Antifa - gegen wen und für was ?

"Viel zu lange schon wird tatenlos hingenommen, dass die USA eine blutige Spur durch die ganze Welt ziehen. Verhüllt unter dem Mantel der Menschenrechte, der Demokratie und des ‚Kampfes gegen den Terrorismus‘ werden Kriege geführt, die nur dem einen Ziel dienen, die wirtschaftliche Macht der US-Konzerne und der weltweiten Geldverleiher auszubauen. [...] Die Verbündeten der NATO unterstützen diese Strategie teilweise aktiv, oder durch zustimmendes Schweigen. Dazu zählt auch die BRD. Nun steht die Welt vor einem neuen Krieg, der von den USA angezettelt wird."

Dieses Statement stammt nicht von ATTAC, von Konstantin Weckers Homepage oder aus der Rede eines evangelischen Friedenspfarrers, aus einem taz-Kommentar oder dem FAZ-Feuilleton. Es leitet das Flugblatt "Amis raus - Freiheit rein!" des "Nationalen Widerstands" ein, der am 22.2.2003 in Hamburg gegen die USA und für den Frieden demonstrieren will.

Die Antifaschistische Aktion Harburg, die zur Gegenkundgebung aufruft, wundert sich, dass "auf einmal Faschisten gegen einen bevorstehenden Krieg marschieren wollen." Warum eigentlich?

Fast alle politischen und ideologischen Fraktionen des alten Europa bekunden ihre Friedensliebe und ihr Unverständnis gegenüber der selbstsüchtigen Kriegstreiberei der USA:

Der Vatikan, der noch jeder faschistischen Bewegung gottesfürchtig die Treue gehalten hat, übt sich in Friedensdiplomatie mit Bagdad. So wurde der christliche irakische Außenminister Tarek Aziz nach Rom eingeladen, um dort vor einem schwer beeindruckten Klerus und der internationalen Presse seine Vorstellungen vom friedlichen Dialog der Kulturen und Religionen darzulegen. Als er sich weigerte, auf die Fragen eines israelischen Reporters auch nur zu antworten, wurde schlagartig klar, dass auf dem west-östlichen Diwan für Israel kein Platz vorgesehen ist.

Derweil zeigen sich deutsche und europäische Intellektuelle elektrisiert von Donald Rumsfelds Schmähung ihrer politischen Klasse als "alteuropäisch" und belehren die kulturlosen Yankees über die altgriechischen Wurzeln der europäischen Kulturträger: Wir sind alle Bildungsbürger. Wie fließend der Übergang vom Pazifismus zur Kriegsoption ist, zeigt sich am Statement des französischen Schriftstellers Michel Tournier, dessen Freude darüber, "daß Frankreich und Deutschland zusammenfinden, um gegen einen amerikanischen Einmarsch im Irak zu protestieren" nur noch dadurch zu steigern wäre, "daß die deutsch-französische Entente noch weiter gehen wird. Die beiden Länder müßten jetzt eine Armee-Einheit in den Irak schicken, um das Volk zu schützen und gegen die amerikanische Aggression zu verteidigen." (FAZ, 24.1.03)

Das Fußvolk dieses unheimlichen Aufmarschs stellen die alle zehn Jahre zu neuem Leben erwachende Friedensbewegung - die ihrem Außenminister ein frohes "halt durch, Joschka" zuruft - sowie ihr "rebellisches" Pendant, die Antiglobalisierer. Diese deutschen Ideologen können nicht gemeint sein, wenn die Harburger Antifa die antisemitische Rede von "den internationalen Geldverleihern" als typischen Nazijargon von linker Kriegsgegnerschaft abgrenzen will. Schließlich sind antisemitische Ausfälle auf ATTAC-Kundgebungen eher die Regel als die Ausnahme. Von der Unbefangenheit, mit der Globalisierungsgegner straflos ihre Ressentiments ausleben, können Nazis nur träumen. So amüsierte man sich beim Protest gegen das World Economic Forum in Davos über einen knüppelschwingenden Sharon-Mimen, der neben einem mit gelbem Stern behangenen Rumsfeld vor einem goldenen Kalb herläuft.

Das Aufblühen des deutschen Pazifismus steht im scharfen Kontrast zu der lächerlich kleinen Antikriegsbewegung von 1999, als Deutschland mit der NATO in Jugoslawien die "Fratze der eigenen Geschichte" (Scharping) wegbombte, und de facto die völkische Terrororganisation UCK an die Macht brachte, die die "Befreiung" des Kosovo von Serben, Roma und Juden betrieb und betreibt. Noch marginaler waren die Proteste gegen den von Deutschland massiv unterstützten erpressten Einmarsch der NATO in Mazedonien. Keine Frage, dass gegen die moralische Wiederaufrüstung Deutschlands beim Treffen des Kanzlers mit dem antisemitischen Dichter Martin Walser am 8. Mai 2002 im Willy-Brandt-Haus zu Berlin tausend mal weniger auf die Straße gingen, als kurz darauf gegen den Besuch von George W. Bush.

Während des zweiten Golfkrieges konnte sich die Friedensbewegung noch als "Opposition" präsentieren, jetzt ist die Konvergenz mit den außenpolitischen Interessen Deutschlands offensichtlich. Die Bundesregierung kann mit soviel Zuspruch zufrieden sein. Ihre pathetisch vorgetragene Friedensliebe ist auf allen Ebenen nur logisch: Wer auf der Liste der Waffen- und Giftgaslieferanten des Irak mit Abstand den ersten Platz einnimmt, hat allen Grund, Saddam Hussein ein langes Leben zu wünschen. "Deutsche Verantwortung" hieß 1999, einen imaginierten serbischen Nazismus zu bekämpfen; 2003 bedeutet "unsere besondere Verantwortung für Israel", mit allen Mitteln den Status Quo im Irak und im Nahen Osten zu erhalten. Nach dem Iran der Mullahs hat sich offensichtlich auch die irakische Führung für einen zukünftigen deutschen "konstruktiven Dialog" qualifiziert, und zwar genau in dem Maß, wie sie sich den strategischen Interessen der USA widersetzt.

Die Nazis haben hier nur in der Radikalität der Unterstützung des Baath-Regimes einen Dissens. Ob es sich nun um den Irak-Reisenden Jörg Haider oder um die gern gesehenen Gäste der irakischen Botschaft vom "Kampfbund Deutscher Sozialisten" handelt, für sie alle verkörpert Saddam Hussein als "völkischer, revolutionärer Sozialist" den "Widerstand gegen US-Imperialismus, Zionismus und Arabische Reaktion" (Der Gegenangriff, Juni 2002).

Man kann skeptisch sein gegenüber den Erfolgsaussichten des selbstgesteckten Ziels der USA, einer militärisch herbeigeführten Demokratisierung des Irak. Tatsache ist aber: die deutsche Friedensbewegung läuft einmal mehr zu voller Stärke auf, wenn es gegen eine der übelsten panarabisch-antisemitischen Diktaturen des Nahen Ostens geht. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Anlass für die Intervention der irakische Überfall auf ein Nachbarland ist und der US-geführte Angriff UN-mandatiert wie 1991 oder ob er diesmal eventuell gegen ein Veto im Sicherheitsrat durchgesetzt wird.

Die deutschen Kameraden schreiben in ihrem Demonstrationsaufruf: "Wir brauchen endlich eine Regierung in Deutschland, die den Mut hat, aus diesem NATO-Wahnsinn auszutreten und uns von der globalen Machtpolitik der USA zu befreien. Es gilt jetzt Flagge zu zeigen und lautstark zu protestieren!" Rot-grün ist diesem Ziel in nur 4 Jahren unheimlich nahe gekommen. Die aktuellen Auseinandersetzungen in der NATO zeugen davon.

In einer solchen Situation für die Ehrenrettung eines politisch korrekten Antiamerikanismus von Friedens- und Antiglobalisierungsbewegung einzutreten, ist nicht nur lächerlich, sondern auch sinnlos, da diese mit ihrer Funktion, nationale Stichwortgeber zu sein, gar kein Problem haben, obwohl sie sich mangels Reibungsflächen kaum noch gegen die Umarmung ihrer peinlichen Unterstützer aus dem "nationalen Widerstand" wehren können.

Die Nazis sind heute nicht der Antagonismus des deutschen Pazifismus, sie stehen für die radikale völkische Ausformulierung der deutschen Außenpolitik. Auch dafür sind sie anzugreifen.

gruppe no birds, hamburg

nobirds@gmx.net

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