Filmhaus Hasnerstraße - Filmkultur in Ottakring



In Österreich am 28. November 1997 neu angelaufene Kinofilme


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AM ENDE DER GEWALT

F / D / USA 1997. 122 Min
Regie: Wim Wenders, Buch: Nicholas Klein, Wim Wenders, Musik: Ry Cooder, Kamera: Pascal Rabaud, Schnitt: Peter Przygodda, Darsteller: Bill Pullman (Mike Max), Andie MacDowell (Paige Stockard), Gabriel Byrne (Ray Bering), Loren Dean ('Doc' Dean Brock), Traci Lind (Cat), Daniel Benzali (Brice Phelps), K. Todd Freeman (Six O One). John Diehl (Lowell Lewis), Pruitt Taylor Vince (Frank Cray), Peter Horton (Brian), Udo Kier (Zoltan Kovacs), Enrique Castillo (Ramon), Nicole Parker (Kenya), Rosalind Chao (Claire), Marisol Padilla Sánchez (Mathilda)m, Marshall Bell (Sheriff Call), Frederic Forrest (Ranger MacDermot), Henry Silva (Juan Emilio), Samuel Fuller (Louis Bering)
Kinostart: 21/11/1997

Narziß und Paranoia. Mike Max, Produzent von Actionfilmen, soll entführt werden, doch kommen dabei die beiden Kidnapper ums; Leben beobachtet wird dieser Vorfall vom ehemaligen NASA-Forscher Ray Bering, der im geheimen an einem Überwachungssystem für die ganze Stadt arbeitet. Usw.usf. Geschichten vermischen sich, verlaufen bedeutungsschwer im Nichts: Interessant an dieser Satire auf Geld/Gewalt/Gier sind, wie so oft bei Wenders, einzig der Soundtrack zum Film (Ry Cooder) und die Gastauftritte seiner alten Freunde Frederic Forrest, Henry Silva und Sam Fuller. (FALTER)

Wim Wenders hat seinen neuen Film “Am Ende der Gewalt” erstmals in Deutschland vorgestellt. Mit dem kühlen High-Tech-Thriller schlug der deutsche Meisterregisseur bei den 31. Internationalen Filmtagen im oberfränkischen Hof nach einem eher gefühlvollen Auftakt gnadenlos harte Töne an. Das Festival zeigte eine überraschende Bandbreite an Genres und Themen im deutschen Film. “Die Lust am Kino ist ungebrochen. Da gibt es ganz viel Spaß an Neuem”, sagte Filmtagechef Heinz Badewitz in einer Bilanz.
Wenders präsentierte bei der Deutschlandpremiere eine nach dem Festival von Cannes überarbeitete Fassung seines neuen Films. Er sei anfangs ein bißchen zu kompliziert geschnitten gewesen, sagte er in Hof. Dennoch löste auch die zweite Version ein geteiltes Echo aus: Trotz der wunderbaren, Wenders-typischen Bilder und der perfekten Inszenierung blieb eine eigentümliche Distanz zur Geschichte. “Ich wollte auf keinen Fall eine Identifikation mit den Personen”, sagte der Regisseur. In Amerika, wo der Film auch gedreht wurde, ist die Low-Budget-Produktion mit großem Erfolg angelaufen. Am 27. November kommt sie ins deutsche Kino.

Los Angeles, Stadt der Illusionen, Stadt der Enttäuschungen. Mike Max, überaus erfolgreicher Produzent von Sex&Crime-Filmen, steht auf der Gewinnerseite des Lebens. Seine schöne Frau langweilt sich im exklusiv ausgestatteten Haus, emsige Gärtner entlauben das Grundstück seiner Villa mit direktem Blick auf den Pazifik. Laptop, Handy und Organizer sind sein tägliches Handwerkszeug, mit dem er einen Thriller nach dem anderen auf den begierigen Markt wirft. Gestreßt, aber glücklich "zappt" er quasi durch seinen Terminkalender; kein Problem, das sich nicht lösen ließe. Dieser Kosmos platzt wie eine Seifenblase, als Mike auf mysteriöse Weise entführt wird und nur knapp einer Exekution entgeht. Verwirrt findet er sich im eigenen Vorgarten wieder, beschließt aber, nicht wieder in den Kreislauf des Alltags einzutauchen. Seine aus Mexiko stammenden Gärtner nehmen ihren durch jenes existentielle Erlebnis geläuterten Arbeitgeber auf, bringen ihn ins bescheidene, aber glückdurchflutete Vorstadtheim. Hier lernt der ehemalige Zyniker das "einfache Leben" kennen und lieben, was sich in mehrfacher Hinsicht als gesund herausstellt: höchste Regierungskreise sind auf fieberhafter Suche nach ihm. Offensichtlich sollte als mutmaßlicher Mitwisser eines Geheimnisses er zielgerichtet eliminiert werden. Brücke zu dieser Intrige ist Ray Bering, ein genialischer Informatiker, der an einem perfekten, satellitengestützten Überwachungssystem arbeitet. In Gewissensnot geraten, wollte er sich hilfesuchend an Mike Max wenden, den er einst flüchtig kennengelernt hatte. Obwohl die Annäherung zwischen den beiden durch die Staatsräson brutal verhindert wird, gelingt es, das an Orwell gemahnende Sicherheitsprojekt rechtzeitig zu verhindern.
Zwei Modelle der Weltverbesserung stehen sich gegenüber: das der allumfassenden, perfektionierten Überwachung, des optimalen administrativen Zugriffs einerseits, das der individuellen Läuterung, der inneren Umkehr andererseits. Überflüssig zu erwähnen, welcher Variante Wim Wenders zuneigt. Weltverbesserungsideen ist freilich stets der Hang zur argumentativen Entmündigung eigen; ihre Parteigänger tendieren zur Mission, nicht zur Diskussion. Natürlich ist der Titel des Films Programm. In diversen Interviews hatte Wenders wiederholt seinen Abscheu gegenüber gewaltexzessiven Arbeiten der amerikanischen Kollegen Oliver Stone oder Quentin Tarantino geäußert. Daß er ausgerechnet Bill Pullman in der Hauptrolle besetzt, ist sicher ebensowenig ein Zufall, hat Pullman doch in David Lynchs "Lost Highway" (fd 32 459) einen hoffnungslos derangierten Saxophonisten gespielt - auch Lynch gehört schließlich zu den von Wenders beargwöhnten Regisseuren. So ist "Am Ende der Gewalt" durchaus als ein Gegenentwurf zu Lynchs hypnotischem, beileibe nicht unblutigem Psychotrip zu verstehen. In dieser Besetzung ist eine gewisse Ironie angelegt. Aber nur hier. Ja, es ist wieder dieser überdeutlich didaktische Ansatz, der einem das potentielle Vergnügen an Wenders' Kino fast vergällt. (Hinzu kommt eine gewisse esoterische Schräglage.) Wenn nach Mike Max auch der eben noch extrem coole "Gangster-Rapper" Six bekehrt wird und plötzlich in einem Off-Theater melancholische Gedichte vorträgt, grenzt das Ganze ans Parodistische. Erst wenn man diesen Wermutstropfen des Oberlehrerhaften geschluckt hat und damit zu leben weiß, entfaltet der Film seine Poesie. Denn nach wie vor ist Wenders ein authentischer Visionär des Films, der im noch unbekannten Kameramann Pascal Rabaud zudem einen idealen Partner gefunden hat: Rabauds Scope-Blicke fixieren das Weichbild Los Angeles' auf geradezu magische Weise - selbst das schon oft abgelichtete Schnellstraßengeflecht der Millionenstadt wirkt als eigenständiger Entwurf und nie als Klischee.
Neben dem Darstellerensemble ist es Ry Cooders Gitarren-Teppich, der manche Ungereimtheit verschleift bzw. überspielt. Denn wie oft bei Wenders hat man das Gefühl, seine Absichten bedürften der ordnenden Hand eines Dramaturgen. Angerissene Beziehungen, angedeutete Kausalitäten und blitzlichtartig beleuchtete Protagonisten gibt es zuhauf - das ist legitim. Handlungsbedingte Notwendigkeiten stets mit einer großzügigen Gebärde des Alles-gehört-immer-irgendwie-zusammen als obsolet zu erklären, kann auf Dauer jedoch nicht funktionieren. In der Unausgewogenheit epischer und dramatischer Momente droht sich Wenders' Handschrift einmal mehr zu verlieren. Daß hier einiges im argen liegt, muß er selbst gespürt haben: Vehikel wie die erklärende Off-Stimme (die zudem mit billigen psychoanalytischen Erklärungen aufwartet) und mit "4 Wochen später"-Schrifttafeln überbrückte Zeitsprünge, zeugen vom Versuch der Straffung, verraten aber auch dramaturgische Unsicherheit.
Wenders ist nach 15 Jahren an die amerikanische Westküste zurückgekehrt - seine persönliche Abrechnung mit den Mechanismen Hollywoods bildet eine reizvolle Metaebene des Films. Nach "Der Stand der Dinge" (fd 23 696) ist "Am Ende der Gewalt" die zweite Arbeit, die sich indirekt mit dem traumatischen Erlebnis des Debakels mit "Hammett" (fd 23 774) auseinandersetzt. (Nicht zufällig spielt Hammett-Darsteller Frederic Forrest hier eine Nebenrolle als Polizist.) Jene Szene, in der Udo Kier als ungarischem Regisseur mitten in der Aufnahme mit der Begründung, das Geld sei alle, der Strom abgedreht wird, dürfte persönlichem Erleben abgeleitet sein. Und schließlich Samuel Fuller in seinem letzten Film! Wie in Mika Kaurismäkis "Tigrero" (fd 30 933) fungiert er bei Wenders als gutes Gewissen der geliebt-verhaßten Traumfabrik, als Rudiment einer leidenschaftlichen Filmkultur, die im Lauf der Jahrzehnte ins Abseits gedrängt wurde. Es ist wiederum nicht ohne Ironie, daß sich mit Buena Vista ein Verleih jener filmgewordenen Zivilisationskritik namens "Am Ende der Gewalt" angenommen hat, der dem weltgrößten Medienkonzern angehört: dem Walt-Disney-Imperium. (Claus Löser, film-dienst)

In Cannes war der neue Wim Wenders, "The End of Violence" zu sehen. Er hat hier noch einen guten Namen, der Gewinner von Palme ("Paris, Texas" 1984), Regiepreis ("Der Himmel über Berlin" 1987) und Grand Prix ("In weiter Ferne, so nah!" 1993). Die amerikanische Produktion hat Chancen, heftig diskutiert zu werden: Die futuristische Story beschwört diesmal nicht das "Ende der Welt", sondern läßt Mike Max (Bill Pullman), den Produzenten besonders aufgefeilt gewalttätiger Filme, zum gehetzten Objekt staatlicher Gewalt werden. "Das Ende der Gewalt" enthält ganz ernsthafte Gedanken zu Gewalt (auch der des Films), zu Beobachtungskameras und wird von einem schleppenden Rhythmus getragen. Der Wettbewerbsfilm hat übrigens die wirklich besondere Ehre, am Feierabend des 50. zu laufen.
Nach seinem Wunsch soll auch der Titel englisch bleiben, da der Film von "Violence" in und aus Hollywood handelt. Ein amerikanisches Thema. (Günter H. Jekubzik, FILMtabs)

Am Freitag startet in Österreich der neueste Versuch des deutschen Autorenfilmers Wim Wenders, die amerikanische Gegenwart als unser aller Zukunft zu verstehen: „Am Ende der Gewalt“, mit Bill Pullman und Andie MacDowell. Ein Gespräch über Los Angeles als Labor und die digitale Technik als Fantasiezuflucht.
Daß die Paranoia das Realitätsprinzip der Avantgarde ist: Dieser Gedanke ist im 20.Jahrhundert trivial geworden. Wim Wenders zieht in seinem neuen Film Am Ende der Gewalt trotzdem noch einmal diesen Schluß: Weil die wuchernde Metropole Los Angeles so unübersichtlich ist, gibt er ihr eine Oberaufsicht.
Von einem Observatorium mit vielen Monitoren aus beobachtet der Wissenschafter Bering (Gabriel Byrne), wie der Filmproduzent Mike Max (Bill Pullman) mit einer futuristischen Waffe angeschossen wird. Von der Gewalt hat der Action-Produzent gelebt, also wird er durch die Gewalt umkommen. So funktionieren moralische Erzählungen. Er kommt aber davon, mit knapper Not, und es beginnt eine moralisierende Erzählung.
Mike Max taucht unter und taucht später unvermutet auf, bei seiner Frau, der ätherischen Paige (Andie MacDowell). Wim Wenders, einst sensible Zentralfigur des Neuen Deutschen Kinos (Falsche Bewegung, Der amerikanische Freund), hat über Paris, Texas seinen Weg an die amerikanische Westküste gefunden und entdeckt in Los Angeles und Hollywood die Vorposten unserer Zivilisation:
Wim Wenders: Los Angeles ist ein Ort wie kein anderer. Erst durch die Bilderindustrie ist es zur Weltmetropole geworden, die unter ihren Exportschlagern auch leidet. Hier hat jeder Angst und eine Alarmanlage, andererseits wird Angst und Paranoia hauptsächlich produziert.
STANDARD: Ihr Film zeigt die Stadt als Ort von Klassengegensätzen, die häufig auch ethnisch bestimmt sind, und die Stadt als Ort eines diffusen Unbehagens in der Kultur. Wie hängt das zusammen?
Wenders: Ich will und kann Gewalt nicht soziologisch behandeln, sondern nur filmisch. Jeder, der jemals einen Film gemacht hat, weiß, wie scharf das ist, wenn man in einer Szene plötzlich eine Pistole hat. Faszinierend.
STANDARD: Sie fotografieren die Stadt in einem hyperrealistischen Stil, beinahe wie in einem Science-Fiction-Film.
Wenders: Wir haben auch in Außenaufnahmen immer mit zusätzlichem Licht gearbeitet und mit extremer Schärfentiefe gearbeitet. Der Kameramann Pascal Rabaud – es war sein erster Spielfilm – hat bis dahin immer nur Werbung gedreht und Video-Clips. Diesen Science-Fiction-Effekt produziert die Stadt von sich aus, weil sie ständig Modelle auskocht, die später überall Anwendung finden.
STANDARD: Eines dieser Modelle ist die Hi-Tech-Kommunikation, in die Bill Pullman eingespannt ist wie in ein Joch, von der Sie andererseits deutlich fasziniert sind.
Wenders: Ich setze große Hoffnungen in die neuen Technologien. Bisher waren sie so teuer, daß fast nur die Werbung und die Spezialeffekt-Branche sich das leisten konnten. Aber bald wird man dort sein, wo schon Stanley Kubrick mit 2001 und George Lucas mit Star Wars waren: Bei persönlichen Fantasien.
STANDARD: Filmhistorisch erinnert Am Ende der Gewalt ein wenig an Sullivans Reisen aus den 30er Jahren, oder aus der neueren Zeit an Lawrence Kasdans Grand Canyon. Besonders fällt aber auf, daß Sie der Regie-Legende Samuel Fuller – kurz vor seinem Tod – noch einen Filmauftritt gaben.
Wenders: Fuller hat, bevor er Filme gemacht hat, schon als Reporter über Gewaltverbrechen geschrieben. Man konnte bei ihm immer nachvollziehen: Wodurch geschieht das? Bei Sam kommt Gewalt nie losgelöst vor, sie ist immer eingebettet.
STANDARD: Ihr Film wird aber eher im Kunstkino-Kontext begriffen, neben Michael Hanekes Funny Games oder Oliver Stones Natural Born Killers. Finden Sie, daß Hanekes Konzept, Gewaltdarstellung durch Zuspitzung zu kritisieren, funktioniert?
Wenders: Ich hatte bei Funny Games das beklemmende Gefühl, immer schon zuviel zu wissen, wie es ausgeht. Der Film hat bei mir wenig Denkprozesse ausgelöst, weil er so viel Beklemmung ausgelöst hat. Wie ein Alptraum, aus dem man irgendwann aufwacht und rausgeht, was ich getan habe. Ich wollte nicht länger darunter leiden.
STANDARD: Dann haben Sie ja genauso reagiert, wie Haneke es sich angeblich wünscht: Daß man seinen Film frühzeitig verläßt.
Wenders: Das hatte ich auch gehört. Ich fand mich dadurch voll gerechtfertigt. (Bert Rebhandl, DER STANDARD, 26/11/1997)

Wim Wenders denkt in "Am Ende der Gewalt", seinem neuen Film, angestrengt nach: über Hollywood, das Erzählen eines Krimis und das Leben in der Stadt.
Los Angeles ist eine Stadt, der man Gewalt, wenigstens auf den ersten Blick, gar nicht zutraut. Vom klaren Ciné- Licht in L. A. haben viele Filmemacher geträumt - und die meisten, die nicht Jacques Demy (The Model Shop, 1969), Alan Rudolph (Welcome to L.A., 1977) oder Robert Altman (Short Cuts, 1993) heißen, sind daran gescheitert. Nun hat auch Wim Wenders versucht, Los Angeles zu verfilmen und Short Cuts nahe zu sein: Am Ende der Gewalt, wie seine Variante heißt, versucht erfolglos, hinter glatten Oberflächen und jazzig gehauchten Soundtracks die Wirklichkeit aufzuspüren. Wenders bleibt, wo er seit langem ist: beim Thesenkino, wo statt Menschen Diskussionsgrundlagen auftreten und statt Konflikten Drehbuchideen.
Mit einer Debatte geht der Film schon los: Ein Stunt-Girl (Traci Lind) fordert im Zuge der Dreharbeiten eines Actionfilms dazu auf, Gewalt zu definieren, was keinem leicht fällt - am wenigsten, wie man sehen wird, Wenders selbst. Der Produzent des Reißers, der da am Anfang von Am Ende der Gewalt gedreht wird, ist Wenders' Star: Bill Pullman, der mit der Ausbeutung von Gewalt Geld macht, ist ein Hollywood-Producer wie in einem schlechten Krimi - und er heißt auch so: Mike Max. Sein Leben ist ein Klischee: Er wohnt, ein Kommunikationskrüppel und seiner Frau (Andie MacDowell) fremd, in einem L.A.-Palast.
Zwei Killer, ein Comedy-Duo wie aus einem Tarantino-Film, kidnappen ihn. In dieser Nacht aber sterben geheimnisvollerweise die Killer - und ihr "Opfer", der nun ihr Mörder sein könnte, verschwindet spurlos. Ein Auge aber hat den Tathergang doch gesehen, eine Kamera, programmiert von einem High-Tech-Spezialisten (Gabriel Byrne), der als Voyeur über die Menschen wacht, hoch über der Stadt wie Wenders' Engel im Himmel über Berlin.
Byrne will die Gewalt, wie sie die Stadt alltäglich heimsucht, flächendeckend erfassen, um sie einzudämmen.
Mit The End of Violence / Am Ende der Gewalt, seinem zweiten US-Film (nach dem Hammett -Fiasko 1982), begibt sich Wenders in eine schwierige Position: Mit den (gewalttätigen) Mitteln des amerikanischen Kinos vom Ende der Gewalt (im Kino) zu erzählen, ist unmöglich, weil es einen Widerspruch im eigenen System produziert. Wenders will nicht zeigen, wovon er spricht, weil er nicht ausbeuten will, was die Menschen kaputt macht. Daran krankt sein Denken und sein Projekt: Die kommerzielle Sprache Hollywoods muß zeigen, wovon sie spricht, da führt kein Weg vorbei. Die Kritik am industriellen Kino müßte ganz andere Formen wählen, sie kann innerhalb des Systems (so) nicht funktionieren.
Und Wenders buchstabiert Kunst längst wie: Nachahmung. Sein Kino war immer geprägt von der Popkultur, von den Filmen Sam Fullers, von den Platten der Kinks und den Romanen der Highsmith. Seit dem Welterfolg seines Films Der Himmel über Berlin (1986) aber hat sich Wenders' Kino drastisch verändert: Es ist anmaßender geworden, offener "poetisch" und stets - in seiner Friedenspolitik und seiner Philanthropie - allgemeingültig. Wenders will so viel Gutes in seinen Filmen, daß nur das Gutgemeinte übrigbleibt. Und das Prätentiöse: In Bis ans Ende der Welt (1987) und In weiter Ferne, so nah (1993) sind die hehren Ansprüche schon in den lyrischen Titeln abzulesen.
The End of Violence nun zeigt sich wieder beeindruckt von der Kunst, aber so sehr, daß Wenders dabei den eigenen Film aus den Augen verliert: Seine Helden sitzen in Szenenbildern herum, die Edward Hopper einst gemalt hat, und Held Pullman macht sich auf die Reise in ein nächtliches Alptraum-L.A., als hätte ihn ein entkräfteter David Lynch gebeten, am Lost Highway noch einmal schnell so zu tun, als stünde wieder alles, seine ganze Existenz auf dem Spiel.
Während die polizeilichen Ermittlungen stagnieren wie Wenders' Film, gewinnen die Nebenrollen die Oberhand, die der Story allerdings nicht weiterhelfen: Udo Kier teilt ironisch seinen Haß auf das US-Kino mit, und Sam Fuller, ein letztes Mal im Kino zu sehen, spricht nebenbei wirr, allein in einem dunklen Raum. Wenders braucht Autoritäten, um sich selbst sicher zu sein.
Wie in Blow-Up des Italieners Michelangelo Antonioni, dessen letzten Film (Jenseits der Wolken) Wenders co-inszeniert hat, versucht auch Byrne einen Mord zu rekonstruieren - anhand der verwaschenen Überwachungsbilder, die seine Kameras davon geschossen haben. Das Kino kann die Wirklichkeit photographieren, aber es verfälscht sie dabei auch. Am Ende der Gewalt handelt von der Überwachung, die jeden treffen kann - und vom Gegenteil: davon, wie eine öffentliche Figur sich dem Blick der Öffentlichkeit zu entziehen lernt.
Die Gewalt ist überall, privat und öffentlich, im Kino und im Gangsta-Rap , unter Eheleuten und Unbekannten. Das ist wahr. Aber es ist auch längst bekannt, so wie Wenders' Geschichten, der Lack der Bilder und die Glanzlosigkeit des Denkens: Am Ende der Gewalt ist die Parodie eines intellektuellen Films. Auch wenn das klare Licht über Hollywood so selbstverständlich strahlt, als könnte daneben alle poetische Anmaßung verblassen. (Stefan Grissemann, DIE PRESSE, 29/11/1997)

Wim Wenders sollte endlich anfangen, den Wörtern zu mißtrauen: "Am Ende der Gewalt" steht der Anfang des filmischen Geredes. Der Blick des Einsiedlers auf die Stadt der Engel. Kreatives Töten. Die Kunst des plötzlichen Todes. Die Saat der Gewalt. So heißen die Filme, die Mike Max produziert. Mike Max hat eine Kinofirma in Hollywood, und er weiß, was er seinem Publikum schuldig ist. Das verbindet ihn mit Wim Wenders, dem deutschen Filmregisseur. Ansonsten sind die beiden Männer Antipoden.
Mike Max (Bill Pullman), der Held des neuen Films von Wim Wenders, wird entführt. Kurz zuvor hat ihm seine Frau Paige (Andie MacDowell) eröffnet, daß sie ihn verlassen will. Jetzt steht er gefesselt unter einer Autobahnbrücke irgendwo in Los Angeles, und zwei fremde Männer richten ihre Gewehre auf ihn. Er bettelt um sein Leben. Dann fallen zwei Schüsse. Am nächsten Morgen liegt Mike Max mit zerschlagenen Gliedern im Garten einer Villa in Malibu. Freundliche mexikanische Gärtner finden ihn und nehmen ihn mit. Sie laden ihn in ihr Haus ein, geben ihm zu essen, machen ihn zum Familienmitglied. Bald kann Mike Max wieder lachen. Mit Hilfe seiner neugewonnenen Freunde geht er daran, sein Dasein in Ordnung zu bringen.
Seit geraumer Zeit stehen alle Geschichten, die Wim Wenders seinen Zuschauern erzählt, im Zeichen der Fürsorge. Im Hollywoodkino nebenan wäre einer wie Mike Max vielleicht vor die Hunde gegangen. Nicht so bei Wenders. Seine Helden sind, allem Ungemach, das sie erleiden, zum Trotz, in Wahrheit nie in Gefahr. Hundert hilfreiche Hände strecken sich ihnen aus der Dunkelheit entgegen. Wo immer einer hintritt, trifft er auf einen Freund. Da ist, wie es im Lied heißt, keine Stelle, die dich nicht sieht: Du mußt dein Leben ändern. Und so geschieht es.
Wann hat das alles angefangen? Vor fünfzehn Jahren, in "Hammett" und im "Stand der Dinge", war Wenders' Welt noch so kaputt wie die wirkliche. Es gab, auch unter Freunden, kein Happy-End. Doch schon "Paris, Texas" (1984) redete, wenngleich in gebrochenem Ton, von einer Heimkehr. Als dann vom "Himmel über Berlin" (1987) herab die Engel auf die Erde stürzten, war des Heim- und Einkehrens kein Ende mehr. Die Suche nach Liebe, Glück und einem Platz auf der Welt konnte nun nicht mehr schiefgehen. Schließlich stand jeder der Suchenden unter Beobachtung: Von oben schauten Engel auf ihn herunter, von unten Kinder und Großväter zu ihm hinauf. "In weiter Ferne, so nah!" (1993) ist ein Film über das Schweben vor Publikum: Kaum ist Otto Sander in den Armen seiner Gefährten gestorben, wird er als Geist schon wiedererweckt. Jedes Hinauf ein Hinab und umgekehrt. Und ewig wachen die Befreundeten. In "Bis ans Ende der Welt" (1990), dem Film, der sich zwischen Odyssee und Ringelpietz nicht entscheiden kann, ist ein ganzer Pulk von Verfolgern und Beschützern unterwegs, um das Liebespaar William Hurt und Solveig Dommartin von Paris, France, nach Australien zu geleiten. So treibt nicht die Liebe, sondern die fromme Absicht das Geschehen voran. Darin vor allem wurzelt das Unbehagen an Wenders' jüngsten Filmen. In den neunziger Jahren, so scheint es, ist dieser Regisseur in alle Wolken gefallen. Sein Erzählerblick steht auf dem Kopf: Er nimmt die Verstandesnöte seiner Figuren als wirkliche Handlung und ihren Überlebenskampf als bloßes Beiwerk wahr. Wenders' Kino, das mit großen Geschichten, dramatischen Bildern, bekannten Stars und berühmten Schauplätzen prunkt, wird in Wahrheit immer abstrakter.
Auch in "Am Ende der Gewalt" gibt es die Perspektive der Engel. Sie gehört Ray Bering (Gabriel Byrne), der im Griffith Park Observatorium hoch über Los Angeles vor seinen Computermonitoren sitzt. Jeder der Monitore ist mit zahllosen Videokameras verbunden, die das Leben unten auf den Straßen lückenlos aufzeichnen. Aber die Apparatur des Himmels dient keinem guten Zweck. Böse Mächte vom FBI wollen die Kameras einsetzen, um unter dem Vorwand der Verbrechensbekämpfung einen Überwachungsstaat zu gründen. "Das wäre das Ende der Gewalt, wie wir sie kennen", sagt einer der Finsterlinge zu Ray. Doch Ray ist anderer Meinung. Deshalb versucht er, Kontakt zu Mike Max aufzunehmen, den er einmal auf irgendeiner Konferenz getroffen hat. Aber noch ehe Max Berings E-Mail in seinem Computer gefunden hat, wird er entführt und zur Exekution ins Niemandsland verschleppt. In seinem Ausguck beobachtet Ray ohnmächtig das weit entfernte Geschehen. Näher kommen die beiden Männer sich nie.
"Am Ende der Gewalt" ist, scheinbar, ein medienkritischer, über fiktive und reale Brutalität und ihre Ursachen nachdenkender Film. In Wirklichkeit ist es eine Geschichte von zwei Männern, die nicht zueinanderkommen, weil "das System" dazwischenfunkt. Hinter der Vagheit des Feindbildes verbirgt sich eine dramaturgische Schwäche. Denn Wenders und sein Drehbuchautor Nicholas Klein schaffen es nicht, Max' und Berings Schicksale zu verknüpfen. Brächten sie Mike zu Ray, würde die tiefe Banalität ihres Konzepts offenbar: zwei gegen den Rest der Welt - die alte buddy story.
Daraus ließe sich ein großartiger Film machen. Aber die klassische Genre-Variante ist Wenders nicht meinungsstark genug. So verzettelt er sich in Nebengeschichten, Nebenfiguren, die aus der hinreichend simplen Grundidee ein allzu kompliziertes Allerlei machen. Da ist Cat (Traci Lind), das Stuntgirl, dem man jedes dritte Wort "definieren" muß. Oder Doc Block (Loren Dean), der Polizist, der hinter seinem kugelsicheren Lächeln eine geradezu abgründige Geschwätzigkeit verbirgt. Oder der schwarze Sänger Six (K. Todd Freeman), der im Gangsta-Rap seinen Lebensinhalt erblickt, bis er mit der Studiochefin Paige ins Bett geht; fortan besingt er die Liebe. Oder dieser und jene. Sein Film, hat Wenders erklärt, sei "ein offenes Haus mit vielen Türen". Nichts gegen Türen, aber hier wohnen einfach zu viele Leute dahinter.
Es gibt wunderbare Momente der Konzentration in diesem zerfahrenen Film. Etwa die Szenen, in denen Wenders seiner Bewunderung für Edward Hopper freien Lauf läßt und dessen Gemälde, nur leicht verfremdet, mit der Kamera nachstellt die berühmten "Nachtschwärmer", einen Blick in ein Hotelzimmer, eine Frau am Fenster. Oder den Augenblick, in dem der untergetauchte Mike Max in sein Haus zurückkehrt und von seiner Frau überrascht wird. Sie richtet die Pistole auf ihn, und er verlangt als letzte Gnade den Morgenmantel, den sie trägt. Da zieht Andie MacDowell sich aus - und steht in schwarzer Unterwäsche da. Und Bill Pullman, dem das Drehbuch die Zunge löst, stammelt, dies sei das erste Mal, daß sich eine Frau mit einer Waffe in der Hand vor ihm entkleide.
Die Szene ist beispielhaft für den ganzen Film. Man spürt, daß der Regisseur seine Sache ernst meint, aber immer, wenn es darauf ankommt, behält die Geschichte gleichsam die Unterwäsche an. Wenders schreckt vor den Konsequenzen seiner eigenen Phantasie zurück. Statt Gewalt, Schmerz und Verlorenheit zu zeigen, deckt er sie mit Drehbuchphrasen zu. Vielleicht sollte Wim Wenders, der so viel über die Gefährlichkeit der Bilder spricht, endlich anfangen, den Wörtern zu mißtrauen. Bilder, das ist wahr, betrügen den Blick. Wörter sind schlimmer: Sie löschen ihn aus. (Andreas Kilb, DIE ZEIT, 28.11.1997, Nr.49)

Wim Wenders sehnt sich nach dem Ende der Gewalt und komponiert ein weiteres Kapitel des selbstbezogenen Autorenfilms.
Kaum will Christoph Schlingensief den Neuen Deutschen Film mit den "120 Tagen von Bottrop" zu den Akten legen, da fügt Wim Wenders ihm ein Postskriptum an. Der nestflüchtige Vertreter des Autorenfilms verharrt auch in seiner dritten US-Produktion stur in der deutschromantischen Geisteswelt, aus der er einst aufgebrochen war, um US-Kino zu machen.
Mike Max (Bill Pullman), ein erfolgreicher Actionfilmproduzent, regiert sein Imperium online aus dem Garten seiner luxuriösen Villa in Malibu. Der Computer verschafft ihm Zugriff auf alle geschäftlichen Belange, derweil seine vernachlässigte Frau Paige (Andie MacDowell) in den weitläufigen Gemächern still den Rückzug aus seinem Leben vorbereitet. Doch dann wird Max von den Gewaltvisionen seiner Filme eingeholt: Zwei Gangster entführen ihn aus dem Auto heraus, als Paige ihm gerade per Handy den gemeinsamen Hausstand kündigen will. Er wird auf das Niemandsland im geschlossenen Rund einer Autobahnauffahrt verschleppt, wo sich ein absurder Dialog um seine Hinrichtung entspinnt. Max' Lage ist aussichtslos. Aber die drei sind nicht allein.
Am nächsten Morgen ist Max frei, die Entführer bleiben niedergemetzelt am nächtlichen Tatort zurück. Max taucht in einer mexikanischen Gartenarbeiterkolonne unter und versucht aus dieser Deckung heraus Licht ins Dunkel seiner von unsichtbarer Hand beschützten Existenz zu bringen.
Der Auftakt zeigt das klare Spannungsprofil eines Thrillers, macht aber zugleich unmißverständlich klar, daß dieser Film auch um sich selbst und die Gesetze des Mediums zirkuliert, daß er in der Frage nach den Hintergründen eines Verbrechens auch die filmischen Mittel seiner Darstellung thematisiert. Darauf verweisen nicht nur die zahllosen Stilzitate - die Entführungsszene kann Quentin Tarantino oder Joel Coen alle Ehre machen. Sicheres Indiz ist der Film im Film, der gleich in zwei Varianten in die Handlung verwoben ist. Zum einen geht es um die Fertigstellung von Max' aktueller Produktion "The Seeds Of Violence", mit der der europäische Regisseur Zoltan Kovacs (Udo Kier) heillos überfordert ist. Zum anderen sieht man Videoaufnahmen, die der Informatiker Ray Bering (Gabriel Byrne) im geheimen Auftrag des FBI in einer Sternwarte aufzeichnet. Er konfiguriert ein offenbar lückenloses Überwachungssystem, das Gewalt in den Straßen von Los Angeles aufspüren und dokumentieren soll. Auch Max' Entführung wurde ins Bild gesetzt, aber bei der standrechtlichen Ahndung des Verbrechens hatte die Kamera einen unerklärlichen Aussetzer. Wenders wurde mit "Am Ende der Gewalt" bei den diesjährigen Filmfestspielen in Cannes so heftig kritisiert, daß er den Film noch einmal überarbeitete. Auch auf den Schnitt reagierte die amerikanische Kritik zurückhaltend bis ablehnend - das liegt im wesentlichen an der eigenwilligen Erzählstruktur. Doch gerade darin ist Wenders auf der Höhe seiner Kunst. Er variiert seine alten Motive, die er seit "Im Lauf der Zeit" oder "Alice in den Städten" kaum nennenswert ergänzt hat. Aber er ist in ihrem Einsatz differenzierter und kunstfertiger geworden. Was er vor Jahren mit "Hammett" und "Der Stand der Dinge" noch in zwei getrennten Projekten abarbeiten mußte, weiß er heute souverän zu einem integralen Werk zu verdichten.
Wenders will das Genrekino nicht bedienen, er reibt sich - wie sein Alter Ego im Film - daran auf: Kovacs eher unfreiwillig an den Produktionsbedingungen und Wenders vorsätzlich, indem er der Handlung ihre finale Orientierung nimmt. Der Film changiert zwischen den verschiedenen Ebenen, verschafft der Geschichte abwechselnd selbstironische Distanz und hintergründigen Suspence. Was als Beziehungsdrama anfing, führt über den Umweg eines komplexen Thrillers wieder dorthin zurück.
In der Schlußeinstellung läßt Bill Pullman seinen Blick über den Pazifik schweifen - so hätte ihn wohl auch Caspar David Friedrich in den Kreidefelsen von Rügen postiert. Wenders bekennt sich zur Tradition deutscher Romantik, der er in aller Weltläufigkeit, in aller Hingabe an amerikanische Kinomythen nicht entkommen kann. Damit liegt er nicht im Trend, aber er liefert allemal mehr als den Wurmfortsatz einer qua Schlingensief abgeschlossenen Epoche deutscher Filmgeschichte.
Soundtrack: Wie schon für "Paris, Texas" (1984) hat auch diesmal Ry Cooder das Titelthema komponiert. Wim Wenders ist die Musik zum Film einige prominente Musiker wert: Tom Waits, Bono, Michael Stipe, Los Lobos, u.a. (Manfred Müller, SPIEGEL ONLINE 48/1997)

Die toten Winkel der Kameras - wurden sie ermordet? Das ist die passende Scherzfrage für alle, die wirklich bis zum Schluß durchhalten. Die tausend Satellitenaugen des Dr. Mabuse. Videoangriff auf L.A.! Allgegenwärtige Gewalt und einseitig erloschene Liebe. Wir werden alle überwacht! Vodoo aus Verfolgungswahn und - Wirklichkeit...
Es sollte halt ein Kunstwerk werden. Und ist es nicht tatsächlich Kunst, wenn man Schauspielkaliber wie Andie MacDowell und Gabriel Byrne dazu bringt, ihr Publikum freiwillig zu fadisieren? Wim Wenders, der Großmeister deutschen Kino- tiefsinns, will’s wieder wissen. Das Publikum wohl eher weniger. Da nützt es kaum, daß Wenders nach verstörten Erstreaktionen und gewaltigen Verrissen das Werk radikal (um)geschnitten hat. Hollywood als eine Art Mafiafiliale, da kann ein Killerkommando auf den handygesteuerten Erfolgsproduzenten Mike Max nicht ausbleiben.
Komisch nur, daß die geheuerten Ablebensprofis mit Kopfschuß im Sand liegen und der überlebende Produzent bei seinen mexikanischen Gärtnern Unterschlupf sucht. Einsam sitzt ein Wissenschaftler oben im Observatorium und observiert über Kamerasatelliten die menschlichen Ameisen im Haufen Los Angeles, bis ihn Argwohn gegen seine regierungsbeamteten Auftraggeber befällt: Kann man Verbrechen sozusagen im Keim ersticken, indem man ihm ihm überall auflauert?
Max' schöne Frau übernimmt bei dessen Absenz Firma sowie Kommando und emanzipiert sich über Liebhaber. Der greise Vater des Sternguckers liebt Pizza mit Pfefferoni. Das bleibt das Schärfste im schalen Handlungsbuffet, wenn man von einer gestrapsten Andie absieht. Wenders hat sich sichtlich an Tarantino orientiert, aber nichts wirklich von ihm gelernt. Wenn er Spannung aufkommen läßt, dann nicht, um sie auf irgendetwas zu beziehen.
Sind Gitarrenseiten gespannt auf ihre eigenen Töne? Wenders begreift sich als Aggressions- und Medien- philosoph, nur weil er so lange über der Banalität einer absehbaren Utopie laicht, bis die bedeutungsschwanger ist. „Immer wenn man glaubt, man hätte alles begriffen, ist es dann doch immer ganz anders,“ sagt der Held gegen Schluß und meint nicht das Filmemachen. Sollte er aber. (Rudi John, KURIER)

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AUSTIN POWER (AUSTIN POWER: INTERNATIONAL MAN OF MYSTERY)

USA 1997. 89 Min
Regie: Jay Roach, Buch: Mike Myers, Musik: George C. Clinton, Kamera: Peter Deming, Schnitt: Debra Neil Fisher, Darsteller: Mike Myers (Austin Power/Dr. Evil), Elizabeth Hurley (Vanessa Kensington), Michael York (Basil Exposition), Mimi Rogers (Mrs. Kensington), Robert Wagner (Number Two)
Kinostart: 21/11/1997

Der doppelte, nein dreifache Mike Myers: als Austin Powers (Modefotograf bei Tag, Top-Spion bei Nacht) und als Dr. Evil (sein eigener Erzfeind). Und das im London der Sixties! Eine knallbunte, hervorragend besetzte Persiflage auf James-Bond-, Beatles- und Russ-Meyer-Filme. (FALTER)

Der Topagent Austin Powers (Mike Myers) läßt sich in den 60er Jahren einfrieren. Damals war er ein Frauenschwarm, auch wenn sein Äußeres weniger attraktiv ist. Sein Gegner Dr. Evil (ebenfalls Mike Myers) ist ebenfalls eingefroren, beide lassen sich in den 90er Jahren wieder auftauen. Doch die Zeiten haben sich geändert. Es gibt keinen kalten Krieg mehr und Agenten sind nicht mehr automatisch im Mittelpunkt des weiblichen Interesses. Daran muß sich Powers erst gewöhnen.
Eine lustige Aneinanderreihung von James Bond- und "Mit Schirm, Charme und Melone"-Zitaten. Dabei ist der Film immer zum Brüllen komisch und erlaubt durch die gute Idee auch die Beschränkung der Handlung auf ebendiese Idee. (film.de)

Nach den beiden "Wayne's World"-Filmen (fd 29 656/fd 30 707) der beiden "Saturday Night Live"-Komiker Mike Myers und Dana Carey versucht Myers nun ohne seinen kindlich-kindisch wirkenden Partner eine Karriere als Komiker. Ähnlich wie sein offensichtliches Vorbild Jerry Lewis, der ja auch erst nach der Trennung von seinem "schwachen" Partner Dean Martin seine Qualitäten voll entfaltete, blüht auch Myers regelrecht auf. Dabei verdeckt er geschickt seine mangelnde physische Ausstrahlung, indem er in Lewis' Maske des "verrückten Professors" schlüpft. So kann man sich ganz auf diese Kunstfigur einlassen, die trotz ihrer hervorstehenden Zähne und buschigen Körperbehaarung als Mädchenschwarm verkauft wird.
Immer wenn sich Austin Power, Dandy und Modefotograf im "Swinging London" der 60er Jahre, auf die Straße wagt, ist er sofort von kreischenden Girls umringt. Während sie einen fetzigen Twist hinlegen, flieht er in seinem in den britischen Nationalfarben lackierten Sportwagen immer dahin, wo ihm eine Falle gestellt wird - denn im Nebenberuf ist Austin Geheimagent ihrer Majestät. Sein Widersacher, der dämonische Dr. Evil, hat gerade beschlossen, sich, "eingefroren" in einer Rakete, in die Erdumlaufbahn schießen zu lassen. Zu gegebener Zeit soll ihn seine rechte Hand "Number Two" zurückholen, damit er sein terroristisches Werk vollenden kann. Was bleibt Austin da anderes übrig, als sich ebenfalls "einmotten" zu lassen, um zur Stelle zu sein, wenn sein Erzfeind wieder die Menschheit bedroht? Als beide nach 30 Jahren "aufgetaut" werden, hat sich die Welt verändert: Der "Kalte Krieg" ist vorbei, das ausgelassene Treiben der Flower-Power-Generation ist einem eher politisch-korrekten Verhalten gewichen, und die Girls sind gar nicht mehr "groovy". Spießigkeit ist angesagt. So hat Austin einige Mühe, bei Vanessa, der Tochter seiner 60er-Jahre-Geliebten, zu landen, die ihm sein damaliger und heutiger Spionagechef Basil Exposition als Kollegin zur Seite stellt. Mittlerweile hatte "Number Two" Dr. Evils "Firma" zu einem florierenden multinationalen Wirtschaftsunternehmen ausgebaut, was den in der Vergangenheit stehengebliebenen Terroristen in arge Verlegenheit stürzt. Erst lacht die UNO, als er von ihr eine Milliarde Dollar erpressen will, macht doch sein Unternehmen jährlich das Vielfache an Gewinn; schließlich kommt auch seine Idee, das Königshaus mit dem unmoralischen Liebesleben seines Thronfolgers zu erpressen, um einige Jahre zu spät, und auch die Ankündigung, ein Ozonloch in die Atmosphäre zu schießen, schreckt keinen mehr. Während Dr. Evil mit "Number Two" neue Pläne ausarbeitet, schleichen sich Austin und Vanessa in das unterirdische Hauptquartier des Bösewichts in Las Vegas, werden aber von seinen Schergen überwältigt. Über einem Becken voller übellauniger Seebarsche hängend, können sie sich in letzter Sekunde befreien und die Welt doch noch retten.
Der originellste Gag ist Mike Myers Einfall, neben Austins Rolle auch die des Dr. Evil zu übernehmen. Er schlüpft so perfekt in die an Donald Pleasence' James-Bond-Bösewicht Blofeld angelehnte "Verkleidung", daß ihn eigentlich nur Eingeweihte erkennen. Damit ist man schon bei der überbordernden Zitierwut des Films, der launig Musik, Mode und Filme der 60er Jahre Revue passieren läßt. Da werfen Evils Unterschurken wie weiland Oddjob in "Goldfinger" mit tödlichen Bekleidungsstücken, nur daß diesmal statt des Hutes ein Schuh geflogen kommt. Das psychedelische Farben- und Designspiel aus Roger Cormans "The Trip" läßt ebenso grüßen wie Verweise auf "Blow up" und "Barbarella". Vanessa dagegen könnte auch die keusch gewordene Tochter von "Emma Peel" sein. Komponist Burt Bacharach, "Schmalz-König" der 60er Jahre, parodiert sich selbst, wenn er auf einem klavierbestückten Bus Austin und Vanessa mit einem Schmuse-Song umgarnt, und Myers selbst gelingt eine wunderbare "Abrechnung" mit der prüden Sexualmoral Hollywoods, wenn in einer Nacktszene zwischen ihm und seiner Gespielin immer dann, wenn sie ihre "kritischen" Stellen der Kamera präsentieren, verdeckende Gegenstände ins Bild kommen. Diesen launigen Humor kontrastiert er geschickt mit den makabren Scherzen Dr. Evils, der gern seine Katze und seinen "Retortensohn" quält. Auch wenn es dabei oft nur zum Erlebnis eines freudigen Wiedererkennens und zum Schmunzeln reicht, unterhält "Austin Power" doch durchaus intelligenter als die lärmigen Möchte-gern-Komödien à la "Wayne's World". Das liegt zum einen am komödiantischen Reifeprozeß des Autors und Hauptdarstellers, zum anderen an einem Regisseur, der anders als bei "Wayne's World" ein Konzept erkennen läßt und es versteht, Schauspieler zu führen und Gags optisch aufzulösen. (Rolf-Ruediger Hamacher, film-dienst)

"Austin Powers", das Abziehbild eines Agentenfilms, macht sich - stilsicher und absurd - über Bond, Bienen und Briten lustig.
Wie Star Mike Myers diesen Film schon betritt, gehört eigentlich in einer separaten Laudatio gewürdigt: In wenig eleganten Tanzschritten und bemerkenswert farbenfroher Kleidung bewegt er sich als Top-Agent Austin Powers, angehimmelt von leichtgeschürzten jungen Hysterikerinnen, gleich am Anfang, wie sich das gehört, durch das Swinging London des Jahres 1967. Einem Mann, der die Verbrechensbekämpfung wie einen Freizeitspaß betreibt, geht die gute Laune eben über alles. Und Austin Powers, der Film, ist hinreichend etabliert: Myers betreibt seine Komödie tänzerisch, knallbunt und zwanghaft gutgelaunt.
Austin Powers benützt die Tautologie als humoristisches Instrument: Mörder bringen Leute um, Geheimnisträger tun geheimnisvoll und Informanten informieren. Oberschurke Dr. Evil, meldet Michael York also über einen antiquarischen Bildschirm, werde versuchen, Austin eine mörderische Falle zu stellen, in wenigen Stunden, in einem bestimmten Nachtclub. "I'll be there", sagt Austin siegessicher grinsend, als wäre nicht genau das die falsche Antwort, um einer Falle zu entgehen. Im Club aber wird ihm Dr. Evil durch die Lappen gehen: Erst dreißig Jahre später, die Held und Kontrahent tiefgefroren zubringen, bietet sich die Chance auf eine Abrechnung.
Aus dem Zeitsprung bezieht Austin Powers eine Menge komödiantisches Potential: Myers stilisiert sich zum Jünger der freien Liebe, nennt nicht nur Frauen Baby, und will auch sonst nicht mehr so ganz zu den späten neunziger Jahren passen; und die Worte, die der King of Cool von damals wählt, von shagadelic bis zu groovy, sind die absurden Kreationen einer fernen Zeit.
Austin Powers reanimiert die erheiternden Mittel der alten Spionagefilme: die jazzig-psychedelischen Soundtracks und die nostalgischen High-Tech-Labors, die PVC-Kostüme und die nur ansatzweise psychologisch zu nennenden Charakterdarstellungen. Daß Myers auf seinem labyrinthischen Weg durch die Techniken des Agenten-Kinos auch das Infantile und das Pubertäre pflegt, gehört ins System von Austin Powers.
Wo alles ohnehin schon etablierter Spaß ist, hilft nur der rauhe Slapstick weiter - und darin ist Myers tatsächlich groß. In tausend Varianten seines alten Gesichts-Entgleisungsspiels, stets für die Kamera und in die Kamera, zeigt Myers (groteske) Zähne - und praktiziert nebenbei außerdem die Kunst, im radikal Unsubtilen noch raffiniert zu sein.
Myers, der Mann hinter der artverwandten Wayne's World, hat Austin Powers in allen wesentlichen Abteilungen vorbereitet: als Co-Produzent, Autor und doppelter Hauptdarsteller (als Austin P. und Dr. Evil). Die Inszenierung hat er einem anderen, dem Debütanten Jay Roach überlassen. Das ist konsequent, denn Austin Powers gehört zu jenen Filmen, die gewissermaßen schon in der Planungsphase, in den Drehbuch- und Kostümentwürfen, zur Überinszenierung tendieren. Roachs funktionelle, annähernd unsichtbare Inszenierung kommt Austin Powers daher gelegen.
Man kann sich mit einigem Recht fragen, ob es Sinn hat, ein an sich schon lustiges Genre, die Spionagekomödie, retrospektiv humoristisch zu verdoppeln. Man kann aber, das stilsichere Amüsement in Austin Powers vor Augen, diese Frage einfach auch ersatzlos wieder streichen. Austin Powers braucht keine Existenzberechtigung: Dieser Film ist. Gut so. (Stefan Grissemann, DIE PRESSE, 29/11/1997)

Vier Jahre nach "Wayne's World 2" kehrt Mike Myers als Drehbuchautor, Co-Produzent und in einer Doppelrolle als Geheimagent und Oberschurke zurück. In "Austin Powers" hat sich Myers zwei Paraderollen auf den Leib geschrieben.
In den Swinging Sixties waren die Drogen noch psychedelisch, die Liebe frei und Austin Powers ein Superheld. Da kann sich der Geheimagent, Dandy und Modefotograf vor seinen kreischenden Verehrerinnen kaum retten, sein Leben ist wie ein grelles Musikvideo. Als sein Todfeind Dr. Evil in den Weiten des Weltalls verschwindet, läßt sich Austin Powers einfrieren, um dessen Rückkehr erleben und das Böse bannen zu können.
Doch ausgerechnet in die verklemmten Neunziger kehren Dr. Evil und der gute Geheimagent zurück. Da klingt Powers Sechziger-Jahre-Slang schrill und verstaubt zugleich. Und er muß lernen, daß zum Ende des Jahrtausends häßliche Zähne und freie Liebe fast den gleichen Ekel erregen.
Mike Myers und der Regisseur Jay Roach haben mit "Austin Powers" ein Meisterwerk des schlechten Geschmacks inszeniert. Der Komiker schillert im doppelten Rollenspiel, die Geschichte ist bis ins Detail durchdacht: Da will der Schurke Evil - nach 30 Jahren Abwesenheit und immenser Inflation - die führenden Nationen um den Peanuts-Betrag von einer Million Dollar erpressen; und auch der Generationen-Konflikt zwischen dem grausamen Dr. Evil und seinem verstörten Neunziger-Jahre-Söhnchen Scott ist fein ausgearbeitet.
Der "Agenten-Film" bricht mit den gängigen Regeln des Genres: Da stört Scott den gewohnten Gang der Superagentenstory mit der Idee, Austin Powers mitsamt Assistentin einfach mit dem Gewehr zu erschießen. Dr. Evil, nicht nur um eine spektakuläre, sondern auch genre-typische Todesart bemüht, hat seine Not, den Filius vom Standrecht abzuhalten.
Kein Gag ist zu flach, um nicht bis zum Exzeß genutzt zu werden; keine Szene ist zu absurd, als daß man nicht zwei Sekunden länger mit der Kamera draufhalten könnte, um die Figuren schließlich vollends zu entblößen: Powers findet, nachdem er aufgetaut wurde, bei seinen Habseligkeiten einen einst modischen Penisverlängerer - vor den Augen der pikierten Assistentin Vanessa Kensington (Elisabeth Hurley). Und die Gespielin von Evils rechter Hand "Number Two" (Robert Wagner) heißt Alotta Fagina.
"Austin Powers" ist lustig - über Geschmack, auch schlechten, läßt sich bekanntlich nicht streiten. (Oliver Schäfer, SPIEGEL ONLINE 47/1997)

Ich kann mir gut vorstellen, wie die vom Villacher Fasching einen Bond, Ja- mes Bond, parodieren würden. Ein 007prozentiges Haha-Erlebnis. Das mag der seichtere Grund sein, warum mir diese ziemlich pubertäre Spionageblödelei über die populärste Agententhrillerfigur aller Zeiten nur müde Lächeln entlocken konnte. Die Drogennaivität, die psychedelischen Unarten und vor allem der Macho-Schmäh der Sechzigerjahre, mit ihrem eifrigsten Vertreter aufgetaut und dem heutigen Zeitgeist zum Auslachen vorgeworfen...
Eine gewisse Nostalgie ironisiert sich hier selbst. Das Alias von James Bond trägt hier den Namen Austin Powers, und die unentwegt infantil entgleisenden Züge des kanadischen Komikers Mike Meyers. Die besseren Pointen tragen hingegen Schirm, Charme und Melone, werden aber vor allem durch unablässig penetrierten Phallussymbolismus und andere tiefe Flachwitzeleien blamiert. Wie waren doch einst die sexrevolutionären Typen anno Swinging London für kleingeistige, verbiesterte, zweideutigkeitsfixierte Klemmis!
Und was diesen Film betrifft, hat sich das bis heute überhaupt nicht geändert, vom üppigen Brustpepi von Austin Powers bis zum potenzierten Running Gag... Das alles hätte gut auch denen in Villach einfallen können... (Rudi John, KURIER)

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WHOPPER PUNCH

D 1986
Regie: Jürgen Tröster, Darsteller: Manfred Krug, Günter Kaufmann, Ben Becker
Kinostart: 28/11/1997

Otto Paletti jr., Sohn eines bekannten Sportreporters, soll für seinen Vater einspringen und den Boxweltmeister Bill Baxter, genannt der "Whooper Punch", interviewen. Jugendfilm (wie immer sehenswert: Manfred Krug). (FALTER)

Prädikat wertvoll; das ist von vornherein verdächtig. Immerhin spielt Manfred Krug mit. Für jeden Film ein Sympathievorschuß, dieser Berliner mit dem Frechdachsgrinsen und der Stimme, als hätte sein Baß gerade Kreide gefressen. Seine kleine Rolle teilt die durchsichtige Handlung in Szenen mit Krug und ohne Krug. Die Szenen ohne: als hätte man aus einem Ballon die Luft ausgelassen, aus der Nuß den Kern entfernt, im Tresorraum das Licht abgedreht.
Krug als Sportreporter Paletti verreist unerreichbar. Deshalb muß sein Sohn für ihn das Exklusivinterview mit dem Boxweltmeister Whopper Punch machen. Sonst bekommt Papa Ärger. Womit die Schwierigkeiten erst richtig anfangen. Wie sich der Kleine in dieser unbeholfenen Kinderbuchverfilmung macht? Na, der ist ganz nett... Aber Eigenschaftswörter wie "nett" sind in einem solchen Fall das Todesurteil. (Rudi John, KURIER)

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MISSISSIPPI - FLUSS DER HOFFNUNG (THE CURE)

USA 1995. 97 Min
Regie: Peter Horton, Buch: Robert Kuhn, Musik: Dave Grusin, Kamera: Andrew Dintenfass, Schnitt: Anthony Sherin, Darsteller: Brad Renfro (Erik), Aeryk Egan (Tyler), Delphine French (Tyler's Girlfriend), Mona Powell (Tyler's Girldfriend), Andrew Broder (Tyler's Buddy), Jeremy Howard (Tyler's Buddy #2)
Kinostart: 28/11/1997

Erik ist ein Einzelgä@nger und in der gan@en Nachbarschaft gefürchtet. Die meiste Zeit verbringt er mit Videospielen, deshalb hat er nur einen Freund, Dexter. Niemand sonst spielt mit Dexter, das haben den anderen Kindern die Eltern verboten, denn Dexter hat AIDS... (Ab 9 Jahren). (FALTER)

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THE SECOND CIVIL WAR (THE SECOND CIVIL WAR)

USA 1997. 97 Min
Regie: Joe Dante, Buch: Martyn Burke, Musik: Hummie Mann, Kamera: Mac Ahlberg, Schnitt: Marshall Harvey, Darsteller: Beau Bridges (Governor of Idaho), Joanna Cassidy (Helena Newman), Phil Hartman (The President), James Earl Jones (Jim Calla), James Coburn (Jack Buchan)
Kinostart: 28/11/1997

Mediensatire. Ein zweiter amerikanischer Bürgerkrieg bricht aus, weil der Gouverneur von Idaho die Überfremdung der Staaten durch "colored people" nicht länger mitansehen kann und mit Sezession droht. Am Ende rettet eine Seifenoper den Frieden! Fun. (FALTER)

Die historische Erinnerung dünnt aus, die Mythen werden verwechselbar, Werbesprüche ersetzen überdachte Maßnahmen: Stellen wir uns vor, ein zweiter amerikanischer Bürgerkrieg stehe vor der Tür, alle wollen zusehen, aber keiner hört richtig hin. Also verwechselt ein Präsidentenberater die Fremdwörter „Sukzession“ und „Sezession“, betrachtet ein Kriegsberichterstatter den Star John Wayne mehr als „Helden“ denn als Schauspieler, verwirren sich im Weißen Haus Erinnerungen an Eisenhower, Lincoln und andere bemühte Vorbilder.
Der Gouverneur von Idaho mobilisiert gegen drohende „Überfremdung“ schießwütige Nationalgardisten aus allen Bundesstaaten. Alte Kuwait-Veteranen sehen im drohenden Schlachtenszenario eine Chance zur Begleichung alter Rechnungen. In einem superaktuellen Nachrichtensender überträgt man irgendwann einmal live die Erschießung des eigenen Moderators.
Darüber lacht man sich in The Second Civil War immer wieder schief, aber angesichts der Schräglage der real existierenden Verhältnisse bleibt einem das Lachen letztlich im Hals stecken. Als Medien- und Politsatire ist der jüngste (für den TV-Produzenten HBO hergestellte Film von Joe Dante (Gremlins, Die Reise ins Ich) weniger eine Travestie als ein nüchterner Befund weitläufiger Verluste – auch für das Kino selbst.
Der Regisseur scheint mit seiner grimmigen Ernsthaftigkeit nicht mehr zu den heutigen General-Blödlern zu passen. Markante Schauspieler wie Beau Bridges, James Coburn, James Earl Jones oder Dan Hedaya kann man mit derartigen Glanzrollen auf der Großleinwand mittlerweile lange suchen. Österreich ist nach dem Viennale-Erfolg des Films tatsächlich das einzige Land neben Italien, wo The Second Civil War überhaupt im Kino zu sehen ist.
Für das Fernsehen, dem zuliebe er sehr sichtbar ebenfalls einige Kompromisse eingehen mußte, liefert Dante jedenfalls die schauderbar witzigste Schlußpointe des Jahres: Die Quoten einer Seifenoper, die für die Kriegsberichterstattung verschoben werden mußte, brechen alle Rekorde. Der Pessimist konstatiert in Zeiten der Hilflosigkeit: Wenn wir schon nichts gelernt haben, dann stehen wir zumindest konsequent zu unserer Blödheit. (Claus Philipp, DER STANDARD, 1/12/1997)

Die Wirklichkeit wäre ja mindestens so lustig wie das Kino, wenn man ihre Absurdität nicht ständig am eigenen Leib erfahren müßte. The Second Civil War, der jüngste Film des US-Trash-Revisionisten Joe Dante (Gremlins; Piranha) , berichtet präzise davon, gnadenlos zwischen kindlicher Ironie und bösem Sarkasmus pendelnd. Von der Satire zum Politpamphlet und retour.
Die Story geht so: In einer denkbar nahen Zukunft erklärt der Gouverneur von Idaho, ein Mann, der sein Amt nicht übermäßig ernst nimmt, telegen die Grenzen seines Bundesstaates für geschlossen. Die pakistanische Waisenkinderhorde, die sich im Anflug auf die Heimat befindet, scheint ihm wenig erstrebenswert. Was er damit lostritt, protokolliert Dantes rasante Komödie: Im Studio des Nachrichtensenders News Net rotieren die Fernsehbildermacher in der moralfreien Zone, in der erlaubt ist, was gefällt; im Weißen Haus diskutiert man, auf recht trübem Niveau, mögliche Vergeltungsschläge, Ultimaten und minimierte Ausschaltimpulse; und im Büro des kriegerisch grinsenden Gouverneurs, der sich weniger an den Folgen seiner Politik als an einer TV-Journalistin in seiner Nähe (pikanterweise: eine mexikanische Immigrantin) interessiert zeigt, auch dort laboriert jeder an jeweils mehr als nur einem Problem.
Zum zentralen Schauplatz dieser Geschichte macht Dante aber einen virtuellen Raum: das Fernsehen. In ihm kreuzen sich die divergenten Ansätze, in ihm werden das Oval Office, ein Nike -Werbespot und ein Hinterzimmer in Idaho ununterscheidbar: zur ständig kippenden Bühne schneller Unterhaltung und längerfristiger Interessenwahrung. Was Amerika sein könnte, gibt im wirklichen Leben, das sich von Dantes Inferno nur geringfügig unterscheidet, die Bildermaschine CNN vor, wo die amerikanische Konsum-Demokratie endgültig pervers wird: Alle Bilder sind gleich viel wert, die privaten und die öffentlichen, die kleinen und die großen, die grausamen und die hübschen, solange sie nur dem entsprechen, was man human interest nennt. Davon erzählt Joe Dantes scharfzüngiger Second Civil War, bemerkenswerterweise für das US-Fernsehen produziert, in erster Linie.
Bei aller wirbelnder Bewegung durch die Räume, an den individuellen Schicksalen und kollektiven Ängsten vorbei, ist The Second Civil War doch auch ein Schauspielerfilm: Der Präsident (Phil Hartman), überfordert vom tumben Governor Beau Bridges, ist bei Dante eine Null, sein Berater (James Coburn) vor allem ratlos, während der panische TV-Boß Dan Hedaya seiner kündigenden Reporterin Elizabeth Peña gut zuzureden versucht, die sich von den Manövern fluchender alter Militärs (Brian Keith; Jerry Hardin) angewidert zeigt. The Second Civil War seziert Amerika, legt mühelos die Einzelzellen eines gigantischen Narrenhauses offen. Dies ist Ihr Bürgerkrieg, bleiben Sie dran, gleich nach dem Werbeblock geht's weiter. (Stefan Grissemann, DIE PRESSE, 28/11/1997)

Bei der Satire liegt gerade in der schamlosen Über- treibung die einfache Wahrheit. Dieses Paradoxon macht sie so lustig. Der US-Präsident ist ein manipulierter Trottel. Sein Land ein ethnisches Chaos egoistischer Mehr- oder Minderheiten. Das amerikanische Fernsehen jene Instanz, dessen Moral durch höchstmögliche Einschaltquoten definiert wird.
Die höchsten Amtsinhaber haben die niedrigsten Beweggründe; den Gouverneur von Idaho macht etwa eine mexikanische Geliebte unberechenbarer als jedes militärische Ultimatum an sein Heer. All das behauptet diese giftige CNN-Parodie und jedem Zuschauer schwant dabei schnell, daß derlei durchaus im Bereich des demnächst möglichen liegt.
Man sollte freilich nicht allzuviele Details preisge- ben von dieser bitterbösen Mediensatire und gnadenlosen Abrechnung mit politikgeilen Medien und mediengeilen Politikern. Es sind gerade die überraschenden Pointen, die einem hier jenes verhaltene Lachen entlocken, das wirkt, als gackere ein Huhn unter einem Würgegriff. Man lacht sich schief über das grelle Szenario vom Ausbruch eines zweiten amerikanischen Bürgerkriegs. Man lacht und lacht, bis man zu spät merkt, daß die vergifteten Spitzen auf den american way of live vieles treffen, was auch bei uns läuft. Primetime, Hauptsendezeit, gilt auch in (naher) Zukunft als ersehnter Termin für alle Beteiligten, wenn es um Sensationen geht.
Eine Schar indischer Kinder, die vor einem pakistanischen Atomschlag in Sicherheit gebracht werden sollen, geraten da schnell zum Auslöser einer nationalen Katastrophe. Der profilierungs-neurotische Gouverneur des Erdäpfelstaates Idaho will keine noch so jungen Immigranten mehr hereinlassen. Das kann sich die Regierung in Washington nicht gefallen lassen und ergreift Gegenmaßnahmen. Von den Sioux über die Islamisten bis zu den Iren fühlen sich alle Minderheiten aufgerufen, mitzumischen. Und die mexikanische Geliebte des Immigrantenfressers, eine TV-Reporterin, spielt ihr ganz besonderes Spiel...
Das vom HBO-TV produzierte Juwel schwarzen Humors war schon unlängst bei der Viennale enthusiastisch begrüßter Geheimtip, die Originalfassung mit deutschen Untertiteln ist mit etwas gutem Willen für jeden verständlich. Regisseur Joe Dante, früher eher auf Geisterbahn- Horror („Gremlins 2“) spe- zialisiert, erweist sich als Genie der Balance zwischen hinterhältiger Komik und tragischem Kriegsausbruch. Noch ein Paradoxon der Satire: Nur was man dort ordentlich in den Schmutz gezogen hat, erhält die Chance auf strahlende Sauberkeit. (Rudi John, KURIER)

Siehe IMDb

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ALIEN - DIE WIEDERGEBURT (ALIEN: RESURRECTION)

USA 1997. 108 Min
Regie: Jean-Pierre Jeunet, Buch: Joss Whedon, Musik: John C. Frizzell, Kamera: Darius Khondji, Schnitt: Hervé Schneid, Darsteller: Sigourney Weaver (Ellen Ripley), Winona Ryder (Annalee Call), Ron Perlman (Johner), Dominique Pinon (Vriess), Michael Wincott (Elgyn)
Kinostart: 28/11/1997

Ripley, mittels Gentechnik wiederauferstanden, wird im Zuge eines grauslichen Klon-Experiments zur Alienmutter. Um das fremde Wesen aus einer anderen Welt, das mittlerweile Kurs auf die Erde genommen hat, zu bekämpfen, verbündet sie sich mit einem Trupp Piraten. Der vierte, ziemlich hausbackene Eintrag in die Weltraumsaga, reich an Zitaten und Schockmomenten. (FALTER)

Eigentlich war es nicht möglich, daß ein vierter Teil der Alien-Saga entsteht. Mit Ellen Ripley (Sigourney Weaver) war die Hauptkämpferin am Ende des dritten Teils eindeutig gestorben. Doch die Gentechnik macht Unerwartetes möglich. Ripley wird geklont und kann so gemeinsam mit den fiesen Aliens wiederauferstehen. Dabei gerät das Klonen etwas daneben, wodurch auch sie selbst Wesenszüge der bösen Schleimaliens abbekommt. Gemeinsam mit ihrer neuen Mitstreiterin Winona Ryder muß sie nun die Welt erretten - nach wie vor keine leichte Aufgabe.
Ob vierte Teile unbedingt sein müssen, sei dahingestellt (man kann auch bei zweiten und dritten schon der Meinung sein, daß es nicht nötig ist); ein neuer Regisseur (Jean-Pierre Jeunet), der für seine detailgenauen Verfilmungen bekannt ist ("Delicatessen") und eine gutbezahlte Hauptdarstellerin (11 Millionen Dollar) allein garantieren auf jeden Fall noch nicht für erneutes spannendes Gruseln. (film.de)

Aliens haben Hochkonjunktur auf der Leinwand; aber eigentlich gibt es nur ein einziges, "wirkliches" Alien - das 1978 von Ridley Scott und H.R. Giger geschaffene Modell, das im Zweikampf mit Lieutenant Ripley den (scheinbar) kürzeren zog und sich in den Tiefen des Weltalls verlor (fd 22 226). Obwohl die Regisseure seither ständig wechselten und H.R. Giger nicht mehr am Projekt beteiligt ist, fiebern Genre-Liebhaber den Sequels entgegen. Von besonderem Interesse war diesmal die Frage, wie denn Ellen Ripley aus der Seitenbühne gezaubert werden wird - wo sie doch im letzten Teil "Alien 3" (fd 29 804) sich selbst zum Opfer gebracht hat, um die Menschheit vor den Zudringlichkeiten der Außerirdischen zu bewahren. Überhaupt sehen sich ja Produzenten, Drehbuchautoren und Regisseure des fast 20 Jahre währenden Unterfangens immer wieder aufs neue vor erzähltechnische und handlungslogische Herausforderungen gestellt - man muß ihrer Sorgfalt alles in allem Respekt zollen. Eine Verwässerung des Stoffes bzw. dessen hemmungslose Trivialisierung konnte verhindert werden. Zwar bewahrheitet sich auch im Fall von "Alien" die uralte Weisheit, daß das Original von seinen Nachfolgern nie erreicht werden kann (Ridley Scotts Pionierleistung bleibt also unangetastet), doch waren "Alien - Die Rückkehr" (fd 25 921) mit James Cameron und "Alien 3" mit David Fincher im Regiestuhl zweifellos akzeptabel besetzt. Die Filmemacher brachten offenbar stets den nötigen Respekt gegenüber der Legende auf - in diese Tradition fügt sich nun auch der Franzose Jean-Pierre Jeunet.
200 Jahre nach der gerade noch rechtzeitigen, aber wieder nur vorläufigen Vernichtung des galaktischen Ungeheuers gelingt es skrupellosen Wissenschaftlern, den Leib Ripleys durch gentechnisches Klonen samt ihres unheimlichen Fötus' zu reproduzieren. Einmal mehr mit der Zielsetzung, die definitive Kampfmaschine zu entwickeln, soll im fliegenden Laboratorium gleich eine ganze Farm von Alien-Setzlingen angelegt werden. Ripley weiß nur allzu gut, daß man die zerstörerische Energie der Fremdlinge nicht beherrschen kann. Sie tut sich deshalb umgehend mit einer Gruppe Weltraum-Desperados zusammen, die es im Rahmen ihrer zweifelhaften Schmuggelgeschäfte zur verhängnisvollen Raumstation verschlagen hat. Durch ihre Verbindung mit der "Saat des Grauens" hat Ripley gleichsam übermenschliche Eigenschaften gewonnen, sie fühlt sich mitunter sogar zu ihren neuen Verwandten durch dunkle Kräfte hingezogen. Zuletzt schlägt sie sich jedoch konsequent auf die Seite der menschlichen Spezies und vermag durch Vortäuschung falscher Tatsachen, den ersten Vertreter einer neuen, noch brutaleren Monster-Generation zu eliminieren. Nur mit ihrer Hilfe und durch das Zutun des unvermeidlichen Androiden gelingt es zwei Menschen, die rettende Erde zu erreichen. Freilich haben sich längst die Grenzen zwischen Mensch, Monster und Maschine verwischt. Der Umstand, daß erstmals unser Heimatplanet in greifbare Nähe rückt, vermittelt ambivalente Erwartungen. Zumindest bietet sich ungeahnter Spielraum für weitere Alien-Folgen.
Jean-Pierre Jeunet legt ein vergleichsweise hohes Erzähltempo vor: bereits nach einer runden halben Stunde bricht die außerirdische Brut aus ihren Käfigen aus und setzt zur üblichen Hatz auf die Besatzung an. Die Konstellationen an Bord sind ebenfalls weitaus vielschichtiger als in den vorangehenden Filmen. Da es sich diesmal um zahlreiche Bestien handelt, dezimiert sich auch die Gegenpartei schneller. Das Eingreifen der übermenschlichen hybriden Ripley relativiert dieses Ungleichgewicht wieder und schafft Raum für die besatzungsinterne Intrige des General Perez gegen seine Artgenossen sowie für philosophisch angehauchte Zwischentöne. Jeunet gelingt es sowohl, einige Querverweise auf seine französischen Arbeiten zu plazieren, als auch seinen persönlichen Stil mit neuen Facetten anzureichern. Anders als in "Die Stadt der verlorenen Kinder" (fd 31 468) geraten stilistische Spielereien nie zum Selbstzweck, bleiben seine überbordenden, absurden Einfälle immer zweckgebunden. Andererseits gewinnt auch der Alien-Zyklus durch diese Frischzellenkur des europäischen Autorenkinos. Nie war z.B. einer seiner Teile in solchem Maße von schwarzem Humor geprägt. Dazu trägt auch die fatalistische Perspektive Ripleys bei, die ja im Prinzip eine Wiedergängerin ist und nicht einmal mit dem Tod Berührungsängste hat - den hat sie ja schon einmal erlebt. Ihre Ambivalenz ist es auch, die über große Strecken den Spannungsbogen trägt - es erscheint nämlich keineswegs sicher, für welche Partei sie sich tatsächlich entscheidet. Es verbinden sich bei "Alien - Die Wiedergeburt" auf durchaus reizvolle Weise Ausstattung, Besetzung und Handlungsaufbau zu einem Science-Fiction-Bühnenzauber der besseren Spielart. Der Film hat zwar lange nicht mehr jene an archaische Ängste rührende Suggestionskraft von Ridley Scotts Ur-Alien, bietet aber rundum gelungene Genre-Unterhaltung. (Claus Löser, film-dienst)

„Alien – Die Wiedergeburt“, jetzt im Kino: Eine Filmserie schreibt sich fort, verselbständigt sich, während ihre Heldin, Sigourney Weaver „immer resignierter, starrer, steinerner“ gegen die galaktischen Monster kämpft und rackert. Elfriede Jelinek nähert sich in ihrem jüngsten Essay den Mächten an, die dabei hinter den „lebenden Tapeten“ der Science Fiction lauern – einer Universellen Paranoia, die im Serien-Prinzip Hollywoods eine Entsprechung findet.
Vielleicht rührt die unwillkürliche Scheu, ja Angst, die man normalerweise bei Kampfszenen mit diversen Monstern (und die Alien-Filme gehorchen ja dem uralten Schema Mensch gegen Ungeheuer, welches eben nicht-menschlich ist) empfindet, von der Ahnung her, daß es auch hinter dem Raum, in dem sich diese Kämpfe abspielen (so sehr wir auch wissen, daß es ihn gar nicht gibt), noch einen weiteren geben könnte und dahinter dann noch einen und so fort, Räume, die einen einzusaugen drohen und in denen nichts geschieht, das sich noch auf den Realraum beziehen würde. Daß uns das, was dort oben alles möglich ist, Angst macht, wäre die einfachste Erklärung. Aber vielleicht ist ja alles ganz anders und das, was man als Leere bzw. Räume unterscheidet, sind Teil von ein und derselben Mechanik. Die ursprüngliche Naturhaftigkeit dieser Räume, auch derer, die, im SciFi-Film, erst erobert werden müssen, wäre längst gezähmt durch Fleiß und Industrie, und die Verursacherin von alldem wäre: Eine Firma, die alles in der Hand hat und die Räume durch ihre Kolonisten, ihre Fracht- und Handelsschiffe sowie ihre Abgesandten jeder Ordnung, von den Offizieren bis zum Androiden, der natürlich von Den Herren Der Firma hergestellt und programmiert worden ist, zähmen und beherrschen will, wozu? In erster Linie natürlich, um sie auszubeuten.
Der US-amerikanische Romancier Thomas Pynchon (DER Autor der paranoischen Weltverschwörung, der die Alien-Filme erfunden haben könnte und vielleicht auch erfunden hat) hat in Gravity’s Rainbow, präzise wie kaum ein andrer vor ihm, von der Naturhaftigkeit (alles hängt zusammen, eins ist mit dem andern verknüpft, und der Zusammenhang ist die paranoische Verschwörung, und das einzige, das schlimmer ist, als Teil der Verschwörung zu sein, wäre: nicht Teil der Verschwörung zu sein) der großen Konzerne gesprochen.
Im modernen Nachkriegsstaat (gemeint sind nicht nur die beiden Weltkriege, sondern ALLE Kriege, die anschließend, auch wenn noch partiell gekämpft werden mag, immer vom Geschäft abgelöst werden, wie nicht zuletzt die Frachtschiffer in Alien uns zeigen) würde keine politische Gruppierung mehr als Siegerin hervorgehen, sondern eine rationale Struktur, in der das Geschäft die wahre, die rechtmäßige Autorität darstellte.
Daraus folgt, daß hinter jeder Macht eine weitere stehen muß, und ihren Eroberungen entsprechen, konkretisiert, alle diese Räume, hinter denen immer schon die nächsten warten, hüben wie drüben.
Es gibt Die Firma, einen gesichtslosen Kraken, eine Organisation, die mehr weiß als alle übrigen, weil sie alles steuert, und Die Firma kennt auch die schreckliche Struktur hinter all den Eroberungen, hinter all den Fassaden von Vielfältigkeit, Marktwirtschaft, Kolonisierung, Furcht und Strafe. Und vielleicht hat Die Firma das Alien selbst gebaut bzw. gentechnisch gezüchtet? Egal wozu. Um Menschen an ihm zu erproben oder es an Menschen zu erproben. Vielleicht besitzt Die Firma das alles, was sie zu erobern und auszubeuten vorgibt, bereits und will nur Menschen und Androiden billig entsorgen, so wie die IG Farben, das Kartell, das sich in Auschwitz, scheinbar widersinnig und gegen die eigenen Produktionsinteressen, wie z.B. Hannah Arendt nachweist, zur Vernichtung, nicht zu Arbeit und Produktion niedergelassen hatte. Der Paranoia sind keine Grenzen gesetzt, sonst wäre sie ja keine.
Und immer ähnlicher wird, was Menschen gemacht haben und machen können, dem, was sie nicht machen können, außer bei Zeugung und Geburt: Natur, zumindest ihre Nachahmung. Das Kartell selbst wächst organisch, es kann nicht anders, wie die Natur, und die einzige Konstante in den Alien-Filmen ist die Heldin, Ripley, Sigourney Weaver, sie ist die einzige, die immer gleich bleibt, nicht einmal altert, denn sie reist ja so durch die Zeit, daß diese, für sie, nicht vergeht; alles andre ändert sich, sogar ihre Tochter altert und stirbt schließlich als alte Frau. Doch, wie in einem entropischen Vorgang, kann man eine paradoxe gegenläufige Bewegung wahrnehmen, daß nämlich, je mehr Sigourney rackert und arbeitet, plant und lenkt (einmal mit Der Firma, einmal gegen sie. Ist sie Die Firma? Ist Die Firma sie? Weiß sie von den Machenschaften Des Kartells? Ist sie Teil davon?), nur die Unbelebtheit wächst, die Beteiligten immer häufiger sterben und alles immer tiefer in einen Todesschlaf zu sinken scheint, zuallererst Sigourney selbst, die immer resignierter, starrer, immer steinener zu werden scheint, obwohl sie doch der Angelpunkt von alldem ist.
Und dem Kartell, das alle, auch ihre Fäden zieht, was sie selbst möglicherweise vergessen hat, vielleicht aber auch nicht, entspricht eine Film-Firma, die, wie naturhaft, immer neue Alien-Filme produziert, die einfach nicht aufhören kann, warum? Weil es sich längst verselbständigt hat? Weil die immer noch Geld damit verdienen können? Fast scheint letzteres wieder eine zu banale Erklärung zu sein.
Das alles zu zeigen, ist in letzter Konsequenz nur im SciFi-Film möglich, denn nur hier besitzen die gezeigten Räume (jeder von ihnen seinerseits auch wieder vieldimensional) gleichzeitig die größte Realität wie die größte Irrealität, und keine andre Filmgattung kann die Räume, die Verschwörung Dahinter dermaßen plastisch bis in allen Einzelheiten evozieren. Dieses Dahinter muß allerdings dann allein aus sich selbst heraus zeigen, welche Regeln in ihm gelten: Es sind Regeln, die irgendwelche Leute aufgestellt haben, die nicht genannt zu werden wünschen, auch wenn sie gezeigt werden.
Sie haben keine Ähnlichkeit mit Spendern, die gerne ungenannt bleiben möchten. Uns Zuschauern sind die Erfahrungen jedenfalls nicht gegönnt, die Sigourney Weaver in den Alien-Filmen machen muß, sie erfährt das alles an unserer Statt, wir würden sowas nicht im Traum erleben wollen, wie man so sagt, aber anschauen wollen wir es uns schon, und wäre es zwischen den vor die Augen gehaltenen Fingern hindurch. Was wir dort aber wirklich sehen könnten, die totale Macht, der wir längst verfallen sind, das wird uns als möglich gezeigt, weil in diesen Filmen einfach ALLES möglich ist, nur damit man vergißt, daß Tod in noch mehr Tod verwandelt wird, damit man dieses Prinzip unter sehr viel Technik und Effekten gleichzeitig wieder verbergen kann.
Solange wir aber nicht versuchen, die Regeln in ihrem imaginären Raum hinter der Leinwand zu entziffern, solange werden wir auch nicht entschlüsseln können, was diese Schauspielerin dort auf der Leinwand tut. Wir werden es nie wissen, und wenn wir in das Innerste ihrer Moleküle vordringen würden. Es ist nur logisch, daß in Teil 4 die Heldin Ripley aus Molekülen und DNA wieder ganz neu zusammengesetzt wird und selbst nicht weiß, wer oder was sie ist, Untier oder Mensch.
Eine zweite, äußerlichere Komponente ist, daß es Ripley inmitten all des planetarischen Mülls, den die Entropie bereits hinterlassen hat, hinter all den Ursachen und Wirkungen, die man hierzulande „Geschichte“ nennt – aber in Wirklichkeit läuft die ja dahinter ab, eben hinter den Räumen, die uns zugänglich sind –, oft schwerfällt, überhaupt etwas zu tun.
In diesen Filmen ist die Leinwand nämlich meist sehr vollgeräumt, als wäre sie mit einer wild gemusterten und auch noch lebendigen! Tapete zugeklebt, von der sich die Heldin und ihre Mit-Spieler, die kleine Newt, Bishop, der Androide – der zuerst (Teil 2) nichts als ein sehr hochentwickelter (hoch-„gezüchteter“!) Roboter ist, aber im Lauf der Filmhandlung immer menschlicher wird, bis er der Menschlichste von allen geworden ist –, und die Kämpferinnen und Kämpfer (alle scheinbar dem gleichen, androgynen, muskulösen Geschlecht zugehörig) nur undeutlich abheben können; ja, sie müssen alle wild herumfuchteln, schwitzen, Flammen werfen, schießen, rackern, um sich den Raum der Leinwand irgendwie freizukämpfen und damit ihren Weg – anders übrigens in Teil 3, „in der Strafkolonie“, denn da haben die Protagonisten überhaupt keine Waffen, außer den primitivsten, die man schon in der Steinzeit hatte, und da müssen sie, die beinahe vollständig ausgezogen (stripped to the bones) und dazu sogar kahlgeschoren sind (was die Androgynität natürlich bis zum Äußersten steigert), ihre Körper selbst als Waffen einsetzen, also: sich buchstäblich selbst als Pfand einsetzen.
Den Platz auf der Leinwand Einräumen, Vollstellen, heißt, daß erscheinen darf, was je schon da, was „auf Zelluloid gebannt“ ist, um uns auf unsre Plätze im Davor zu verweisen. Sich Platz auf der Leinwand zu schaffen, bedeutet, von der Seite der Akteure her gesehen, ein vielarmiges, amorphes Ungeheuer von ihr erst mal zu vertreiben, das einfach überall ist, und scheint es einmal nicht zu Hause zu sein, entsteht natürlich die Spannung dadurch, daß man weiß, es ist da, aber werden die es noch rechtzeitig finden? (na, die Filmmusik hilft ihnen wenigstens dabei), ein tentakelbewehrtes Schauergeschöpf, zusammenschmelzend, schon bevor es wirklich verbrannt wird (das alte Schicksal von Hexen!), ein schauerlicher Embryo, über den sich Ripley in Teil 3, noch im Flammensturz, mit dem sie die Welt rettet, sich aber mitsamt ihrem „Kind“ vernichtet, irgendwie beinahe sorgend beugt. Das Ungeheuer wird, auch wenn es wie ein Blitz herumzuckt und partialisiert auftaucht – wahrscheinlich damit man das „Gemachte“, Gebaute, Gebastelte der Sache nicht allzu genau unter die Lupe nehmen kann, also nur ein Stück Schwanz, ein, zwei Sekunden der Kopf etc. –, zu einem beweglichen Hintergrundmuster, da es ja „überall“ sein kann und überall ist, aus dem heraus der Star Sigourney, die Anführerin, und ihre Mitspieler sich Breschen schlagen müssen, um überhaupt einmal anständig filmschauspielen zu können.
Sehen wir es einmal mit unschuldigen Augen, welche Die Firma noch nicht geschaut haben, die, ohnedies noch keiner gesehen hat, dann könnte die Sache andrerseits auch wieder recht einfach sein, so wie aus der Sicht des Arbeiters die Sache immer auch: einfach ist, er muß nämlich arbeiten, um zu leben.
Während die Bekämpfer der Fremden Wesen, der Aliens (und für die „Aliens“sind wiederum die fremden Kolonisten: Aliens), hier also ihre Medizinstation aufgestellt haben und dort ihren Androiden, den immer „menschlicher“ werdenden Abgesandten Des Kartells, dort drüben die Schlafkabinen und noch den und den Raum, den es zu erobern und zu halten gilt, und dahinter, ohne daß sie einer geklebt hätte (oder doch?), immer wieder diese Tapete, dieser originelle, aber letztendlich doch etwas schlichte Hintergrundeffekt, diese außerirdische Wucherung, die zwar das Wesentliche des Films ist, aber wesentlicher muß selbstverständlich die Heldin sein, Sigourney, die, am Ende schon fast resignierend, das Monster bekämpft, in einem Kolonisationsakt, der jedes Mal aufs neue gerade noch gut geht, aber suggeriert, daß es das nächste Mal wahrscheinlich nicht mehr klappen wird (Fortsetzung 3, da glaubt man wirklich, jetzt ist es aber endgültig aus), und damit wird uns natürlich auch jedes Mal aufs neue suggeriert, daß diese kolonisierbaren Räume nur deshalb da sind, damit Menschen mit Entschlußkraft, vorgerecktem Kinn (ungeschminkte Frauen im Film!), Liebe zu Kindern und einer guten, zum Glück schlanken und langbeinigen Figur in vernünftiger Baumwollunterwäsche, wie auch ich sie trage, sie immer wieder unermüdlich freikämpfen können, um sich dann dort, in diese schöne neue Kolonie, die auszubeuten ist (endlich ist er ungeschminkt, da, der Zweck von dem Ganzen: Ausbeutung), an Stelle derer, die vorher da waren, selbst hineinzusetzen.
Und das ganze Gerümpel, die ganzen schweizerischen Untier-Konstrukte und Belebungstricks, bewirken nur, daß jener tiefere und profundere Schrecken beim Betrachter einmal doch wieder ausbleiben wird, weil der Untergang immer auch Triumph (der Heldin) ist. Sigourney kommt davon, wenn auch am Ende von Teil 3 ziemlich zermantscht, eigentlich: verbrannt, aber das sieht man nicht mehr, sie kann aber offenkundig rekonstruiert werden, doch was aus ihr wird, scheint eine neue Gattung zu sein, eine neue Spezies, halb Person, halb Funktion, bzw. die Funktion ist ihr in Fleisch und Blut buchstäblich übergegangen. Ist das ein Rückschritt zu Teil 3, in dem Fleisch und Fleisch sich sozusagen nackt und geschlechtslos gegenüberstehen mußten? Wer oder was wartet denn in Teil 4 (ich habe ihn noch nicht gesehen) eigentlich auf diese völlig neue Art, die wir da frisch hereinbekommen haben? Wieder einmal, wie schon immer: Herrschaft. Weil was leer ist auch beherrschbar werden soll, weil was chaotisch ist auch die Strenge des Gesetzes kennenlernen soll, das aber dann wirklich für alle gelten wird, weil was noch nicht da ist, vielleicht einmal noch kommen wird. Es wird vielleicht sogar das Ewige einmal über die Zeit kommen, dann müssen da Dinge stehen, die dem gewachsen sein werden und die von uns kommen, auch wenn sie uns niemand zugetraut hat, und wäre es, daß dann einfach wir hier wohnen und es uns nicht gefallen lassen.
Der vorliegende Text ist eine Montage von Auszügen aus einem großen Essay, das Elfriede Jelinek für die Filmzeitschrift Meteor verfaßt hat. Bestellungen: PVS Verleger, Friedmanngasse 44, 1160 Wien, Tel. 407 24 97, Fax. 407 43 89.
Weitere Texte zu Film, Kunst und Theater, die bisher nicht in Buchform veröffentlicht wurden, hat Jelinek im Internet versammelt: http://ourworld.compuserve.com/homepages/elfriede (Elfriede Jelinek, DER STANDARD, 28/11/1997)

Die vierte Episode der (ad infinitum verlängerbaren) Außerirdischen-Saga "Alien" huldigt erneut Superstar Sigourney Weaver - und läßt erstmals einen französischen Ornamentalisten an die Regie. Makabres Bestienkino im gängigen Altmetall-Look.
Im Kino, wo sich ganze Jahrzehnte im 24. Teil einer Sekunde überwinden lassen, verliert die Zeit rapide an Bedeutung: Zwischen Alien 1 und Alien 2 etwa sind immerhin, in nur sieben Jahren Hollywood-Zeit, 57 Jahre erzählter Zeit verstrichen, die Heldin Ripley (Sigourney Weaver) tiefgekühlt, tief schlafend zugebracht hat. Zwischen Teil 3 und 4 sind nun gleich 200 Jahre (in vier realen Jahren) vergangen: Ripley hat den dritten Teil, mit einem Alien im Leib, zwar tot verlassen - andererseits ist ja im Fantasy-Kino nichts wirklich tot.
Ripley wird daher, der Gen-Technologie sei Dank, in Alien Resurrection / Alien: Die Wiedergeburt wiedererschaffen. Die Kriegerin gegen das außerirdische Grauen trägt das Alien nun tatsächlich in sich, nach der Verschmelzung von humanem und außerirdischem Genmaterial. Dem Inneren der geklonten Heldin wird ein Baby-Alien entnommen und in den Labors einer heruntergekommenen Raumstation gezüchtet.
Als Mama Ripley aufwacht, ergibt sich ein Konflikt: Zerrissen zwischen intellektuellen und biologischen Anforderungen, zwischen dem Wunsch nach Alien-Zerstörung und Alien-Bewahrung, hat sich die Mutantin einem Problem zu stellen, das sich aus dem Widerspruch zwischen dem schwachen Fleisch und dem willigen Geist ergibt.
Regisseur Jean-Pierre Jeunet (mit Marc Caro verantwortlich für Delicatessen und Die Stadt der verlorenen Kinder) hat die schöne Story seines Hollywood-Debüts persönlich inszeniert: Seine Handschrift, stets der finsteren Groteske zugewandt, ist hier in jedem Bild erkennbar - im Guten wie im Schlechten. Wo nicht die dunkle Phantasie des Monströsen und der Mißbildungen herrscht, regieren die Karikaturen, Weitwinkel und Zerrlinsen, die humoristische Panik.
Das Drehbuch zu Alien 4 denkt die Vorgaben der ersten drei Aliens (inszeniert von dem Spannungskonfektionisten Ridley Scott, dem Actionisten James Cameron und dem Theatraliker David Fincher) mindestens nach, wenn schon nicht weiter: das Spiel der Dezimierung innerhalb eines Mikrokosmos; Einkerkerung der Aliens und bestialische Entgleisung; weibliche Solidarität und mütterlicher Instinkt; die neuen Lebensform-Hierarchien (human-android-monströs); und - wie gehabt - der triefende Speichel, der ätzende Eiter und die Metallzähne der Monster, für immer den Designs H. R. Gigers verpflichtet.
Ein altes Problem verfolgt Jeunet allerdings: Sein Horror gibt sich zu explizit, zu sehr verliebt in seine Effects, in Alienfleisch und Alien-Anatomie. Weniger ist in solchen Fällen mehr: Schlag nach unter Tourneurs Cat People.
Alien 4 ist weniger ein Actionfilm als eine ornamentale, hochgradig verspielte Skizze vom schäbigen Leben in der Zukunft: Jeunets futuristisches Universum ist aus altem Metall und gedämpften Farben, aus Rost, Dampf und Dreck gebaut - ein Science-Fiction-Remix, der das Nebenbei, seine Gags und Pointen, oft für wichtiger hält als die Erzählung selbst.
Einige gespenstische Momente aber bleiben doch in Erinnerung: mad scientist Brad Dourifs glasige, besessene Augen; Sigourney Weaver unter Wasser, mit kreideweißem Gesicht und weit aufgerissenen Augen, auf der Flucht vor (und angezogen von) den Aliens; ein kleines Provokationsspiel mit der zürnenden Kreatur hinter Glas; oder das Blut der Fremden, wie es sich durchs Metall frißt.
Alien 4 darf, vielen trivialen Ideen zum Trotz, für sich in Anspruch nehmen, noch immer, nach so vielen Jahren und Sequels, zu den wenigen seriösen Horrorentwürfen zu gehören: Verglichen mit jenen neueren monster movies, die sich alle am Alien- Mythos bedienen, ohne ihn (stilistisch und inhaltlich) zu Ende denken zu können, verglichen mit The Relic, Species oder auch Mimic erweisen sich die Alien -Filme als tiefgründig, vielschichtig, sophisticated.
Der allererste Grund dafür liegt bei ihrem Star: Sigourney Weaver, deren Kinokarriere so alt ist wie die Alien- Serie selbst, bald 20 Jahre alt nämlich, ist um vieles besser als alles, was um sie herum passiert. Das ist leicht erkennbar: Sie trägt Alien, buchstäblich und metaphorisch, in ihrem Gesicht, ihrem Körper scheint diese Geschichte erst geboren zu werden. Vielleicht funktioniert Alien Resurrection deshalb am Ende doch: weil seine Story genau davon, von der Geburt der Fiktion aus dem Fleisch ihrer Trägerin handelt. (Stefan Grissemann, DIE PRESSE, 1/12/1997)

Das schleimige Ding west weiter, und auch im vierten Teil der Science-fiction-Serie "Alien" geht es seiner Lieblingsbeschäftigung nach: Fressen und Befruchten.
Selbst die dienstälteste Alien-Bekämpferin Ripley (Sigourney Weaver) mußte sich am Ende von Teil drei von einem der Monster begatten lassen und sterben. Nun ist die Heldin als Klon-Mutant neu entstanden und ringt mit Muttergefühlen für ein Schleimwesen, dessen Großeltern sie einst über die Kinoleinwand gejagt hatte. Erst als die Androidin Call (Wynona Ryder) auftaucht, sieht Ripley wieder klar: Das Alien ist der Feind, dem sie selbst zum Cyber-Girlie mutierte Ripley allerdings näher ist, als jemals zuvor. Dem Zuschauer gibt der französische Regisseur Jean Pierre Jeunet in dem Cyber-Märchen, trotz einiger bestechender Bilder, wenig Chancen zur Klarsicht. (DER SPIEGEL 48/1997)

Eine Horrorserie wie Klopapier. Stück für Stück von der Rolle; und wo’s herkommt, da ist noch mehr. Nein, ansonsten keine weiteren Assoziationen in diese Richtung. Das Gänsehaut-Spektakel ist nämlich durchaus kein Mist. Dieser vierte Happen schon überhaupt nicht; so unappetitlich auch der dabei obligate Killerschleim tropft, so monströs die widerlichen Außerirdischen auch erscheinen mögen.
Diese Fortsetzung hat sogar mit Delikatessen zu tun; so lautete jedenfalls der Titel jenes skurril-grusligen Überraschungshits, mit dem Regisseur Jeunet bei uns bekannt wurde. Und der war’«s auch, welcher die jüngste Brechreizversion von der Schönen und dem Biest mit Design ausstatten ließ, das an die Schreckenskabinette des Wiener Kriminalmuseums erinnert - nur daß letzteres noch viel schauriger wirkt als die manchmal fast zutraulichen Alienviecher hier. Im Grunde habe ich nie genau begriffen, was beim vierten Alien-Kapitel handlungsmäßig läuft im Raumschiff „Betty“, wo ein schurkischer General und mysteriöse Piraten die bekannten Kreaturen der Marke Würg & Ekel verwahren.
Warum diese Aliens sich überhaupt in Menschen hineinversetzfressen bzw. ihr Schreckensregiment errichten, habe ich auch nicht mehr in Erinnerung. Und wieso man die hochdekorierte Drachentöterin Ripley klonen mußte, um die frucht- und furchtbare Alienkönigin erneut monstern und schleimen zu lassen, weiß keiner.
Aber eigentlich will man das eh alles gar nicht wissen. Genußvolles Schaudern und Geschocktsein gehört zu jenen gesunden menschlichen Reaktionen, die sich nicht unbedingt nach vernünftigen Erklärungen verzehren. Man setzt sich hin wie ein Kind, um sich vom Alptraummännlein brennenden Sand in die Augen streuen zu lassen. Und den zwei überzeugenden Heldenweibern beim Weltretten zuzuschauen.
Die Weaver, diesmal düster, beklemmend, aber großartig. Und die Ryder, hier als Personalunion von Reh und Jäger in stahlharter Schönheit. Vielleicht überleben die Alien diese Neuauflage nicht. Die Alien-Fans sicher. (Rudi John, KURIER)

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