Plausible Begründung der theoretisch notwendigen Existenz weiterer Exemplare

Eine der Hauptattraktionen des Britischen Museums in London ist der Stein von Rosette. Grund dafür ist vorrangig seine geschichtliche Bedeutung, aber seine Einmaligkeit trägt zu seinem Ruf ebenfalls bei. Schon vor unserem Projekt wurde der Stein gelegentlich kopiert, doch ein gleichrangiges Exemplar aus der Zeit von Ptolemaios V Epiphanes existiert nicht. Der hieroglyphische Textteil findet sich zwar einmal auf der Insel Philae wieder, jedoch nicht in Basalt gehauen, sondern in Sandstein.
Doch im Text des Steines von Rosette heißt es zum Schluss: „... damit es allen zur Kenntnis gelange, dass das Volk Ägyptens den GOTT EPIPHANES EUCHARISTOS, den König, verherrlicht und ehrt, wie das Gesetz es verlangt: Dieses Dekret soll in eine Stele aus hartem Stein in heiligen [d.h. hieroglyphischen] und einheimischen [d.h. demotischen] und griechischen Buchstaben eingemeißelt und in jedem Tempel der ersten, zweiten und dritten [Ordnung] neben dem Standbild des ewig lebenden Königs aufgestellt werden." 1
Daraus geht eindeutig hervor, dass noch eine Reihe weiterer Steine angefertigt werden sollten. Weiterhin hätte es durchaus Sinn gemacht, weitere Steine anzufertigen, da das auf ihm enthaltene Dekret ansonsten nicht weit verbreitet bekannt werden würde, was dem Sinn eines Dekretes zuwiderliefe. Jeder Beschluss erreicht erst seinen Sinn, wenn er umgesetzt wird, was ohne Bekanntwerden dessen unmöglich ist.
Geht man nun davon aus, dass der Stein nur als Umgarnung des Pharao gedacht war, stellt sich die Frage, weshalb der Stein gerade in Rashid gefunden worden ist und nicht in Alexandrien, der Residenz der Ptolemäer.
Schätzt man den Stein von Rosette dagegen nicht wie im Text angegeben als Dekret ein, das allgemein bekannt werden soll und geht man auch nicht von einem simplen Trick der Priester aus, dem Pharao etwas vorzugaukeln, führt die Suche nach dem Zweck des Steines von Rosette dahin, allein dem Pharao selbst zu dienen, also seiner Seelenlage. Mit der Schreibung von Hieroglyphen wurde ja stets eine heilige Handlung vollzogen, ein Text war also etwas Gottartiges. Es ist demnach durchaus denkbar, dass dieses Denkmal dazu diente, das Leben des Pharaos nach dem Tode zu verbessern, als Lob in Gottesworten, gewissermaßen als Referenz an andere Gottheiten. Diesem Gedankengang spricht zuwider, dass es dafür nicht notwendig gewesen wäre, den Text auch in zwei nicht-heiligen Schriften zu meißeln. Wenn nun der Zweck der heiligen Zeichen an sich nicht der des Steines war, bleibt jedoch nichts übrig, als dass er der Massenverbreitung des Inhaltes diente. Außer für das Volk braucht man nichts in Volksschrift zu schreiben. Doch kann man das Aufstellen einer einzigen Tafel nicht als Verbreitung ansehen. Somit hatte der Stein entweder keinen Zweck oder es gab noch mehr Steine.

1 nach der Übersetzung von W. Froriep

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Autor: Jan Romberg