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Gespräch mit Musikmagazin Zillo / M. Urban / INV.ZILLO 30.01.2002
(gefunden auf der Welle:Erdball-Hausseite)


1.) Warum hat sich "Die Wunderwelt Der Technik" so lange hingezogen? Angekündigt war das Album doch bereits länger als ein Jahr!

- Vielleicht haben wir die Bandbreite des Konzepts der neuen Sendung etwas unterschätzt ; es ist wohl etwas einfacher, eine Sendung mit dem Konzept "Alles ist möglich" oder "Der Sinn des Lebens" auszustrahlen, da hier im wahrsten Sinne des Wortes alles möglich ist.
Das Konzept "Die Wunderwelt der Technik" ist da doch komplexer und themenbezogener. Andererseits sind unsere Ansprüche seit der letzten Sendung auch wirklich um Lichtjahre gestiegen z.B. auch in Bezug auf...

2.) Viele Eurer Texte sind ja nun auch diesmal wieder fast wissenschaftlich behandelt. Braucht nicht allein die Recherche für Songs wie "Wasserstoff" und "Contergan" viel Zeit? Woher bezieht Ihr Eure Informationen für solche Lieder, oder auch Lieder wie "Super 8" und "F-104G"?

- . . .unsere Recherchen zu den einzelnen Liedern, welche nicht nur aus einem flüchtigen Blick in das Internetz bestehen, sondern wirklich in das Detail gehen. So saßen wir z.B. in der Starfighter, sprachen mit noch lebenden Starfighter-Piloten, ließen uns von BMW den unausreichenden Motor mit Wasserstoff-Brennstoffzelle erklären, drehten unseren SUPER 8-Film natürlich u.a. auf dem Super 8-Medium und projizierten ihn im Funkhaus an die Leinwand, kontaktieren Contergangeschädigte, informierten uns über den Transrapid, die Apollo 11 Mission. . .e.t.c
Wir sehen es aber auch als eine Selbstverständlichkeit an, sich weitreichend zu informieren, denn Menschen, die aufgrund mangelnder Information und wenig Ahnung ihr Maul aufreißen, gibt es schon genug.

3.) Wie erklärt Ihr es Euch, dass Welle: Erdball erst seit einigen Jahren so erfolgreich ist? Noch vor einigen Jahren seid Ihr ja eher belächelt worden! Haben die Leute einfach umgedacht und gemerkt: "Hey, die Musik ist ja doch gut!" oder was meint Ihr, war der Auslöser?

- Das ist eine gute Frage, die eigentlich Sie uns beantworten müßten. . .
Es hat wahrscheinlich mehrere Gründe, welche einerseits auf der qualitativen Evolution von Welle: Erdball zu finden sind und andererseits mit einer der herausstechendsten Charaktereigenschaften des Senders zu tun hat. . . Welche man mit dem Adjektiv "konsequent" wohl am ehesten trifft. Es hört sich in der heutigen Zeit schon fast lächerlich an, aber wir wollen neben der Informationsgebung in erster Linie Musik machen - für wen auch immer ?! Auch wenn wir sie im Endeffekt ausschließlich selbst hören müßten. Von daher ist die Resonanz des Hörers gar nicht so vordergründig. Aber wenn "Leute" umdenken und merken, ist das schon eine feine Sache.

4.) Ist dieser Umstand eine späte Genugtuung für Euch oder habt Ihr stets daran geglaubt, dass die Leute eines Tages begreifen werden, wie gut Eure Musik ist?

- Ihre "Leute" denken erst um, merken und jetzt begreifen sie auch noch... Das müssen dann ja sehr intelligente und korrekte Menschen sein (ein Paradoxon?!).
Ob wir auf dieser Basis eine Genugtuung empfinden ? Auf jeden Fall schmeichelt uns Ihr Denken-Merken-Begreifen-Metapher, wenn es der Wirklichkeit entsprechen sollte !?

5.) Andere Bands rüsten ja stets ihr Equipment auf, versuchen, jede neue technische Errungenschaft in ihre Musik einfließen zu lassen, um den Sound zu verbessern. Bei Euch ist eher das genaue Gegenteil der Fall. Könnt Ihr euch noch erinnern, wann Ihr das letzte Mal Euer Equipment aufgestockt habt und womit?

- Natürlich ! Wir haben uns diesen Monat erst wieder einen COMMODORE SX-64 mit interner MIDI-Schnittstelle zugelegt und dann mit Hilfe einiger Neuerungen (RAM Link, CMDs-SCPU, IDE-Karte. . .) etwas geformt. Detaillierte Informationen entnehmen Sie bitte aus untenstehender Tabelle.

COMMODORE SX-64 Systemkonfiguration (vor / und nach der Formung) :
RAM-Speicher: 0,064 MB / 16 MB b.z.w. 16 MB Akkumulator gepuffert
Taktfrequenz: 0,98 MHz / 20 MHz
Speichermedien :
1541 5,25" Floppy / FD-2000 3,5"
2 x 165 kB / 1,6 MB
: - / HD SCSI bis 4,4 GB (52 KB/s) + paralleler Anschluß
: - / IDE-Karte 2 x IDE HD bis 8 GB CD-ROM Laufwerk
Netzwerk : - / 56K Modem (Fax, Internetz)
Musik,MIDI :
S.I.D. 1 Chip / Mehrfach S.I.D.-Uni-Karte (1/2) 3 stimmigpolyphon bis zu 32 S.I.D.s = 96 Stimmen
1x Audio IN/OUT / 32x Audio IN/OUT
: - / MIDI-Schlittstelle
Sonstiges :
- / RealTimeClock (Akku)
1351 Maus / PS-2 Funkmaus seriell

(post scriptum: Wir sprechen hier von einem 20 (in Worten: zwanzig) Jahre "alten" Heimcomputer. Totgesagte leben länger !)

Sie werden erkennen, daß wir einerseits vollkommen verrückt sind, aber auch, daß die Evolution der Applikationen "alter" Heimcomputer nicht stehen geblieben ist. Andererseits ist uns das, was "andere Bands" tun, fast bis zum Vollkommenen egal. Denn wenn sie alle mehr oder weniger das selbe Werkzeug benutzen, werden sie auch zu den selben Resultaten kommen...Vielleicht auch endlich eine universelle Antwort zu der Frage, warum sich die "top-ten" alle gleich anhören.
Und mal ganz abgesehen davon, ist die Aktualität eines Instrumentes NICHT der Indikator für seine Qualität. Hier geht es wohl eher um falsches Prestige und darum, daß man für 6 Monats-Garantie-Plastikplunder einige Scheinchen auf den Tisch blättern muss und soll, um in die gestellte Falle zu tappen.
Wir arbeiten bei Welle: Erdball, wir brauchen auf keiner Welle mit zureiten... wir sind die Welle und machen es anders !

6.) Welle:Erdball-Maxis und auch die Alben zeichnen sich stets u.a. dadurch aus, dass Ihr auf jede Veröffentlichung eine Menge Songs packt. Ist es Euch wichtig, dass die Leute bei Euch mehr fürs Geld bekommen als bei anderen Bands?

- Erst mal das ! Wenn es auch nicht um einen Wettstreit mit anderen Bands geht, was andere tun, interessiert uns, wie schon gesagt, recht wenig. Aber wenn der Hörer für ein silbernes Stück Plastik in einer Plastikhülle, welche sich nach erstem Öffnen in Wohlgefallen auflöst, auf der dann gerade mal 8 Stücke enthalten sind...wahrscheinlich 1 Stück, welches in 8 verschiedenen Versionen oder Abmischungen den Geschmack des Hörers dann auf jeden Fall abdecken soll, bis zu 40 DM bezahlen muss, sind hier wohl Worte wie Frechheit oder Bauernfängerei schon zu milde. Weiterhin geht es uns auch um die Rohstoffvergeudung, denn auf eine Kompakt-Diskette (CD) passen nun mal 74 Minuten Stereoklang herauf und es wäre ein geistiges Armutzeugnis, diese nicht voll auszunutzen. Vielleicht sehen wir auch unseren "output" als Maßstab unserer Phantasie und unserer Visionen...was dann wohl heißen würde, daß Ihre "anderen" Bands weder das eine noch das andere haben ?!

7.) Eure Liedern drehen sich - wie man ja auch auf "Die Wunderwelt der Technik" wieder sehen kann - hauptsächlich um Themen aus einer längst vergangen Zeit. Warum liegt Euch die Vergangenheit derart am Herzen?

- Sie tun es in der Hinsicht auf die perfekten Produkte dieser Zeit. Oder glauben Sie, daß heute ein Automobil im perfektem Design hergestellt würde, welches noch in über 70 Jahren läuft und läuft und läuft und...
Ferdinand Porsche tat es vor 70 Jahren und sein VW-Käfer läuft heute noch. Heute würde man so etwas wohl als eine Fehlkonstruktion oder Materialfehler abtun. Außerdem geht es uns auch sehr um die Parallelen zu der Gegenwart. Contergan = Lipobay / Starfighter = Eurofighter / C=64 = IBM-PC / Telephon W-38 = Mobiltelephone u.s.w.
Wir haben aber neben Themen wie Transrapid auch zeitlose Gebiete wie Liebe, Arbeit, Denken, Sprechen, Fühlen, Religion abgedeckt.
Und mal ganz unter uns, Herr Urban: "War nicht früher alles besser, auch wenn es vielleicht nur daran lag, daß wir besser waren ?!"

8.) Verdammt Ihr dementsprechend die Gegenwart bzw. die Zukunft und den Fortschritt?

- Wer den Fortschritt verdammt, wird wohl selbst verdammt sein. Doch sehen wir in der Gegenwart und auch auf die Zukunft gesehen eher einen Rückschritt. Einen Rückschritt nicht zurück, sondern in eine ganz neue, schreckliche und teuflische Zukunft...da wir ja leider unsere "richtige" Zukunft längst überholt haben. Denn dort oben sitzt nun ein hungriges, geldgieriges Monster und wir sitzen hier lethargisch und dumm herum, füttern es und warten, bis es uns zum Schluß selbst auffrisst.
Doch gab es nicht mal eine richtige, wunderschöne Zukunft ? Dort, wo korrekte und charmante "gentlemen" nach vollbrachter Arbeit mit wunderhübschen Frauen in ganz wunderbaren Automobilen gefahren sind. Aus deren Radios dann auch noch wundervolle Musik klang. Waren das nicht auch die Zeiten, in denen uns denkende Menschen wie Ludwig Erhart oder Konrad Adenauer in ein perfektes Wirtschaftswunder katapultiert haben ?
Wir merken schon, wie Ihnen das Wasser im Mund zusammen läuft.

Also, steigen Sie ein, Herr Urban ! Die Welle: Erdball-Zeitmaschine steht für Sie bereit !

9.) Die letzten beiden Alben enthielten jeweils eine Coverversion aus den NDW-Zeiten. Ist dies auf "Die Wunderwelt der Technik" auch wieder Fall?

- Eine Welle: Erdball-Neubearbeitung eines bekannten Stückes wird es auch wieder geben, doch diesmal nicht die eines N.D.W.-Klassikers. Mehr können, wollen und dürfen wir nicht verraten, da muß sich der Hörer schon überraschen lassen.

10.) Liegt Euch die Zeit, als die NDW groß aufkam, besonders am Herzen? Und warum?

- Das sind dann wohl die glorreichen 80er Jahre... Eine Zeit, in der sogar auch Deutschland mal eine Jugendsubkultur und ein Lebensgefühl auf die Beine gestellt hat, ohne den Hippieami oder den rock'n'rolltommy zu kopieren. Eine Kultur, die dann auch aus heutiger Sicht recht spät von der Wirtschaft ausgesaugt wurde.
Und wenn wir Klänge von Kraftwerk, Grauzone, Ideal, Der Plan, Andreas Dorau, Stahlnetz, D.A.F., Krupps, Weltschmerz, Zwischenfall...hören, kann man wohl auch wirklich von Kunst reden. Ganz im Gegensatz zu heutiger "Musik", die man eher als einen "Portemonnaieaussauger auf akustischer Basis" bezeichnen sollte. Eine ganz wundervolle, inspirierende Zeit, auf der viele wunderschöne Erinnerungen fußen.

11.) In Euren Liedern ging es ja bisher überwiegend um eine schöne, heile Welt. Mit "Contergan" habt Ihr diesmal einen sehr kritischen Song, der noch dazu ein heikles Thema sehr ironisch angeht. "Starfighter F-104G" zielt in eine ähnliche Richtung. Wieso plötzlich solch kritische Töne?

- Wir sahen und sehen uns eigentlich schon immer als sehr kritisch. Vielleicht ist die Kritik und die Ironie (wir nennen es immer den Welle: Erdball-Sarkasmus) etwas transparenter geworden, was bei dem Konzept der neuen Sendung ja auch kein Wunder ist. Wir versuchen ja auch, nichts schwarz zu malen, das ist die Realität eh schon genug... Aber Information sollte im Rahmen einer Radiosendung mit an erster Stelle stehen.

12.) Wenn ich mich recht erinnere, wurde "23" bereits auf Eurem Debütalbum "Frontalaufprall" veröffentlicht. Warum habt Ihr es noch mal auf "Die Wunderwelt der Technik" genommen?

- Hmmm... Also das Lied "23. . ." war schon immer eines unserer Lieblingsstücke und da wir uns in den Jahren auch in unserer Instrumentierung weiterentwickelt haben, das Stück auch durch den Spielfilm "23" an Aktualität gewonnen hat und hier viele Fäden zusammen laufen, lag es auf der Hand, eine neue Aufnahme mit dem COMMODORE C=64 zu diesem Lied zu machen ; ).

13.) Obwohl Ihr gerade in punkto Computer stets das Althergebrachte anpreist, macht Ihr Euch selbst ja die moderne Technik ganz gern zunutze, wie das Lied "Computer Rendez-Vous" oder auch Eure Internetpräsenz beweisen. Ist das nicht ein Widerspruch?

- Man kann doch erst objektiv urteilen, wenn man beides kennt und benutzt. Und wenn wir "Althergebrachtes", also Dinge, die wir kennen, bedienen können, mit denen wir uns gut auskennen, preisen, heißt das nicht, daß wir hinter dem Mond leben. Ganz im Gegenteil ; dieses Licht wird wohl selbst dem Geschmeiß auf kurz oder lang (hoffentlich) aufgehen.
Aber Sie haben in Ihrer Frage schon das entscheidende Wort verwandt: "zunutze" Wir machen uns Technik zu Nutze, zu unserem Nutzen. Denn Optionen, die man nicht benutzt, besitzt man nicht !
Und wenn wir im Internetz eine Plattform unter http://www.welle-e.de unterhalten, heißt das nicht, dass wir keinen C=64 mehr benutzen. . . denn gerade mit ihm wird aus einem "internetsurfen" ein Erlebnis und aus dem Erstellen von Seiten für das Internetz (HTML-Codes) ein Lernvorgang. (Beides ist für den C=64 kein Problem!)
Also kein Widerspruch !!!

14.) Da ich ja noch nicht das fertige Album besitze: Wird es auf "Die Wunderwelt der Technik" noch etwas Spezielles geben, was im Artikel unbedingt erwähnt werden sollte?

- Es wird viel Spezielles geben ! Hörer, die uns kennen, werden sich wohl kaum mit etwas "Unspeziellem" abspeisen lassen. Doch das Spezielle am Speziellem ist, daß man es vorab nicht verrät.
Wir arbeiten bei Welle: Erdball und eine perfekte Radiosendung besteht wohl kaum aus einer Aneinanderreihung einiger Musikstücke. Und "Die Wunderwelt der Technik" wird eine perfekte Sendung werden !

15.) Auch würde mich interessieren, wie das mit den 23 Tracks hinhaut, meine Vorab-CD mit den 13 Liedern ist ja bereits 45 Minuten lang. Und was hat es mit der Zahl "23" auf sich?

- ...und es sind ja nicht nur 23 Stücke in der Sendung enthalten, sondern auch der komplette Film zu "SUPER 8", einige Programme für den C=64 und andere, minderwertige Computer (WIN/IBM-PC). Die komplette Sendung wird dann wohl leider nur in der Veröffentlichung einer Doppel-Kompakt-Diskette (CD) zu verwirklichen sein.

Sie fragen nach der 23 ?

Das Stück "23. . .", der Film 23, das Erbgut des Menschen steckt in 23 Chromosomen, Zigaretten: ERNTE 23, Karl Koch wurde 23 Jahre alt und an einem 23. umgebracht, fast alle amerikanischen Präsidenten starben an einem 23., die Starfighter F-104G fliegt mit Mach 2.3 und es wurden 2300 von ihr gebaut, 23 Stücke gehören zur Sendung "Die Wunderwelt der Technik", 1923 ? War da nicht was ?, "starterkit" = 20 DM = 10,23 Euro, 23 Elternpaare klagen beim längsten Prozeß der deutschen Rechtsgeschichte gegen den Grünenthal-Konzern (der Contergan auf den Markt brachte), am 23. Oktober 1923 wird von der Berliner Funkstunde AG die erste deutsche Radiosendung ausgestrahlt, 23. November 1923 Stresemann wird gestürzt, am 23.Mai 1949 tritt das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland in Kraft. . . zu lesen auf Seite 723 in der Chronik des 20. Jahrhunderts... Die Liste ist bis in die Unendlichkeit fortzuführen.
Was hat es bloß mit dieser 23 auf sich ?

Wir bedanken uns für ein schönes Interview mit Ihnen und wünschen Ihnen, Ihrer Zillo-Mannschaft und natürlich alles Lesern Ihres Magazines alles Gute und viel Erfolg für die Zukunft.

Hochachtungsvoll

Honey / welle: erdball / Funkhaus