Titel

Mein Gummiweg

von Priv.-Doz. Dr. med.  L. A. in NRW



Ich gehe zurück, soweit mein Gedächtnis reicht.  Mit vier Jahren: heftigster Widerwille, ein Regencape aus Gummi anzuziehen.  Ob sich mein Wille durchsetzte, weiß ich nicht mehr.  Mit fünf Jahren: Ein Dienstmädchen trägt eine Gummischürze, die mir nicht gefällt.  Ich verlangte, sie solle sie ausziehen. Es war die Zeit (1945-1955), als Gummischürzen etwas ganz Selbstverständliches waren.

Bis zur Pubertät traten keine Erlebnisse in dieser Richtung auf. Insbesondere wurde ich praktisch nie geschlagen, schon gar nicht von attraktiven Frauen in Gummikleidung gezüchtigt.

Ab 14 Jahre etwa sah ich meine Umgebung mit anderen Augen. Stundenlang konnte ich in der Waschküche sein, wenn dort Frauen mit Gummischürzen bei der Arbeit waren.  Unsere Dienstmädchen überredete ich, sich Gummischürzen anzuschaffen, einer von ihnen schenkte ich zu Weihnachten eine Gummischürze.  Ich war böse, wenn sie sie nicht trug.
Natürlich zog ich selbst im stillen Kämmerlein Gummischürzen an, nahm sie mit ins Bett, begann damit zu spielen. Aber es blieb alles ziemlich harmlos.  Im Winter baute ich im Garten Schneeplastiken - nackte Frauen -, denen ich Gummischürzen anzog. Anschließend fotografierte ich sie.

Mich selbst mit einer Gummischürze angetan in der Öffentlichkeit oder vor der Familie zu zeigen, davor hatte ich Hemmungen. Niemand in meiner Umgebung reagierte auf Gummi so wie ich. Niemand fand aber dann etwas Besonderes daran, als ich es schließlich doch tat. Ich hatte mein Zimmer in ein chemisches Labor verwandelt. Und meine Mutter lobte mich, als ich freiwillig eine Gummischürze anzog. Der Kauf einer neuen Gummischürze war jedesmal eine Überwindung. Es schien mir, als ob mir die Verkäuferinnen ansehen würden, daß mir Gummi etwas ganz anderes bedeutete als anderen; ich hatte das Gefühl dabei, als würde ich ein obszönes Buch kaufen.

Allmählich starben die Gummischürzen aus, wurden von Waschautomaten und
Plastikschürzen verdrängt. Ich konnte sie nur noch in ganz wenigen großen Kaufhäusern in der Großstadt kaufen.  Heute sind sie längst nicht mehr so schön wie früher, als es noch viele Farben, Muster und Verzierungen gab.

Als ich zum Studium wegging, packte mir meine Mutter eine Gummischürze in den Koffer, damit ich mich bei den chemischen Versuchen nicht schmutzig machen sollte.

Erst während des Studiums lernte ich das Masturbieren, d. h. den freiwilligen Samenerguß, kennen.  Ich war damals noch gutkatholisch, deshalb hatte ich dabei Komplexe. Im Zuge fortschreitender anatomischer Kenntnisse gelangte ich zu der Einsicht, daß mein Penis sich am wohlsten in einer weichen, feuchten Scheide fühlen müsse. Mit meinen Freundinnen hatte ich dieses Kapitel immer ausgespart, da ich keine Lust hatte, so früh schon zu heiraten. So konstruierte ich mir aus Schaumgummi und einer Gummischürze ein hohles Gebilde. Anfangs ersetzte Seifenlösung den Schleim. Und es klappte ! Ich trieb es stundenlang, bis der Penis wund war.  Später bin ich auf harmlosere Lösungen übergegangen, auf Speichel.  Ich brauchte auch den Schaumgummi nicht mehr. Mit Gummischürze und ein bißchen Speichel, Träumen von gummigekleideten Frauen, die mir mit der Rute den Hintern versohlen, kam ich viele Male hintereinander zum Erfolg.

Da ich trotz Schuldgefühlen und Gewissensbissen nicht asketisch bleiben konnte,
wenigstens nicht länger als ein paar Tage nach einer Beichte, während derer ich mich aber auch nicht wohler fühlte, ließ ich eines Tages die Gewissensbisse sein und stellte fest, daß von nun an das Leben viel leichter war.

Ein großes Erlebnis war die erste Gummihose aus einem Versandhaus. Ich trug sie
tagelang ununterbrochen, bis der Geruch störte und meine Haut wund wurde.  Ich stopfte sie mit Brennesseln voll, um die Illusion zu haben, mein Hintern wäre verprügelt worden. Ich fand ja niemand, der mir wirklich den Po geschlagen hätte, spontan, denn bitten konnte ich niemand.
Ich stieß auf Unverständnis, wenn jemand zufällig bemerkte, daß ich eine Gummihose trug, im Sommer, wenn der Rand aus der Badehose vorschaute. Nachts, als einmal eine lustige Gesellschaft im See baden wollte, zog ich mir die Gummihose an, während die anderen nackt badeten. Ich hütete mich mehr davor, mich in der Gummihose sehen zu lassen als die anderen, ihre Nacktheit zu zeigen.

Ich habe geheiratet; unsere Bekanntschaft hatte nichts mit Gummi zu tun. Mühsam und beharrlich habe ich meiner Frau im Lauf der Zeit all meine Besonderheiten beigebracht. Um die Gummischürze in die Ehe einfuhren zu können, half ich anfangs meiner Frau beim Spülen, freiwillig. Früher wäre mir eine solche Tätigkeit nicht im Traum eingefallen. Ich machte meine Kleider absichtlich naß.  Aber selbst dann kam sie nicht auf die Idee, daß hier eine Gummischürze notwendig wäre. Ich selbst mußte sie mir schließlich schenken.  Aber darin zog sich meine Frau doch die Schürze an. Sobald sie schmutzig wurde, kaufte ich ihr eine neue.  Mit der Zeit kamen auch meine übrigen Wünsche zu ihrem Recht: Es wurden Rohrstöcke angeschafft, Gummischürzen, ein Lackmantel, alles bei ziemlichem Widerstand.

Aber jetzt ist es so, daß wir beide Gummischürzen tragen, sie bei allen Hausarbeiten, sogar beim Autowaschen auf der Straße unten.  Auch für ihr Auto hat sie im Werkzeugkasten eine alte Gummischürze bereit, um beim Reifenwechsel sauber zu bleiben. Und ich trage meine Schürze, wenn ich ihr helfe, oder Öl aus dem Keller hole.  Am liebsten ist es mir, wenn mich meine Frau extra dazu auffordert: "Aber zieh dir die Gummischürze an, wenn du in den Keller gehst." Unsere Kinder kennen an uns keine anderen Schürzen.

Beide haben wir Lackmäntel und hohe, schwarzglänzende Gummistiefel an, wenn wir am Wochenende Waldspaziergänge machen. Am schönsten sind für mich deshalb die verregneten Sonntage. Auch Gummianzüge haben wir uns angeschafft. Ich konnte meine Frau davon überzeugen, daß ich es nur dem ständigen Tragen von Gummikleidung verdanke, wenn ich mein Gewicht seit Jahren halte.  Die Waage im Schlafzimmer brachte sie dazu, nachts ebenfalls eine Gummikniehose zu tragen.  In Gummikleidung gehen wir auch zum Fasching. Meine Frau trägt dann zum Beispiel einen bodenlangen, schwarzen Gummirock. Die Tanzpartner zeigten sich interessiert, aber so richtig hat es bisher bei
keinem gezündet. Gummiliebe scheint selten zu sein bei den Mitmenschen.

Genauso mühsam wie die Umerziehung der Ehefrau wird es sein, über Träume hinaus einmal an andere Menschen zu kommen, mit denen man sich versteht, nicht nur auf
Gummiebene. "Hallo, Gummifreunde!" Welch gräßlicher Ausdruck!  Gummi allein kann keine
tragfähige Grundlage sein, viel weniger, als es der Sex allein ist.  Aber als Zutat, wenn
alles andere stimmt, ist Gummi herrlich, ist der Zustand der Gemeinsamkeit erstrebenswert.