Filmhaus Hasnerstraße - Filmkultur in Ottakring



In Österreich am 6. Dezember 1996 neu angelaufene Kinofilme


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UND JEDER SUCHT SEIN KÄTZCHEN (CHACUN CHERCHE SON CHAT)

F 1995
Regie: Cédric Klapisch, Buch: Cédric Klapisch, Musik: Big Brother, Hakim, Dee Nasty, Al Green, Kamera: Benoît Delhomme, Schnitt: Francine Sandberg, Darsteller: Garance Clavel (Chloé), Zinedine Soualem (Djamel), Olivier Py (Michel), Renée Le Calm (Madame Renée)
Kinostart: 6/12/1996

Die Geschichte des Mädchens Chloe, dessen Kater weggelaufen ist. Auf ihrer Suche nach dem geliebten Tier lernt Chloe in ihrem Viertel Menschen kennen und lieben, die sie vorher nie beachtet hat. Ein zärtlicher, wunderbarer Film mit neuen, aufregenden Gesichtern.
"Die unschuldigen und untauglichen Versuche der ZAZIE-Enkelin, sich in einer Welt im Umbruch zurechtzufinden, bringen die Protagonistin immerhin mit einer Schar schrägster Vorstadt-Typen zusammen. Am Ende, wenn die Utopie der liebevollen Zweierbeziehung unter misfits am Horizont leuchtet, rast die Kamera wie einst im Mai durch die Pariser Straßen. Die Freude am Aufspüren solcher kleiner Glitzerglasperlen treibt einen denn auch auf Festivals immer wieder ins Kino" (Süddeutsche Zeitung).

Was für eine Geschichte: Junge Frau gibt Kätzchen bei alter Frau in Obhut; Kätzchen entläuft, wird von Hinterbliebenen fieberhaft gesucht - und endlich wieder gefunden. Chacun cherche son chat / . . .und jeder sucht sein Kätzchen: ein Film aus Frankreich. Man muß sich gar nicht erst vorstellen, wie so etwas im deutschen oder österreichischen Kino der neunziger Jahre aussehen würde: Eine derart bescheiden angelegte Geschichte ginge hier - wo der Zwang zur Originalität den größten gemeinsamen Nenner bildet - nicht einmal als Ideenentwurf durch.
Für Regisseur Cédric Klapisch hingegen bildet die Tiersuche den handlungstragenden Vorwand, um den alltäglichen Suchbewegungen zu folgen, mit denen Menschen ihrem Leben Sinn geben; und wie bei der Entwicklung des dürftigen Handlungsrahmens genügen ihm beim Entwurf seiner Helden Skizzen.
Da ist einmal Chloé (Garance Clavel), über die sich wenig mehr sagen läßt als das, was man über die Jugend im Zeitalter des halbfröhlichen Hedonismus ohnehin überall lesen kann: stilbewußte junge Frau mit Job und ohne festen Partner, die sich scheinbar sicher auf dem Boden der Großstadt-Realität bewegt - und angesichts der kleinsten Unebenheit ins Straucheln gerät. Dann der nette Araber Djamel: nutzlos in einer Gesellschaft, die für ihn keine Arbeit und keine Freunde hat. Oder Madame Renée, die alte Katzenmutter, die sich in ihrem Viertel organisiert wie in einem Dorf - anstandslos mit einer Zeit gehend, die sie nicht mehr versteht. Während nun solch diverse Figuren sich an der Suche nach Chloés Katze beteiligen und dabei alle möglichen Winkel von Paris durchstöbern, stöbert der Regisseur in den Winkeln, die diese Leute zu interessanten Persönlichkeiten machen: in naheliegenden Sehnsüchten, eigenartigen Schwächen und erstaunlichen Überlebensstrategien.
Mit einer Reihe von hervorragend zwischen dezent und pointiert agierenden Darstellern und adrenalin-treibender Musik läßt Klapisch seine unfertigen Menschenbilder lebendig werden. Es ist gerade diese Unfertigkeit, die dem Film nicht als Mangel anhaftet, sondern die Erinnerung an die eigene chaotische Realität hervorruft. Es geht nicht darum, daß das Leben angeblich die besten Geschichten erfindet, sondern daß man seine eigenen kleinen Geschichten so erzählt, daß in wenigen Pinselstrichen so etwas wie Leben erkennbar wird.
...und jeder sucht sein Kätzchen ist ein Film, der nicht besser sein will als das Material, aus dem das Kino - im mindesten wie im besten Fall - besteht: aus einer Idee von der Wirklichkeit nämlich, die in der Vermittlung zur sensiblen Beobachtungsstudie wird. (Robert Buchschwenter - DIE PRESSE)

Hinter der Pariser Repräsentationsarchitektur entdeckt Cédric Klapisch eine untergehende Alltagskultur. Nach einer bejubelten STANDARD-Leser-Premiere letzte Woche läuft sein Film "Chacun cherche son chat" ("...und jeder sucht sein Kätzchen") heute regulär im Kino an: Einige Anmerkungen des Filmemachers.
Man muß nur ein paar Schritte an die Rückseite der mächtigen neuen Pariser Oper an der Bastille gehen, um auf die geradezu drastische Kehrseite dieses Vorzeigebaus zu stoßen. Ein heruntergekommener Wohnbau, der jedem noch so berüchtigten Banlieue schlecht anstünde, ragt da über einen Großparkplatz.
Noch ein paar Schritte weiter aber beginnt die Welt, die Cédric Klapisch in seinem Spielfilm Chacun cherche son chat erforscht und zugleich nostalgisch beschwört: Das 11.Arrondissement, eine Gegend, in der immer wieder Lücken klaffen, vor denen riesige Plakatwände notdürftig die Arbeit der Abbruchmaschinen verdecken. Klapischs Helden suchen eine entlaufene Katze: Mehr braucht es nicht, um diesen Film in Gang zu setzen – ähnlich, wie einst bei René Clair alle Welt hinter einem Sakko hinterher war, in dem man Le Million wähnte.
Es zählt zu den immer wieder verblüffenden Reichtümern des französischen Kinos, wie unbeschwert es mit seinen Traditionen hantiert: "Ich sehe eine Nähe zu René Clair, was die Haltung der Geschichte anlangt", erzählt Klapisch in einem Gespräch mit dem STANDARD, "aber viel wichtiger war es für mich, vor zehn Jahren eine Retrospektive der Filme von John Cassavetes gesehen zu haben. Diesem Eindruck arbeite ich immer noch hinterher."
Die scheinbar lose Struktur von Chacun cherche son chat, die Haltung des ziellosen Streunens (wo sucht man eine Katze, wenn nicht überall und nirgends) läßt sich Klapisch zu einem Gutteil von seinen Schauspielern vorgeben.
Viele Rollen sind mit Originalen aus dem Viertel besetzt, vor allem der heimliche Star, Madame Renée, die nicht nur sich selber spielt, sondern auch ihre winzige Wohnung als Drehort zur Verfügung stellte. Chloé (Garance Clavel) und Michel (Olivier Py) teilen sich eine Wohnung, aber sie suchen getrennt nach Partnern – beide einen Mann.
Hinter der Beiläufigkeit, mit der Klapisch in seinem dritten Spielfilm seine Figuren aneinander vorbei und aufeinander zu führt, steckt allerdings mehr Methode, als der Film offen zeigen will: "Beim Drehen selbst haben wir nicht mehr viel improvisiert, aber einige der besten Dialogzeilen sind vorher spontan entwickelt worden. Es ist ein wenig wie bei Jazz-Aufnahmen, man spielt lange herum, und die besten Sachen kommen dann auf die Platte." Dazu zählt natürlich auch eine Art Happy-End, das sich entgegen aller Erwartungen dann ebenso unvermutet ergibt, wie die Katze doch noch gefunden wird: Jeder findet sein Kätzchen, das ist nicht nur im Französischen ein mehrdeutiger Trost.
Zuletzt zieht Klapisch noch einen anderen Vergleich, der die skeptische Zeitgenossenschaft seines Films näher erläutert: "In der Philosophie gibt es den Begriff des Rhizoms, den Deleuze geprägt hat, ein Bau mit vielen Ein-und Ausgängen. Ich denke, Deleuze hat damit auch ein brauchbares Bild für die Form von Filmen geschaffen, und er hat zugleich in der Philosophie alles Reden von der einen Wahrheit und vom Fortschritt kritisiert. Damit fühle ich mich verwandt."
Der Denker als heimlicher Dramaturg, der Regisseur als Feldforscher, die Akteure als Mitverfasser des Drehbuchs: Ähnlich, wie in Chacun cherche son chat eine Geschichte, die das Leben schreibt, deutlich als Geschichte, aber nahe am Leben, ausgewiesen ist, arbeiten derzeit viele französische Regisseure. Immer an der Rückseite der Repräsentationsarchitektur. (Bert Rebhandl, DER STANDARD, 6/12/1996)

Pfotenleise Liebeserklärung.
Verstummt, ihr ewig leiernden Chansons über das romantische Paris der Hinterhöfe, der kleinen Cafes und Bars, der süßen Kätzchen, den Mademoiselles vom Chat noir! Die Melodie dieses Films kommt ohne euren aus der Ziehharmonika gequetschten Kitsch aus, ohne Chichi und Froufrou. Das beglückende Schnur- ren einer echten, schwar- zen Katze untermalt eine pfotenleise Liebeserklärung an das herunterge- kommene Pariser Stadt- viertel Bastille. Auch ohne sie schönzusingen, streifen verliebte Kamerablicke zärtlich über abblätternden Putz und grindige Stiegenhäuser, abbruchreife Fassaden und gesichtslose Neubauten, die dazwischen wie falsche Zähne die Häßlichkeit der Ruinen perfektionieren.
Die Gesichter dieses Schmelztiegelbezirks innig porträtiert wie eine Ahnengalerie, auch wenn sie krückstockschwingende Greisinnen, stotternde Araber, schwule Kellner und dreadlockige Schlagzeuger zeigen. Oder das Pariser Original Madame Renee, eine resolute Katzenmutter par excellence, Zuflucht aller herrenlosen Katzenköter des Quartiers. Ausgerechnet ihr passiert des Malheur mit Chloes Liebling, der ihr für eine Urlaubswoche anvertraut wird und plötzlich verschwindet. Keine Illusionen, kein Make-up. Ein Bilderbogen ohne Klischees und Etikettenschwindel.
Selbst Chloes trendy Beruf einer Maskenbildnerin schminkt sich als Routinejob einer ausgebeuteten Unglücksrabin ab. Sie, das traurige Mauer- blümchen, macht uns die Fremdenführerin. Auf der Suche nach ihrer entlaufenen Katze Gris-Gris kämmt Chloe ihr Viertel durch und enthüllt ein unnachahmliches Lebensgefühl aus Nachbarschaftshilfe und Toleranz, Tristesse und savoir vivre, das dem wahren Leben näher kommt als fast alle im einst vielgepriesenen Cinema verite. Dokumentierender als jeder Dokumentarfilm, mit der dichten Atmosphäre einer Szenedisco und voll von, aber auch über l'amour. Und mit Binsenweisheiten, die hier aber nicht in die Binsen gehen. (Rudi John - KURIER)

Weitere Kritiken der IMDb

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FEAR - WENN LIEBE ANGST MACHT (FEAR)

USA 1995
Regie: James Foley, Buch: Christopher Crowe, Musik: Carter Burwell, Kamera: Thomas Kloss, Schnitt: David Brenner, Darsteller: Mark Wahlberg (David McCall), Reese Witherspoon (Nicole Walker), Alyssa Milano (Margo Masse), William Petersen (Steve Walker), Amy Brenneman (Laura Walker), Christopher Gray (Toby), Todd Caldecott (Gary Rohmer), Tracy Fraim (Logan), Gary John Riley (Hacker), Jason Kristofer (Terry), Jed Rees (Knobby), John Oliver (Eddie Clark), David Fredericks (Larry O'Brien), Ravinder Toor, Andrew Airlie, Jo Bates, Will Sengotta, L. Harvey Gold, D. Neil Mark, Bev Hendry, D. Richard Lewis, Banner
Kinostart: 6/12/1996

Tochter aus wohlbehütetem Hause verliebt sich in einen harmlos erscheinenden jungen Mann, der sich in eine lebensbedrohende Besessenheit steigert. (Gutachten FBW)

Seit Bambi spätestens, seit 1942 ist es klar: Es gibt nichts, was der amerikanische Angstfilm mehr liebt als bedrohte Unschuldige, als wehrloser Liebreiz unter dem Druck sehr, sehr böser Kräfte. Wie beschränkt die Wege des Erzählens im Unterhaltungskino inzwischen sind, kann man jede Woche wieder an einem neuen US-Thrillermelodram prüfen.
Testobjekt diese Woche: Fear, inszeniert von einem, der schon ganz passable Filme zustande gebracht hat, von James Foley (Reckless; Glengarry Glen Ross). Der deutsche Untertitel, gewohnt trivial, lautet Wenn Liebe Angst macht - und so ist das auch: Eine nette Siebzehnjährige (Reese Witherspoon) verliebt sich in einen nur scheinbar introvertierten jungen Mann (Mark Wahlberg), der, wenn schon sonst nichts, so doch die Kunst der Verstellung beherrscht. Da er, wie gleich leicht zu sehen ist, weniger romantisch als ein brutaler Aufreißer ist und weniger zärtlich als ein Killer, setzt es ein paar Menschenopfer, ehe auch die arme Heldin endlich verstanden hat, daß ihre neue Liebe keine große Zukunft hat.
Aber da ist es schon fast zu spät, und Mark rückt mit einer Bande schreckenerregender Herrschaften (Tätowierungen! Serienkillerbärte!! Zahnlücken!!!) an, um das Eigenheim der Familie seiner Freundin - einsam gelegen natürlich, tief im dunklen Märchenwald - zu stürmen. Und der Thriller kippt endgültig ins Burleske, in ein Zombie-Drama mit Axt gegen Tür und Drillbohrer gegen eindringende Feindeshände. Foleys Ideen zur Thrillerinszenierung beschränken sich dabei auf ein (nun tatsächlich schreckenerregendes) Minimum. Bambi aber, das darf man verraten, entgeht dem Terror, und alles ist gut. (Stefan Grissemann - DIE PRESSE)

Ein krasser Fall von Endlösung.
Bei manchen Thrillern müßte man den Schluß verbieten dürfen. Vor dem verhunzenden Ende die Notbremse ziehen. Den Abspann vorverlegen, damit er dem Zuschauer nicht den Rest gibt. Etwa, indem Telefone samt den Lichtleitungen plötzlich ausfallen, neue Alarmanlagen versagen und vermeintlich tote Bösewichter mit dem Messer in der Hand wieder aufstehen. In diesem besonders krassen Fall von Endlösung beginnt dieselbe früh.
Hat unter anderem eine Uhr kein Glas und kann so ganz einfach zurückgestellt werden. Aber auch die untote Killerleiche bleibt nicht erspart. Die ersten zwei Drittel Krimi hätten freilich ein würdigeres Ende verdient. Da wird wie mit einem Puzzle aus Scherben Stück für Stück ein Spiegelbild erzeugt, aus dem einem das Gesicht eines liebenswerten Burschen plötzlich als teuflische Fratze anstarrt.
Der reiche Papa konnte ihn von Anfang an nicht leiden, den neuen, habe- nichtsigen Freund seiner 16jährigen höheren Tochter. Aber die liebt den vollcoolen Typen. Verkracht sich seinetwegen mit der ganzen Familie, den Schulfreunden...
Ein abgegriffenes Klischee, hier aber zuerst raffiniert ausgebeutet zum irritierenden Nervenschocker. Bis sich dieser die Axt aus "Shining" ausleiht. Mit just der hätte man lieber den anschließenden Gruselpart abhacken sollen, in dem der psychopathische Lover mit seinen kriminellen Freunden die Villa stürmt, in welcher sich Papa samt Tochter und Restfamilie verbarrikadiert haben...
Der erste unfreiwillige Lacher darf als Warnsignal verstanden werden. Ab dann hilft nur die Flucht. (Rudi John - KURIER)

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VERSPROCHEN IST VERSPROCHEN (JINGLE ALL THE WAY)

KOMÖDIE, USA, 1996
Regie: Brian Levant, Buch: Randy Kornfeld, Musik: Davis Newman, Kamera: Victor J. Kemper, Schnitt: Kennt Beyda, Darsteller: Arnold Schwarzenegger (Howard Langston), Sindbad (Myron Larabee), Phil Hartman (Ted Maltin), Rita Wilson (Liz), Robert Conrad (Inspektor Hummell), James Belushi (Der Weihnachtsmann), Martin Mull (DJ), Jake Lloyd (Jamie)
Kinostart: 6/12/1996

Schwarzenegger, der aus Gründen der Karriere-Ballance immer wieder mal meint, Komiker sein zu müssen, wirft sich ins Vorweihnachtsgeschäft - wortwörtlich, als workaholischer Vater, der sich am Heiligabend auf die Suche nach jenem (ausverkauften) Plastikmanderl macht, das sich der kleine Sohn so sehnlich wünscht... Jämmerlich biedere Familienkomödie! (FALTER)

Etwas, das man sich schenken kann
Schwarzenegger als Weihnachtsgeschenk kann man sich schenken. Der Muskel der Nation, anschwellend unterm Christbaum. Eingewickelt in das billige Geschenkpapier eines "Papa ist der Beste"-Abenteuers. Dekoriert mit dem laschen Mascherl einer zahnlosen Konsumrauschsatire. Eine flaue Bescherung.
Und das, obwohl Arnie zu seinen drei Standardmimiken "Hoppla, jetzt komm' ich!", "Nur über meine Leiche!" und "Hasta la vista, Baby!" den offenmundig kläglichen Gesichtsausdruck "Immer nur auf die großen Starken!" extra dafür kreiert hat. Selbst das liebfreche G'schau eines Knaben a la Kevin füllt sich hier mit Tränen.
Offenbar deshalb, weil Arnies Hetze durch den Weihnachtseinkaufstrubel nach dem ausverkauften Geschenkwunsch seines Sohnes unter dem Niedrigstniveau einstigen Jerry-Lewis-Geblödels vegetiert. Der Witz der Story hat sowieso einen längeren Bart als der aller vorkommenden Weihnachtsmänner zusammen (davon gibt's hier jede Menge).
Arnies nächster Action-Hammer - der auf seine Komödien folgt wie Katzenjammer der Feuchtfröhlichkeit - wird sich da wieder ziemlich anstrengen müssen, um diesen durchs Seichte watenden Leerlauf zu kompensieren. Ihr Kinderlein, kommet lieber woanders hin. (Rudi John - KURIER)

Watschentanz in der Weihnachtshölle - Arnold Schwarzenegger prügelt als putziger Tolpatsch und unbeholfener Familienvater sich und andere für den Weihnachtsfrieden. Ein unfreiwillig komischer Festtags-Klamauk, derzeit im Kino.
Ein richtiger amerikanischer Musterknabe, der Schwarzenegger: hart im Austeilen und weich im Gemüt; einer, der aus Fehlern lernt und für jedes dumme Späßchen zu haben ist. Und weil Musterknaben besonders gefragt sind, wenn Weihnachten naht, hat man sich im Vorfeld der heurigen Festtage, was das Kino betrifft, konsequenterweise auf Schwarzenegger besonnen. In der Rolle des liebenden, aber äußerst unzuverlässigen Familienvaters Howard, muß unser Arnold in Versprochen ist Versprochen (Originaltitel: Jingle All the Way) jene Vorhölle durchwandern, die sich bekanntermaßen auf dem Weg zum gesegneten Fest auftut.
Es folgt (vor-)weihnachtliche Einkaufs-Action, bei der die Fäuste und die Fetzen fliegen - das Ganze natürlich ohne Leichen und mit viel Klamauk: ein Schwarzenegger für die festtagsgestimmte Familie sozusagen. Quasi im Vorbeitoben nimmt Regisseur Brian Levant sogar ein wenig die streßkranke, konsumgeile US-Gesellschaft ins Visier. Aber selbst dieser Welt ist Heil beschert: Wenn der fehlerhafte Vater sich am Ende doch als Held der Familie behauptet und das Böse in der Welt verziehen und vergessen wird, dürfen warmen Herzens die Kerzen angezündet werden. (Robert Buchschwenter - DIE PRESSE)

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DER BLAUE PFEIL (LA FRECCIA AZZURRA)

ZEICHENTRICKFILM, I / CH / LUX 1996
Regie: Enzo d'Alo, Buch: Enzo d'Alo, Umberto Marino nach Gianni Rodari, Musik: Paolo Conte, Schnitt: Rita Rossi
Kinostart: 6/12/1996

Der erste von der Schweiz mitproduzierte Zeichentrickfilm erzählt, wie die italienische Gräfin und Hexe Befana, welche den Kindern am Dreikönigstag Geschenke bringt, einst von einem Gauner betrogen wurde, ihre Spielsachen deswegen die Flucht ergriffen und ihnen der kleine Francesco zu Hilfe kam. Mit sozusagen naivem Strich liebevoll gezeichneter Trickfilm ohne große Schnörkel, der sich auch in seiner Erzählweise und musikalischen Untermalung wohltuend von gängigen Produktionen abhebt. Die auf eine möglichst große dialektale Bandbreite angelegte Synchronisation, die sich offenbar am Erfolg von "Babe, the Gallant Pig" orientiert, ist allerdings ein Wermutstropfen. (Zoom, 11/96)

Plagiat mit einlullendem Sound.
Die Weihnachtsfee muß das Himmelbett hüten. Statt ihre Puppen zu verschenken, möchte sie der monströse Stellvertreter gegen Bares verschachern. Teddybär, Schnuffelhund & Co. rebellieren und büxen aus... Neben Disney-Tricks erinnert das "Toy Story"-Plagiat an Höhlenmalerei. Wenigstens haucht Paolo Contes einlullender Sound den Plastilinfiguren, (die dreinschauen, als hätten sie einen Frosch verschluckt), etwas Leben unter den Pelz. (Rudi John - KURIER)

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AM ACHTEN TAG (LE HUITIÈME JOUR)

F / BG 1996
Regie: Jaco van Dormael, Buch: Jaco van Dormael, Musik: Pierre van Dormael, Kamera: Walther Vanden Ende, Schnitt: Susana Rossberg, Darsteller: Pascal Duquenne, Daniel Auteuil, Miou-Miou, Isabelle Sadoyan, Michèle Maes
Kinostart: 6/12/1996

Georges ist mongoloid und lebt seit dem Tod seiner Mutter im Heim. Harry ist Marketingexperte, seine Familie ist an seiner Karriere zerbrochen. Als Georges mit seiner unberechenbaren Lebensart in Harrys durchorganisierte Terminplanung einbricht, gerät dessen Welt ins Wanken. Mit Witz und Charme wird von Begegnung und Freundschaft zweier gegensätzlicher Menschen erzählt. Während Georges, durch die Anlage des Szenarios begünstigt, als eindrückliche Persönlichkeit erfahren wird, krankt die Figur Harrys an ihrer Konstruiertheit. Der augenzwinkernde, sympathische Erzählstil rettet den Film über die etwas zu märchenhaften Stellen hinweg. (Zoom, 8/96)

Märchen vom heiligen Narren
Das Behinderte an Behindertendramen ist: sie müssen lügen, um wahr zu werden. Wenn ein am Down Syndrom leidender Ausreißer ("Ich Mongole", sagt er) ausgerechnet jenem ausgebrannten Topmanager, der ihn nur widerwillig auf der nächtlichen Landstraße aufliest, nach vielen Schwierigkeiten Glück und Segen bringt, ist das nicht anders.
Da mag noch so viel zauberische Poesie und ergreifende Symbolik walten - wie sie diese Legende einer wunderbaren Freundschaft so reichlich besitzt, als hätte sie des Knaben Wunderhorn ge- plündert. Der junge Mongoloide umfaßt die Rinde eines Baums, der gläubige Blick gleitet den Stamm hoch, bis zum strahlenden Licht des Himmels: "Wenn du einen Baum umarmst, wirst du zum Baum..."
Da wachsen Empfindungen über sich hinaus. Eine üble Sache für Träumer, wenn die Realität wieder tückisch zuschlägt wie das AIDS-Virus. Diese pflegt dies auch mit schöner bzw. häßlicher Regelmäßigkeit zu tun. Derlei müssen selbst Filmer anerkennen, die vor der Realität zurückschrecken, als wäre sie eine ansteckende Seuche. Etwa Jaco Van Dormael ("Toto der Held"), als er ein Ende für sein Märchen vom heiligen Narren suchte, der einem verbohrten Klugscheißer von Topmanager den wahren Weg weist. Daß der Freak George in der von ihm betriebenen Familienwiederzusammenführung von Harry, Frau und Kindern als fünfter im Bunde glücklich wird, getraute Van Dormaels nicht einmal dieses Schöngemälde zu happyenden.
Zurück ins Behindertenheim wäre das Eingeständnis dramaturgischen Versagens gewesen. Ein verklärter Selbstmord "zur Mama in den Himmel" mußte also her. Dennoch kein Vergleich mit Hollywoods Rührkino- stücken ähnlichen Inhalts. Schon deshalb, weil hier der Mongoloide von einem solchen gespielt wird. Der 26jährige Pascal Duquenne, einmal anarchischer Terror, dann wieder stilles Entzücken, überrumpelt wohl alle Gemüter, wächst an jedes Herz. Dagegen ist man wehrlos. Auch die Jury von Cannes war es: zusammen mit Auteuil erhielt er den Darstellerpreis. Manchmal überholen Träume die Wirklichkeit. (Rudi John - KURIER)

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BOTTLE ROCKET (BOTTLE ROCKET)

USA 1996
Regie: Wes Anderson, Buch: Owen C. Wilson, Wes Anderson, Musik: Michael Mothersbaugh, Kamera: Robert Yeoman, Darsteller: Luke Wilson, Owen C. Wilson, Robert Musgrave, Andrew Wilson. Lumi Cavanos, James Caan
Kinostart: 6/12/1996

Diese Independent-Produktion mit Freunden und Familie (die Wilsons sind Brüder), die unter den Fittichen von Producer James L. Brooks ("Zeit der Zärtlichkeit") zu einem wahrlich beeindruckenden Debüt in Cinemascope wurde, bringt endlich wieder einmal frischen Wind in die Kinosäle. Hier treten neue Talente an, deren sicherer Stil auf noch viel mehr hoffen läßt. Drei Typen, Mitte 20, sind auf der Suche nach einem Lebenssinn und -ziel. (...) (Filmecho/Filmwoche, 10/96)

Um drei junge Texaner, allesamt nice guys, kreist diese kleine Geschichte, die Regisseur Wes Anderson Bottle Rocket nannte: um Träumer, die zwar weder Geld noch Perspektive haben, dafür aber (völlig ungerechtfertigten) Optimismus extra im Gepäck. Sie planen also einen Überfall, auf eine Buchhandlung ausgerechnet, wo sie sehr höflich auftreten, beschimpft werden, aber ein bißchen Geld in winzigen Plastiksäcken erhalten. Danach, weil ihre Gesichter nun bekannt sind, fahren sie los, ins amerikanische Niemandsland hinein, wo billige Motels so häufig sind wie Lokale, in denen man Cheeseburger kaufen kann.
Die Figuren in Bottle Rocket sind wenig hip, nicht nur verglichen mit dem schwer mode-abhängigen US-Restkino: In blassen Polo-Shirts schlurfen sie durch Suburbia, immer in kläglichem Bemühen um gruppendynamisches Wohlbefinden; mitunter bejammern sie einander wie im Kino sonst nur Woody Allen - und wenn sie mal provoziert werden, schauen sie lieber irritiert zu Boden als gleich zuzuschlagen. Helden sehen anders aus.
Die scheinbare Harm- und Ereignislosigkeit dieses Films gehört zu den schönsten Finten Andersons: Während das destruktive Hollywood unbeirrt am Ausbau seiner Gigantomanie arbeitet, trägt Anderson sein Bottle Rocket durch ein freundliches Universum, das dennoch durchaus mehr zu bieten hat als großes Schauspiel (Owen C. und Luke Wilson - und special guest James Caan), mehr als Anekdotisches zum wahren Zustand der amerikanischen Jugend, der so entspannt sonst nur in Richard Linklaters Filmen diskutiert wird. Bottle Rocket ist, sehr hintergründig und ohne Billig-Gags je bemühen zu müssen, auch ein amüsiertes Statement zur Plastizität des US-Genre-kinos: wie Andersons linkische Buben hier Verbrecher-Profis spielen, wie sie einstudierte Kino-Coolness imitieren oder ihre Melancholie in der heißen Sonne on the road immer wieder ersticken - unvergleichlich.
Wunderbar auch die Musik zur Verlierergeschichte, die zwischen Road-Movie, Comedy und Liebesfilm keinen Unterschied macht: Adretter Latino-Pop macht hier ständig Stimmung, wo eigentlich keine aufkommen dürfte; und wo gar die herzig-miserablen Proclaimers ein Lied singen dürfen, da können die Menschen nicht ernstlich böse sein.
Andersons außerordentlicher Film schien den Verleihern jedenfalls nicht außerordentlich (und lukrativ) genug: Die neuen Betreiber des Top-Kinos haben Bottle Rocket nun vor einem schnellen Tod bewahrt und die Firma Columbia dazu überredet, ihnen wenigstens eine Kopie des Films für ein paar Wochen zu überlassen. Diese läßt sich ab morgen in Wien begutachten. Gut so: eine der subtilsten - und somit bedeutendsten - US-Komödien der letzten Jahre. (Stefan Grissemann - DIE PRESSE)







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