TAXI, WOHNWAGEN & STIERKAMPF
Ein Kapitel aus Dikigoros' Webseite
"AVEZ-VOUS BOURBON . . . ?"
Reisefilme des 20. Jahrhunderts
Wenn Ihr, liebe deutsche Leser, nach dem französischen Original dieses Films sucht, werdet Ihr wahrscheinlich nicht so leicht fündig, denn da die unwissenden Al[l]emannen mit dem französischen Wort "roulotte" entweder nichts anfangen können (denn wer kennt in deutschen Landen schon Joe Dassins alten Schlager "Le chemin de papa", in dem es noch vorkommt?) oder aber es für "diskriminierend" und "politisch unkorrekt" halten, weil man früher die Zigeunerwagen, pardon, die Fahrzeuge der Sinti und Roma so bezeichnete, wird es dort zumeist unter "Taxi, Roulette et Corrida" geführt. Was ein Taxi ist, das weiß jeder (das Wort "Mietdroschke" hat den Krieg nicht überlebt), Roulette dto, und "Corrida" sagte zwar schon 1958 in Spanien kaum noch jemand (da heißt es einfach nur noch "los toros [die Stiere]" - ursprünglich hieß es mal "Corrida de [los] toros" - die eine Abkürzung hat die andere verdrängt), ebenso wenig wie "Torero"; aber in Frankreich hat sich diese Bezeichnung erhalten, mit Betonung auf der letzten Silbe - unkorrekt, aber üblich, wie bei allen aus dem Italienischen oder Spanischen übernommenen Fremdwörtern. Dagegen ist die französische Betonung bei Taxi richtig (und folglich im Deutschen, Englischen usw. falsch), denn das kommt vom griechischen "taxímetros", und "Taxi" ist für den Franzosen - jedenfalls für den Pariser, und um einen solchen geht es hier ja - etwas ganz anderes als für den Deutschen. Dem letzteren gilt es immer noch ein relativer Luxus (obwohl das gar nicht stimmt; je nachdem wieviel man fährt, ist - zumindest für den innerstädtischen Verkehr - ein eigenes Auto, das man nicht nur kaufen oder leasen, sondern auch versteuern, versichern, warten, reparieren und betanken muß, ebenso teuer, wenn nicht teurer :-). Dem ersteren ist es dagegen so etwas wie eine nationale Institution, spätestens seit im Ersten Weltkrieg die Reserven für die siegreiche Marne-Schlacht in Taxis an die Front gekarrt wurden. (Nicht umsonst war Hunebelles erster großer Kinoerfolg "Monsieur Taxi" aus dem Jahre 1952.) In Paris geht man nicht zu Fuß, das eigene Auto setzt man besser nicht aufs Spiel (der berüchtigte Verkehr von Paris ist nur etwas für Profis :-), und die Metro gibt es zwar - und gab es damals schon, sie war zur Weltausstellung von 1900 eröffnet worden -, aber zumal in den Außenbezirken mit ihrem stetig anwachsenden Ausländer- und Kriminellen-Anteil wird ihre Benutzung immer gefährlicher. Der Pariser Taxifahrer ist also eine Ikone, und entsprechend viel darf er sich heraus nehmen - wie man auch an der Hauptfigur des Films sieht, dem unmöglichen Monsieur "Maurice Berger".
Dessen Besetzung mit dem auch über die französischen Landesgrenzen hinaus bekannten Louis de Funès hat einerseits den Titel der deutschen Fassung ("Wenn Louis eine Reise tut") inspiriert, ihr andererseits eine Reihe negativer Kritiken eingebracht. Gewiß, wir kennen ihn hauptsächlich aus den albernen "Fantomas"-Filmen, die Hunebelle in den 60er Jahren mit ihm gedreht hat, und als Balduin, den bekloppten Gendarmen, den er bis zum Erbrechen gespielt hat, und als solcher hängt er auch Dikigoros zum Halse raus. Aber ist das fair? An dem Briten Rowan Atkinson als notorischem "Mr. Bean" hat man sich auch übersatt gesehen - aber zuvor hatte er einige Rollen gespielt (nicht nur "Black Adder"), die nicht weniger humorig, dafür aber weniger anspruchslos waren. Und für Louis Funès galt das gleiche: Er war seit "La traversée de Paris" (in Deutschland nie gelaufen) bekannt, und seit "Ni vu, ni connu" (in Deutschland unter dem Titel "Fisch oder Fleisch" ein Flop) ein Star.
(...)
Der Stiefkampf war auf der Iberischen Halbinsel traditionell die passive Sportart schlechthin (außer im Baskenland: da war es Tennis für die Ober- und Pelota für die Unterschicht). Zwar gewann auch das Fußballspiel allmählich an Boden, zumal nachdem Mitte der 50er Jahre der Europapokal eingeführt worden war, in dem kastilische, katalanische und später auch portugiesische Mannschaften Furore machten; aber deren Erfolge wurden hauptsächlich von Legionären aus Argentinien und Ungarn getragen, wie Alfredo di Stefano, Ladislav Kubala oder Ferencz Puskas. (Nur der Ruppsack Kopa blieb in Frankreich hängen und verhalf dem französischen Fußball zu einer kurzen Scheinblüte; aber das war noch keine kulturelle Annäherung an Spanien, denn nach wie vor blieb bei den Galliern Rugby das populärere Ballspiel; erst als zwei Jahrzehnte später die Italo- und Afro-"Franzosen" auf den Plan und gegen den Ball traten, sollte es durch Fußball verdrängt werden.) Die spanischen Spieler kannte außerhalb von Fußballfan-Kreisen kaum jemand; die erfolgreichen Stierkämpfer waren dagegen - so wie in Frankreich die erfolgreichen Radfahrer - als Helden der Nation in aller Munde und Herzen. Niemand wäre anno 1958 auf die Idee gekommen, es für "grausam" zu halten, einen Stier in der Arena zu töten, statt ihn schon als Jungtier zu kastrieren, ein kurzes Leben lang im Stall zu mästen und ihn schließlich auf dem Schlachthof zu Steaks zu verarbeiten, wie sie vor allem die Franzosen von je her bevorzugt mit frittierten Kartoffelschnetzeln fressen. Pablo Picasso, ein großer Fan des Stierkampfes, hat ihn sein Leben lang in Bildern festgehalten - das einzige Thema, das er immer wieder neu aufgegriffen hat, und einige dieser Bilder werden heute in Gold aufgewogen, ob zu Recht oder Unrecht. (Aber wo geht es denn auf dem Kunstmarkt "gerecht" zu? Und in der Stierkampf-Arena? Eben :-)
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A propos mit Gold aufwiegen: Was schmuggelt man, wenn man als Franzose nach Frankreich reist? Natürlich Gold - dessen unregistrierter privater Besitz dort noch heute strafbar ist. Und was schmuggelt man, wenn man von Frankreich nach Spanien fährt (nicht vorsätzlich, versteht sich, sondern - jedenfalls im Film - ganz unwissend, weil man es von anderen untergeschoben bekommen hat)? Antwort Hunebelles: Diamanten. War das wirklich Hunebelles Antwort? Und hätte die nicht jedermann für abwegig gehalten? Nun, Otto Normalverreiser und Lieschen Müller vielleicht, aber da war ja noch der Hauptdarsteller Louis de Funès, der als solcher offenbar auch Einfluß auf das Drehbuch nehmen konnte. Na und, wie soll der auf die Idee gekommen sein? Nun, man muß die Geschichte der Familie Funès etwas besser kennen als sie in den herkömmlichen Kurzbiografien beschrieben wird. Funès war zwar in Frankreich geboren, aber seine Eltern waren Flüchtlinge aus Spanien, genauer gesagt aus Sevilla. Nein, keine politischen Flüchtlinge - so etwas hätte man damals in Frankreich nicht aufgenommen -, sondern sein Vater war ein Krimineller mit weißer Weste und viel Geld, offiziell Advokat, aber inoffiziell Diamantenschmuggler en gros. Ja, es war damals schon nicht einfach, gegen die großen Monopole der Briten in Südafrika - woher die Steine kamen - und der Juden in Amsterdam und Antwerpen - wo sie verarbeitet wurden - legal anzukommen; also versuchte man es illegal. Man durfte sich allerdings nicht erwischen lassen; und wenn man doch erwischt wurde, mußte man rechtzeitig die Kurve ins sichere Ausland kratzen.
Aber im Film geht die Reise ja in die umgekehrte Richtung, und die Diamanten kommen auch nicht mehr aus Südafrika, sondern... ja, woher eigentlich? Egal, tut eigentlich nichts zur Sache. Fragen wir lieber, seit wann ein braver französischer Demokrat überhaupt wieder nach Spanien in Urlaub reisen durfte, nachdem sich die letzten "Touristen" dort 1936-39 blutige Nasen geholt hatten, als sie sich als "Freiwillige" auf Seiten der Roten (nein, nicht auf der Seite,
die Rojos hatten viele Seiten und viele Köche, die den Brei verdarben!) in den Spanischen Bürgerkrieg eingemischt hatten? Bis 1950 war das falangistische Spanien politisch geächtet und unterlag einem UN-Boykott. (So etwas wurde damals noch wesentlich ernster genommen als heute, da die UNO ein alter, zahnloser Tiger geworden ist, den man besser notschlachten sollte - aber still und leise auf einem Hinterhof, denn für die Arena taugt er nicht mehr - als ihn noch länger durchzufüttern.) Erst mit Ausbruch des Kalten Krieges geruhten die USA, sich vom bösen, einst von
Hitler und
Mussolini
an die Macht gebrachten Gaudillo
Franco
Militär-Stützpunkte einräumen zu lassen; und 1955 wurde Spanien in die UNO aufgenommen - zum Glück nicht auch in die EWG, als die ein paar Jahre später gegründet wurde, so daß es vorerst ein interessantes - und billiges - Urlaubsland blieb.
(...)
(Fortsetzungen folgen)
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