Historische Schiffsmodelle
von Klaus Krick Sprache: Deutsch Broschiert - Neckar-Verlag Erscheinungsdatum: Februar 2003 Dieses Buch ist für Anfänger
im Modellbau empfehlenswert.
Die Seeschlacht vor Kopenhagen 1801 - Nelson versus Fischer
Die Vorgeschichte
Am 25. Juli 1800 wurde im englischen Kanal ein dänischer
Handelskonvoi, eskortiert von der Fregatte FREJA (40 Kanonen) , von
einem britischen Fregattengeschwader gestoppt. Kapitän Thomas
Baker von der britischen Fregatte NEMESIS (28) forderte den
dänischen Kapitän Peter Krabbe auf, den Engländern
freien Zugang zu den Schiffen und der FREJA zu erlauben, um die Schiffe
auf Konterbande zu überprüfen. Krabbe verweigerte den Briten
die Kontrolle und drohte auf das Boot mit dem Enterkommando zu
schießen. Baker
ließ trotzdem ein Boot aussetzen und übersetzen. Prompt
feuerten die Dänen auf das britische Boot und der Konflikt
zwischen den Fregatten eskalierte zur Schlacht. Die FREJA hatte am Ende
gegen die NEMESIS, unterstützt von der ARROW (22) und weiteren
britischen Schiffen, keine Chance und mußte die Flagge streichen.
Der Vorfall war das vorläufige Ende einer bis dahin mehr er-
denn ge-duldeten Praxis durch die Dänen. Bereits am 24. Dezember
1799 verweigerte z.B. im Mittelmeer die dänische Fregatte HAVFRUEN
entsprechende Inspektionen und gewann das Pokerspiel. Andere
dänische Schiffe ließen gegenüber den Drohungen der
Briten lieber eine Kontrolle zu.
Die militärische Auseinandersetzung des 25. Juli 1800 wurde
zwar am Ende auch noch gütlich geregelt : Die FREJA wurde von den
Briten wieder instandgesetzt und mit den Handelschiffen nach Hause
gesandt. Doch das Maß war voll, nicht nur die Dänen
widersetzten sich nun offiziell der Praxis britischer Kontrollen.
Rußland unter seinem wankelmütigen und unberechenbaren
Zaren Paul I. hatte sich nach kurzfristigen Allianzen mit den Briten
gegen Frankreich im Mittelmeer plötzlich zu einer offensiven
Politik gegen den globalen britischen Seemachtanspruch entschlossen.
Ursache dafür soll der von den Briten mißachteteWunsch Pauls
gewesen sein, Großmeister des Malteser Ordens zu werden, um auf
Malta einen russischen Stützpunkt zu errichten. Pauls Revanche
bestand nun in dem Ziel, die Briten aus der Ostsee auszusperren. Somit
war der Zar der ideale Ansprechpartner für die durch die britische
Kontrollpraxis verärgerten Dänen.
Zusammen mit dem in dieser Sache federführenden Rußland,
mit dem Nachbarn Schweden und den Preußen gründeten das
Königreich Dänemark-Norwegen also am 16. Dezember 1800 die
sogenannte Nordkoalition, auch Allianz der bewaffneten Neutralität
genannt. Die Nordkoalition wandte sich nicht nur gegen die o.g. Praxis
der Kontrolle auf See, sondern nahm für sich auch das
uneingeschränkte Recht in Anspruch, mit jedem Land Handel nach
seinem Gusto zu treiben, ob es im Krieg lag oder nicht. Es handelte
sich ohne Zweifel um ein gegen die Super-Seemacht gerichtete Allianz,
was angesichts des globalen englischen Machtanspruch auch nicht anders
sein konnte. Explizit benannte dieser Bund auch seinen Gegner, den tyran des mers. Für England
war jedoch das bedrohlichste Strategem, daß dieser Bund den
Öresund kontrollierte , eines der Nadelöre in die
Ostsee.
Dieses letzte und entscheidende strategische Kriterium sah man in
der britischen Regierung unter Pitt dem Jüngeren, später auch
im Kabinett Addingtons (März 1801) und natürlich in der
britischen Admiralität als ultimative Bedrohung Englands an, denn
die Seemacht war auf Handelsgüter aus dem Ostseeraum angewiesen.
Aus Schweden und Rußland bezogen die Briten Holz, Teer und viele
andere Güter für den Schiffbau, ohne deren Import z.B. die
britische Blockade französischer Häfen undenkbar war. Eine
erfolgreiche Nordkoaltion hätte das Ende der nach Abukir 1798
annähernd absoluten Seeherrschaft Englands bedeutet und nicht
zuletzt auch einen schweren Rückschlag im Krieg gegen Frankreich.
Für die englische Machtdoktrin war die Allianz der bewaffneten
Neutralität deswegen nicht hinnehmbar.
In London beschloß man - kaum war die Nordkoaltion in´s
Leben gerufen worden - auch schon ihre Zerschlagung. Zunächst
sollte die Passage des Öresund gesichert werden, indem man
Dänemark-Norwegen aus der Koalition herauszwang. Zu diesem Zweck
war bei Scheitern diplomatischer Lösungen ein
einschüchternder Schlag gegen den Hafen von Kopenhagen geplant.
Hauptziel der sich vor Yarmouth sammelnden britischen Streitmacht war
jedoch die Vernichtung der russischen Flotte vor Reval und Kronstadt.
Dies sollte ein Exempel statuieren, nachdem man hoffte, sich mit dem
Haupthandelspartner Schweden ohne militärischen Konflikt zu
einigen. Es mußte jedoch schnell gehandelt werden, um zu
verhindern, daß sich die ansehnlichen Flotten Rußlands,
Schwedens und Dänemarks vereinigten. Der ungewöhnlich milde
Winter in der Ostsee kam den Briten bei ihren Planungen entgegen.
Nelsons Ärger
Zum Oberbefehlshaber des Verbandes wurde Admiral Sir Hyde Parker
ernannt, ein entgegen vielen späteren Verleumdungen
fähiger und umsichtiger Seeoffizier aus freilich
einflußreicher Familie. Der englische Seeheld Lord Horatio Nelson, der nach seinem Sieg bei Abukir 1798 und nach seiner Rückkehr nach
England 1800, einem wirklichen Triumphzug durch Europa,
inzwischen zu einer Art Superstar seiner Zeit aufgestiegen
war , wurde nur zum Zweitkommandierenden bestimmt.
Offizielle Begründung: Die entsandte Flotte sei zu groß
für einen Konteradmiral, der der englische Seeheld nun einmal erst
war – immerhin wurde Nelson aber am 1. Januar 1801 zum Vizeadmiral
befördert, was angesichts der o.g. Begründung für den
Beförderten wie Hohn wirkte und sogar für noch mehr
Ärger bei dem schwierigen Seeoffizier sorgte.
Nelson war allein schon wegen seiner vermeintlichen
Zurückstufung verärgert, was auch sein Verhältnis zu
Parker negativ beeinflußte und den Seehelden einmal von einer
anderen Seite präsentierte : Ausgerechnet nämlich der
allerdings aus utilitaristischen Motiven Konventionen
mißachtende Nelson beschwerte sich schriftlich bei der
Admiralität, daß Hyde Parker die Versammlung der Flotte
nicht von Bord seines Flaggschiffes aus leitete, sondern an Land weilte
und sozusagen in den Armen seiner erst 18jährigen und
frischgebackenen Ehefrau den Aufbruch erwartete.
Wo kämpfte die SOPHIE gegen die
CACAFUEGO ?
Wo liegt das Ashgrove Cottage ?
Dieser englischsprachige Atlas verfolgt die Routen,
zeigt die Schauplätze und faßt die Handlungen
von 17 Aubrey-Romanen O´Brians zusammen.
Mit seiner Beschwerde zwang der Navy-Superstar Sir Hyde
schließlich an Bord. Es spricht für die Integrität
Parkers, daß er dies Nelson danach nicht dienstlich heimzahlte.
Später hat man diese Affäre so ausgelegt, daß Nelson mit seiner Denunziation den Aufbruch der
Flotte Richtung Norden beschleunigt hätte. Dafür gibt es
tatsächlich keinen Beleg. Fast scheint es dagegen so, daß es
nicht allein die berufliche Zurücksetzung gewesen ist, die Nelson veranlaßte, das häusliche
Glück seines Vorgesetzten zu torpedieren. Nelson selbst befand sich nämlich gerade
in der Phase der offiziellen Trennung von seiner Ehefrau zugunsten
seiner Geliebten Lady Hamilton, die ihm eine Tochter, Horatia,
geboren hatte. Diese Trennung von Lady Nelson wurde von engen Freunden
des untreuen Ehemanns, Earl St. Vincent - inzwischen Erster Seelord -
und Kapitän Thomas Troubridge, jedoch heftig mißbilligt,
was Nelson wiederum zu paranoiden
Schlußfolgerungen veranlaßte, z.B. auch bezüglich des
Kommandos der Ostseeflotte. Er tat seinen Freunden dabei bitter
Unrecht. Nelsons Brief an die Admiralität ist möglicherweise
schlicht ein emotionales Ventil gewesen. Aber so menschlich-kleinlich
mag man Helden später nicht sehen.
Tatsächlich hatte der Sieger von Abukir durch sein
eigenes skandalöses Gesellschaftsverhalten bei der konservativen
Admiralität das durch seine Erfolge erworbene Vertrauen
größten Teils wieder eingebüßt. Auch in der rein
politischen Sichtweise der Regierung Addington genoß Nelson kein großes Ansehen, sondern
wurde eher als ein unkontrollierbares politisches Risiko
betrachtet. Addington strebte z.B. eine gütliche Einigung mit
Frankreich an, während Nelson sich ganz offen dagegen ausgesprochen hatte.
Man erwartete bei der Ostseemission vom Oberbefehlshaber natürlich
nicht nur militärische, sondern auch politische und diplomatische
Kompetenzen, möglichwerweise sogar Rücksichtnahmen. Die
traute man Nelson wegen seines skandalösen
Verhältnisses mit Lady Hamilton nicht zu - auch diese
Einschätzung muß man aus heutiger Sicht allerdings als
falsch ansehen.
Das Vorspiel
Vor Yarmouth versammelte sich nun Ende Februar, Anfang März
eine ansehnliche britische Flotte, die für den Einsatz in der
Ostsee bestimmt war: 74 Schiffe, darunter 15 Linienschiffe und
zwei 50-Kanonen-Schiffe mit rund 3000 Seeleuten, einem
Infanterieregiment und einem Artillerieregiment für eventuelle
Landeinsätze setzten sich am 12. März 1801 Richtung Ostsee in
Bewegung. Vor Leith wurden sie noch durch weitere 3
Linienschiffe verstärkt.
Das primäre Ziel der britischen Flotte war wie gesagt
ursprünglich nicht Kopenhagen, sondern die russische Flotte. Den
Dänen wollte man zuvor die Gelegenheit geben, sich aus der
Nordkoalition zurückzuziehen. Vorbedingung war die ungehinderte
Passage des britischen Verbandes durch den Öresund. Um den
Dänen diese Bedingungen zu unterbreiten, schickte Hyde Parker
einen Unterhändler , Nicholas Vansittard, nach Kopenhagen
voraus. Nelson hielt diesen diplomatischen Versuch
für einen Fehler, er hatte für eine präventive
Demonstration der englischen Seemacht ohne jegliche Warnung
plädiert. Tatsächlich hätte wohl ein
Überraschungsangriff auf Kopenhagen die spätere Verlustrate
vor Kopenhagen positiv beeinflußt, auf der anderen Seite
hätte dann die dänische Monarchie wohl schwerlich einem
Waffenstillstand zugestimmt. Sonst hätte das dänische
Königshaus angesichts eines derartig heimtückischen
Überfalls sein Gesicht völlig verloren. Der englische
Oberbefehlshaber besaß offensichtlich weder die
Kompromißlosigkeit des Siegers von Aboukir noch dessen
Rücksichtslosigkeit, dafür aber doch soviel diplomatische
Grundausstattung, um o.g. zu berücksichtigen. Also schiffte sich
Nicholas Vansittard als Unterhändler an Bord der Fregatte BLANCHE
(32) nach Dänemark ein.
Dänemark, das die Macht der englischen
Flotte durchaus nicht unterschätzte, befand sich aber in
einer Zwickmühle ohne Entkommen. Ein Entgegenkommen Kopenhagens
hätte das Land nicht nur in Konflikt mit dem
mächtigen russischen Imperium gebracht, sondern auch mit der zu
dieser Zeit gefährlichsten Landstreitmacht Europas, der
französischen Armee. So hielt man in Kopenhagen einen britischen
Angriff von See her für das kleinere Übel, zumal man die
eigenen Chancen bei dieser Auseinandersetzung als gut
betrachtete. Deswegen kehrte Vansittard am 23. März mit
einer deutlichen Ablehnung Dänemarks zur inzwischen vor der
Einfahrt zum Öresund ankernden englischen Flotte
zurück. Was niemand ahnte und tragischerweise auch zu
spät bekannt wurde: Am selben Tag (Achtung: Nach dem russischen
Kalender am 12. März !!!) fiel in St. Petersburg mit Zar Paul I.
der Kopf der Nordkoalition während einer Palastrevolution einem
Attentat zum Opfer. Sein englandfreundlicher Nachfolger Zar Alexander I.
löste praktisch die Allianz der bewaffneten Neutralität auf.
Für Kopenhagen jedoch kam die Nachricht vom Tode Pauls zu
spät.
Natürlich hatte nicht erst der englische Vermittlungsversuch
die Dänen vor dem Angriff gewarnt - in London wußte man
schließlich schon Anfang des Jahres vom Ziel der Flotte und
dänische Matrosen, die in der englischen Flotte dienten, waren
dispensiert worden. Aber in Kopenhagen begann man erst jetzt an der
Verteidigung des Hafens zu arbeiten, weil man auf dänischer Seite
den Hafen grundsätzlich als nahezu unangreifbar betrachtet hatte.
Es fehlte aber an Männern und seetüchtigen Schiffen. Ersteres
konnte leidlich durch Freiwillige kompensiert werden, zweiteres legte
Kopenhagen auf eine passive Verteidigung fest. Die Dänen unter
Kommodore Johan Olfert Fischer
mußten auch in vielerlei Hinsicht improvisieren, aber die tückischen Sandbänke der Ostsee, die auch das
Gewässer vor der dänischen Hauptstadt auszeichneten,
erschienen den dänischen Verteidigern als nahezu
unüberwindliche navigatorische Hürden und waren die Grundlage
für ihre Siegeszuversicht. Natürlich hatten die
Dänen alle Bojen und Wassermarken vor dem Hafen entfernt, um den
Engländern den Zugang zu erschweren. Auch an Freiwilligen
herrschte in Kopenhagen wahrlich kein Mangel, im Gegenteil war noch
lange nicht genug Platz auf den dänischen Schiffen für alle,
die sich meldeten. Doch der Mangel an Seeleuten, Kanonieren und
Offizieren konnte dadurch nicht wett gemacht werden. Und kaum einer der
Verteidiger hatte Gefechtserfahrung, denn seit 80 Jahren hatte
Dänemark keinen Krieg mehr geführt.
Die Dänen bekamen immerhin noch einen
zeitlichen Aufschub durch den vorsichtig agierenden englischen Admiral,
der zunächst die Möglichkeiten einer Passage in den
Öresund sondierte. Die Fahrrinne zwischen dem schwedischen
Helsingborg und der dänischen Seite war recht eng und
Beschuß von beiden Seiten zu erwarten. Parkers
unzuverlässige Informanten übertrieben bei weitem die
Feuerkraft der schwedischen Seite und blieben für die
dänische Seite mit ihren Einschätzungen auch weit über
der tatsächlichen Zahl von rund 100 feindlichen Geschützen.
Eine Weile erwog Parker deswegen, mit seiner Flotte durch den Belt zu
segeln, entschied am Ende jedoch gegen diese noch riskantere Passage.
Am 25. März jedoch schlug der Wind am Sund um und frischte dazu
auch noch stark auf. Parker betrachtete unter diesen stürmischen
Verhältnissen einen Aufbruch als zu riskant. So benötigte
der zögernde Admiral annähernd eine Woche, bis sich das
Wetter beruhigte und seine Flotte sich rüstete, die Einfahrt
in den Öresund zu erzwingen. Ob dieser Zeitverlust zwingend war
oder nicht, läßt sich heute nicht mehr klären. Es ist
jedoch von den beteiligten Kommandanten inklusive Nelson keine gegenteilige
Behauptung bekannt. Erst spätere Kommentatoren haben
überhaupt erst die o.g. Frage aufgeworfen.
Im Öresund
Am frühen Morgen des 30. März 1801
setzte die Flotte Segel für das Prelude der Schlacht vor
Kopenhagen: 18 Linienschiffe, zwei 50-Kanonen-Schiffe, 5
Fregatten, 2 Sloops, 2 Briggs, 7 Mörserschiffe, 6 Kanonenboote und
weitere rund 30 kleinere Schiffe liefen in einer meilenlangen Linie in
den Öresund ein. Die Vorhut unter Nelson auf der ELEPHANT (74 - Foley)
wurde das erste Ziel der dänischen Batterien von Kronenburg
, doch lag das Feuer der landgestützten Kanonen schlecht. Auch die
Schiffsgeschütze der englischen Linienschiffe zeigten wenig
Wirkung, dafür waren die Mörsergranaten der Kanonenboote nach
englischen Berichten um so effektvoller. Als Hyde Parker im Zentrum
jedoch beobachtete, daß auf der schwedischen Seite der Passage
das Feuer aufblieb, befahl er den nachfolgenden Schiffen Kurskorrektur
und vergrößerte den Abstand zur dänischen Seite soweit,
daß der dänische Beschuß am Ende eingestellt wurde.
Trotzdem gab es auf beiden Seiten die ersten Toten und Verwundeten
dieses Krieges. Einige Granaten der Briten hatten sich als Volltreffer
erwiesen und auf der englischen ISIS (50) hatte eine explodierende
Kanone - ein immer präsentes Risiko auf den Schiffen dieser Zeit -
einige Seeleute getötet. Auf der ISIS sollten dies nicht die
letzten Opfer der eigenen Armierung sein.
In Kopenhagen, wo der dänische Kronprinz die
Vorbereitungen zur Verteidigung beaufsichtigte, hatte man in der
Zwischenzeit vergeblich auf die Rückkehr eines kleinen
Linienschiffgeschwaders gewartet, das im finnischen Meerbusen
Manöver abgehalten hatte. Kommodore Johan
Olfert Fischer und Kapitän Steen Bille mußten mit Schiffen
auskommen, die in ihrer Mehrzahl den Hafen seit Jahrzehnten nicht mehr
verlassen hatten. Es waren fast alles alte und außer Dienst
gestellte Linienschiffe und Fregatten, die nun in Verteidigungsstellung
gebracht wurden. Kanonen fanden sich reichlich, schwimmende Stellungen
für die Artillerie waren jedoch eher rar. Deswegen griffen die
Dänen auf einige Pferdetransporter zurück, reaktivierten
einen alten Kauffahrer und zimmerten in aller Eile ein paar
Flöße zusammen. Ein weiteres Problem war der Mangel an
Seeoffizieren. So kam es z.B., daß ein 18jähriger
Unterleutnant mit dem Namen Peter Willemoes das Kommando über eine
Batterie von zwanzig Kanonen mit 120 Mann bekam: Gerner´s
schwimmende Batterie Nr. 1, ein einfaches großes Floß, war
im Zentrum neben dem Flaggschiff Fischers festgemacht. Leutnant und
Batterie sollten aber noch von sich reden machen.
Gegen Mittag des 30. März hatte die
britische Flotte mitten im Sund ungefähr in Höhe der Insel
Hven geankert und Hyde Parker wechselte mit seinem Stab,
Vizeadmiral Nelson und Konteradmiral Graves auf den
kleinen Lugger LARK, um die Verteidigungsanlagen des Hafens von
Kopenhagen auszukundschaften.
Dort hatten die Dänen inzwischen aus schwimmenden Batterien, Hulks
und Kriegsschiffen , gedeckt von Landbatterien, eine Verteidigungslinie
aus rund 700 schweren Kanonen gebildet, die die Fahrrinne in den Hafen
verteidigen sollten. Dabei konnten die Dänen sich des
strategischen Vorteils schützender Untiefen erfreuen. Die enge, in
der Verteidigungslinie nördlich gelegene Einfahrt in den
Hafen wurde von zwei kanonenstarrenden, künstlichen Inseln
gedeckt, den TREKRONER-Forts (Dreikronen-Forts). Dort hatten die
dänischen Verteidiger insgesamt 68 schwere Kanonen in Stellung
gebracht, achtunddreissig 36-Pfünder und dreissig 24-Pfünder.
Dazu ankerten auf der anderen Seite der Passage die 74-Kanonen-Hulks
ELEPHANTEN (74 - CO
Kapitän Philip von Thun) und MARS (74 - CO Kapitän
Niels Gyldefeldt), etwas tiefer im Kanal die Linienschiffe DANEMARK (74
- CO
Kapitän Steen Bille) und TREKRONER (74 - CO Kapitän
Peter Riegleson). Diese Schiffe waren die Eckpunkte von Linien, die mit
der Fregatte IRIS (40 - Kapitän Braun) , den Briggs SARPEN
(18) und NIDELVEN (18) sowie weiteren Kanonenbooten und Schiffen
gebildet wurden.
Machte diese nördliche Verteidigungsanlage bereits einen
furchterregenden Eindruck, so erschien der Weg von Süden her auf
den ersten Blick noch weit schrecklicher für mögliche
Angreifer. Im engen Fahrwasser zwischen Untiefen wurde die schmale
Fahrrinne, die sogenannten Königstiefe (Kongedybet), gesäumt von 18
schwimmenden Batterien, größeren und kleineren Schiffen mit
über 600 Kanonen großen Kalibers. Diese Batterien
wiederum wurden von zahlreichen Landbatterien gedeckt. Es folgt eine
Austellung der dänischen Linie von Süden nach Norden,
wie Nelson sie in seinem Bericht vor der Schlacht
eingeschätzt hatte und wie sie wirklich armiert war:
Die
Auflistung versteht sich nach der Reihenfolge von Süden nach
Norden, die Kanonen werden erst ab 18-Pfünder aufwärts
gezählt.
Anzahl Kanonen
Name
Typ
geschätzt
tatsächlich
Kommandant
/ Bemerkungen
PRØVESTENEN
Alter Dreidecker, um ein
Deck reduziert
28
56
CO Kapitän
Lorenz Lassen
WAGRIEN
Alter Zweidecker, um ein
Deck reduziert
26
48
CO Kapitän
Frederik Risbrich
RENDSBORG
Pferdetransporter (Prahm)
10
20
CO Kapitän
Christian Egede
NYBORG
Pferdetransporter (Prahm)
10
20
CO Leutnant Carl
Rothe
JYLLAND
Alte Zweideckerhulk ohne
Poop
27
24
CO Kapitän
Erich Brand
SWØRDFISKEN
Floß bzw.
schwimmende Batterie
10
20
CO 2. Leutnant
Sören Sommerfeld
KRONBORG
Alte Fregattenhulk
12
22
CO Leutnant Jens
Hauch
HAJEN
Floß bzw.
schwimmende Batterie
nicht
sichtbar
20
CO Leutnant Jochen
Müller
DANNEBROG
64-Kanonen-Linienschiff
30
24
CO Das Flaggschiff
von Kommodore Johan Olfert Fischer unter Kapitän Ferdinand
Braun
CO Kapitän
Hans Köföd - Offensichtlich von den Briten als Linienschiff
oder Fregatte eingeschätzt
SØHESTEN
Floß bzw.
schwimmende Batterie
12
18
CO Leutnant
Bernhard Middelbö
?
Kanonenboot
-
-
Von den Briten
beobachtet und aufgeführt, existierte dieses Schiff aber
möglichweise gar nicht
HOLSTEN
64-Kanonen-Linienschiff
30
24
CO Kapitän
Jason Ahrenfeld
INDFØDSRETTEN
64-Kanonen-Linienschiff
30
26
CO Kapitän
Albert de Thura
HJELPEREN
Fregatte
11
20
CO Leutnant
Peter-Carl Lilienskjöld
Nachdem sich den Briten dieses Bild bot, erschien beim abendlichen
Kriegsrat vielen Offizieren ein Angriff zu riskant. Auch Hyde Parker
schien das Risiko eines Angriffs eher zu scheuen, doch der wie immer
ungeduldige Nelson bot bereits nach kurzer Dauer der Beratung
an, die Linie der Dänen mit 10 Linienschiffen, einigen Fregatten
und den Mörserschiffen erfolgreich zu bekämpfen und
erleichterte seinem Admiral damit die Entscheidung.
In vielerlei Hinsicht schien der Angriff auf Kopenhagen ja auch Nelsons
Attacke bei Abukir zu gleichen: Wie vor der ägyptischen Küste
galt es hier, eine unbewegliche Schlachtlinie anzugreifen, die von Land
her gedeckt wurde. Wie bei Abukir mußte man zwischen
gefährlichen Untiefen manövrieren, deren Lage man nicht genau
kannte. Schon deswegen schien Nelson für den Angriff der ideale
Kommandant. Die Parallelen mit der Schlacht vor dem
Nildelta 1798 waren tatsächlich aber nur oberflächlich:
Vor Abukir kam der Angriff überraschend, die Dänen dagegen
waren so gut wie möglich vorbereitet. Vor Kopenhagen kannte der
Gegner das Gewässer natürlich genau, während auf
den meisten Schiffe, die in der Bucht von Abukir gestrandet
waren, die französische Flagge wehte. Zwar plante Nelson auch hier wie1798 in Ägypten, eine
unbewegliche Schlachtlinie von unten aufzurollen. Kapitän Foley
und Nelsons Geschwader würden jedoch keine Chance haben, die
Schlachtlinie von der Uferseite her anzugreifen, wie es 1798
mit Foley an der Spitze gelungen war. Diesmal war
diese Seite einfach zu flach für jedes größere Schiff.
Und im Gegensatz zu Abukir würden vor Kopenhagen die
dänischen Landbatterien tatsächlich an der Schlacht
teilnehmen. Nelson war sich dieser Strategeme wohl
bewußt, hatte aber großen Respekt vor den TREKRONER-Forts,
der wohl nach einer weiteren Erkundung am Morgen des 31. März noch
wuchs. Von Beginn an hatte der englische Vizeadmiral wegen dieser
starken Verteidigungsanlagen geplant, von Süden her
anzugreifen.Von dieser Seite aus waren die Zwillingsfestungen
verwundbarer. Der nun konstant von Süden wehende Wind
bestärkte Nelson in seiner Entscheidung und er ließ die
Verhältnisse bzw. Wassertiefen im äußeren Kanal
erkunden.
Die britische Flotte hatte sich inzwischen nördlich von Saltholm
versammelt. Admiral Parker stellte Nelson 10 Linienschiffe, die zwei
50-Kanonen-Schiffe und alle anderen Schiffe zur Verfügung. Parker
selbst blieb mit 8 Linienschiffen in Reserve, um eventuellen Gefahren
von der Seeseite her begegnen zu können. Die Briten hielten es
für nicht ausgeschlossen, daß die Dänen
Verstärkung von der Seeseite her erhalten könnten oder das
ein russisches Geschwader plötzlich vor Kopenhagen auftauchen
könnte. Parker plante aber auch, nach Gelegenheit von Norden her
in den Kampf einzugreifen. Jedoch galt: Guter Wind für Nelson war natürlich schlechter Wind für
Parker. So kam es am Ende nicht zum Eingreifen des Oberkommandierenden.
Folgende Schiffe standen Nelson zur Verfügung:
Dazu noch 3
weitere Kanonen-Briggs, zahlreiche Tender, Kutter und Barkassen.
Auf See verblieben dagegen hauptsächlich Schiffe mit recht
großem Tiefgang, vor allem die Dreidecker: Es waren dies Parkers
Flaggschiff LONDON (98) mit dem Stabschef Kapitän
William Domett und Kapitän Robert Otway und die ST. GEORGE (98 - COThomas Hardy),
Nelsons eigentliches Flaggschiff. Zu Parkers Geschwader gehörten
noch die WARRIOR (74 - COCharles Tyler),
DEFENCE (74 - CO
Lord Henry Paulet), SATURN (74 - CO Robert
Lambert), RAMILLIES (74 - CO William Dixon),
RAISONABLE (64 - CO
John Dilkes) und VETERAN (64 - CO Archibald
Dickson).
Nelson´s Plan
Am Morgen des 1. April machte sich Nelson erneut ein Bild von der Lage vor
Kopenhagen. Am Nachmittag führte er dann seine Flotte den
äußeren Kanal hinunter, bis zur Passage in die
Königstiefe, der Fahrrinne vor der dänischen
Verteidigungslinie. Mit hereinbrechender Dunkelheit hatte seine
Streitmacht vor der sogenannten Drachenmarke Anker geworfen und Nelson schickte Kapitän Thomas Hardy im
Schutze der Nacht zur Erkundung der Tiefen in die Fahrtrinne vor der
feindlichen Linie. Hardy kam mit seinem Ruderboot z.T. sehr nahe an die
dänischen Schiffe und Batterien heran und sammelte, während
er lotete, dabei zusätzlich noch eine Menge Informationen. Wie
sich aber später herausstellen sollte, gaben sich Hardy und seine
Lotgäste unter diesen Umständen zwar größte
Mühe, doch hatte Nelsons Kundschafter eigentlich keine Chance, ein
wirklich verläßliches Bild für die Kommandanten der
Flotte zu erforschen.
Noch während Hardy auf seiner Mission war, saßen Nelson, Kapitän Foley
und Kapitän Riou von der AMAZON an Bord der ELEPHANT zusammen und
arbeiteten die Schlachtordnung aus. Es ist dies ein Kuriosum, denn die
wichtigsten Daten, die Wassertiefen, standen diesem Kriegsrat noch gar
nicht zur Verfügung. Als Hardy in der Nacht mit dem beginnenden 2.
April von seiner Mission zurückkehrte und seine Ergebnisse
vorlegte, stand die Reihenfolge der in die Königstiefe
einzulaufenden Schiffe bereits fest. Es gibt allerdings keinen Beleg,
daß diese Inkonsistenz zwischen Planentwurf und grundlegenden
Daten negative Folgen hatte und z.B. für die Strandung der BELLONA
oder RUSSEL verantwortlich war. Man könnte einen Zusammenhang nur
vermuten.
Nelsons Plan sah vor, daß die Linienschiffe eine ankernde
Schlachtlinie bilden sollten, wobei sie einen Heckanker werfen sollten.
Dies ließ den britischen Schlachtschiffen gegebenenfalls Raum
für weitere Manöver. In reinen Artillerieduellen sollten dann
die gegnerischen Schiffe, Hulks oder Flöße
niedergekämpft und erobert werden, wobei die hinter der
Schlachtschifflinie operierenden und von den mächtigen
Linienschiffen gedeckten Mörserschiffe eine bedeutende Rolle zu
spielen hatten. Nachdem ein Linienschiff seinen direkten Gegner zur
Kapitulation gezwungen hätte, sollte es den Anker lösen, an
der Außenseite der eigenen Schlachtreihe weiter die Linie hinauf
segeln und den nächsten Gegner bekämpfen. Erst wenn die
dänische Schlachtlinie von Süden her aufgerollt worden
wäre, sollten die mächtigen Trekroner-Forts in der
Flanke angegriffen werden und dann am Ende von der englischen
Infanterie gestürmt werden. Nelson teilte seine Linienschiffe in zwei
Abteilungen: Die EDGAR (74), ARDENT (64), GLATTON (54), ISIS (50) und
AGAMEMNON (64) sollten als erste Schiffe in die Fahrrinne einlaufen.
Die EDGAR war auf die JYLLAND angesetzt, die ARDENT sollte sie dann
außen passieren und die SWØRDFISKEN sowie die KRONBORG
beschießen. Die GLATTON sollte genauso verfahren und war als
Gegner für die HAJEN und die DANNEBROG bestimmt.
Die ISIS sollte die WAGRIEN angehen und die AGAMEMNON sollte mit Hilfe
der DESIREE (36)das südlichste dänische Schiff
bekämpfen, beide unterstützt von den vorerst im Süden
stehenden Kanonen-Briggs unter der Führung der JAMAIKA, die die
Südflanke der Dänen und eventuell auch lästige
Landbatterien unter Feuer nehmen sollten.
In der zweiten Abteilung sollten dann die BELLONA (74) gegen
DANNEBROG, ELVEN, GERNER´s Batterie und AGGERSTEN, die ELEPHANT
(74) gegen die SYLLAND, die GANGES (74) gegen die CHARLOTTE AMELIA und
SØHESTEN , die MONARCH (74) gegen die HOLSTEN in den Kampf
ziehen.
DEFIANCE (74), RUSSELL (74) und POLYPHEMOS (64) sollten dann bis zur
nördlichen Spitze durchstoßen und dort die dänischen
Linienschiffe niederringen. Im Schutz der englischen Schlachtschiffe
sollten die Kanonenboote hinter das Zentrum der britischen Linie
gelangen und von dort aus mit ihren Mörsern den Gegner
beschießen. Hinter jedem Linienschiff sollte ein mit
Truppen beladener Kutter liegen, um nach ausreichendem Beschuß
den Gegner zu entern. Eine Flotille von Fregatten, Sloops und
Feuerschiffen unter Führung der Fregatte AMAZON (36 - James Riou)
war als Reserve geplant, die an den Punkten eingreifen sollte, wo Not
am Mann war.
Die Schlacht
Am Donnerstag, dem 2. April 1801 um 8:00 am Morgen ließ Nelson seine Kapitäne an Bord der ELEPHANT
rufen, wo sie ihre Befehle erhielten. Der Wind kam zu diesem Zeitpunkt
idealerweise noch immer aus Süd / Südwest. Um 9:30 ging die
englische Flotte Anker auf und die EDGAR lief wie geplant als erstes
Schiff in die Fahrrinne ein. Ihr folgte die AGAMEMNON, die weit
südlich geankert hatte. Doch bereits jetzt bekamen die
Engländer die ersten Probleme. Weil Nelsons ehemaliges Schiff die
Einfahrt im ersten Schlag nicht schaffte, mußte der Befehlshaber
improvisierten : Die POLYPHEMOS nahm die Stelle der AGAMEMNON ein,
ihr folgte die ISIS, dann kamen ARDENT und GLATTON, die ihre geplanten
Positionen ansteuerten. Doch es folgte mit der BELLONA das
nächste Mißgeschick. Ob nun wegen eines Fehlers ihres
Steuermanns oder unzureichender Daten der Lotungen Hardys, die BELLONA
lief jedenfalls keine 350 Meter entfernt von PRØVESTENEN
und WAGRIEN auf eine Sandbank. Die RUSSELL, die ihr sehr nah gefolgt
war, saß Minuten später auch auf Dreck. Damit schien die
gesamte Planung Nelsons in sich zusammenzubrechen, doch erneut erwiesen
sich der Vizeadmiral und seine Kapitäne als kaltblütige
Improvisateure. Die der RUSSELL folgende ELEPHANT steuerte die
ursprünglich für die BELLONA bestimmte Position
gegenüber der DANNEBROG an, die dem Flaggschiff folgende
GANGES bekam den Befehl, sich vor die ELEPHANT zu setzen, alle
folgenden Schiffe sollten genauso verfahren. Trotz der großen
Flexibilität der Briten hatten die Strandungen von BELLONA und
RUSSELL jedoch noch eine weitere und sehr viel unangenehmere Folge:
Einige englische Steuermänner zogen aus der Strandung der
Schiffe falsche Schlüsse für den Tiefgang des
eigenen Seglers und gingen davon aus, daß das Wasser zur
gegnerischen Linie hin gefährlicher wurde - de facto war
natürlich eher das Gegenteil der Fall. Durch ihre
Fehlinterpretation der Havarien führten diese Piloten die Schiffe
in größerer Entfernung zur gegnerischen Linie die Fahrrinne
hinauf und ankerten schließlich auch in einer Entfernung von
über einer Kabellänge. Als Folge dieser größeren
Distanz waren die Karronaden der Linienschiffe - reine Nahkampfwaffen -
bei weitem nicht so effektvoll wie geplant.
Um 10:20 hatten die ersten dänischen Schiffe an der südlichen
Flanke das Feuer eröffnet, um 10:40 schoßen auch die
Landbatterien, um 10:50 begann die EDGAR die JYLLAND systematisch unter
Feuer zu nehmen. Gegen 11:00 warf die ELEPHANT, kurz darauf
auch die GANGES ihren Heckanker und eröffneten das Feuer. Doch die
Schlacht verlief zunächst schlecht für die Briten.
Die MONARCH und die DEFIANCE an der nördlichen Spitze - immerhin
der stärkste Teil der dänischen Linie mit SØLLAND
(74), HOLSTEN (64) und INDFØDSRETTEN (64) -
erreichten um 11:30 ihre Positionen, hatten jedoch von Beginn an
einen schweren Stand. Die POLYPHEMOS war ja für die AGAMEMNON
eingesprungen, doch Kapitän Fancourt konnte sich umgekehrt nicht
revanchieren und dafür Kapitän Mosse und Konteradmiral
Graves unterstützen. Nach mehreren Versuchen, die AGAMEMNON
in die Passage zur Königstiefe zu zwingen, lief das Linienschiff
schließlich sogar auf Grund. Natürlich wurden die
BELLONA und die RUSSELL schmerzlich in der englischen Linie vermisst,
gerade im Norden der Linie, wo die Dänen besonders stark waren.
Immerhin kam Kapitän Riou, der sein Fregattengeschwader im Schutze
der Linienschiffe glücklich die Linie hinauf gebracht hatte, mit
der AMAZON, der BLANCHE , z.T. auch der ALCMENE und der ARROW der
DEFIANCE zur Hilfe, mußten dabei aber auch heftigen Beschuß
u.a. von einem der TREKRONER-Forts in Kauf nehmen. Und die MONARCH war
noch keine halbe Stunde im Gefecht, als ihr Kapitän James Mosse
getötet wurde und dem 1. Offizier Leutnant John Yelland das
Kommado zufiel. Die britischen Fregatten, als
Lückenbüßer im Norden eingesprungen, erlitten bald
schwere Verluste. Besonders die AMAZON hatte zu leiden und verlor
schließlich ihren Kapitän, James Riou, der von einer
Kanonenkugel zerschmettert wurde.
Am südlichen Ende der Linie gelang es der JAMAIKA mit den
Kanonen-Briggs nicht, wirkungsvoll in den Kampf einzugreifen, weil die
Strömung aus der Fahrrinne sich als zu stark erwies. Nur die HARPY
und die CRUIZER erzielten einige Treffer. Die gestrandete BELLONA lag
im Schußfeld der Dänen und erlitt schwere Verluste.
Kapitän Thompson, einst Kommandant der LEANDER vor Abukir
und später im Zweikampf gegen die GENEREUX, wurde ein Bein
weggeschoßen. Enttäuschend war für Nelson der Einsatz der Kanonenboote, von dem er
sich viel versprochen hatte. Lediglich die TERROR und die ZEBRA
konnten zeitweise in den Kampf eingreifen, doch die Beobachtung der
Mörsergeschoße - von entscheidenden Bedeutung für das
Zielen - war durch den sich entwickelnden Pulverqualms erschwert.
Dieser Rauch war die beste Deckung für die Dänen. Die durch
den Qualm behinderte Sicht schränkte am Ufer aber auch die
Aktivitäten der sowieso mit nur wenigen echten Kanonieren
besetzten Landbatterien stark ein. Und zumindest die DESIREE
erreichte eine gute Position südlich der PRØVESTENEN
und setzte anschließend dem alten dänischen Schiff und der
WAGRIEN schwer zu.
Nach annähernd einer Stunde Gefecht muß Nelson klar gewesen sein, daß er
sowohl die Anzahl gegnerischer Kanonen als auch die Kampfkraft der
dänischen Verteidiger schwer unterschätzt hatte. Auch war er
sich bewußt, daß er bei seinem Angriff auf drei seiner
Linienschiffe verzichten mußte und vor allem, daß die
meisten seiner Schiffe zu weit entfernt von der dänischen Linie
geankert hatten. Zu diesem Zeitpunkt waren die Engländer einer
Niederlage tatsächlich nahe. Doch der Sieger von Abukir erkannte
den Kern des Problems, denn nach rund einer Stunde Gefecht ließ
er das Signal für "Closer Action" (Näher ran !) setzen.
Damit wendete sich das Blatt. Nachrichten über beträchliche
Verluste an Bord seiner Schiffe drangen zu ihm, doch Nelson befand sich in der für ihn so
typischen euphorischen Stimmung, die man bei ihm beobachten
konnte, wenn er im Gefecht war. Als in seiner Nähe eine
Kanonenkugel einschlug, lobte er gegenüber Colonel Stewart, dem
Chef der Infanterie, die Treffsicherheit des Gegners und meinte
sinngemäß, daß er in diesem Moment um keinen Preis der
Welt woanders sein wolle. Direkt vor Nelsons Augen agierten die
Kanoniere der ELEPHANT nun allerdings auch recht erfolgreich, denn das
Feuer der DANNEBROG ließ bereits spürbar nach und schon
wenig später sah sich Kommodore
Fischer genötigt, seinen Befehlsstand auf die HOLSTEN
verlegen. Die Dänen konnten durch den Qualm die Engländer nur
noch erahnen und nahmen zum Teil möglichweise nur zögerlich
wahr, daß die britischen Schiffe durch ihren verlängerten
Heckanker Nelsons Signal leicht folgen konnten und die
Schußdistanz immer mehr verkürzten. In diesem Zusammenhang
ist interessant, daß am Ende der Schlacht die Takelagen der
britischen Schiffe relativ unversehrt waren. Dies deutet einerseits auf
die Unerfahrenheit der dänischen Kanoniere hin, kann andererseits
zum Teil auch auf o.g. Ursache zurückgeführt werden : Die
Dänen hatten vielleicht die Erhöhung ihrer Kanonen nicht
korrigiert.
Zunächst hielten die zusammengewürfelten dänischen
Verteidiger aber gegen alle Erwartungen der Briten den Breitseiten der
englischen Profis stand. Die großen dänischen Verluste
wurden aus einem großem Reservoir Freiwilliger von Land her
ersetzt und mangelnde Professionalität und Übung machten die
dänischen Kanoniere durch Zorn und Leidenschaft wett. Auf der
INDFØDSRETTEN, die im Zentrum des Feuers der DEFIANCE und der
britischen Fregatten lag, fiel Kapitän Thura. Sein Ersatz,
Kapitän von Schrödersee, aus Gesundheitsgründen
eigentlich schon lange nicht mehr diensttauglich, eilte von Land
herbei, um Thuras Stelle einzunehmen, war aber kaum an Bord, als eine
Kanonenkugel, die gar nicht von der Frontseite der britischen Linie
kam, ihn in Stücke riß. Schrödersee starb
möglichweise durch friendly fire
von den Landbatterien oder gar dem TREKRONER-Fort, die dänischen
Verteidiger kannten in ihrer Verbissenheit keinerlei
Rücksicht - der pensionierte Kapitän war an diesem Tag sicher
nicht das einzige Opfer eigener Kanonenkugeln.
Zum ersten Mal seit 1793 standen englischen Schiffe in einer
größeren Seeschlacht einem im patriotischen Rausch
kämpfenden Gegner gegenüber. Dazu kam, daß die
Dänen den englischen Angriff als heimtückischen und
ungerechten Überfall betrachteten - vielleicht der wesentliche
Grund für ihre erbitterte Gegenwehr. Die Verluste der Briten
nahmen zu und gegen einen anderen (und gehorsameren) englischen
Kommandanten. wären die Dänen vielleicht sogar erfolgreich
gewesen.
Parkers Befehl
Das Geschwader unter Sir Hyde Parker hatte inzwischen versucht,
näher an die TREKRONER-Forts heranzukreuzen, war jedoch wegen des
Windes nicht in der Lage, Verstärkung zu schicken. Um 12:30
standen die VETERAN, die DEFENCE und die RAMILLIES nur noch rund 2
Meilen leewärts der TREKRONER-Forts, der Wind bildete jedoch eine
unsichtbarer Barriere zwischen Parkers Geschwader und Kopenhagen.
Den Admiral hatten gerade die Nachrichten über den Ausfall der
BELLONA und RUSSELL erreicht und er konnte erkennen, daß die
Fregatten an der nördlichen Spitze einspringen mußten. Es
war offensichtlich, daß es nur zwei Linienschiffe die Linie
hinauf geschafft hatten und auf der AGAMEMNON wehten ebenfalls
Notsignale. Die über die mittlere Sandbank verlaufende geplante
Flaggenverbindung auf Booten mit flachem Tiefgang brach wegen
unerwartet starker Strömungen immer wieder zusammen.
Deswegen war Parker auf das angewiesen, was er sah bzw. was seine
führenden Linienschiffe ihm meldeten. Und dem Augenschein nach sah
es schlecht aus für Nelsons Angriff , um so mehr, weil der
Oberkommandierende die Südseite der dänischen Linie schlecht
einsehen konnte, wo die Engländer ihre ersten Erfolge erzielten.
Der Admiral befürchtete, daß Nelson in große Schwierigkeiten geraten
war, aber trotzdem weiterkämpfte. Deswegen beschloß er,
seinen Vizeadmiral zurückzurufen und den Angriff
abzubrechen.Man muß bedenken, daß Nelsons Niederlage
schließlich auch Parkers Schaden gewesen wäre.
Zu Kapitän Domett soll Parker laut Robert Southey zwar gesagt
haben: "Ich werde um Nelsons willen das Signal zum Abbruch setzen
lassen. Wenn er in der Lage ist, den Angriff erfolgreich fortzusetzen,
wird er das Signal mißachten. Wenn nicht, wird er eine
Rechtfertigung für seinen Rückzug haben und niemand kann ihm
die Schuld geben." Diese überlieferten Worte sind m.E. - Zeitgeist
hin oder her - entweder zu edel, als das sie der Realität
entspringen könnten oder verrieten zumindest nicht die wahren
Gedanken und Absichten des Admirals.
Das Parker aus seiner Sicht der Lage korrekt, mit Blick auf das
Endergebnis jedoch höchst unglücklich agierte und später
in der Öffentlichkeit und dann in den Geschichtsbüchern
diesbezüglich ziemlich ungerecht behandelt wurde, ist sicher. Das
er aber derartig selbstlos gesprochen bzw. mit seinem
Rückzugsbefehl aus edlen Motiven gehandelt haben soll, ist
kaum glaubhaft bzw. wenig wahrscheinlich - eher schon diente sein
Befehl der eigenen Absicherung, wenn Nelson in seiner
Befehlsmißachtung gescheitert wäre. Vielleicht kannte Parker
Nelson nämlich zu gut, als das er mit einer Befolgung des Befehls
rechnete.
Warum aber legte der Nelson-Biograph Southey Sir Hyde diese edlen
Worte in den Mund ? Ist dies eine sehr subtile Anklage gegen den
Admiral oder entspingt dieser Kunstgriff lediglich dem Bemühen,
die folgende unleugbare Befehlsverweigerung Nelsons zu
sanktionieren, indem der Seeheld durch diese überlieferten
Worte von Parker sozusagen ex post facto legitimiert wird ?
Als jedenfalls das Signal mit der Nummer 39 (Angriff abbrechen) an Bord
der ELEPHANT empfangen wurde, reagierte Nelson weniger edel, sondern vielmehr mit
Ärger und mit Hohn. Lauthals fluchte der Zweitkommandierende, fand
vermutlich auch einige - wohl nicht überlieferte - starke Worte
für seinen Admiral und ließ keinen seiner Zuhörer
darüber im Zweifel, was er über diesen Befehl dachte.
Offensichtlich dachte Nelson nicht eine Sekunde daran, diesem Befehl
Folge zu leisten. Die Überlieferung von Nelson Reaktion wird
jedoch vor allem von der Legendenbildung regiert, die die folgende
Geschichte je nach Quelle leicht variiert : Lord Nelson
soll jedenfalls selbst durch das Fernrohr Richtung Flaggschiff
geblickt haben, es aber an sein blindes Auge gehalten haben. Dann soll
er gesagt haben, daß er das Signal Parkers nicht sehen
könnte. Zu Foley
meinte er, daß er zu gewissen Zeiten das Recht habe, blind zu
sein.
Für Nelson war die Mißachtung eines
Admiralbefehls keine neue Erfahrung, 1797 hatte er schon als Kommodore
vor Kap St. Vincent sehr erfolgreich gegen den Befehl von Admiral
John Jervis, des späteren Earl St. Vincent, gehandelt, als er aus
dessen Schlachtlinie ausbrach. Der Erfolg gab ihm recht und sein Mentor
Jervis lobte sogar Nelsons Haltung. Angesichts des
glänzenden Sieges fiel dies dem späteren Earl St. Vincent
wohl auch nicht schwer, doch wehe, Nelsons Manöver wäre
gescheitert.
Vor Kopenhagen war es nun Nelsons eigene Schlachtlinie und eigener
Plan. Der Seeheld hatte also eigentlich gar keine andere Wahl als
"blind" zu sein. Das Signal zu sehen hätte für die
Engländer nicht nur einen demütigenden Rückzug bedeutet,
mit all ihren Toten und Verwundeten, man hätte obendrein auch noch
die mächtigen TREKRONER-Forts passieren müßen, mit
weiteren schweren Beschuß und Verlusten. Was wäre aus der
BELLONA geworden oder aus der RUSSELL ? Zudem hatten die
dänischen Verteidiger zumindest im Süden ihrer Linie
längs der Königstiefe sichtlich den Zenit ihres Widerstandes
überschritten.
Das ehemalige Flaggschiff DANNEBROG brannte zu diesem Zeitpunkt,
Fischers neues Flaggschiff HOLSTEN war ebenfalls in großer
Bedrängsnis, die gesamte Linie der Dänen begann zu wanken. So
ignorierte Nelson den Befehl und Konteradmiral Graves folgte dem
Vizeadmiral, die englischen Schiffe feuerten weiter.
Auf dem Höhepunkt der Schlacht
Der 18jährige Kommandant der GERNER-Batterie, Peter Willemoes, hatte die Leinen, die
seine Batterie in der Linie gehalten hatten, kappen müßen,
weil die britischen Schiffe nun in die entstehenden Lücken
stießen und die dänischen Verteidigungsanlagen der
Länge nach beschießen konnten. Willemoes und seine Leute wurden von der
Strömung direkt unter das Heck der ELEPHANT getrieben und konnten
einige Zeit lang von den Kanonen der Briten nicht gefasst werden.
Dafür mußten der spätere dänische Volksheld und
seine Männer in einem wahren Kugelhagel der auf der ELEPHANT
stationierten Soldaten versuchen, weiter zu laden und zu
schießen. Willemoes achtete dabei nicht auf seine Deckung und
feuerte seine Männer an, die unter diesen Umständen freilich
nur wenige Kugeln abfeuern konnten. Wie durch ein Wunder wurde der vom
Kampf besessene Unterleutnant nicht getroffen, erregte aber
selbst die Aufmerksamkeit und Bewunderung Lord Nelsons. Die schwimmende
GERNER-Batterie trieb schließlich ab, ohne großen Schaden
zu verursachen, jedoch mit vielen Toten und Verwundeten und landete am
Ende vor den TREKRONER-Fort , wo Willemoes sich mit gerade noch 50
Überlebenden in Sicherheit bringen konnte. Nach der Schlacht wurde
der kleine Leutnant zum Helden von Kopenhagen gekürt und dann
wie ein Popstar gefeiert und "herumgereicht". Besonders in der
Damenwelt kam Peter Willemoes gut an und war an Land immer von
"Groupies" umgeben. Starkult mit dem ganzen Drumherum- die
Beispiele Nelson und Willemoes zeigen es - ist offensichtlich
keine Erfindung des 20. Jahrhunderts gewesen.
Die GERNER-Batterie wurde drei Tage nach der Schlacht wieder bemannt
und unter Willemoes Kommando in die Verteidigungsanlagen reintegriert.
Die meisten anderen Schiffe und Batterien aber gingen verloren: Die PRØVESTENEN
hatte sich lange verteidigt und zusammen mit der WAGRIEN (und
möglicherweise auch der BELLONA !) die ISIS kapitulationsreif
geschossen - auf dem englischen Schiff waren zeitweise nur noch 5
Kanonen besetzt, u.a. auch, weil einige der alten Kanonen während
des Gefechtes krepierten. Doch nachdem 25% der dänischen Kanoniere
gefallen waren und kaum noch eine Kanone ausgerannt werden konnte,
mußte Kapitän Lassen einem Enterkommando unter Leutnant Willoughby von der RUSSELL weichen. Auf
diese Weise trugen die Männer von dem aufgelaufenen englischen
Linienschiff doch noch zum Sieg Nelsons bei. Ich will an
dieser Stelle noch erwähnen, daß später der Historiker William James schrieb, daß die
gestrandeten BELLONA und RUSSELL mit einigen wenigen Kanonen
ebenfalls noch in das Gefecht eingriffen hätten, z.T. aber auch
die eigenen Schiffe wie z.B. die ISIS trafen. Kommodore Fischer hatte
inzwischen auch die HOLSTEN verlassen müßen und seine Flagge
auf dem TREKRONER-Fort gesetzt. Die ELVEN hatte sich Richtung innerer
Hafen zurückgezogen und die HAJEN war von den Briten erobert
worden, auch wenn sie unter starkem dänischen Beschuß
später wieder aufgegeben werden mußte. Selbst die SØLLAND
mußte am Ende versuchen, sich unter den Kanonen des TREKRONERs in
Sicherheit zu bringen
Nelsons Brief
Zu diesem Zeitpunkt war der Erfolg der Engländer
natürlich absehbar, doch der Widerstand der Dänen blieb
erbittert. Nelson, der erwogen hatte, seine
Brander gegen die verbliebenen südlichen Verteidiger einzusetzen,
entschloß sich zunächst, einen Unterhändler mit einem
Waffenstillstandsangebot (Feuerpause) an den dänischen Kronprinzen
zu senden. Die Motivation und Absicht dieses Angebotes ist umstritten.
Zunächst der wörtliche Inhalt dieses ersten Briefes: Lord Nelson has
directions to spare Denmark, when no longer resisting; but
if the firing is continued on the part of Denmark, Lord
Nelson must be obliged to set on fire all the floating batteries
he has taken, without having the power of saving the brave Danes
who have defended them.
Eine mögliche Übersetzung:
"Lord Nelson hat Anweisungen,
Dänemark zu schonen, wenn es nicht länger Widerstand leistet
; wenn aber der Kampf von Seiten Dänemarks fortgesetzt wird, ist
Lord Nelson gezwungen, alle schwimmenden Batterien, die er erobert hat,
in Brand zu setzen, ohne das es in seiner Macht steht, die tapferen
Dänen zu retten, die sie verteidigt haben."
Und auf Nachfrage des dänischen Kronprinzen, welche Absicht und
Bedingungen dieser Waffenstillstand verfolge, erreichte ihn der zweite
Brief des englischen Oberbefehlshabers. Ein Auszug: Lord Nelson's object in sending the
flag of truce, was humanity; he therefore consents that
hostilities shall cease, and that the wounded Danes be taken on
shore, and Lord Nelson will take his prisoners out of the
vessels, and burn or carry off his prizes, as he shall think
fit. Eine freie Übersetzung: "Lord Nelson schlägt die
Feuerpause aus Menschlichkeit vor. Er stimmt deswegen zu, daß die
Feindseligkeiten (vorerst)
ruhen, das die verwundeten Dänen an Land gebracht werden
können, daß die Gefangenen von den (eroberten !) Schiffen evakuiert
werden und daß er dann seine Prisen verbrennen oder
wegführen kann, wie es ihm beliebt." Wie auch der Empfänger des Schreibens, der dänische
Kronprinz, muß sich die Nachwelt damit abfinden, nur spekulieren
zu können, ob Nelson hier ein Waffenstillstandsangebot im Namen
der Humanität und im Interesse der tapferen dänischen
Verteidiger machte, wie er auf Rückfrage des dänischen
Kronprinzen beteuerte, oder ob er die dänischen Gefangenen
sozusagen als Geiseln nahm und mit seinem letzten Satz des ersten
Briefes eine Drohung ausstieß. Ausschließen kann man
jedenfalls die noch immer verbreitete Fehldeutung, daß
Nelson durch sein Angebot eine Niederlage vermeiden wollte. Auch
wird oft fälschlicherweise behauptet, daß der Rückzug
an den TREKRONER-Forts vorbei sehr gefährlich gewesen wäre,
was bestenfalls partiell stimmig ist. Gefährlich waren nicht die
dänischen Batterien an sich, sondern die Untiefen davor, wie sich
noch zeigen sollte. Allerdings hätte der Angriff auf die
TREKRONER-Batterie noch viele Menschenleben gekostet und dies zu
vermeiden war möglicherweise ein Ziel Nelsons. Der politisch
durchaus nicht unbedarfte Vizeadmiral spürte eventuell aber auch,
daß die Dänen, die ihre Haut teuer verkauft hatten, unter
diesen Umständen eher bereit sein würden, den englischen
Bedingungen zuzustimmen, als wenn sie eine deutliche und bittere
Niederlage inklusive noch größerer Verluste hätten
einstecken müßen.
Das der dänische Kronprinz dann allerdings die Feuerpause
bedingungslos einräumte, ohne mit Kommodore
Fischer oder Kapitän Bille Rücksprache zu halten und
offensichtlich ohne daran zu denken, daß die beschädigten
englischen Schiffe ja durch die tückischen, weil unbebojten
Gewässer an den TREKRONER-Forts vorbei aus der
Königstiefe heraus mußten und damit den einzigen kleinen
Trumpf bei den Verhandlungen ungenützt ließ, hätte aber
wohl selbst Nelson nicht zu hoffen gewagt. Vielleicht spielte
hier der Ruf des Siegers von Aboukir eine entscheidende Rolle. Das eine
oder andere dänische Schiff hätten die Dänen bei weniger
beeindruckten Verhandlungen sicherlich noch zurückgewinnen bzw.
bewahren können.
Noch während des Beginns des Briefwechsels - zwischen 13:30 und
14:00 - brach der gesamte Flügel der dänischen
Verteidigungslinie südlich der SØLLAND zusammen.
Die NYBORG versuchte sich in den inneren Hafen zu retten und dabei
sogar noch die AGGERSTEN abzuschleppen. Die beiden Prahms sanken jedoch
dicht unter Land. An Bord der brennenden DANNEBROG waren alle Kanonen
verstummt, die letzten Verteidiger suchten sich schwimmend in
Sicherheit zu bringen und wurden von englischen Booten gerettet. Als
der dänische Kronprinz seinen Gesandten schickte, um nach Nelsons
Absichten bzw. Bedingungen zu fragen, war der gesamte Widerstand
südlich der TREKRONER-Forts bereits erloschen. Das Fort selbst
stellte während der Verhandlungen das Feuer ein, was den
Engländern freilich sehr zugute kam. Sie nutzten diese Zeit, um
die noch nicht gesicherten Prisen in Besitz zu nehmen und ihren
Abtransport oder auch ihre Vernichtung vorzubereiten.
Folgende Schiffe bzw. Batterien waren den Briten bereits in die
Hände gefallen: Die PRØVESTENEN, WAGRIEN, RENDSBORG,
JYLLAND, SWØRDFISKEN, KRONBORG, HAJEN, CHARLOTTE
AMELIA, HOLSTEN und SØHESTEN. Die brennende, unter Land
getriebene und aufgelaufene DANNEBROG sank wenig später durch
mehrere Munitionsexplosionen. Die SØLLAND war
indessen direkt unter der TREKRONER-Batterie auf Grund gelaufen, schien
dort jedoch in Sicherheit.
Während noch seine Leute die Prisen besetzten und sich daran
machten, sie instandzusetzen oder zu verbrennen, nutzte Nelson raffiniert die von den Dänen
gewährte Feuerpause und befahl zunächst der MONARCH und der
GANGES, Kurs auf Parkers Geschwader zu nehmen, daß 4 Meilen
östlich in Lee stand. Um ca. 15:00 war damit die eigentliche
Schlacht beendet, abgesehen von der ein oder anderen dänischen
Salve von Battereien, die noch nicht über die letzte Entwicklung
informiert waren. Doch den eigentlichen Erfolg von Kopenhagen erzielte
Nelson in diesen Minuten und den späteren Verhandlungen: Den
Grad des Erfolgs kann man ermessen, wenn man sich die Probleme vor
Augen hält, die seine Flotte schließlich beim Rückzug
zu bestehen hatte.
Die MONARCH war im Gefecht schwer mitgenommen worden, war von der
HOLSTEN, SØLLAND, CHARLOTTE AMELIA, SØHESTEN
und den Landbatterien bekämpft worden und wurde
zeitweise sogar vom TREKRONER beschoßen. 210
Männer waren getötet oder verwundet worden und das
Linienschiff hatte zahlreiche Einschüsse in der Wasserlinie. Die
tiefer im Wasser liegende MONARCH lief deswegen beim Rückzug
auf, wurde aber von der GANGES wieder flott gemacht. Nelson gab nun den Rückzugsbefehl an
die anderen Schiffe und nahm ebenfalls Kurs auf Parkers Flaggschiff
LONDON, direkt an den dänischen Forts vorbei. An Bord der LONDON
hatte sich inzwischen der dänische Gesandte Lindblom eingefunden,
um die Verhandlungen fortzusetzen.
Wie tückisch sich die Königstiefe als unbebojte
Fahrrinne erweisen konnte und wieviel Glück die Briten
bis dahin mit ihren Manövern tatsächlich gehabt hatten,
zeigte sich nun in den folgenden Episoden, die sich an die Schlacht
anschloßen : Die Fregatte DESIREE, übrigens eines des
wirkungsvollsten englischen Schiffe, kam der BELLONA zur Hilfe,
lief aber selbst auf und wurde dann von der sich selbst befreienden
BELLONA abgeschleppt ! Und auf dem Weg aus der Königstiefe
saßen plötzlich auch die sich
zurückziehenden ELEPHANT und DEFIANCE auf Dreck, nur
rund 6 Kabellängen von den TREKRONER-Forts entfernt. Der
todmüde Nelson begab sich per Boot zur LONDON, während sein
Flaggschiff und die DEFIANCE einige Stunden benötigten, um
klarzukommen. Die Männer an Bord dieser Schiffe waren sicherlich
froh, daß inzwischen Verhandlungen zwischen Engländern und
Dänen begonnen hatten, denn ansonsten hätten die Batterien
der Forts sie möglicherweise in Stücke schießen
können.
Am Abend einigte man sich an Bord der LONDON auf einen 24stündigen
Waffenstillstand, am nächsten Morgen sollte Nelson an Land mit dem dänischen Kronprinzen
die Verhandlungen fortsetzen. Während Nelson an Bord der ST. GEORGE schlief, konnten
alle aufgelaufenen englischen Schiffe befreit werden und auch alle noch
nicht vernichteten Prisen davon geführt werden - bis auf
SØLLAND, die nach Angaben der Briten am Ende doch
noch die Flagge gestrichen hatte. Am nächsten Morgen -
Waffenstillstand hin oder her - insistierten die Briten auf dieser
Version und holten sich schließlich auch dieses Schiff noch
direkt unter den Kanonen der TREKRONER-Batterien weg... nur um es
später zu vernichten. Frechheit siegt ! Dieses Sprichwort hat
vielleicht Nelson an diesem Tag erfunden.
Von allen Schlachten, die Nelson jemals schlug, sollte Kopenhagen - gemessen
an der Zahl der beteiligten Schiffe - die blutigste gewesen sein. 255
englische Seeleute und Offiziere wurden getötet, über 700
Männer der englischen Flotte schwer verwundet, eine
ungezählte Zahl von Briten wurde leicht verletzt. Laut William
James sollen später noch annähernd 100 Männer an den
Folgen ihrer Verletzungen gestorben sein. Zum Vergleich: Bei Trafalgar, wo 1805 annähernd eine dreifache Zahl von britischen
Schiffen gegen einen zahlenmäßig überlegenen
Gegner kämpfte, starben am Ende rund 400 englische Seeleute.
Auf der Seite der Dänen bezifferte Johan Olfert Fischer
in seinem Bericht die Zahl der Toten und Verwundeten auf 1600 bis 1800
Mann. An Land wurden in der Nacht zum 3. April bereits 180 Tote
aufgebahrt und 370 Verletzte versorgt. Wieviele Dänen
in dieser Schlacht auf See geblieben waren oder in englischer
Gefangenschaft starben, ist offensichtlich nie genau ermittelt oder
festgehalten worden. Nach allen Erfahrungen aus derartigen Schlachten
und mit Rücksicht auf die mangelnde Erfahrung der freiwilligen
Verteidiger muß man befürchten, daß zwischen 500 und
600 Verteidiger ihr Leben verloren. Rund 1200 bis 1400 Dänen
wurden wahrscheinlich verwundet.
Die eroberte HOLSTEN wurde von den Briten zum Hospitalschiff gemacht.
An Bord dieses ehemaligen dänischen Schiffes wurden die
Verwundeten nach England zurückgeschickt. Auch die MONARCH und die
ISIS mußten zur Instandsetzung heimgeschickt werden. Die HOLSTEN
blieb die einzige dänische Prise, die die Engländer
erhielten, alle anderen eroberten Schiffe wurden schließlich
vernichtet. Selbst die SØLLAND ging auf Befehl
Parkers in Flammen auf. Böse Zungen behaupteten nachher, daß
der Befehl zur Vernichtung dieses Schiffes Folge eine Verwechslung
seitens des Admirals war - ein Vorgeschmack auf den Schaden, den
Parkers Ruf durch die Befehlsverweigerung Nelsons genommen hatte.
Am Morgen des 3. April ging Nelson an Land und die Verhandlungen
begannen. Nelson übte gewaltigen Druck auf den Kronprinzen aus,
forderte nicht nur den Austritt aus der Nordkoalition, sondern auch die
Auslieferung der dänischen Flotte und drohte am Ende sogar mit der
Bombardierung Kopenhagens. Doch der Däne bewegte sich Tage lang
kaum in seiner Verhandlungsposition. Dann aber lenkte der Prinz
plötzlich ein und sicherte damit immerhin die dänische Flotte
vor dem Zugriff der Briten. Am 8. April 1801 einigte man sich auf einen
dreimonatigen Waffenstillstand. In dieser Zeit wollten die Dänen
ihre Mitgliedschaft in der Koalition der bewaffeneten Neutralität
ruhen lassen und sicherten den Briten freien Zugang durch den
Öresund zu. Was die Briten zu diesem Zeitpunkt nicht wußten,
war den Dänen an diesem Tag bereits bekannt, nämlich der Tod
des Zaren Paul I. von Russland. Davon erfuhr die englische Flotte aber erst drei Wochen
später.
Zunächst kreuzte die Flotte in schwedischen
Gewässern vor Karlskrona, weil Parker Informationen bekommen
hatte, daß ein schwedisches Geschwader sich auf den Weg nach
Rußland machen wollte, um sich mit den russischen Schiffen zu
vereinigen. Parker fand jedoch lediglich sechs schwedische
Linienschiffe vor, die im Hafen lagen. Nelson drängte darauf,
sofort Reval anzulaufen. Man kann davon ausgehen, daß das
folgende Zögern Parkers eine militärische Auseinandersetzung
mit Rußland verhinderte - wie man später noch sehen
würde, auch dies wohl eher zum Unwillen der englischen
Administration, die wahrscheinlich die russische Flotte gern eliminiert
gesehen hätte. Für die am 5. Mai aus London
eintreffenden Befehle war das Zögern des Admirals jedoch
nicht relevant:
Die britische Regierung ließ Admiral Sir Hyde Parker
durch Lord Nelson im Oberkommando ablösen und billigte damit die
Befehlsverweigerung Nelsons. Der Admiral reiste nach England
zurück und bekam nie wieder ein Kommando - diesen letzten Umstand
hatte er dann möglicherweise auch der Karlskrona-Affäre zu
verdanken.
Als die oben erwähnten Befehle in London verfasst wurden, war
bereits eine Note des russischen Thronfolgers Zar Alexander I. eingetroffen, die die Nordkoalition faktisch beendete und eine
englandfreundliche Politik in Aussicht stellte. Die Befehle
für Nelson schienen von dieser Entwicklung aber
unbeeinflußt, möglicherweise stellte sich die englische
Regierung auch dumm. Jedenfalls lichtete die englische Flotte am
7. Mai 1801 die Anker und segelte nach Reval, um die russische Flotte
zu vernichten.
Der Angriff auf Kopenhagen wäre vielleicht vermieden worden, wenn
London rechtzeitig vom Tode Pauls erfahren hätte. Der Angriff auf
die russische Flotte dagegen - so scheint es - wurde lediglich durch
die Abwesenheit der russischen Schiffe vor Reval verhindert. Als Nelson dort am 12. Mai eintraf, waren die Russen
bereits in See. Nelson mußte sich beim Gouverneur von Reval
für seines offensives Erscheinen entschuldigen und offiziell von
der neuen Politik Rußlands Kenntnis nehmen. Zar Alexanders Marine
blieb unbehelligt.
Für das Königreich Dänemark-Norwegen sollte der
Frieden im Öresund sechs Jahre lang halten. 1807 geriet das
Königreich aber erneut zwischen die französischen und
englischen Mühlsteine. Und wieder wurde Kopenhagen von den Briten
angegriffen. Der englische Admiral Lord Gambier machte wahr, was
Nelson 1801 lediglich gedroht hatte : Die Engländer
bombardierten die dänische Hauptstadt und nahmen am Ende die
gesamte dänische Flotte weg. Davon später mehr...