eine kleine Rundfahrt durch Kreta ...... Reiseüberblick einige Bilder Auswahl Radreisen

Der frühe Start des Charterfluges zwingt mich, bereits um kurz nach drei Uhr mit dem Taxi zum Flughafen zu fahren. Die Straßen sind zu dieser Zeit leer. So komme ich gut 2 Stunden vor Abflug am Flughafen an. Und schon herrscht im Terminal C reichlich Betriebsamkeit. Auch Schalter 177/178 der Hapag Lloyd nach Heraklion weist schon eine Warteschlange auf. Aber es geht recht zügig voran. In der Halle sehe ich nur einen weiteren Reisenden mit Fahrrad und Gepäck. Sollte Kreta doch nicht so besonders geeignet sein für Fahrradtouren? Warten wir´s mal ab. Zunächst sollte mal das Rad zum Transport an die Fluglinie übergeben werden. Das ist für Hapag Lloyd offenkundig eine Routineangelegenheit. Die Abfertigung des Rades geht problemlos vonstatten. Dann kann es ja losgehen. Gut drei Stunden Flug bis Heraklion. Der Wetterbericht von Mitternacht berichtet von 22° C Nachttemperatur und für heute erwarteten 26° C Tagestemperatur. Na, denn soll ja wohl der Sommer auf Kreta seinen Einzug gehalten haben! Mir wären zwar für die ersten Kilometer einige Grade weniger recht lieb - aber was soll´s. Schließlich habe ich ja auch Khuzestan heil überstanden! Am Flugplatz in Heraklion kleines Chaos. Kein Hinweis, an welchem Band unser Gepäck ausgegeben wird. Schließlich gibt es zwei Bänder und es sind mehrere Maschinen gelandet. Die Leute laufen wie wild hin und her. Irgendwo muß doch das Gepäck sein - und sind natürlich erst einmal am falschen Band. Meine umfangreiche Sammlung an Gepäckstücken kommt alsbald und ich habe genügend Zeit, alles für die Verladung auf´s Fahrrad vorzubereiten. Dann kommt auch das Rad, handverladen, durch eine Flugplatzarbeiter gesondert transportiert. Man hat sich also alle Mühe gegeben, möglichst ohne Schäden zu transportieren! Jetzt kann es losgehen. Heute will ich nur eine kurze Strecke fahren, bis Amnissos, der legendären Ikarus-Stätte. Irgendwo östllich vom Flughafen Heraklion. Aber dann ist mir die Distanz doch zu gering. Für nur 5 km Fahrt hätte ich mich nicht umziehen brauchen, ja dafür war vielleicht auch der Aufwand, das Gepäck anzuhängen und auf´s Rad zu steigen zu groß. Also lassen wir den alten Ikarus. Und weiter geht´s in Richtung Osten. Die alte Küstenstraße ist gut befahrbar. Es herrscht recht strammer Westwind und ehe ich´s recht bemerke, bin ich auch schon in Gouves. Hier gibt es einen Campingplatz, also der richtige Punkt für den ersten Stop nach der doch etwas ermüdenden Anreise.

1. Mai 1994 - 48 Tageskilometer
Heute geht es in die Lassithi-Hochebene. Zunächst beflügelt mich der Rückenwind, da sollten ja auch die Steigungen nichts ausmachen! Leicht gesagt. Bald wird es steiler. Lang anhaltende Aufstiege! Und wieder meldet sich jedes Kilo Gepäck. Mit meinem Trinkvorrat schleppe ich gut 25 kg. Das macht mit Fahrrad und Fahrer ein Dienstgewicht von cirka 120 kg. Und bald merke ich es allzu deutlich. Wir wollen mal auf der ersten richtigen Etappe noch nichts überhasten. Vielleicht ist es ja nur die erforderliche Anpassung, vielleicht machen sich ja noch die Reste der Erkältung bemerkbar. Egal, was die Gründe auch sein mögen, vielleicht nur mangelnde Kondition, die Tagesetappe nach Lassithi ist nicht besonders lang. Ich kann mir notfalls auch längere Schiebestrecken erlauben. Es geht durch wirklich schöne, herbe Landschaften. Irgendwie gefällt mir dieser Landschaftstypus besonders; in der Haute Provence, im Zagrossgebirge und jetzt schon wieder auf Kreta! Der Weg führt vorbei an Skotino. Weiter über Koxan, Kalo Horio, Potamies und Avdou. Dann hinauf und an Krassio vorbei. Eine kurze Pause in Kera, dann geht es mit einer letzten Anstrengung hinauf zum Pass. Hier grüßen einige restaurierte Getreidemühlen und dann, nach den letzten Metern, der Blick in die Hochebene - und die lange Abfahrt über sanfte Serpentinen! Eigentlich war es doch gar nicht so anstrengend! Noch gut 15 km bis Psirho, meinem heutigen Ziel. Unterhalb des Zuganges zur Dikteon Cave, zur Zeus-Geburtshöhle, quartiere ich mich ein. Bei einem kurzen Spaziergang durch´s Dorf kommt mir gleich geballte griechische Lebensfreude entgegen. Mit Gitarrenmusik und lautem Gesang zieht eine Gruppe überwiegend Jugendlicher fröhlich durchs Dorf. Viele haben sich Nelken hinter Ohr oder Brille geklemmt. Einige sind bemalt. Und dann fallen sie irgenwo in ein Gasthaus ein. Musik und Gesang sind im ganzen Dorf zu hören! Später, beim Abendessen im Hotel, nähert sich dieser Lärm deutllich dem Hotel Zeus. Und schon sind einige des Trupps im Restaurant. Der Wirt hat nichts eiligeres zu tun, als alle Türen zu öffnen, damit die ausgelassene Bande schnell hereinströmen kann. Im nu ist das Restaurant in einen Jubel- und Trubelplatz verwandelt. Gitarrenmusik, Gesang. Und die ganze Gruppe tanzt um alle Tische. Der Wirt schleppt Wein, Käse und Fleisch herbei. Einer aus der Gruppe hat gleich einen großen Kanister Ouzu mitgebracht und schenkt freudig aus. Na, hätte ich das geahnt, hätte ich mir zum Essen keinen Wein bestellen brauchen. Als einer das ganz wenigen Gäste werde ich einfach in den Trubel einbezogen.

2. Mai 1994 - 38 Tageskilometer
Zunächst starte ich zu einer Rundfahrt um die Hochebene, verbunden mit einem Besuch der Kronos Cave. Am Nachmittag dann ein Fußmarsch zur Dikteon Cave. Von der Anhöhe hat man einen phantastischen Blick über die Hochebene. Leider sind jetzt nur einige Windräder an den Restaurants in Betrieb. Die Bauern beginnen mit der Bewässerung erst irgendwann im Mai. So muß ich meine Vorstellungskraft bemühen um mir ein Bild von Lassithi mit den magerithengleichen tausenden Windrädern zu zeichnen. Aber es wird schon so sein, wie auf den schönen Postkarten! Dann ein weiterer kleiner Aufstieg und hinein in die Höhle, hinein zur Geburtstätte des alten Zeus! Es ist eine relativ große Höhle mit einigen schönen Tropfsteingebilden. Anschließend nochmals den grandiosen Blick auf die Hochebene genießen! Und zur Abrund nach Rückkehr zum Hotel eine kurze Fahrt durch die landwirtschaftliche Kernfläche der Hochebene. Über teilweise recht rauhe Wege, vorbei an den Windrädern. Die Bauern bei der Feldbestellung, bei Reparatur der Windräder, bei Veränderung oder Erweiterung der Bewässerungseinrichtungen. 12 km auf diesen Holperwegen sollen für heute genug sein.

3. Mai 1994 - 65 Tageskilometer
Nochmals quer durch die Hochebene, direkt auf Agios Georgios zu. So spare ich mir gleich zu Beginn die ersten zwar kurzen, jedoch heftigen Steigungen. Dann geht es wieder in die Berge nach Osten. Über Potami, Xenia, Agios Konstandinos, Exo und Mesa Lakonia geht es über den cirka 1200 Meter hohen Bergrücken und dann hinab mit kleinen Zwischenaufenthalten nach Agios Nikolaos. Aber ganz so glatt wie ich den Satz soben dahingeschrieben habe war es auch nicht. Die Bergstraße besteht in Teilbereichen nur aus einer groben Schotterdecke, die anderen Teile mit vielen Schlaglöchern. Hier hat´s das Rad und das Gepäck gehörig durchgeschüttelt. Nach einem besonders üblen Teilstück habe ich mir dann auch gleich einige derbe Schläge auf das Hinterrad eingehandelt. Von Rundlauf kann nicht länger die Rede sein. Mit lautem Geräusch schlägt die zunehmend unrund laufende Felge gegen die Bremsklötze. Alles recht unschön. Auch die Wirkung der Hinterraemse ist deutlich eingeschränkt. Das einfachste wäre natürlich ein sofortiges, sachkundiges Zentrieren des Hinterrades. Aber schließlich bin ich kein Mechaniker. Also zunächst mal weiter. Bis mir das Gedröhne auf die Nerven geht. Die Vorderradbremse funktioniert ordentlich. Ich habe viel Zeit und kann auf schnelle Bergabfahrten verzichten. Also hinteren Bremszug aushängen. Alle Gefällestrecken mit kontrollierter, mit mäßiger Geschwindigkeit fahren. Dann reicht die Vorderradbremse! Ich fahre heute gleich weiter bis zum nächsten Campingplatz bei Gournia. Hier will ich zwei oder drei Tage bleiben. Zu Tagesausflügen ohne Gepäck in die Ruinen von Gournia, zum Kloster Faneromenis, nach Kritsa und Agios Nikolaos. Aber für heute heißt es erst einmal, das Hinterrad wieder halbwegs gebrauchsfähig herrichten. Und was mir da noch so auffällt! In der argen Schotterpassage hat es glatt eine Schraube der Gepäckträgerbefestigung duchschlagen. Zum Glück habe ich noch eine halbe Reservelösung. Die zweite Flaschenhalterung muß ja nicht unbedingt sein. Hieraus kann ich die erforderliche Ersatzschraube entnehmen.

4. Mai 1994 - 60 Tageskilometer
Vom Campingplatz nahe Gournia ging´s heute über die doch recht hügelige Küstenstraße zurück bis zum Ortsrand von Agios Nikolaos und dann weiter ins Hügelland nach Kritsa. Ziel war die alte Kirche mit den schönen byzantinischen Fresken. Aber zunächst mal das Ziel verfehlt. Die große Kirche in Kritsa war es nicht. Zumindest war die Kirche verschlossen. Vielleicht sollte ich doch vorher in die Karte schauen und die genaue Lage feststellen. So eine Grobnavigation mit der ich bei meiner nicht besonders leistungsorientiert ausgerichteten Segelfliegerei immer alle Ziel- und Wendepunkte gefunden habe, taugt für die Perspektive eines Radfahrers nur bedingt! Um nicht lange herumzufragen hilft nur eins, ein kleiner Spaziergang durch das Dorf, hinauf auf die obersten Wege dieses an den Berg gebauten Dorfes. Nun kann ich die ganze Gegend überblicken. Und da ist meine Kirche, so cirka ein Kilometer vor Kritsa. Ich muß da wohl soeben daran vorbei gefahren sein. Es kann nur die Stelle sein, wo die Reisebusse parkten. Also zurück. Und richtig. Wenige Meter abseits der Straße liegt die kleine alte Kirche mit den schönen, leider nur noch teilweise erhaltenen Fresken. Später fahre ich dann nochmals einen Schlenker zurück zur ausgegrabenen Stadt Lato. Viel ist nicht mehr zu sehen. Aber einen Eindruck, wie das Dorf mal ausgesehen haben mag, bekommt man schon. Auf dem Weg zurück zum Campingplatz mache ich auf einen Espresso einen kurzen Halt in Agios Nikolaos. Jetzt ist es ja noch ruhig. In der Saison wird hier wohl der Teufel los sein. Um den Hafen herum viele nette Locale. Nicht ganz billig, aber in der Vorsaison recht nett.

5. Mai 1994 - 17 Tageskilometer
Zunächst zur alten Stadt Gournia unweit des Campingplatzes. Ähnlich wie in Lato sind nur Reste der Grundmauern zu sehen. Diese alte minoische Siedlung ist vermutlich durch eine riesige Flutwelle, ausglöst vom Vulkanausbruch von Santorini, zerstört worden. Dann fahre ich weiter Richtung Süden, mit einer längeren Pause in Pahia Amnissos. Hier ist alles recht verschlafen, besonders in der Vorsaison. Aber ob es die richtige Alternative für die sich ständig elitär herablassend über den Massentourismus äußernden Zeitgenossen ist, wage ich doch zu bezweifeln. Mit einer kurzen Fahrt über Vasiliki, haarscharf vorbei an den dortigen Ruinen, fahre ich auf einer schönen Nebenstrecke zurück zu einer kleinen Lunchpause in Pahia Amnissos. Nachmittags steht dann eine dreistündige Wanderung zum Bergkloster Faneromenis an.

6. Mai 1994 - 62 Tageskilomter
Aufbruch nach Irapetra, einem netten Ort an der Südküste. Touristisch voll erschlossen aber mit einer völlig anderen Ausstrahlung als zum Beispiel Agios Nikolaos. Nach der kurzen Pause an der Strandpromenade in Irapetra ging es dann weiter. Jetzt wieder in Richtung Westen. Wieder gegen den Wind. Das Teilstück bis Mirtos war ein einziger Ritt gegen den Wind. Ein strammer Mistral in der Haute Provence ist dagegen doch eine recht schlappe Erscheinung. Zum Glück ist die Strecke fast eben. So kommt man dennoch vorwärts. Endlich in Mirtos! Die rechte Zeit zu einem Lunch in einem der Reustaurants am Strand. Mir bleibt heute schleierhaft, für welche abgehärteten Naturburschen die Straßengastronomie vorgehalten wird. Es ist zwar nicht kalt, aber der Wind ist einfach ungemütlich. Dieser Wind kann doch nur Surfer positiv stimmen! Nach längerem Suchen finde ich dann doch noch eine windgeschützte Terrassengaststätte. Ich bin der einzige Gast. Freundlicher und äußerst preiswerter Service. Nach dem Lunch entscheide ich mich, nicht der gut ausgebauten Straße nach Agios Vianos in den Bergen zu folgen. Ich ziehe es vor, auf den Nebenstraßen entlang der Küstenlinie zu bleiben. Welch grandiose Entscheidung! Nach wenigen Kurven wird der Zustand der Straße immer schlechter. Die Schotterpiste wandelt sich in eine wilde Geröllstrecke. Es rüttelt und schüttelt mich durch. Eine wahre Belastungsprobe für Rad, Taschen und Zubehör. Ich habe mir schon einige böse Schläge im Hinterrad eingehandelt. Bei Tserza gebe ich es auf. Der Rest bis Arvi wird eine schöne Wanderung über 12 Kilometer. Der Weg führte durch ein Obst- und Gemüseanbaugebiet. Insbeondere im Gebiet um Arvi werden großräumig Bananen angebaut. Zum Schutz gegen die heftigen, häufig kalten Winde werden große Foliengewächshäuser errichtet. Bei einem bestimmten Witterungsstand werden dann diese Folienhäuser teilweise geöffnet. Das bietet dem Wind hervorragende Angriffspunkte. Und entsprechend zerzaust sehen auch viele dieser Folienhäuser aus. Weggeblasene Folien liegen in der Landschaft herum. Es lohnt sich wohl nicht, dies alles wieder einzusammeln. Und so sieht es hier entsprechend recht unfreundlich aus. Keine für Touristen hergerichtete Landschaft. Hier entscheidet wohl nur wirtschaftliche Zweckmäßigkeit über den Grad des Aufräumens! Und dazu kommt jetzt die Trockenheit, die unbefestigten Wege, der Wind, der Staub!

7. Mai 1994 - 62 Tageskilometer
Am nächsten morgen sehe ich die ganze Bescherung. Am Hinterrad 2 Speichen gebrochen. Eine natürlich auf der Zahnkranzseite, und kein passendes Werkzeug! Am Gepäckträger mal wieder eine Schraube gebrochen. Na, ja, dann muß halt auch die letzte Schraube der zweiten Flaschenhalterung herhalten. Eine Flaschenhalterung wird ja wohl reichen! Meine Versuche, mit nur einer neuen Speiche das Rad halbwegs zu zentrieren bringen keinen Erfolg. Zu meinem Glück ist ein junger Mann aus dem Dorf auf mich aufmerksam geworden und schleppt das nötige Werkzeug herbei. Ja, er macht gleich die ganze Arbeit, zentriert das Hinterrad so gut es halt nach dieser Marterstrecke geht. Es braucht schon so alles seine Zeit und die 3000 Drachmen die ich ihm anbiete sind wohl angemessen. Diese umfangreiche Hilfe konnte ich unmöglich mit einem "Vergelt´s Gott" quittieren. Aber noch ist der Tag nicht zu Ende! Gleich hinter dem Dorfende kann ich kaum schalten. Was ist denn nun schon wieder los? Anhalten. Gepäck herunter. Genau nachsehen. Noch eine Schraubverbindung des Gepäckträgers hat sich verabschiedet. Auch hierzu findet sich irgendwie eine Lösung. Und dann kann es weiter gehen. Aber auch hier, wenige Kurven nach Dorfende, wieder eine äußerst schlechte Piste. Heute will ich einen weiteren Schaden ja nicht herausfordern. Zunächst sollte ich wieder in eine Region mit gut ausgebauten Straßen gelangen. Also, was liegt da näher, als den heutigen Aufstieg bis nach Agios Vianos gleich als Wanderung anzulegen? Zeit habe ich genug um mein Tagesziel Pirgos zu erreichen. Schlimmstensfalls muß ich halt irgendwo bei Agios Vianos ein Taxi anheuern. Aber es geht gut voran. Eine Wanderung mit geschobenen Fahrrad erfordert zwar gewisse Mindestanforderungen an die Wege. Aber hier in dieser Region einer intensiven landwirtschaftlichen Nutzung mit Olivenhainen, Plastikgewächshäusern und Orangenplantagen, lassen auch für normale Wanderer nur die offiziellen Wege eine Nutzung zu. So ist der Transport des Gepäcks am Fahrrad durchaus angenehmer als ein schwerer Rucksack. Also eine Teilstrecke diesmal per Pedes, diesmal als Wanderer. Kurz vor Agios Vianos treffe ich wieder auf gute Teerstraßen. Es sind zwar noch einige Steigungen zu bewältigen. Aber jetzt komme ich wieder gut voran. Die Zentrierung ist recht ordentlich. Kein Schleifen der Felgen, funktionsfähige Cantilever-Bremsen! Also dann mal los Richtung Pirgos. Zunächst noch ständiges Auf und Ab. Der viele Staub hat Kette und Zahnkränzen arg zugesetzt. Ein leichtes und sauberes Schalten ist kaum noch möglich. Also an der nächsten Tankstelle Zwischenstop und die ganze Mechanik ordentlich ölen! Jetzt geht es gut voran. Aber, aber! Im Westen stehen dunkle Wolken am Himmel. Genau in meinem Zielgebiet. Ob ich da mal halbwegs trocken durchkomme? Bei der Ortschaft Skinia brechen die Schleusen. Es gießt. Schnell kann ich mich ins nächsts Gasthaus retten. Nach 20 Minuten ist der Spuk vorbei. Es kann weitergehen. In herrlich sauberer, staubfreier Luft kann ich jetzt in die Mesara-Ebene radeln. Hier wird neben Olivenzucht Weinbau betrieben. Es ist zwar schon recht spät aber bis Pirgos werde ich noch vor Einbruch der Dunkelheit kommen. Pirgos hat ein Hotel und in dieser Zeit, in der Vorsaison, sollte wohl ein Zimmer zu finden sein. Oder? Was ist denn nun schon wieder mit dem Fahrrad? Das linke Pedal wackelt. Sollte ich es bald verlieren? Ist die Verschraubung gebrochen? Diesen Spaß hatte ich ja schon mal mit dem Chinesenrad im Iran erleben dürfen! Also anhalten. Also prüfen! Das Pedal sitzt bombenfest. So wie es sich gehört. Aber der Kurbelarm wackelt bedenklich. Die Schraubverbindung hat sich wohl auf der Schotterstrecke gelöst. Aber hierzu fehlt mir ordentliches Werkzeug. Ich kann die Schraube nur notdürftig mit der Hand und einer Zange anziehen. Aber das reicht nur für zwei bis drei Kilometer. Dann muß die Prozedur wiederholt werden. Bis Pirgos noch dreimal. Endlich Pirgos. Vor neuem heftigen Regen flüchte ich in die nächste Kneipe. Ja, und dann zum Hotel. Schönes neues Haus am Ortsrand mit herrlichem Blick über die Mesara-Ebene. Aber leider alles ausgebucht! Es ist doch nicht zu fassen. Gegen 8 Uhr abends, bei Regen in Pirgos. Und das einzige Hotel ist ausgebucht! Aber ich kann den alten Bäckermeister, den Vater des Hotelbesitzers, mit Händen und Füßen und freundlichem Lächeln dazu bewegen, daß ich in einer kleinen Nische vor dem schönen Balkon campieren kann. Für die anderen Gäste nahezu uneinsehbar. Für mich genauso gut wie ein Campingplatz! Also geht es doch!

8. Mai 1994 - 62 Tageskilometer
Wenn ich schon vor dem Balkon mit der schönen Aussicht campiert habe, was liegt da näher,. als auf diesem Balkon zunäscht zu frühstücken. Gleich aus der Bäckerei habe ich mir frisches Brot und aus dem nächsten Dorfladen Youghurt, Honig und Obst besorgt. So kann der Tag angehen! Alles bei strahlend blauem Himmel. Es steht mal wieder eine schöne Etappe bevor. Schnell ist alles verpackt. Es kann losgehen. Aber erst will ich noch den lockeren Kurbelarm mit geeignetem Werkzeug befestigen. In den ersten zwei Tankstellen nur Freundlichkeit aber kein passendes Werkzeug. Also in die nächste Autowerkstatt. Da muß doch Werkzeug aller Art zu haben sein! Aber, aber. Heute ist Sonntag. Die Werkstätten sind geschlossen. Na ja, das kann ja heiter werden. So etwa alle zwei oder drei Kilometer muß ich die Schraubverbindung notdürftig mit einer Zange anziehen. Gut 10 km geht es so. Ob ich unter diesen Bedingungen heute noch Agia Galini erreiche ist mehr als zweifelhaft! Dann habe ich Glück. An einer Autowerkstatt sind einige Leute mit irgendwelchen Arbeiten beschäftigt. Die Leute sind wohl nicht die Freundlichkeit in Person, aber sie haben die richtigen Werkzeuge und sind auch schnell bereit, die Schraubverbindung ordentlich fest anzuziehen. Jetzt kann es durch die Mesara zügig weiter in Richtung Westen gehen. Über Asimi und Gangales führt mich der Weg nach Aga Deka. Hier zögere ich. Soll ich direkt nach Agia Galini fahren oder auch noch die Ruinen in Gortya besichtigen? Ich mache einen kurzen Stop am Ruinenfeld und beschräke mich dann auf eine kurze Fahrt durch die schönen Olivenhaine südlich der Hauptstraße in Richtung Mitropoli. Dann fahre ich weiter Über Mires, Timbaki, den nächsten recht steilen Anstieg hinauf und dann hinunter nach Agia Galini. Vor dem Orsteingang liegt der Campingplatz. Jetzt schön ruhig. Nur wenige Gehminuten am Strand entlang zur Stadt Agia Galini. Agia Galini, eine Touristenstadt. Agia Galini ist ein kleiner Ort. In einer Bucht direkt an den Berg gebaut. Der untere Teil gleicht mit seiner Straßengastronomie einem riesigen Betrieb der sogenannten Marktplatzgastronomie. Aber schon in der nächsten Gasse herrscht beschauliche Ruhe - zumindest jetzt in der Vorsaison. Östlich des Hafens liegt der Badestrand. Zunächst ein reiner Kiesstrand. Daran anschließend wird mit etwas Nachhilfe ein sandiger Strand unterhalten. Noch laufen für die Saison alle Vorbereitungen. LKW-weise wird Sand herangekarrt und am Strand ausgebreitet. Es wird schon für die Saison alles recht schön werden.

9. Mai 1994
Heute entscheide ich mich bei schönstem Wetter zu einem Bootstrip nach Preveli. So kann ich den rauhen Küstenverlauf mal aus einer anderen Perspektive sehen. Unser nicht besonders schnelles Boot tuckert 1 1/2 Stunden ganz gemütlich an der Küste entlang. In Preveli bleiben dann vier Stunden Zeit. Ein Teil der Mitreisenden legt sich an den schönen Strand. Andere, und auch ich, steigen den rauhen Pfad bergauf zur nächsten Straße und machen eine Wanderung zum Kloster Preveli. Die Klosterkirche ist mit herrlichen Fresken und schönen Ikonen ausgeschmückt. Im Klosterhof erinnert eine Gedenktafel daran, daß eine Gruppe allierter Soldaten hier Zuflucht vor der deutschen Besatzung gefunden hatte und mit Hilfe der Mönche und der einheimischen Bevölkerung schließlich aus der Bucht von Preveli mit einem U-Boot entkommen konnte.

10. Mai 1994 - 43 Tageskilometer
Heute will ich mir doch noch mal so einige der minoischen Ruinen anschauen. Also zurück über den steilen Hügel in Richtung Timbuki. Hier sehe ich zufällig einen Werkzeugladen. Vielleicht finde ich dort ja einen passenden Steckschlüssel. Fehlanzeige! Alle Größen verfügbar, nur nicht die für mein Rad passende! Na ja, ich wollte ja auch nur alte Mauerreste anschauen. Was stört dann schon nicht verfügbares Werkzeug? Also weiter! Dann ein Hinweisschild nach Agia Triada. Über abenteuerliche Feldwege geht es - ins Nichts. Irgendwo sieht man neue Grabungsstellen, irgendwo sieht man Besucher in der bereits ausgegrabenen, dem Publikum zugänglichen Anlage. Nur ein Eingang oder zumindest ein Hinweis auf einen Eingang ist nicht zu finden. Nach längerem Hin- und Hergefahre finde ich endlich den Eingang. An einer gut ausgebauten Teerstraße! Warum die Wegweisung über die Feldwege? Die Anlage selbst erfordert schon reichlich Phantasie um sich den früheren Zustand vorzustelllen. Es ist nur noch sehr wenig erhalten. Später folge ich der Teerstraße und lande auch noch in Festos. Der Zustand der Ruinen ist ähnlich! Nun kann es, nein, jetzt muß es schnellstens zurückgehen. In Richtung Agia Galini hat sich der Himmel verfinstert. Bei der heutigen Schwüle würde mich ein Wärmegewitter nicht sonderlich überrachen. Mit den ersten Tropfen komme ich zum Campingplatz. Zum Glück bleibt es jedoch bei diesen wenigen Tropfen! Für morgen liegt keine gute Wetterprognose vor. Sturm und Regen! Wenn´s nicht zu übel wird, werde ich dennoch über Spili nach Plakias aufbrechen.

11. Mai 1994 - 49 Tageskilometer
Na ja, so ganz übel sieht´s ja nicht aus. Auf in den Regen!. Zunächst mal Spili anvisieren. Bei übler Wetterentwicklung kann ich ja hier den Tagestrip abbrechen und auf Besserung hoffen! Aber es geht recht ordentlich. Aus den Bergen pfeift mir zwar lausig kalter Wind entgegen. Tief in den Bergen hängende Wolkenfetzen sehen zwar schön aus, gutes Wetter verheißen sie jedoch nicht! So auf halben Weg nach Spili, in der Ortschaft Akoumia lädt eine nette Taverne zur Rast ein. Und wie es sich gehört, hat die Bewölkung aufgerissen, die Sonne strahlt. Ich kann so gerade in Ruhe einen griechischen Salat essen, dann geht schon der nächste ausgiebige Regenschauer nieder. Und in Richtung Spili kündigen sich noch weitere Güsse an. Einen Vorteil hat die Sache ja, so kann ich wenigstens die Tauglichkeit der vor der Reise erworbenen Regenschutzhüllen für meine Gepäcktaschen ausprobieren. Aber zunächst warte ich mal eine gute Stunde die Wetterentwicklung ab. Dann breche ich auf. Schließlich habe ich mich bei der Tour durch Neuseeland auch nicht durch Regen von meinen Plänen abbringen lassen! Also los! Zum Glück dauert der Regen nicht mehr besonders lange. Die weiteren Regenschauern ziehen haarscharf an meiner Route vorbei. Es gibt keinen Grund in Spili zu verbleiben. Die Fahrt kann zügig weitergehen. Das schönste Teilstück der heutigen Strecke folgt mit der Durchfahrung der Kourtaliotiko-Schlucht und anschließender langer Abfahrt nach Plakias. In Plakias brauche ich wieder technische Hilfe. Die Verschraubung des linken Kurbelarmes hat sich erneut gelöst.

12. Mai 1994 - 50 Tageskilometer
Heute soll es die wohl letzte Etappe an der Südküste werden, wenn der Transport meines Rades mit Gepäck von Sfakia nach Omales nicht zu teuer wird. Es muß ja in der Tat ein riesiger Umweg gefahren werden. Und irgendeinen vernünftigen Lohn benötigen auch kretische Taxifahrer! Aber erst muß ich mal Chora Sfakia erreichen. Entweder bin ich heute besonders schlapp oder zur Abrundung der bisher erlebten technischen Mängel bereitet auch noch das Tretlager einige Schwierigkeiten. Neben unangenehmen Geräuschen scheint es durch Schwergängigkeit äußersten Widerstand zu leisten. Na ja, die Tagesetappe ist nicht riesig. Ich kann mir also durchaus längere Schiebestrecken erlauben. So etwa ab Mirthos geht es dann aber auch wieder recht ordentlich. Ein Gefälleteil und dann eine langgezogene moderate Steigung. Bis sich alles in ungemütliche Serpentien steigert. Hier muß ich nochmals schieben. Und dann vor mir die herrliche Abfahrt bis Rodakino! Dicht oberhalb des Küstenverlaufs. Von jeder Ecke, an jeder Kurve, eine neue, eine phantastische Aussicht! Aber so kann es natürlich nicht weitergehen. Das wäre doch zu einfach, zu schön! Im schönsten Teilstück kommt jetzt die erste Reifenpanne dieser Reise. Eigentlich nicht schlimm. Ich habe ja noch einen seit Monaten unbenutzten Reserveschlauch und ausreichend Flickmaterial. Aber ganz so einfach ist die Sache nun doch nicht. Der Reserveschlauch erweist sich nach kompletter Montage als undicht! Also nochmals von vorne! Den alten Schlauch flicken. Die Aufpumpprobe scheint die Dichtigkeit zu bestätigen. Also einbauen und weiter! Nach weniger als 200 m ist der Traum aus. Erneut Plattfuß. Dann zum dritten. Reserveschlauch flicken. Druckprobe. Einbauen. Und nach dem Einbau wieder Fehlanzeige. Jetzt reicht´s mir. Zuerst ist mal eine Wanderung angesagt. Bis Rodakino macht´s ja noch Spaß. Ich bin fast geneigt, die gesamte Reststrecke bis Sfakia, immerhin 25 km, zu laufen. Aber die arge Steigung bis Ano Rodakino hat doch erheblichen Einfluß auf meine Phantasie. Bis Sfakia laufen? Das muß doch nicht sein! Ein Taxi muß her! Der erste Versuch scheitert. Dann, in einer recht herben Taverne versteht man mich. Man ruft zwar kein Taxi. Aber einer der gerade fröhlich bei Lamm und Wein sitzenden Gäste macht mir klar, ich solle zunächst mal am Tisch Platz nehmen, vom Lamm essen, vom Wein trinken und dann werde er mich auf jeden Fall bis Frangokastello mitnehmen. Das klingt ja gut. Also nehme ich mal die Einladung an und vertraue auf einen weiteren guten Verlauf des Tages. Mein freundlicher Gastgeber fährt dann auch schließlich los. Nicht ohne in jedem kleinen Ort zu einem kurzen Schwatz mit seinen vielen Freunden anzuhalten. An dem Touristenpunkt Kastell setzt er mich ab. Hier kann ich entweder ein Zimmer mieten oder für den Rest der Strecke ein Taxi bestellen. So komme ich doch noch mit geringem finanziellen Aufwand bis Sfakia! Bei Ankunft in Sfakia bin ich´s zunächst mal ordentlich leid. Der Taxistand ist gleich gegenüber dem Hotel Samaria. Nicht lange zögern. Wenn hier ein Zimmer frei ist, bleibe ich hier. Noch ein Zimmer ist frei. Zwar nur im Altbau. Toilette und Dusche über dem Flur. Aber ein schöner Blick auf´s Meer, auf den kleinen Hafen. Und alles für nur 2500 Drachmen! Nicht lange feilschen, nicht weiter suchen. Hier bleibe ich. Etwas teurer als Camping, aber auch etwas komfotabler! Ob denn hier kein Ersatzschlauch aufzutreiben ist? Einmal durch´s Dorf, mehrmals Leute befragt, aber alles ohne Ergebnis! Dann muß ich wohl die alten Schluffen irgendwie herrichten. Es scheint zu klappen. Wollen mal sehen, wie es morgen weitergeht. Imbrosschlucht, Samariaschlucht ganz oder teilweise? Nächste Station Omalos? Auch das kann morgen entscheiden werden! Eigentlich wollte ich ja mal so einige Fastentage einlegen. Täglich gut essen, täglich Wein trinken, das muß ja nicht unbedingt sein. Stimmt! Gestern, in Plakias habe ich doch wirklich nur kretischen Tee getrunken und nur etwas Salat gegessen. Also heute, hier in diesem netten Ort, muß ich doch nicht zum Asketen werden. Warum fahren denn die Fischer jede Nacht hinaus? Irgendwer muß doch die schönen Fische essen! Und die Küche meines Hotels hat reichlich Auswahl! So ein richtig schöner Fisch, ordentlich zubereitet, etwas Salat und lokaler kretische Wein! Kurzum, auf der Terasse am Hafen ist es mal wieder einer dieser schönen Abende! Was zählen da noch die kleinen Probleme. Ohne die Panne hätte ich auch nicht das Vergnügen gehabt mit meinem Gastgeber von Ano Rodakino bis Frangokastello.

13. Mai 1994
Mit der ersten Fähre - leider erst um 10.30 Uhr - fahre ich von Sfakia nach Agia Roumeli. Mit gut einer Stunde Fahrzeit, vorbei an der wilden Küste verbleiben mir bis zur letzten Fähre zurück nach Sfakia etwa 5 Stunden für eine Wanderung in der Samariaschlucht. In dieser Zeit kann ich selbstverständlich nicht die ganze Schlucht durchwandern und wieder zurück zur Fähre gelangen. Aber in den 5 Stunden kann ich doch einen recht ordentlichen Teil der Schlucht begehen.

14. Mai 1994 - 49 Tageskilometer
Der notdürftig reparierte Schlauch hat bis jetzt die Luft gehalten. Vielleicht komme ich doch noch ohne weitere Pannen bis an die Nordküste mit der dichteren Tourismus-Infrastruktur und ich finde einen Laden um neue Schläuche zu kaufen. Aber ich will keine Experimente eingehen und die große Steigung auf ca 800 Meter Seehöhe oberhalb der Imbrosschlucht laufen. Bei der durchschnittlichen Steigung von 10 % bin ich auf diesem Teilstück fahrend auch nicht wesentlich schneller als wenn ich die Strecke zügig laufe. Aber ich vermeide extreme Belastungen des Hinterrades und habe bei Durchfahrt der Straße oberhalb der Imbrosschlucht eventuell erneut auftretende technische Probleme den psychologischen Vorteil, daß ich entweder in Imbros Station machen kann um in Ruhe die Schlucht zu durchwandern oder ich bin bereits soweit vorangekommen, daß ich das Tagesziel Vrisses zu Fuß erreichen kann. Der Aufstieg auf cirka 800 Meter zieht sich in endlosen Serpentinen dahin. Es scheint nahezu senkrecht aufwärts zu gehen. Aber irgendwann bin ich an der Kuppe und es beginnt eine herrliche Abfahrt oberhalb der Imbrosschlucht durch karge Berglandschaften. In Imbros mache ich dann bei einer kleinen Taverene (in den Alpen würde man so etwas wohl Sennhütte nennen) eine kurze Pause. Und dann kann´s weitergehen. Kurz vor der Ortschaft Ammodari bekomme ich wieder Schwierigkeiten mit dem linken Kurbelarm. Aber zu meiner Überraschung ist gleich hinter der nächsten Kurve eine Tankstelle. Und hier kann ich endlich passendes Werkzeug für die Befestigung des Kurbelarmes kaufen. Dann folgen nochmals einige hundert Meter Aufstieg und anschließend eine lange Abfahrt bis nach Vrisses und weiter direkt an die Küste. Aber, aber. So auf halben Weg zwischen Ammodari und Alikambos gibt mal wieder der hintere Schlauch den Geist auf. Nochmaliges Flicken macht hier auf der freien Strecke wenig Sinn. Vorsorglich versuche ich es mit dem auch schon recht zerzausten Reserveschlauch. Aber auch diese Mühen hätte ich mir sparen können. Also, für den Rest der Strecke: Laufen! Das ist heute weiter kein Problem. Es geht nur bergab. Durch außerordentlich schöne Landschaft, bei erträglichen Temperaturen. Diese Strecke scheint bei Radfahrern nicht besonders beliebt oder bekannt zu sein. Heute ist mir kein einziger Radfahrer begegnet. Am späten Nachmittag erreiche ich Vrisses. Es gibt hier zwar ein Geschäft, daß auch Fahrradschläuche verkauft. Man hat so allerlei Größen verfügbar: 20 Zoll, 24 Zoll,. 28 Zoll, aber keine 26 Zoll! Na ja, dann muß ich wohl auf den nächsten Ort hoffen, spätestens in Rethimno dürfte ich wohl fündig werden! Vrisses, ein kleiner Ort fast ohne Touristen hat auch zwei kleine Hotels zu bieten. Aber der eine Hotelbesitzer ist recht unflexibel. Er konnte sich wohl nicht vorstellen, daß eine Einzelperson in einem für zwei oder mehr Personen eingerichteten Appartement übernachten kann. Er machte sich noch nicht mal die Mühe, mir einen Preis zu nennen, obgleich fast alle Zimmer unvermietet waren. Auch der zweite Hotelier hat wohl heute nicht seinen besten Tag. Nachdem ich den vom Peronal genannten Preis von 5000 Drachmen als etwas hoch für die Vorsaion bezeichnete, wußte der gute Mann nur zu sagen, er wolle dann halt 6000 Drachmen wenn mir 5000 nicht passten! Er hat wohl geglaubt ein etwas ermüdet wirkender Radfahrer würde jeden Preis bezahlen. Und das nur 4 Kilometer entfernte Georgioupoli hatte zur gleichen Zeit einen Überschuß an Hotelbetten! Ich habe mich dann entschlossen auch noch die restlichen 4 Kilometer zu laufen. Hier in Georgioupoli habe ich dann ohne Suchen und Gefeilsche ein ordentliches Appartement für 4000 Drachmen gefunden. Aber die Beschaffung von Ersatzschläuchen war auch in diesem Ort nicht möglich. Der erste Fahrradverleiher war nicht gerade die Freundlichkeit in Person. Wahrscheinlich hat er meine Frage nach Schlauch und anderen Fahrradersatzteilen für einen ungehörigen Antrag gehalten. Schließlich wollte er ja mit der Vermietung von Fahrrädern Geld verdienen! Vermutlich muß ich schon dankbar dafür sein, daß er mich nicht aus seinem Laden hinausgeworfen hat. Ich hatte mich wegen dieser unerwartet unfreundlichen Art schon darauf eingestellt, gleich am nächsten Morgen weiterzureisen. Nach dem Motto: Nur weg von diesem unfreundlichen Ort!! Aber der zweite Fahrradverleiher am Ort war doch wesentlich freundlicher. Er konnte mir zwar auch keinen Ersatzschlauch verkaufen, aber er nannte mir eine Tankstelle im nächsten Ort, bei der er immer seinen Bedarf einkauft! Na ja, dann waren die beiden Hoteliers in Vrisses und der andere Fahrradverleiher Ausnahmen oder die Leute hatten heute ihren schlechten Tag. Es gibt also auch noch in den Tourismuszentren der Nordküste Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft!

15. Mai 1994 - 40 Tageskilometer
Vormittags Ausflug mit dem Leihfahrrad über den Kournas-See, durch Dramia und umliegende Dörfer. Beschaffung eines Ersatzschlauches. Nachmittags eine Rundfahrt über Kali Amigdali und Vrisses.

16. Mai 1994
Strandspaziergang bis Asproliami, einer dichten Hotelansiedlung an der langezogenen Bucht. Aber auch hier noch vorsaisonale Ruhe!

17. Mai 1994
Schiffsausflug von Rethimno nach Santorini. Die Fahrt geht mit einem richtigen Kreuzfahrtschiff. So kann die gut vierstündige Anreise gut ertragen werden. Die Witterung ist zunächst recht unfreundlich. Auf den Sonnendecks sind Liegestühle im Überfluß verfügbar. Aber bald kommt die Sonne hervor. Es wird wärmer. Die Liegestühle auf den Sonnendecks sind bald alle vollständig belegt. Während der Anreise werden im Kinosaal des Schiffes einige Informationen über die Insel Santorini gegeben und - natürlich - entsprechende Exkursionen über die Insel angeboten. Unter Berücksichtigung der kurzen Aufenthaltsdauer schließe ich mich solch einer kurzen Bustour über die Insel an. Man sieht ja einiges, aber so ganz der richtige Weg, eine fremde Landschaft zu erkunden ist das für mich nun doch nicht. Aber für heute war es wohl richtig. So bekomme ich trotz des nur 5-stündigen Aufenthaltes doch einen recht guten Eindruck von dieser schönen Insel vermittelt. Hier könnte ich mir auch mal einen längeren Aufenthalt vorstellen, vielleicht mal irgendwann in der Nachsaison.

18. Mai 1994 - 32 Tageskilometer
Heute geht es weiter. Über Dramia, Episkopi, Agios Andrea, Gonia und Prines, über die alte Küstenstraße geht es nach Rethimno. Durch die neue Küstenstraße ist die schöne alte Straße stark entlastet und eine ideale Strecke für Radfahrer. Die Strecke führt durch hügeliges Gelände, durch eine sehr schöne Landschaft. Das Wetter ist heute nicht besonders angenehm. Sehr feucht-schwül. Aber bei der recht kurzen Strecke dürfte es kein Problem werden.

19. Mai 1994
Heute mal wieder ein gemütlicher Ruhetag. Etwas Bummel durch Rethimno. Besuch des archäologischen Museum, etwas Lesen, ein Strandspaziergang, einige Justierarbeiten am Fahrrad.

20. Mai 1994 - 103 Tageskilometer
Heute geht es in Richtung Osten, in Richtung Heraklion. Die Rundreise ist annähernd beendet. Vielleicht noch eine Zwischenstation in Anogia am Fuße des Idagebirges oder direkt bis zu einem Campingplatz in der Bucht westlich von Heraklion. Aber zunächst gilt es die lang gezogene Hotelkolonie östlich von Rethimno zu durchradeln. Hier herrscht auf einer Distanz von gut 10 Kilometern allgemeine Geschäftigkeit. Erst auf den letzten 3 Kilometern lockert die Bebauung etwas auf. Zwischen den Hotels, den Geschäften, den Restaurants gibt es hier noch einige grüne Flächen. Dann verläßt die "alte Rethimno-Straße" die Küste und führt durch herrliche Hügellandschaft. Die Straße ist jetzt nur noch sehr gering befahren. Der Hauptverkehr folgt der neuen Schnellstraße nach Heraklion. Heute habe ich auch keine technischen Probleme mit dem Rad. Der neue, bereits montierte Schlauch, der neue Reserveschlauch, das neu erstandene Werkzeug und die gestern durchgeführten kleinen Wartungsarbeiten am Fahrrad haben doch eine positive Wirkung, in tatsächlicher und in psychologischer Hinsicht! Kurz hinter Mourtzana verpasse ich doch vor lauter Bewunderung der schönen Landschaft den Abzweig nach Anogia und verbleibe auf der Rethimno-Straße. Na ja, so ganz festgelegt war ich ja nicht auf einen Aufenthalt in Anogia. Also weiter! In Drosia mache ich in einer kleinen Taverne Pause. Nach einem äußerst preiswerten Lunch geht es weiter über Damasta, Marathos und Strombola. Hier habe ich den ersten phantastischen Ausblick auf die Bucht von Heraklion. Recht einladend liegt sie da, die Bucht von Heraklion. Es war wohl doch eine gute Idee, als Zielpunkt diese Bucht westlich von Heraklion auszuwählen. In langezogener Abfahrt geht es nun hinunter nach Heraklion. Nach Querung der neuen Schnellstraße Rethimno-Heraklion bei der Ortschaft Gazi holt mich die Wirklichkeit ein. Der Westrand Heraklions ist ein Industrrie- und Gewerbegebiet. Unweit der aus den Bergen als einladend empfundenen Bucht steht ein übel vor sich hin räuchernder Industriebetrieb. Das kann ja wohl nicht der rechte Aufenthaltsort zum Schluß der schönen Kretarundfahrt sein! Also weiter. Durch Heraklion. Weiter bis zum Campingplatz bei Kato Gouves. Hier hatte ich ja schon den ersten Tag nach der Anreise campiert. Es ist zwar auch nicht die erste Wahl für einen Kretaurlaub, aber günstig zum Flughafen gelegen. Und die zu Beginn der Reise unterlassenen Ausflüge nach Knossos und in die Umgebung von Arhanes lassen sich von hier aus gut durchführen.

21. Mai 1994 - 25 Tageskilometer
Nach einem gemütlichen Vormittag in Kato Gouves gibt´s heute nur einen kurzen Trip nach Hersonisou, einem der großen Touristenzentren auf Kreta. Ein kurzer Strandbummel, dann reicht´s mir. Zurück zum Campinplatz.

22. Mai 1994 - 84 Tageskilometer
Heute soll es zu den Ruinen von Knossos gehen. Natürlich nicht den kurzen Weg über Heraklion. Ich will den Besuch dieser Ausgrabung schon mit einer ordentlichen Rundfahrt verbinden. Diesmal ohne Gepäck! Ich wähle wieder den Weg über Gouves und Kalo Horio. Dieses Teilstück kenne ich ja schon von der ersten Etappe auf die Lassithi-Hochebene. Ich komme heute zwar ohne Schiebestrecken oder Pausen gut durch. Aber radeln durch die niederrheinische Ebene ist deutlich bequemer! Hier scheint man wohl nur Steigungen von mindestens 10 % zu kennen! Aber, aber. Nach jedem recht anstrengenden Aufstieg versöhnt dann wieder eine herrliche Abfahrt, eine Abfahrt durch schöne Landschaft. Hinter Kalo Horio geht´s dann erst einmal in schöner, sanfter Neigung über viele Kilometer abwärts Richtung Süden, Richtung Kastelli. Vor Kastelli wieder bergauf. Wieder mit 10 %. Es geht wohl nicht flacher! Dann bin ich mal wieder in einer der kleinen Hochebenen. Aber auch hier ist es nicht topfeben. In beständigem Auf und Ab geht es nach Agios Paraskies und dann fast nur noch bergab nach Knossos. Auch diese Ausgrabung hat die einstige Schönheit der minoischen Architektur nur noch bruchstückhaft freilegen können. Aber die Anlage vermittelt schon einen ordentlichen Eindruck. Nur Vergleiche mit den ägyptischen Monumenten oder mit den Ruinen von Baalbeck sollte man nicht anstellen! Nach der Besichtigung geht es einige Kilometer bergab hinein nach Heraklion. Ich mache nur einen kurzen Stop am alten venezianischen Hafen und schaue etwas verträumt auf die Fähren im neuen Hafen. So eine Fahrt kreuz und quer durch´s Mittelmeer, Pausen auf den Inseln, Weiterfahrt nach Ägypten, das wäre doch noch ein reizvolles Projekt! Aber für heute soll ein kurzer Bummel über die Hauptgeschäftsstraßen reichen und dann geht´s zurück ins Camp.

23. Mai 1994 - 42 Tageskilometer
Heute wird´s ein geruhsamer Tag. Nach langdauerndem Frühstück und ausführlicher Zeitungslektüre fahre ich am späten Vormittag nach Heraklion. Ich muß ohnehin den Rückflug nochmals bestätigen lassen. Das ging zwar auch per Telefon. Aber ein nochmaliger längerer Bummel durch die Innenstadt Heraklions kann ja auch nicht schaden. Nur, so ganz überzeugt mich die Stadt nicht! Laut, geschäftig, voller Autoabgase, überlagert vom Lärm des nahen Flughafens. Nicht nur die vielen Urlauberflugzeuge. Nein, die Einwohner Heraklions sollen wohl die "geringe" Lärmbelastung des zivilen Flugverkehrs durch den häufigen Überflug von Militärjets demonstriert bekommen. Hier habe ich nach langer Zeit wieder spielende Kinder gesehen, die sich bei An- oder Überflug der Militärjets die Ohren zugehalten haben. Na ja, das kennen wir aus früheren, aus schlechteren Zeiten in Dinslaken, als die Tiefflugzone noch nicht in das Gebiet nördlich der Lippe verlagert war!

24. Mai 1994
Heute ist es schon am frühen Vormittag recht warm. Ich verzichte daher auf eine weitere Rundfahrt durch das Hügelland und lege nochmals einen geruhsamen Tag in Gouves ein. Ein kleiner Spaziergang, ausgiebig Zeitungslektüre. Ich glaube, es war eine richtige Entscheidung. Heute war wohl der wärmste Tag meines gesamten Aufenthaltes. Noch abends gegen 8 Uhr zeigt das Thermoter 27° C - und das im tiefsten Schatten!

25. Mai 1994 - 30 Tageskilometer
Heute ist nun wirklich Schluß. Ich kann in Ruhe alles abbauen und dann am späten mittag nach Heraklion fahren. Das Flugzeug startet erst um 20.30 Uhr. Also keine Hast, alles gemütlich ausklingen lassen! Ja und zum Schluß? So nach fast 1000 km durch Kreta? Nun hab´ Dich mal nicht so! Technische Probleme?! An allen Schwierigkeiten trägt wohl das Fahrrad die Schuld? Oder? Klar, die höchste Qualitätsstufe hat mein Peugeot Explorer nicht. War ja auch bei dem Preis nicht zu erwarten. Es war halt nur die beste im Iran erhältliche Qualität. Aber hat mich dieses Rad nicht ordentlich über die Nordinsel Neuseelands getragen? Wirkliche Schwierigkeiten hatte ich doch während dieser Tour nicht! Vielleicht sollte ich mich zurückerinnern an meine ersten Eindrücke von Kreta. Vor Jahren, bei den Überflügen auf den Reisen in den nahen Osten. Wie ein Felsbrocken im Meer ist mir die Insel erschienen. Und bei näherer Betrachtung hat sich dieser Eindruck doch jetzt nur bestätigt. Nicht mehr und nicht weniger! Rauhes Gebirge, zerklüftete Topografie. Berge bis ans Meer! Eine solche Topografie fordert nun mal seinen Preis, besonders wenn man mit Gepäck durch die Gegend radelt! Man sollte es einfach hinnehmen, daß hier die Tagesetappen manchmal recht kurz ausfallen und trotzdem reichlich Kraft kosten! Aber ein´s hat es auf jeden Fall gebracht. Weitere Erkenntnis über den Bedarf für eine größere Radtour. So langsam wird mir klar, welche Ausrüstung für mich ein Optimum darstellen könnte. Irgendwann sollte ich mir dann doch mal ein "ordentliches" Reiserad kaufen. So etwas von Koga Miyata oder von Bernd Herkelmann, vielleicht ein ganz individuell aufgepepptes Standardrad aus irgendeinem Fahrradladen. Oder einfach nur einige Komponenten am vorhandenen Rad austauschen. Die Rahmengeometrie hat sich doch als tauglich erwiesen!


Und was man sonst noch so sagen könnte.
Ich zitiere aus einem zum Schluß der Reise in Kreta gekauften Buch:

Kreta ist hauptsächlich gebirgig mit drei großen Geirgsketten
- die weißen Berge - Sfakianos Madares 2452 m
- das Ida-Gebirge - Psilositis 2456 m
- das Dikti-Gebirge - 2148 m

Tiefe und wilde Schluchten durchziehen seine Berge.
Die Ebenen der Insel sind wenige.

Klingt doch alles recht einladend für eine Radtour, oder? Aber man sollte sich von dieser Topografie nicht abschrecken lassen. Kreta ist landschaftlich reizvoll, die Bevölkerung äußerst freundlich und noch ist nicht die ganze Insel durch touristische Infrastruktur betoniert. Besonders in den Bergen, im Westen, im äußersten Osten und an der Südküste ist noch viel vom ursprünglichen Kreta erhalten.

Kurzum, Kreta ist eine Reise wert!

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