DER BUCHHÄNDLER UND DIE SAURIER
VON DEUTSCHLAND (West) NACH DEUTSCHLAND (Ost)
"Wer Recht hat darf auch mal lügen, um Recht zu bekommen"
"Wo nur das ganze Geld für den Aufschwung Ost geblieben ist?" - "In BMWs der 7er-Reihe!"
"Man muß nur ein bißchen kriminell sein - schon bekommt man das
Bundesverdienstkreuz!"
BERTRAM V. BOXBERG: WER ZWEIMAL LÜGT (1993)
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Ein Kapitel aus Dikigoros' Webseite
"AVEZ-VOUS BOURBON . . . ?"
Reisefilme des 20. Jahrhunderts
Wenigstens eine deutsch-deutsche Filmreise wollte Dikigoros in diese Übersicht aufnehmen, und was läge da für ihn als Juristen, der den großen Goldrausch damals selber vor Ort mit erlebt hat, näher als diese Reise eines alten (vermeintlichen) Richters von Deutschland (West) nach Deutschland (Ost), um dort beim Neuaufbau des Justizwesens mit zu helfen?! Nicht daß Dikigoros so naïv wäre anzunehmen, daß die deutschen Politiker in Ost und West "ihre" Völker und Stämme nur zweimal belogen und betrogen hätten - gerade in Sachen "Wieder"-Vereinigung haben sie das vielmehr hundertfach getan -, aber er hat den Film-Titel nicht gemacht, und der Regisseur ist wohl ein bißchen zensiert worden, denn seine Hauptgestalt, der brave Buchhändler Franz Hübner aus Frankfurt am Main, lügt eigentlich nur einmal: Er gibt sich als pensionierter Richter Philipp Binger aus und reist als solcher nach "Freythal" (Freital bei Dresden), um dort eine Stelle als Direktor des Kreisgerichts anzutreten. Das heißt, eigentlich wollte er gar nicht Direktor werden, und eigentlich wollte er das ganze Abenteuer nicht - er ist da "hineingezogen worden", wie er später sagt. Und das kam auf so ungewöhnliche Art und Weise, daß sie schon wieder typisch ist für den Gang der Bürokratie im allgemeinen und der deutschen im besonderen. Dr. Philipp Binger, Senatspräsident (heute nennt man das "Vorsitzender Richter", was eine zutreffende Übersetzung des lateinischen Fremdworts ist, ebenso wie es korrekt war, den Präsidenten der DDR in "Staatsrats-Vorsitzenden" umzubenennen) am Oberlandesgericht Frankfurt, wird pensioniert. Seiner langjährigen Haushälterin (er ist schon lange geschieden) hatte er versprochen, danach den Lebensabend mit ihr gemeinsam in Spanien zu verbringen. Aber wie es so kommt - als es so weit ist, sucht er sich eine jüngere, knackigere Begleiterin und läßt seine arme Perle im Frankfurter Regen stehen mit den schnöden Abschiedsworten: "Kopf hoch, Frau Mertens, mein Bruder wird hier alles abwickeln und sicher auch eine nette kleine Wohnung für Sie finden." Aber die Perle rächt sich. Zunächst einmal, indem sie nach und nach Bingers umfangreiche juristische Bibliothek zum Buchhändler Hübner trägt. Dabei kommen sie auch privat ins Gespräch: Mertens erzählt, daß Binger die Bücher nicht mehr brauche, da er ja nach Spanien ausgewandert sei, und Hübner erzählt, daß er nach dem Krieg kein Geld für ein Jura-Studium hatte und statt dessen das juristische Antiquariat aufmachte. Die meisten Bücher habe er sogar gelesen und so "gewissermaßen 80 Semester Jura studiert. Ich wäre ein guter Richter geworden," sagt er. ("Aus Rache" hilft er ab und zu einer armen alten Oma, Amtsgerichtsprozesse zu führen, indem er ihr die Schriftsätze zusammen pinselt, wobei er ungeniert nach dem Motto aus der dritten Zeile der Überschrift verfährt.)
Dafür hat sein Sohn Sven es zu etwas gebracht: Staatssekretär im hessischen Justiz-Ministerium - "drüben in Wiesbaden; und es wäre kein Wunder, wenn er sogar noch Minister würde." Sven Hübner ist einer jener skrupellosen, aalglatten, widerwärtigen Karrieristen, die heutzutage nicht nur die deutsche Polit-Szene beherrschen - blendend entworfen, besetzt und gespielt von Gerd Wameling. [Seit der Komödie "Mein Sohn, der Herr Minister" von 1937 mit Hans Brausewetter als Kulturminister Robert Fabre-Marines wurde diese Figur nicht mehr so glänzend in Szene gesetzt; leider ist jener Film seit 1945 verboten, zum einen weil er in Frankreich spielte, zum anderen weil der Regisseur Veit Harlan hieß, und last but not least weil die schonungslose Demaskierung des parlamentarischen Regierungs-Systems, wie es sich all den schönen Fassaden zum Trotz hinter den Kulissen wirklich abspielt, auch den heutigen Demokratisten peinlich ist.] Um seiner Karriere etwas auf die Sprünge zu helfen, hat sich Hübner junior nach der "Wiedervereinigung" zwischen BRD und DDR etwas ausgedacht: Zur Behebung des akuten Richtermangels in der ehemaligen DDR ruft er über die Medien alle pensionierten BRD-Richter auf, sich zu melden, um ihre "große Sachkompetenz" noch einmal im Osten der Republik einzubringen. Leider meldet sich kein Schwein, die Blamage ist groß und der Minister äußerst ungehalten. Die Journaille spekuliert schon auf den Sturz des Staatssekretärs, und just der Zeitungsartikel liegt im Antiquariat Hübner herum, als Frau Mertens dort den nächsten Schub Bücher abliefert. "Was soll man machen, wenn alle pensionierten Richter nach Spanien gehen?" fragt er sie, die plötzlich die Möglichkeit erkennt, drei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: Dem Buchhändler seinen großen Traum vom Richteramt zu verwirklichen, dessen Sohn vor dem Sturz zu retten und sich selber an ihrem treulosen Chef zu rächen: Sie nimmt einen Briefkopf des letzteren und schreibt in seinem Namen eine Bewerbung als Richter in den neuen Bundesländern. Sven Hübner, der den alten Binger gar nicht mochte, ist entsetzt; aber absagen kann er ihm nicht, denn er ist der einzige Bewerber und somit seine einzige Rettung. "Aber regeln Sie die Reaktivierung schriftlich," sagt er seinem Referenten, "ich will den Kerl nicht mehr sehen. Und schicken Sie ihn an eine kleine Provinz-Klitsche, da kann er nicht so viel Schaden anrichten." Von da an nimmt das Verhängnis seinen Lauf, und zwar - mit einigen kleinen Schönheitsfehlern - mit einer Stringenz wie (und durchaus größerer Schlüssigkeit als) in Kishons "Blaumilchkanal", der berühmten Satire auf die israelische Bürokratie.
Hübner schlittert immer tiefer in die Sache hinein. Eigentlich ganz unvorsätzlich, er bemüht sich vielmehr, irgendwie wieder heraus zu kommen, indem er seinen Sohn im Ministerium aufsucht und ihm erzählt, Binger habe ihn beauftragt die Bewerbung zurück zu ziehen. Seine Frau habe es ihm verboten. "Du sollst mir das ausrichten, Vater?" fragt der mißtrauisch. "Ja, Binger ist das doch peinlich." Just in dem Moment trudelt ein Schreiben von Frau Mertens im Namen von Frau Binger ein: Ihr Mann verlange für seinen funkelnagelneuen BMW eine beheizbare Garage in unmittelbarer Nähe des Gerichts - was es dort natürlich so kurz nach der Wende noch nicht gibt. "Was machen wir denn nun?" fragt der Referent. Hübner (der gar keinen BMW hat - geschweige denn einen funkelnagelneuen -, sondern nur einen alten VW-Käfer) findet die passende Lösung: "Binger hat Angst, daß sein Wagen ohne Garage rostet. Bei einem Dienstwagen wäre ihm das sicher ziemlich schnuppe." Also bewilligt sein Sohn einen dicken BWM als Dienstwagen für Richter Binger, und Hübner - der insgeheim schon Buch führt, was er alles ausgefressen und dafür an Strafe zu erwarten hat - notiert: "Erschleichen eines Dienstwagens, 3 Monate." Dann verabschiedet er sich von seinem Vater mit der (zweiten?) Lüge, daß er nach Spanien auswandere; und ein paar Tage später sitzen er und Frau Mertens alias Frau Binger ("die Frau an seiner Seite, ich werde Sie doch nicht im Stich lassen!") in besagtem BMW und düsen los gen Osten, zunächst wohlgemut: "Das Komische an der Sache ist," sagt Hübner, "daß ich fast gar kein schlechtes Gewissen habe." - "Warum auch?" gibt Frau Mertens zurück, "das hat der Kanzler doch klipp und klar gesagt: nach der Einheit geht's uns besser." - "Da hat der Kanzler Recht," meint Hübner. Doch als sie am herunter gekommenen Stadtrand von Freythal ankommen und sehen, daß der Kanzler da wohl doch nicht so ganz Recht hatte, stellt Frau Mertens die Frage aus der vierten Zeile der Überschrift, und Hübner gibt die dort zitierte Antwort. Ja, liebe Leser, das klingt biestig; aber das schließt nicht aus, daß es trotzdem wahr ist. Dikigoros hat selber mit erlebt, wie "Drücker" der westdeutschen Kreditinstitute den armen, geschäftlich unerfahrenen (aber west-Auto-geilen) Ossis, die man in die Selbständigkeit geschwätzt hatte, gleich mehrere BMWs angedreht haben (einen fürs Geschäft, einen privat und einen für die Frau), wenn der Existenzgründungs-Kredit noch nicht vollständig ausgeschöpft war. [Und heute wundert man sich - im Ernst? - daß all diese Kredite notleidend geworden und die Geschäfte dieser "Selbständigen" durch die Bank in Konkurs gegangen sind!]
Im Kreisgericht Freythal wartet schon ein - herrlich gelungenes - Kleeblatt aus ehemaligen Ossi-Juristen, die alle Facetten der DDR-Bürger ausleuchten: Richterin Lenz, die aufmüpfige, die äußerst empört ist, daß sie nun auch in der neuen BRD wieder von "sklerotischen Greisen" gelenkt werden sollen: "Das hatten wir doch schon mal," meint sie schnippisch. "Wir sollten uns mit solchen Äußerungen besser zurück halten," meint Richter Sauer, der typische Mitläufer und Duckmäuser, der immer schön den Kopf einzieht und den Mund hält. Und dann ist da Staatsanwalt Krause, der Aktivist und Schleimer, der keine Gelegenheit ausläßt, seinem neuen Vorgesetzten in den Hintern zu kriechen. Er rasiert sogar seinen langen Vollbart ab, da er im Antiquariat ein Buch des echten Philipp Binger ("Leitfaden für den jungen Juristen" aus dem Jahre 1955) gefunden hat, dem er entnehmen zu können glaubt, daß zur Autorität des Gerichts auch ein glatt rasierter Staatsanwalt gehört. Und dann arbeitet am Gericht noch der ehemalige SED-Kreissekretär Krakowski - als Hausmeister und Gärtner, denn seine Partei-Karriere ist "natürlich" flöten. [Hier hat der Film eine kleine logische Schwäche, denn in Wirklichkeit haben ja die meisten SED-Parteibonzen auch nach der "Wiedervereinigung" Karriere gemacht oder wenigstens eine fette Pension bekommen; jedenfalls hatte es keiner von denen nötig, sich als Hausmeister oder Gärtner zu verdingen.] Als Hübner bei Gericht ankommt - passender Weise in dem eleganten Anzug des echten Binger, den ihm Frau Mertens extra heraus gesucht hat - erfährt er (der glaubte, sich als "einfacher kleiner Richter" beworben zu haben) zu seinem Entsetzen, daß man ihn hier zum Direktor gemacht hat. "Das kann ich doch gar nicht," jammert er. Aber er findet eine Lösung: Er drückt Staatsanwalt Krause die Geschäftsverteilungspläne und den übrigen Papierkram aufs Auge, und seine Verhandlungen den beiden Ex-DDR-Richtern. Dann vertauscht er den eleganten Anzug mit ein paar alten Klamotten und hilft Krakowski bei der Gartenarbeit. Frau Mertens erzählt er freilich, daß er fleißig den Richter spiele, und Krause - den er auch mit ihr ins Theater nach Dresden schickt ("Wagner ertrag' ich nicht!") - deckt diese Lüge. So weit so gut.
Bis Frau Mertens sich eines Tages selber von seinen Leistungen als Richter überzeugen will; und da spielt er ihr einen Binger vor, daß es nur so kracht: Er verknackt einen jungen Mann, der ein Radio geklaut hat, unbarmherzig zu einer hohen Geldstrafe. Allerdings läuft er ihm nach der Verhandlung auf die Straße nach und ersetzt ihm die Geldstrafe aus eigener Tasche, ohne zu wissen, daß die drei DDR-Juristen ihn dabei über die Video-Kamera am Eingang (ja, so etwas gab es auch schon - und gerade - in der DDR!) beobachten. "Dafür schicken die doch keinen Senatspräsidenten her," meint Sauer, "der soll nicht über Angeklagte urteilen, der hat hier eine andere Funktion." - "Ja, aber welche?" fragt Frau Lenz und stürzt zum Fenster. Dort stecken Hübner und Krakowski gerade die Köpfe über irgendwelchen Papieren zusammen. Es handelt sich um eine archäologische Arbeit Krakowskis über die Saurier, die nach seiner Meinung in grauer Vorzeit in Freythal gelebt haben: "Ich habe alle Beweise gesammelt; aber ich finde keinen Verlag." - "Kein Problem," meint Hübner (der natürlich als Buchhändler alle Verlage kennt), "ich werd's weiter leiten." Dann klemmt er sich die gelbe Plastiktüte, in der das Manuskript steckt, unter den Arm und schlurft von dannen, mit Argus-Augen verfolgt von den drei Ex-DDR-Juristen - die den harmlosen Dialog nicht mitgehört haben und sich ihren eigenen Reim auf Bingers Zusammenarbeit mit Krakowski im allgemeinen ("Die schicken doch keinen Senatspräsidenten her, um Tulpenzwiebeln in den Gefängnisgarten zu setzen!") und auf die "Aktenübergabe" im besonderen machen: "Plötzlich ergibt alles einen Sinn," meint Sauer, "bei Krakowski sitzt er an der Quelle." Aus der gelben Tüte luken nur die drei Anfangsbuchstaben des Autoren-Namens: "KRA" - "Kra, Kra, Kra... Krause?!" entfährt es Frau Lenz. Und nun spielt sich das ab, was nach der "Wiedervereinigung" tatsächlich tausendfach passiert ist: Ein ertappter Ossi sitzt mit seinen noch nicht ertappten Kollegen am Kaffee-Tisch und beratschlagt, wie er den Kopf mit Leugnen und Lügen aus der Schlinge ziehen kann: "Ja," sagt Krause gequält, "da waren zwei Fälle von Republik-Flucht. Ich hatte Urlaubsvertretung, da mußte ich die zur Anklage bringen. Auf dem Fragebogen für den Prüfungs-Ausschuß habe ich sie natürlich nicht angegeben..."
Unterdessen nimmt das Verhängnis auch im hessischen Wiesbaden seinen Lauf. Der Justizminister hat vom Ministerpräsidenten erfahren, daß dieser und der echte Binger dicke Freunde sind; und nun gibt es endlich einen Anlaß, letzterem das Bundesverdienstkreuz umzuhängen! "Binger im Beitrittsgebiet, Dank Ihnen," sagt er zu seinem Staatssekretär, "wie haben Sie das bloß geschafft?" - "Stundenlange persönliche Gespräche," lügt Sven, und - auf Befragen, wie sich Binger denn so mache: "Ganz der alte - hart aber gerecht." Dann macht auch er sich daran, sich beim vermeintlichen Spezi des Ministerpräsidenten einzuschleimen, und schreibt ihm einen netten Brief, in dem er ihm u.a. zur Versöhnung mit seiner geschiedenen Frau gratuliert - von der er ja annimmt, daß sie mit ihm in Freythal sei. So kommt heraus, daß Frau Mertens Hübner belogen hat, und der nimmt sich das sehr zu Herzen. Aber noch viel schlimmer ist die Sache mit dem Bundesverdienstkreuz, denn Sven will die Verleihung persönlich vornehmen, im Rahmen einer öffentlichen Feierstunde in Dresden. Hübner fällt fast vom Hocker, als er das vorab in der Zeitung liest [durchaus glaubhaft, liebe Leser - die Betroffenen politischen Handelns erfahren das ja oft ganz zuletzt - jedenfalls lange nach den Medien] und zitiert bei dieser Gelegenheit den Spruch aus der fünften Zeile der Überschrift. [Wiederum ein biestiger Satz - und ob er heute noch stimmt? Oder sind die Anforderungen nicht inzwischen ebenso gestiegen wie die für andere Preise? Für den Friedens-Nobelpreis z.B. genügt es längst nicht mehr, Kriegsverbrecher oder Massenmörder zu sein, wie noch zu Zeiten eines Arafat, und für den Literatur-Nobelpreis nicht, bloß Analfabet oder Legastheniker zu sein. Nein, heute muß man außerdem noch Kommunist, Jude oder schwul bzw. lesbisch sein - und da soll es für das große BVK ausreichen, "nur ein bißchen kriminell" zu sein? Wer's glaubt...] Dabei würde natürlich alles heraus kommen, und das wäre nicht nur Hübners Ende als falscher Richter, sondern auch das der Karriere seines Sohnes, dem wohl niemand glauben würde, daß er seinen eigenen Vater unwissentlich als falschen Richter nach Ossiland geschickt hat - zumal er ja behauptet hat, mit "Binger" zuvor "stundenlange persönliche Gespräche" geführt zu haben.
Da kommt der Zufall zu Hilfe in Person von Krauses Datschen-Nachbarn, einem alten Stasi-Agenten. "Habe gehört, daß du in der Klemme steckst." - "Hört ihr immer noch alles?" fragt Krause zurück. [Ja, liebe Leser, auch dieser kleine - aus juristischen Gründen in eine Frage gekleidete - Satz trifft die Wahrheit nur zu genau: Die hauptamtlichen Stasi-Agenten sind nach der "Wiedervereinigung" allesamt warm und trocken untergekommen, meist als gut dotierte Angestellte bei den so genannten "Arbeitsämtern", die ja mehrheitlich in den ehemaligen Stasi-Gebäuden untergebracht wurden - warum sollte man da nicht auch gleich die Mitarbeiter übernehmen, zumal sie meist noch Akten über Leichen in den Kellern westdeutscher Politiker hatten?! Allenfalls ein paar kleine IMs - inoffizielle Mitarbeiter - hat man fertig gemacht, wenn sie kein belastendes Material über Wessi-Bonzen in der Hand hatten - aber auch nur dann.] "Ja, das haben die Kollegen gesammelt und aufbewahrt. Was dieser Binger auch immer für Material über dich hat, unseres über ihn ist besser..." - "Nein." - "Doch. Der junge Binger war Richter an einem NS-Sondergericht. Er hat noch in den letzten Kriegstagen einen 15-jährigen zum Tode verurteilt wegen Diebstahls von einem Sack Kartoffeln und sogar noch die Hinrichtung protokolliert!" Sagt's und übergibt ihm die Akten. "Das ist ja allerhand", meinen Sauer und Lenz, "und sowas schnüffelt in unserer Vergangenheit herum". Lenz will gleich die Presse anrufen. "Bist du verrückt?" meint Krause, "du hast wohl vergessen, daß der noch meine Akten hat. Was nützt mir das Zeug noch, wenn es schon in der Zeitung gestanden hat?!" - "Ach," sagt Lenz gutmenschlich-betroffen, "du willst deine Vergangenheit eintauschen gegen diese Vergangenheit? Dann solltest du vielleicht wirklich kein Staatsanwalt mehr sein, Krause, Nazi-Verteidiger wäre besser."
[Nachtrag 2006. Es ist schon pikant, daß die Rolle der "unbelasteten" Richterin Lenz ausgerechnet mit der Ex-DDR-Staatsschauspielerin Jenny Gröllmann besetzt worden ist, von der inzwischen bekannt ist, daß sie für die Stasi gearbeitet hat - bei der Gauck- bzw. Birthler-Behörde liegen rund 250 Seiten Denunziantenberichte von ihr herum. Ihr Anwalt hat inzwischen mehrere Gegendarstellungen erwirkt, wonach sie keine feste Mitarbeiterin der Stasi gewesen sei und auch keine Verpflichtungserklärung unterschrieben habe; sie habe ihre Kollegen halt nur mal so ein wenig bespitzelt, und außerdem sei das ja zu DDR-Zeiten nicht strafbar gewesen. Da hat er zweifellos Recht, und was bis 1989 in der DDR nicht strafbar war, das kann doch auch heute in der Groß-BRD alias BRDDR nicht strafbar sein - oder? Dieser Meinung ist z.B. auch die linksliberale Frankfurter Rundschau, deren Kolumnist gar kein Verständnis dafür hat, daß die Stasi-Akten-Behörde einen derartig schwer wiegenden Geheimnisverrat begehen konnte, indem sie Gröllmanns Akten Dritten - u.a. ihrem mittlerweile geschiedenen Ehemann Ulrich Mühe (Dikigoros' Leser werden sich erinnern: er spielt den Verlagsleiter in Schtonk) - zugänglich machte; denn die Aufgabe dieseer Behörde ist doch nicht das Aufdecken, geschweige denn das Aufarbeiten jener Stasi-Vergangenheit, sondern deren Vertuschung. Und Dikigoros hatte sich immer gewundert, daß Jenny Gröllmann diese rhetorische Frage - die doch aus dem Munde einer Unbelasteten mit so richtig schöner Selbstgerechtigkeit kommen müßte - mit einem derart sauertöpfisch-betretenen Gesichtausdruck spricht. Das hätte doch auch der Regisseur bemerken und die Szene neu drehen müssen - schwache Leistung, Herr v. Boxberg!]
Krause beantwortet Gröllmans, pardon Lenz' Frage nicht, sondern nimmt die Akte wortlos wieder an sich. Aber wir, liebe Leser, wollen doch einmal kurz inne halten und über diese böseste Frage des ganzen Films nachdenken. Was wird da verglichen? Äpfel mit Birnen? Weiß Gott nicht! Machen wir uns zunächst einmal frei von der albernen Vorstellung einer "Nazi"-Rechtsprechung. Nie wieder war die Rechtsprechung in Deutschland so frei wie im Dritten Reich - wenn man darunter nicht die völlige Ungebundenheit an Recht und Gesetz verstehen will -, das zeigt u.a. der berühmt-berüchtigte Strafprozeß um den Reichstagsbrand von 1933, in dem die bulgarischen KP-Funktionäre, die als Mittäter van der Lubbes angeklagt waren, mangels Beweises (den man leicht hätte "konstruieren" können) frei gesprochen wurden - sehr zum Ärger der NS-Regierung. Aber die Richter genossen damals noch eine politische Unabhängigkeit, wie sie in der BRD - wo die Richterstellen (jedenfalls die höheren, die wirklich etwas zu richten haben) streng nach Parteibuch vergeben werden - undenkbar wäre. Aber das nur vorweg.
Zur Sache: Wer im Krieg säckeweise Kartoffeln stahl, brauchte nicht vor ein NS-Sondergericht gestellt zu werden; er wäre vor jedem ordentlichen (und außerordentlichen) Gericht einer kriegführenden Macht zum Tode verurteilt worden, zumal dort, wo Hungersnot herrschte. (Nur in den USA, wo das nicht der Fall war, hätte das vielleicht nicht ausgereicht. Aber wenn ein 15-jähriger Negerjunge einen Sack Zucker gestohlen hätte - der war damals auch dort rationiert - hätte er ebenfalls die Todesstrafe riskiert. Strafmündig wurde - und wird - man in beiden Rechtsordnungen mit 14. Dagegen gehen 13-jährige Mörder hüben wie drüben bis heute straffrei aus.) In den letzten Kriegstagen, als die deutschen Lebensmittelvorräte von den Amerikanern bereits systematisch zerstört wurden, begann man in Deutschland zu hungern. Wer ein paar Kartoffeln geklaut hätte, um davon seinen eigenen Hunger zu stillen, wäre allenfalls wegen "Mundraubs" (so hieß das damals und noch zu Dikigoros' Studienzeiten) zu ein paar Tagen Bau auf Bewährung verurteilt worden, wenn überhaupt. Aber ein halbwüchsiger Krimineller, der zuhause - andere Jugendliche in dem Alter standen auf deutscher und russischer Seite an der Front! - säckeweise Kartoffeln stahl, um damit auf dem Schwarzmarkt zu handeln, der verdiente nicht mehr und nicht weniger als die Todesstrafe. Ein Teller oder kein Teller Kartoffelsuppe am Tag konnte damals in Mitteleuropa für Millionen Menschen den Unterschied zwischen Leben oder Tod ausmachen, und zwar einem äußerst grausamen Tod, denn es ist etwas anderes, ob man eine Kugel in den Kopf (oder auch einen Strick um den Hals) bekommt oder langsam und qualvoll verhungert. Fahrt in den Irak oder nach Afģānistān, liebe Leser, und sprecht mit Menschen, die ihre eigenen Eltern, Kinder und Geschwister haben verhungern sehen (die im Durchschnitt sicher nicht mehr oder weniger auf dem Kerbholz hatten, so sie nicht Partei-Bonzen oder Mullahs waren, als die durchschnittlichen Nicht-Partei-Bonzen und Nicht-Nazis 1945 in Deutschland), wie das ist. Jemanden verhungern zu lassen erfüllt also das Tatbestandsmerkmal "besondere Grausamkeit" des Mordes; und in anständigen Rechtsordnungen stand (und steht) auf Mord noch immer die Todesstrafe. Wer einen solchen Mörder nicht zum Tode verurteilt hätte, wäre selber mitschuldig geworden. Soviel zu den vermeintlichen Untaten des "Nazi-Richters" Binger.
Dem gegenüber steht nun im Film (und in der Wirklichkeit!) die zur Bagatelle herunter gespielte Tat des DDR-Staatsanwalts a.D. Krause: Er hat doch nur zwei Anklagen gegen "Republik-Flüchtlinge" geschrieben. Na und? Ja, liebe Leser, und. Dieser Staatsanwalt war (wie alle seine Kollegen aus der Ex-DDR!) Teil eines Regimes, das "seine" Menschen der Freiheit beraubte und sie, wenn sie zu fliehen suchten, entweder schon an der Grenze ermordete oder durch einen Justiz-Mord zum Zuchthaus verurteilte, wo die meisten von ihnen langsam verreckten oder nach Jahren als zerbrochene menschliche Wracks heraus kamen. (Dikigoros kennt solche Fälle persönlich - die echten, nicht die trojanischen Pferde, die korrupte Polit-Bonzen und Mittäter der BRD für teures Geld ins Land holten und sich nicht entblödeten, diese Operationen ihren dumm gehaltenen Bürgern als "Freikäufe" zu verkaufen!) Für diese Stasi-Schweine und ihre Handlanger in Ost und West hätte die Todesstrafe wieder eingeführt werden müssen - aber was geschah? Sie wurden entweder gar nicht erst angeklagt oder zu läppischen Bewährungs-Strafen verurteilt. Und da man sie schon strafrechtlich nicht belangte, wehrten sie sich auch mit Erfolg dagegen, zivil- oder arbeitsrechtlich belangt zu werden: Wenn sie etwa nicht in den Staatsdienst übernommen wurden oder aus demselben entlassen wurden weil sie - wie Staatsanwalt Krause - einfach ein wenig auf dem Fragebogen gelogen hatten -, dann klagten sie sich mit fast 100%iger Erfolgsquote vor den Arbeitsgerichten wieder ein - schließlich waren die entweder mit Ex-DDR-Richtern besetzt oder mit "trojanischen Pferden", die als DDR-Spione im Westen den Marsch durch die Instanzen gegangen waren und nun als (nicht pensionierte, sondern aktive) Richter dorthin zurück kehrten. Diese größte Schande der insgesamt schändlichen "Wiedervereinigung" zwischen BRD und DDR steht hinter dieser Film-Episode; und Dikigoros kann nur hoffen, daß der Zuschauer die Frage nach dem Tausch der "Vergangenheiten" - anders als Staatsanwalt Krause im Film - mit einem klaren "Nein" beantwortet, und zwar aus dem entgegen gesetzten Grund, den die DDR-Richterin Lenz dafür vorgibt: Was der "Nazi"-Richter Binger getan hat war nicht nur rechtens, sondern auch im moralischen Sinne gerecht; was dagegen der DDR-Staatsanwalt Krause begangen hat, waren zwei todeswürdige Verbrechen.
Exkurs. Man muß nicht lange überlegen, um heraus zu finden, welches historische Vorbild für die Vergangenheit von "Dr. Phil. Binger" Pate gestanden hat: Ersetzt einfach das "Ph" durch ein "F" (schließlich wird es genau so gesprochen!) und laßt den Punkt weg... Einige Leser erinnern sich vielleicht noch an die üble Rufmordkampagne, die vor rund einem Viertel-Jahrhundert gegen den baden-württembergischen Ministerpräsidenten Dr. Filbinger angezettelt wurde. (Nun wird auch klar, weshalb im Film noch der alte Dienstgrad des "Senats-Präsidenten" bemüht wurde, den es schon seit Jahrzehnten nicht mehr gibt!) Wie wir heute wissen, war das eine konzertierte Aktion der ostberliner Stasi und der westdeutschen SPD - die ja auch sonst immer eng zusammen arbeiteten und arbeiten, von der Gründung der alten SED anno 1946 in Berlin unter den heimlichen Päderasten Grotewohl und Pieck über das gemeinsame Saarbrücker Programm anno 1988 unter Lafontaine und Honecker bis zur Gründung der neuen SED ("rot-rote Koalition") anno 2002 in Berlin unter den bekennenden Schwulen (ja, liebe Leser, die Zeiten haben sich geändert, und einige meinen, das sei auch gut so!) Wowereit und Gisy. Filbingers "Verbrechen" war es gewesen, im Dritten Reich "Marinerichter", genauer gesagt "Marinestabsrichter" gewesen zu sein. Nun war das wohlgemerkt nur ein Dienstgrad, keine Dienststellung; Filbinger fällte keine Urteile als Richter, sondern nahm die Funktion des Anklägers, also eines Staatsanwalts, wahr; und anders als in der DDR waren im Dritten Reich dessen Anträge für das Gericht völlig unverbindlich: Es konnte Angeklagte frei sprechen, auch wenn Todesstrafe beantragt wurde, und zum Tode verurteilen, auch wenn Freispruch beantragt wurde. So formulierten die Jäger Filbingers um Rolf Hochhuth denn auch sehr vorsichtig, nannten ihn nur einen "Marinerichter" und "furchtbaren Juristen", keinen furchtbaren Richter, und sprachen - anders als Teile der Schmierenpresse dies taten und bis heute tun - nicht davon, daß Filbinger Todesurteile gefällt habe, sondern nur davon, daß er an ihnen "mitgewirkt" habe. Das war korrekt, und deshalb verlor Filbinger auch seine Unterlassungsklage gegen Hochhuth; aber in den links gerichteten Medien wurde ein ganz anderer Eindruck erweckt: Filbinger, der Nazi-Richter, der arme Deserteure zum Tode verurteilt hatte... Dabei war kein einziges dieser Urteile juristisch, moralisch oder in sonst irgend einer Weise angreifbar; die Verurteilten waren keine Kartoffeldiebe, sondern Kameradenmörder und andere Schwerverbrecher, von denen zwei, die in absentia zum Tode verurteilt wurden und nach Schweden flohen, auch von BRD-Gerichten, an die sie später ausgeliefert wurden, zu hohen Zuchthaus-Strafen verurteilt wurden. (Der Todesstrafe entgingen sie nur dadurch, daß diese mittlerweile abgeschafft war.) Aber in dem hysterischen politischen Klima des Jahres 1978 reichte das, um den Ex-Marinerichter Filbinger als Ministerpräsidenten zu stürzen und seine politische Karriere zu beenden. Fürwahr ein schönes Vorbild, das ein bezeichnendes Licht auf die Bananenrepublik Deutschland wirft!
Aber damit nicht genug: Inspiriert von Boxbergs Film begab sich die rote Meute Mitte der 90er Jahre noch einmal auf die Hetzjagd - mit dem erklärten Ziel, von den Verbrechen der furchtbaren DDR-Juristen abzulenken, von denen einige wenige damals vor Gericht standen. Als Zielscheibe suchten sie sich den Vizepräsidenten des Deutschen Roten Kreuzes, Hartwig Schlegelberger, heraus, der ebenfalls Ex-Marinerichter, CDU-Mitglied und Bundesverdienstkreuz-Träger war. (Warum es jemand vom DRK sein mußte? Nun, das war eine CDU-nahe Einrichtung, die anderen verdienstvollen Spendensammlungs-Vereinen Gelder entzog, z.B. der FDP-nahen "Deutschen Krebshilfe" von Mildred Scheel, die zu DDR-Zeiten so weit gegangen war, ihre Spenden-Medaillen von Stasi-Medailleuren entwerfen und sie wie diese bei der VEB Münze der DDR in Ostberlin prägen zu lassen - das war billiger als im Westen und brachte dem SED-Regime dringend benötigte Valuta!) "Wenn der Mann nach gleichem Recht wie frühere DDR-Richter beurteilt würde," hetzte der Spiegel 1995, "dann säße er längst auf der Anklagebank." Tja, so wird Geschichte gefälscht! Schlegelberger wurde noch im selben Jahr abgesetzt und starb zwei Jahre später als gebrochener alter Mann. Welche Prädikate darf Dikigoros dafür verleihen? "Furchtbarer Regisseur"? "Furchtbare Journaille"? Jedenfalls haben beide an diesem Todesurteil "mitgewirkt"! Dennoch hat selbstverständlich auch Herr Augstein, der Herausgeber des roten Polit-Magazins, das Filbinger und Schlegelberger auf dem Gewissen hat, das Bundesverdienstkreuz verliehen bekommen. (Darf Dikigoros in diesem Zusammenhang noch einmal an die fünfte Zeile der Überschrift erinnern?) Aber damit hier nicht der falsche Eindruck entsteht, daß die Sozis an allen Übeln der Justizgeschichte der BRD schuld und die Christ-Demokraten immer nur die armen Opfer gewesen seien, will Dikigoros nicht unerwähnt lassen, daß all das in der Legislaturperiode 1957-1961 seinen Anfang nahm, als die CDU ganz alleine die Regierung stellte. Die älteren unter Euch erinnern sich vielleicht noch an die erzwungenen Rücktritte der Minister Oberländer und Krüger. Nun, die mögen tatsächlich Dreck am Stecken gehabt haben, aber sie waren nicht die ersten Opfer der - wohlgemerkt BRD-eigenen - Justizmordkampagne, die ein gutes Jahrzehnt nach den Nürnberger Prozessen der Alliierten einsetzte. Das war vielmehr General a.D. Hasso von Manteuffel, der wegen Hinrichtung eines Deserteurs 1944 anno 1959 zu 18 Monaten Gefängnis verurteilt wurde - wohlgemerkt nicht auf Bewährung -, nachdem er bis 1957 für die FDP (damals noch unter Major a.D. Erich Mende) im Bundestag gesessen hatte - aber die brauchte man ja nicht mehr, seit Adenauer 1957 die absolute Mehrheit gewonnen hatte...
Nachtrag. Im Mai 2004, als wieder mal die Wahl zum Bundespräsidenten der BRD anstand, die ja bekanntlich in wahrhaft demokratischer Weise vorgenommen wird, d.h. nicht vom dummen, unmündigen Wahlvolk, sondern von verdienten "Persönlichkeiten" des öffentlichen Lebens, von abgehalfterten Ex-Politikern über Spitzenfunktionäre der jüdischen Lobbyisten-Verbände bis hin zu ehemals erfolgreichen Balltretern, die irgendwie nach dem Parteiproporz ausgekungelt werden, fand die neue SED zwei Dinge heraus: erstens, daß ihre Kandidatin - eine zwielichtige Proporz-Professorin aus Frankfurt/Oder mit tiefroter Vergangenheit - nicht genügend Stimmen zusammen bekommen würde, und zweitens, daß die CDU Baden-Württemberg als einen ihrer Wahlmänner den Ex-Ministerpräsidenten Filbinger nominiert hatte. Da erhob sich ein gutmenschlicher Sturm der Entrüstung, der in dem Aufschrei gipfelte, daß der CDU-Kandidat für das Amt der höchsten Galionsfigur der Republik - ein bis dahin unpolitischer, unbescholtener und daher persönlich nicht angreifbarer Professor aus Köln - die Wahl nicht annehmen dürfe, wenn daran ein so schrecklicher Marinerichter a.D. mitwirkte!
Und noch ein Nachtrag. Als Filbinger im April 2007 endlich starb, hätte man ihn am liebsten heimlich, still und leise verscharrt - so einem durfte man doch kein christliches Begräbnis gewähren! Als Günther Oettinger, sein Nach-nach-nachfolger (als Ministerpräsident, nicht als Marinerichter :-) es wagte, eine Trauerrede auf den Verstorbenen zu halten - statt einer Hetzrede wegen seiner schrecklichen "Nazi-Verbrechen" - entfesselte er damit einen Sturm der gutmenschlichen Entrüstung im politisch-korrekten Medienwald der BRDDR, an dessen Spitze sich die Bundeskanzlerin höchst persönlich setzte, eine Ossinesin mit tiefrotem Familienhintergrund, die zwar pro forma der selben Partei wie Filbinger und Oettinger angehörte, aber in Wahrheit mit deren "schwarz-brauner" Vergangenheit nicht mehr zu tun haben wollte. Forderungen nach "Entschuldigung" (bei wem?), Rücktritt, Absetzung und gar Verurteilung Oettingers wurden laut - vor allem von Seiten solch kompetenter Einrichtungen wie des "Zentralrats der Juden der BRD" und des "Simon-Wiesenthal-Centers" in Jerusalem. Ihre "Beweisführung"? Ganz einfach: "Wer im Dritten Reich ein Amt oder einen Rang als Marinerichter bekleidete, der war zwangsläufig auch ein Nazi." Wie sagte Dikigoros' Vater schon in den 60er Jahren: "Eines Tages werden wir alle 'Nazi-Offiziere' gewesen sein, auch die, die wie ich bei der Machtergreifung erst acht Jahre alt und nie in der Partei waren und gerade mal eine Woche vorm Endsieg zu Reserveoffizieren gemacht worden sind." Ja, liebe Leser, nun ist es so weit in diesem unserem wunderbaren "Rechtsstaat", wo nicht mal mehr ein amtierender Ministerpräsident seine Meinung sagen darf - geschweige denn die Wahrheit. Längst ist die BRD zu einem Überwachungsstaat ohne gleichen geworden, der mit Kameras auf Autobahnen und öffentlichen Plätzen seine Untertanen auf Schritt und Tritt verfolgt, jeden bis dahin unbescholtenen Bürger erkennungsdienstlich behandelt wie einen mutmaßlichen Terroristen, seine Gesinnung ebenso durchschnüffelt wie seine Konten und dafür Millionen echter muslimischer Terroristen in spe auf Steuerzahlerkosten Unterschlupf gewährt, um damit die "Bürger" in Angst und Schrecken zu halten und jeglichen Protest gegen seine Polizeistaatsmethoden schon im Keim zu ersticken. All das gab es weder im "Dritten Reich" noch in der "DDR" noch in der "UdSSR", ja nicht einmal in der "Volksrepublik China" oder irgendeinem anderen Land der Welt. Aber ist nicht wenigstens unsere Presse frei? Ja, vorausgesetzt sie schreibt das, was sie schreiben soll; und so nahm denn auch die linke Journaille - denn nur die ist in der BRDDR wirklich frei, vom Internet mal abgesehen, aber auch danach strecken sich die Fangarme der Krake schon aus - das zum Anlaß, einmal mehr die alten Märchen über Filbinger wieder aufzuwärmen und unters tumpe Volk zu streuen. Wie war das: "Wer zweimal lügt..." Wirklich nur zweimal? Exkurs Ende.
Zurück zum Film. Krause läßt nichts unversucht, "seine" Akte gegen Bingers Akte einzutauschen. Zunächst sucht er die vermeintliche Frau Binger auf und zeigt ihr die letztere. Frau Mertens ist ganz schockiert, kann ihm aber nicht weiter helfen. Dann spricht er mit Hübner ("ich kenne Ihre Vergangenheit"), aber der mißversteht ihn gründlich: Er glaubt, seine, des Buchhändlers Tarnung sei aufgeflogen; also reist er zurück nach Hessen und sucht seinen Sohn auf, um zu beichten und dem Spiel ein Ende zu machen. Inzwischen sind die deutschen Zeitungen mit etwas Verspätung auch in Spanien angekommen, wo der echte Philipp Binger nicht schlecht staunt, daß er ob seiner "Verdienste um die Wiedervereinigung" das Bundesverdienstkreuz verliehen bekommen soll. Er schickt gleich ein Telegramm nach Hessen, daß er den Orden nicht annehmen werde. Dieses Telegramm kommt zusammen mit Hübner im Ministerium an, wo sich eine weitere - für die oberflächliche Arbeitsweise der Bürokratie typische - Schlüsselszene abspielt: Der Referent liest dem Staatssekretär soeben das Telegramm aus Spanien vor, als Hübner mit seinem Geständnis hinein platzt: "Sven, du erfährst es ja doch: Ich bin Philipp Binger." - "Ach, du meinst du hast unter dem Namen Philipp Binger ein Schreiben an uns gerichtet..." - "Ja, und es tut mir leid." - "Alles klar, vergessen wir diesen kleinen Scherz." - "Sven, mein Junge, ich wußte doch, daß du vernünftig bist." Aber die beiden reden mangels ordentlicher Sachverhaltsaufklärung (wie so oft!) aneinander vorbei: Hübner meint Frau Mertens' Bewerbungsschreiben vom Beginn des Films, sein Sohn das soeben eingetroffene Telegramm aus Spanien - er glaubt ja, daß sein Vater dorthin ausgewandert sei. Hübner läßt nicht locker: "Sven, fahr nicht rüber. Wenn du Binger das BVK verleihst, wäre es das sichere Ende deiner Karriere." - "Ach, und warum?" - "Binger ist ein Nazi-Richter." - "Was soll das? Gönnst du Binger das BVK nicht?" - "Eigentlich würd's ja mir zustehen." - "Vater, du gehst jetzt schön nach Hause, und Philipp Binger bleibt in Freythal. Ende der Debatte." - "Philipp Binger kann nicht in Freythal bleiben, wenn ich nach Hause gehe." - "Und warum nicht?" - "Weil ich Philipp Binger bin." - "Raus!"
Sven hält seinen Vater für bekloppt und fährt nach Dresden. Dort unternimmt Hübner unterdessen einen verzweifelten Versuch, die Sache noch in letzter Minute zu verhindern: "Es muß doch einen Weg geben, dieses verdammte Bundesverdienstkreuz nicht zu bekommen!" Er und Frau Mertens besaufen sich und fahren so nächtens durch Dresden; aber die Polizisten in ihren alten Trabis erwischen den BMW einfach nicht. Auch der freundliche Streifenpolizist, den sie im Morgengrauen ansprechen, denkt gar nicht daran, sie zu belangen. Erst als sie vor seinen Augen einen Pappkameraden in Uniform umfahren, nimmt er eine Blutprobe. Aber die landet - na wo wohl - bei Staatsanwalt Krause, der sie prompt vor Hübners Augen vernichtet, als "kleine Vorleistung" für den Aktentausch. Nun ist Hübner mit seinem Latein am Ende - fast. Er versteckt sich auf der Herrentoilette des Festsaals, wo auch Sven notgedrungen landet, als ihm Frau Mertens absichtlich ein Glas Rotwein über's Hemd kippt. "Noch können wir verschwinden," meint Hübner. Sven, der immer noch nicht kapiert hat, was Sache ist, packt seinen Vater am Schlafittchen und stellt ihn dem Bürgermeister vor. "Das ist mein Vater, der möchte sich jetzt gerne etwas Dresden anschauen," sagt er und will ihn schon zur Fahrbereitschaft abschieben. "Guten Abend Herr Binger," sagt der Bürgermeister statt dessen zu Hübner und zum Staatssekretär, leicht irritiert: "Der Herr Binger ist Ihr Vater?" Der abgezockte Polit-Profi schaltet sofort: "Aber selbstverständlich," sagt er kaltblütig, "mein... Doktor-Vater." Dann verschwindet er mit Hübner hinter den Kulissen, wo auch die drei Ex-DDR-Juristen mitsamt den Akten aufgetaucht sind. Wieder reagiert Sven ganz cool: "Wer weiß sonst noch davon?" - "Nur die drei." - "Werden sofort auf Lebenszeit ernannt." - "Und ich?" fragt Hübner senior. - "Brüssel." - "Was?" - "EU-Kommission. Als falscher Richter gehst du in diesem Land ein paar Jahre in den Bau." Das ist ein ganz besonders biestiger Schluß: In der EU-Kommission sitzen also nur Kriminelle, die eigentlich ein paar Jahre hinter Gitter gehören, und sonstige Versager, die abgeschoben, aber gut alimentiert werden müssen... Staatssekretär Sven Hübner verleiht also seinem sichtlich bedröppelten Vater alias "Philipp Binger" zu den Klängen von Haydns "Gott behüte Franz den Kaiser" (einigen wenigen auch noch bekannt als "Deutschland, Deutschland über alles" :-) das Große Bundesverdienstkreuz mit Schulterband; und in den Abspann hinein wandern - von den meisten Zuschauern wahrscheinlich gar nicht mehr bemerkt - die Akten in den Reißwolf. Und da hat ein Kritiker doch tatsächlich geschrieben: "Eine schöne Idee für eine deutsch-deutsche Posse. Leider fehlt es der Inszenierung an Biß." Aber der muß wohl im falschen Film gewesen sein...
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