruch einfallen, den er auf so eine "Unterstellung" erwidern konnte. Nach ein paar Augenblicken sagte er schließlich: "Wenn ich hier so schlecht rieche, dann traut sich sowieso kein 'Monster' in unsere Nähe. Kannst also ganz beruhigt sein. Ich geh noch Holz holen, das hier wird nicht reichen." Sprach's, drehte sich um und stapfte los, bevor Grünblatt womöglich noch so ein Satz einfiel.

"Pfff", war alles, was Grünblatt darauf einfiel. Verdutzt sah sie dem flüchtendem Ahorn nach - da bemerkte sie etwas im Unterholz. Ein Schauer lief ihr über den Rücken. Da war eindeutig etwas, etwas Feindseliges!
**Ahorn, Schatten, da ist etwas! Neben der alten Eiche!**
Unsicherheit und aufkommende Panik waren in ihrem Senden zu spüren.

**Ich weiß...** entgegnete der Elf. **Versuchen wir es mit ruhigbleiben und ignorieren ... so lange, bis es in die Offensive geht.** Er beobachtete das Wesen nicht mal, sondern achtete auf den Boden vor sich, als wäre dort was Interessantes. Der Schatten von einem Spatzen war dort sichtbar, der leise sang.

Ahorn hatte gar nichts mitbekommen. Erst als Grünblatt die alten Eiche erwähnte, auf die er mehr oder weniger draufzuschritt, blieb er wie angewurzelt stehen. Was aber nicht nur an Grünblatts Senden lag - denn durch die Blätter der Sträucher funkelten ihn plötzlich zwei drohende Augen an.

Beinahe beiläufig griff Grünblatt nach ihrem Dolch, und begann, an einem Ast herumzuschnitzen, was sie sonst nie tat. Das Gewicht und die Ausgewogenheit der Waffe gaben ihr ein sicheres Gefühl, außerdem verbarg es das Zittern ihrer Hände. **Hoffentlich passiert bald was, ich halt das nicht aus. So zu tun, als ob nichts wär!** Anspannung war aus ihrem Senden herauszuhören, und tatsächlich war Grünblatt gespannt wie ein Flitzebogen.

Die leuchtenden Augen im Dunkel nährten sich langsam Ahorn.

**Ahorn ... du gehst jetzt langsam da weg!** sendete Schatten und streckte den Finger leicht aus, woraufhin der Spatz landete. **Entweder müssen wir gleich beweisen, wie gut wir kämpfen können, oder rennen was das Zeug hält.** sendete er emotionslos. Er blieb derbe ruhig, schien fast kühl und unnahbar. Er wußte, daß Wölfe nie alleine jagten, außer sie wurden ausgestoßen. Wenn hier noch mehr waren, würde sich schnell die Panik zeigen.

Ahorn hatte einmal heftig geschluckt, als er sich so unerwartet den leuchtenden Augen gegenübersah. Eine Gänsehaut war ihm über den Rücken gekrochen. Weil er nicht wußte, wie er reagieren sollte, blieb er reglos stehen und starrte zurück, bis Schattens Senden ihn aus der Erstarrung riß. Ganz vorsichtig hob er einen Fuß an und setzte ihn rückwärts, dann den anderen, bemühte sich, langsam und leise zu sein. Er wollte von diesem ... was auch immer es war ... schließlich nicht als flüchtende Beute angesehen werden!
*Was ist das, Schatten?* fragte er unbehaglich. Nebenbei fiel ihm ein, daß er ja nicht mal einen richtigen Dolch hatte - nur so ein Schnitzmesser. Warum mußte ausgerechnet ihm sowas passieren?

Schattens Augen wanderten finster zu Ahorn rüber und zu der großen Wolfsbestie, die sich langsam aus dem Schatten löste. Sie war groß, fast so groß wie Sichel, graubraun und gut daran erkennbar, daß ihr linkes Ohr leicht eingerissen war. Die blanken Zähne des Wolfes waren gefletscht. Wutentbrannt richtete er seine Augen auf Ahorn.
*Hast du Waffen?* fragte Schatten ohne weiteres zurück.

Beim Anblick dieses fleischgewordenen Alptraums von einem Wolf hatte Grünblatt die Luft angehalten, und sie atmete jetzt langsam aus. Sie konnte ihre Augen nicht von dem imposanten Tier abwenden. Doch in den Augenwinkeln sah sie Sorge drohend die Zähne blecken.
#Nicht!# sandte sie der kampfbereiten Wölfin, bevor diese noch irgendeinen Fehler machen konnte. **Ihr Hohen, was sollen wir tun? Der ist bestimmt nicht allein hier!** rief sie den anderen zu. Furcht sprach aus ihrem Senden.

*Waffen? Ich? Nur ein Schnitzmesser ...* Auch in Ahorns Senden lag jetzt leichte Panik. Normalerweise kam er mit Wölfen zurecht, zumindest mit denen im Hain. aber DIESER hier sah aus, als würde er ihm jeden Moment an den Hals springen wollen. Was sollte er bloß tun? Er konnte doch nicht mit einem Schnitzmesserchen gegen einen Riesenwolf antreten - zum einen, weil es doch ein Wolf war, und zum anderen, weil er vom Kämpfen sowieso nichts verstand.
Plötzlich löste sich Maus, die bei Sichel und Sorge gestanden und den Neuen scharf beobachtete hatte, aus der Erstarrung. Mit ein paar Sätzen sprang sie zwischen Ahorn und den fremden Wolf, fletschte nun ihrerseits die Zähne und knurrte. Offensichtlich bereit, ihren Elfenfreund zu verteidigen, egal wie schlecht ihre Chancen auch aussehen mochte. Oder ihm wenigstens Zeit zu verschaffen.
Ahorn wollte sie erschrocken zurückrufen, sah aber im selben Moment, daß das DIE Chance war, die er nutzen mußte. Rasch wich er weiter zurück, bis er fast gegen Schatten prallte, denn er konnte sich einfach nicht umdrehen, weil er doch seine tapfere Wölfin nicht aus den Augen lassen wollte. *Schatten, kannst du nicht ... du redest doch sonst auch mit jedem Tier!*

Grünblatt schluckte. Kein Wolf dieser Größe dürfte ohne Rudel sein. 'Bestimmt sind die anderen noch im Unterholz.', dachte sie bei sich. **Beruhig sie, Ahorn, schnell!** sendete sie hastig, als sie Maus' selbstmörderische Aktion sah.

Schatten verengte leicht die Augen. Er war sich sicher, daß der Wolf wohl kaum auf ein Gespräch mit ihm eingehen würde. Langsam stand er auf, sah, wie Sichel sich bereits kampfbereit machte.
#Stop!# sandte Schatten entschieden zu seinem Wolf. Dann sah er zu dem anderen.
~ Was hast du denn für ein Problem? ~ fragte der Heiler ihn genervt, woraufhin der Wolf die Augen auf ihn richtete. Weitere Wölfe näherten sich.

#Komm zurück, Maus! Es ist gut, laß ihn!#
Ahorn biß sich auf die Lippen, hoffte, daß Maus nicht schon von sich aus beschlossen hatte, sich unbedingt mit dem anderen Wolf anzulegen. Zuerst schien es auch so, aber dann hörte wenigstens ihr Knurren auf, obwohl sie sich kein Stück von der Stelle rührte. Anscheinend zu mißtrauisch, um dem anderen den Rücken zu kehren.
#Komm her, Maus!# rief Ahorn sie noch einmal, nachdrücklicher jetzt. Und als der große Wolf sich auf Schatten konzentrierte, nutzte auch Maus ihre Chance und war mit ein paar wie immer etwas ungelenk wirkenden Sprüngen an der Seite ihres Elfenfreundes. Ahorn strich ihr beruhigend über den Rücken, obwohl er selber nervös war.

**Der hat bestimmt ein ganzes Rudel hinter sich!** sandte Grünblatt ängstlich. **Wie wärs, wenn wir uns auf unsere Wolfsfreunde schwingen und verschwinden?**

Schatten biß die Zähne zusammen, als der Wolf ihm knurrend antwortete.
**Denkst du, das geht jetzt noch? Wir sind umzingelt.** Er biß sich genervt auf die Unterlippe. **Der nette Wolf meint, unser Wolfsrudel hätte ihnen die Nahrung weggeschnappt und jetzt wären sie hungrig. Schlußfolgerung: Wir geben ein schmackhaftes Abendessen ab.**

**Seit wann fressen denn Wölfe Elfen?!** fragte Ahorn verständnislos zurück. **Außerdem - wo kommt denn dieses Rudel auf einmal her? Hier waren doch noch nie andere Wölfe außer unseren. Oder?**

**Könnt ihr eure Diskussion nicht auf später verschieben, wenn wir nicht in Lebensgefahr schweben? Schatten, versuch doch noch mal, mit ihm zu reden.** bat Grünblatt angespannt. Ihre Nerven lagen blank. Alles in ihr schrie danach, zu fliehen, doch ihre Vernunft riet ihr, das lieber bleiben zu lassen. **Es wird langsam verdammt eng!**

Schatten biß sich auf die Lippe. **Normalerweise tun sie das auch nicht, Ahorn.** sandte er, sah den Wolf an.

**Wir könnten ja zur Not noch auf die Bäume ... aber unsere Wolfsfreunde?** Ahorns Blicke glitten nervös über die fremden Wölfe. Was war nur mit denen los?

**Unsere Freunde sind schneller als wir, kennen sich aus, und sind höchstwahrscheinlich gar nicht als Beute gedacht. Es ist das Beste, was wir tun können.** Grünblatt warf noch einen fragenden Blick zu den anderen hin. **Entscheidet euch endlich! Er wird nicht mehr lange nur drohen!**

Schattens Miene verfinsterte sich zusehends. **Ich denke, weder unsere Wolfsfreunde noch wir würden verschont bleiben.** Langsam setzte der Wolf zum Angriff an. **Dieser Wolf ... ist gefährlicher als andere...**

Ahorn gefiel ihre Lage überhaupt nicht! Seine Gedanken liefen im Kreis, aber ihm wollte nichts einfallen, was ihnen helfen konnte. Na wie auch, war er etwa Jäger und mußte sich mit sowas auskennen? Nein!

Grünblatt begann auf einmal, langsam zurückzuweichen. Sie hatte ihre Augen fest auf den Wolf gerichtet und wartete angespannt auf ein Zeichen des Angriffs.

Der Wolf, nein, die Wölfe sprangen aus ihren Verstecken. Es waren fünf an der Zahl und ihre ersten Ziele waren Maus, Sichel und Sorge. Zwei stürzten sich auf Grünblatts Wolfsfreundin, zwei auf Sichel und der knurrige Anführer nahm sich Maus vor. Schatten wich etwas zurück, umklammerte den Griff von seinem Dolch.
**Ideen! Und zwar schnell!**
Sein Senden war sehr durchdringend. Panik ergriff ihn.

Grünblatt dachte etwas sehr Unfeines, als die Wölfe auf sie zugestürmt kamen. **Wie wärs mit Rennen!** sandte sie ebenso panisch zurück. #Sorge, renn, so schnell dich deine Füße tragen!#
'Hoffentlich hört sie auf mich!' dachte Grünblatt noch verzweifelt, drehte sich um und spurtete los. **Auf die Bäume hinauf!**

Schatten spurtete hinter Grünblatt her, roch den fauligen Geruch in der Luft. Die fremden Wölfe waren gut gebaut, allesamt topfit, schnappten sich sofort die Wölfe der Elfen. Als Betawölfin wurde Sorge sofort umzingelt, Sichel als Zweiter und Maus durfte sich mit einem rumschlagen.

#Lauf weg, Maus, schnell!# schrie Ahorn seine Wolfsfreundin an. Aber er wußte genau wie sie, daß sie mit ihrem kurzen Hinterbein kaum Chancen gegen einen kraftstrotzenden Wolf wie ihren Gegner hatte. Wütend auf die eigene Hilflosigkeit in dieser Situation griff er mit beiden Händen in die Erde und schleuderte sie dem Anführerwolf genau in die Augen, um ihn noch ein paar Sekunden lang abzulenken. Dann rannte er seinen Begleitern nach und zog sich die Äste hinauf.

Mühsam erkletterte Grünblatt die mächtigen Zweige einer Eiche. #Ihr Hohen, Sorge, hau endlich ab!# Sie suchte sich einen Ast, von dem sie das Geschehen auf der Lichtung gut im Blick hatte. **Wir müssen ihnen helfen! Wo seid ihr?** sandte sie verzweifelt, als sie sah, wie die Wölfe immer mehr in Bedrängnis gerieten. **Ihr Hohen, wir müssen etwas tun!** Grünblatt blickte angstvoll zu der Szene am Boden.

Maus - die schwächste im Rudel der Mondreiter - schien ganz genau zu wissen, wie wenig Chancen sie in einem wirklichen Kampf mit diesen Wölfen hatte. Als Ahorn den Angreifer mit Sand bewarf, um sich selbst in Sicherheit bringen zu können, nutzte auch die Wölfin die Gelegenheit. Einen Moment lang legte sie die Ohren zurück und schien sich fast vor dem Stärkeren zu ducken, dann fuhr sie zur Seite herum und war auch schon auf und davon.
Ahorn, der sich eben zu Grünblatt auf einen Nachbarast hinaufzog, sah es mit Erleichterung und hoffte, daß keiner ihr folgte. Daß es den fremden Wölfen genug war, wenn der Eindringling "aus ihrem Revier floh".

"Hoffentlich findet Maus jemanden, bevor den anderen Wölfen was passiert!" Grünblatts Stimme klang sorgenvoll, doch ihr Gesicht nahm einen entschlossenen Ausdruck an, als sie ein paar Eicheln vom Vorjahr abzupfte und auf die feindlichen Wölfe warf. "Ihr verdammten Bestien, haut endlich ab!"

#Hol Hilfe, Maus!# rief Ahorn der Wölfin noch hinterher, aber er wußte nicht, ob sie ihn noch verstand, und ob das überhaupt etwas brachte, so weit entfernt vom Hain. Dann sah er Grünblatt kopfschüttelnd zu. **Das mit den Eicheln bringt doch nichts! Haben wir nicht noch ... die Vorräte! Das Trockenfleisch - vielleicht lenkt sie das ab? Schatten hat doch gesagt, angeblich jagen unsere Wölfe ihnen das Wild weg.**

Maus rannte, was sie mit ihren ungleich langen Beinen konnte. Sie wandte immer mal wieder den Kopf, um zu überprüfen, ob sie verfolgt wurde, aber keiner war hinter ihr. Irgendwann, als sie sich sicher genug glaubte, wurde Maus langsamer, reckte den Hals und stieß einen Hilferuf an das Wolfsrudel des Hains aus. Das Heulen mußte durch den ganzen Wald zu hören sein, auf jeden Fall auch bis zu den drei Elfen zurück. Und während Maus weiterlief, verhielt sie immer wieder, um weiterzuheulen und auf eine Antwort zu lauschen.

**Das halte ich für keine gute Idee. Wer weiß, wie lange wir noch unterwegs sind. Außerdem, warum sollten die Wölfe da unten sich für Trockenfleisch interessieren, wenn sie genausogut frisches haben könnten?** Grünblatt versuchte, durch das Laub zu den anderen Bäumen zu spähen und zu schauen, wo Schatten sich hingeflüchtet hatte.
**Schatten? Wo bist du?** sandte sie verzweifelt. Hatten die Wölfe Schatten etwa erwischt?

Schatten saß bereits auf einem der höheren Bäume, beobachtete, wie Sichel geschickt rannte. Leise fing er an zu zwitschern, klang irgendwie ein bißchen komisch. Plötzlich hörte man es dann .... erst wenige, dann immer mehr.
Ein riesiger Schwarm von Spatzen!
Frech flogen sie um die Wölfe rum, ließen sich nicht erwischen, immer wieder traktierend flogen sie nieder, schossen dann wieder hoch, brachten die Wölfe um den sowieso schon schwindend wenigen Verstand, den sie noch hatten.
**Und jetzt ... LAUFT!!!**
Mit einem Satz war Schatten vom Baum, rannte zu Sichel, der sich grade vor einem Biß in Sicherheit gebracht hatte, und sprang auf.

Grünblatt atmete erleichtert auf, als sie Schatten hörte. Mit einem Satz glitt sie vom Baum hinunter und rannte auf Sorge zu. #Sorge!# sandte sie der Wölfin zu, und Sorge nutzte die Verwirrung der Wölfe und brachte Abstand zwischen sie und sich. Grünblatt schwang sich auf ihren Rücken und Sorge preschte hinter Sichel her.
#Warte, wir müssen Ahorn mitnehmen.#
Grünblatt brachte Sorge dazu, noch einmal zu wenden.
**Ahorn, schnell, spring auf!**

Ahorn fiel fast vom Baum vor Überraschung, als er das Spektakel sah. Spatzen ... Schatten und seine Spatzen ... Wenn's nicht um Leben und Tod ginge, dann hätte er wahrscheinlich losgelacht. So aber kletterte er eiligst nach unten und hatte doch tatsächlich ein paar erschrockene Sekunden lang den Eindruck, daß die beiden ihn komplett vergessen hätten ... zumindest die Tatsache, daß er Maus ja fortgeschickt hatte, um Hilfe zu holen. Aber dann drehte Grünblatt auch schon um. Ahorn rannte zu ihr und saß hinter ihr auf.
**Wolltet ihr mich etwa hierlassen?!** fragte er leicht ungläubig.

Schatten preschte mit Sichel vorweg, drehte sich nur kurz zu Grünblatt und Ahorn um, bevor Sichel einen weiteren großen Satz über einen umgestürzten Baumstamm machte und so schnell er konnte weiterlief. Die Wölfe im Hintergrund waren mehr als beschäftigt mit den Spatzen, wurden fast irre durch die kleinen Vögel ...

**Komm schon, spring auf!**
Als sie Ahorn hinter sich spürte, trieb Grünblatt Sorge an. #Schnell, weg hier!#
Sorge lief auch schon hinter Sichel her. Zweige schlugen in ihr Gesicht, obwohl Grünblatt sich so eng wie nur möglich an den Rücken von Sorge schmiegte. Als sie das wütende Bellen der anderen Wölfe nur noch in der Ferne hörte, gab sie Sorge ein Zeichen, und die Wölfin hielt an. **Hey, ich glaube, wir sind sie los!** sandte Grünblatt erleichtert.

Ahorn hatte sich an Grünblatt festgehalten und den Lauten in ihrem Rücken gelauscht, die leiser wurden, aber nicht ganz verstummten. **Meinst du?** fragte er unsicher. **Vielleicht wird ihnen das Spatzenjagen ja bald über und sie verfolgen dann uns?**

"Sag sowas nicht! Das wäre schrecklich. Aber das tun sie doch nicht, oder? Schatten?" Fragend wandte Grünblatt sich an Schatten.

"Wenn sie so ... unnormal ... sind, wie ich vermute, werden sie noch lange mit den Vögeln beschäftigt sein." antwortete er, sah Grünblatt und Ahorn ernst an. "Sollte dies jedoch nicht der Fall sein, so sollten wir einen Zahn zulegen und einen Ort finden, wo wir vor den Wölfen sicher sind."

"Na, dann sollten wir uns wirklich beeilen. Ahorn, was ist mit Maus? Kannst du sie noch erreichen? Wenn nicht, dann müßtest du entweder bei mir oder bei Schatten mitreiten - außer natürlich, du rennst lieber neben uns her ..."

"Armer Ahorn ..." seufzte Schatten gespielt theatralisch, sendete dann geschlossen zu dem Jungen: **Ich glaube, sie hat ein Auge auf dich, Junge. Sieh dir ihren Blick an, DAS ist dieser typische, mörderische Frauenblick. Sie neckt dich gerne ... - das ist das Wesen einer Frau.**

Gerade noch hatte Ahorn Grünblatt mit einem leicht entrüsteten "Wie-bitte?"-Blick angeschaut. Nebenherlaufen? Dann kamen sie ja nie irgendwo an. Da erreichte Ahorn Schattens Senden. Also sowas hatte ja nun wirklich noch keiner zu ihm gesagt. Sein Kopf fuhr zu dem Heiler herum und lief aus unerfindlichen Gründen dabei auch noch rot an. Ahorn war ganz froh, daß er hinter Grünblatt saß, und da würde er auch bleiben. Nicht daß sie auch noch mit solchen Kommentaren anfing. **Wie kommst du denn auf ... sowas?** wollte der Junge irritiert wissen, beschloß dann aber, lieber abzulenken.
"Äh ... also ich rufe sie, damit sie hinter uns herkommt. Bis dahin ... bleib ich wohl hier sitzen, ich bin nicht so schnell. Oder wolltest du, daß ich den Köder spiele, während ihr wegreitet?" So ganz ernst meinte Ahorn die letzte Frage natürlich nicht, aber irgendwas mußte er ja darauf erwidern. Mit einem lauten, auffordernden Heulen rief er nach Maus und hoffte, daß sie nah genug war, um es zu hören und ihnen zu folgen.

"Nein, lieber nicht. Wer weiß, vielleicht brauchen wir dich irgendwann noch", neckte Grünblatt Ahorn weiter. Nachdem sie einer solchen Gefahrensituation entkommen waren, fühlte sie sich besonders streitlustig. "Aber jetzt mal ernsthaft: Wo gehen wir als nächstes hin?"

Ahorn ärgerte sich, daß Grünblatt jetzt auch noch anfing zu sticheln. Und er ärgerte sich noch mehr, weil ihm keine passende Entgegnung einfallen wollte.
"Vielleicht auf einem sicheren Umweg dahin, wo wir deine Pflanzen sammeln wollten? Deswegen sind wir doch hier, oder?" sagte er schließlich mit einem leicht verstimmten Unterton. Er war heilfroh, daß die Gefahr vorüber war, und die zwei anderen machten mit ihm ihre Witzchen!
Schon etwas näher als eben erklang Maus' Wolfsruf. Sie würde sicher in ein paar Augenblicken hier sein.

**Ihr würdet bestens zusammenpassen**, sandte Schatten zu Ahorn, grinste dabei leicht, jedoch unter seiner schwarzen Mähne kaum sichtbar. **Ganz davon abgesehen, daß sie älter ist als ich.** fügte er noch hinzu und sah zu Grünblatt. "Laß doch den armen Ahorn ... er wird ja schon ganz rot vor Ärger."

Grünblatt lächelte Ahorn zu und signalisierte so Waffenstillstand. "Also gut, dann würde ich vorschlagen, wir gehen einfach mal in dieser Richtung weiter, oder?" Sie wies entgegengesetzt der Richtung, aus der sie gekommen waren. "Eigentlich ist ja ein Weg so gut wie jeder andere." Entschlossen ritt sie voraus, besonders, um Schattens Grinsen nicht mehr sehen zu müssen, das sie sehr wohl bemerkt hatte!

Oh Mann, das hielt man ja nicht aus! Was war heute nur in Schatten gefahren? Nein, Ahorn hielt jetzt lieber den Mund und übte sich im Ignorieren diverser Bemerkungen. Er wußte ja sowieso nicht, was er darauf erwidern sollte.
#Maus?# sendete er noch einmal nach seiner Wölfin. Wenig später raschelte es im Gebüsch neben ihnen, Maus kam hechelnd heran. Ahorn rutschte noch im Reiten von Grünblatts Wolf herunter, um seine Freundin zu begrüßen. "Alles in Ordnung mit dir. Und mit uns auch!" Er wuschelte erleichtert durch ihr Fell, stieg auf und folgte rasch den anderen.

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