Rafahren in Ägypten

ABU MOHAMED
Restaurant
cleanest place in town
WEST OF MOUT TOWARDS HOT SPRING -- TEL.: 395






Einige sehr persönliche Impressionen einer Reise durch Ägypten,
einer Reise mit Flugzeug, Bus, Fahrrad, Mietwagen und Feluka.


einige Bilder       Auswahl Radreisen



ABU MOHAMED
Restaurant
cleanest place in town

na, wer wird denn so werben - oder ist alles nur ein dummer Scherz ?
Es ist natürlich kein Scherz. Abu Mohamed lebt wirklich und betreibt sein Restaurant in der Ortschaft Mut in der ägyptischen Oase Al Dakhla. Und - a clean place in town, maybe the cleanest place ist Abu Mohameds Restaurant tatsächlich!

Und, wie findet man den Weg zu Abu Mohamed, to the cleanest place in town? Eine Kleinanzeige in unserer regionalen Tagespresse, ein Hinweis im Guide Michelin, ein heißer Tip von Zeitschmecker Wolfram Siebeck? Nein, weit gefehlt - solche Wege sind zu simpel um Abu Mohamed zu finden. Da müssen doch etwas andere Wege beschritten werden.


Ja, welche? Ja, wie hat denn alles angefangen?

Sommer 1990, ein herrlicher Abend auf meiner Gartenterasse, zum kleinen Abendessen einen Wein aus großem Jahrgang, ein 82er Medoc, Cuvee de la Commanderie du Bontemps, zum Abschluß einen Espresso und dann - die neue, herrlich verstellbare Terassenbeleuchtung, erst gestern montiert, muß auch noch ausprobiert werden. Kann ich jetzt endlich bei leise knisterndem oder auch gelegentlich laut prasselndem Feuer im Terassenkamin, kann ich nun wirklich in aller Behaglichkeit die neueste Ausgabe der ZEIT lesen? Ja wirklich, die neue Terassenbeleuchtung erfüllt ihren Zweck. Das brennende Holz im Kamin knistert. Der Garten versinkt in der aufziehenden Dunkelheit, nur im Gartenteich spiegelt sich das milde Licht einer alten Kupferlaterne. Was soll's, auch nach dem Espresso sollte in dieser Atmosphäre ein weiteres Glas der wohl abgerundeten Cuvee de la Commanderie du Bontemps bekömmlich sein!

Jetzt noch intensiv und mit wachem Geist die Zeit lesen? Ach was, der Stimmungslage angemessener ist eine Durchsicht der ständig ungeordnet in irgenwelchen Schubladen herumliegenden Reiseinformationen, Prospekte, Berichte.

Gesagt - getan! Und was fällt mir in die Hände? - natürlich wieder solch ein Programm mit reichlich unausgegoren erscheinenden Angeboten: mit dem Fahrrad durch die Mongolei - na ja, ein bißchen weit; eine Fahrt mit der Transsibirischen Eisenbahn - ein besonderer Eisenbahnfan bin ich auch nicht. Aber dann: Ägypten, mit dem Fahrrad und auf einer Feluka durchs Niltal, von einem Tempel zum anderen; klingt recht gut. Aber viel besser klingt die Alternative: von Kairo mit dem Fahrrad über die in der libyschen Wüste liegenden großen Oasen nach Luxor.

Die Programmbeschreibung vermittelt mir ein deutliches Bild von dieser Reise. Ägypten nicht aus der Perspektive des Business-Reisenden - First-Class-Hotels und die Büros der großen Firmen oder als Kulturtourist im klimatisierten Reisebus, in besten Hotels oder auf den großen Nil-Hotelschiffen zu erleben. Ägypten einmal anders! Übernachtung in der Wüste, in Palmblatthütten, in aus Lehmziegln errichteten Unterkünften, in oasen-typischen, einfachen Hotels. Für einzelne Reisetage wird die Duschgelegenheit als besonderes Highlight extra im Prospekt angekündigt. Hier kann ja nichts schief gehen, außer der Absicht zu einem bestimmten Termin Luxor zu erreichen wird ja eigentlich nichts versprochen. Und auch dieses Versprechen wird gleich relativiert: Bei einer Reise dieser Art bleibt eine Anpassung der Reiseroute vorbehalten.

Na herrlich, endlich ein Angebot das die Durchsetzung evtl. Regreßansprüche defacto vorweg ausschließt. Das ist die Idee, das ist der Urlaub für die Jahreswende. Noch ein Glas der wirklich empfehlenswerten Cuvee de la Commanderie du Bontemps. So beflügelt ist die Reiseanmeldung schnell ausgefüllt. Nur nicht zögern - ab geht die Post.

Es vergeht einige Zeit, dienstliche Reise nach Libyen, Ausbruch der Kuwait-Krise, Skilauf im Pitztal. Verschiedene Kontaktgespräche mit dem Reiseveranstalter, Rückfragen zum Stand der Reiseanmeldungen, Ratschläge für die sinnvolle Ausrüstung. Zwischenzeitlich einige zaghafte Versuche, aus dem Bekannten- und Freundeskreis noch den einen oder anderen Mitfahrer zu gewinnen. Keiner ist für diese Reise zu begeistern, alle winken ab - einige bezweifeln, ob ich noch meine Sinne so recht beisammen habe, mit dem Fahrrad durch die Wüste fahren?! Was soll's, die Reise wird angetreten - nur eine abrupte Verschlechterung der politischen Situation kann meinen Entschluß stoppen. Zur Einstimmung etwas Literatur, der Veranstalter schickt einiges, der Rest wird im Buchhandel erworben. Nach einschlägigen Ratschlägen wird ein kleiner Medikamentenvorrat für die Reise zusammengestellt, einschließlich einiger steriler Einwegspritzen. Man kann ja nie wissen!

Erinnerungen an frühere geschäftliche Reisen nach Kairo werden wach. Was mag aus meinen Projekten geworden sein? In der ersten Angebotsrunde hatte der Governor of Cairo noch einige Finanzierungsprobleme, später wurde der mit den Projekten befasste Geschäfstbereich aufgegeben. Die Projekte waren für uns erledigt. Aber was mag aus ihnen geworden sein?
Das Reiseprogramm sieht zum Glück einen Tag in Kairo vor. Ein Tag für die behördlich vorgeschriebene Registrierung, für die Ausstellung der Reiseerlaubnisse in die entfernt gelegenen Wüstengebiete. Diese Zeit sollte doch zu nutzen sein um die Standorte meiner ehemaligen Projekte zu besuchen!

Aber noch sind wir nicht soweit. Noch sind andere Fragen zu klären. Das eigene Fahrrad soll mitgebracht werden. Na, wird es denn die Flugreise heil überstehen? Welchen Straßenzustand werden wir wirklich antreffen, welche Ersatzteile sind erforderlich? Kann das Verpackungsmaterial für die Rückreise sicher gelagert werden, ist es wirklich bei der Rückreise verfügbar? Was man da soll alles hört über unsere lieben Ägypter! Soll man alles glauben - oder soll ich die Sache einfach mit blindem Vertrauen angehen? Und dann, wenige Tage vor Reiseantritt ein neuer Anruf des Reiseveranstalters. Er hat Fahrräder erworben. Die Mitnahme eigener Räder ist nicht mehr erforderlich. Auf Rückfrage können nur einige vage Angaben zu den Rädern gemacht werden. Aber man will meine Fragen zur Ausrüstung klären, die Mitarbeiter in Kairo ansprechen. Aber noch sind die Räder gar nicht in Kairo verfügbar, sie sollen erst in den nächsten Tagen angeliefert werden. Na ja, die ganze Reise steckt eh voller Unwägbarkeiten, warum soll dann gerade das zentrale Verkehrsmittel dieser Tour Gegenstand meiner weiteren besonders gründlichen Vorsorge sein? Vielleicht habe ich mich schon zu stark mental auf Ägypten eingestellt. Inshalla, Bukra, Malesh - hierin soll sich ja weit verbreiteter Meinung zufolge das Lebensgefühl vieler Ägypter widerspiegeln. Na, warum soll diese einfache Formel nicht auch für mich passen! Ich entschließe mich somit heroisch auf die Mitnahme des eigenen Fahrrades zu verzichten. Es wird schon laufen, inshalla!

Bis zwei Tage vor Reiseantritt laboriere ich an einer leichten Erkältung. Alle in früheren Fällen bewährten Methoden, steifer Grog, Sauna etc. bringen keine Änderung. Na ja, was soll's, wer garantiert denn, daß die Fahrräder überhaupt verfügbar sind - dann wird's halt eine Busreise. Und die kann doch auch mit einer leichten Erkältung gemacht werden!

Am Abreisetag werde ich mit starken Kopfschmerzen, Übelkeit und kalten Schweißausbrüchen wach. Was ist denn nun passiert? Habe ich zuviel über die gesundheitlichen Risiken einer solchen Reise gelesen? Gerate ich möglicherweise aus unverständlichen, in meinem tiefsten Innern schlummernden Ängsten so kurz vor Reiseantritt in Panik? War die seit Wochen andauernde Vorfreude gar eine schon krankhafte Euphorie? Natürlich ist das alles purer Unsinn, die Lösung ist ganz einfach. Nach einer heiß-kalten Wechseldusche kann ich wieder klar denken. Die Randerscheinungen meiner monentan nicht optimalen Verfassung lassen auf eine stärkere Magenverstimmung schließen. Und richtig, die Urasche ist bald eingegrenzt, die Ursache muß eine recht ölige Fischmahlzeit gewesen sein. Na also - es kann doch losgehen. Etwas Mattheit ist für die Reise nach Kairo nicht besonders störend.

Na, rufen wir halt mal das Taxi, es wird Zeit zum Bahnhof zu gelangen. Und welche Überraschung, der Taxifahrer ist ein junger, bei uns ansässiger Araber! Das kann doch nur ein gutes Omen sein. Während der kurzen Fahrt plaudern wir etwas über meine Reise. Das ganze Unbehagen des frühen Vormittags ist wie weggeblasen. Die seit Wochen bestehende Vorfreude ist wieder ungebrochen da!

In Frankfurt, am Egyptair-Schalter treffe ich dann einige der Mitreisenden. Ich nehme nur wenige wahr, die kleine Anzahl soll sich auch noch auf zwei Gruppen verteilen. Na ja, es wird schon irgendwie laufen. Warten wir mal ab, was in Kairo passiert.

Ein Einreisevisum habe ich noch nicht, soll in Kairo um Flughafen erteilt werden. Bis zum Betreten der Transithalle in Kairo ist die Reise eine sehr individuelle Angelegenheit. Aber dann geht es los! Mit Präzision, die alle wohl gepflegten Vorurteile Lügen straft, und großer Freundlichkeit werden wir vom Agenten des ägyptischen Vertragspartners unseres Veranstalters begrüßt! Natürlich sind unsere Visa vorbereitet, natürlich stehen für uns genügend Gepäckwagen griffbereit, natürlich haben wir keine Schwierigkeiten mit dem Immigration Office oder mit dem Customs Office. Und vor der Türe erwarten uns zusätzlich unsere deutschen Reiseleiter. Im Bus stellen wir dann fest, daß insgesamt 11 Gäste angereist sind.

Unsere Gruppe besteht aus 3 Gästen. Zunächst wird die andere Gruppe zu deren Hotel im citynahen Stadtteil Agouza gebracht. Wir fahren weiter nach Giza, ins Pyramid-Hotel.

Nun sind wir da. Schauen uns - Peter (57), ambitionierter Hobby-Radfahrer, Martin (20), bestens trainierter Hochleistungs-Leichtathlet, unser Reiseleiter Christoph (23) und ich (49), Gelegenheitsradfahrer ohne Ambitionen und ohne besonderes Training, alle etwas erstaunt an - wie werden wir in den nächsten 2 Wochen miteinander auskommen, haben wir ähnliche Erwartungen an die Reise?

Trotz vorgeschrittener Stunde, es ist 2.00 Uhr nachts Ortszeit Kairo, besprechen wir noch einige Dinge für den Reiseablauf, Regelung der Formalitäten, Vereinbarung einer gemeinsamen Frühstückszeit für den nächsten Tag. Erläuterung des für den nächsten Tag vorgesehenen Programmes und möglicher Alternativen.

Am nächsten Morgen, wir haben den 23.12., fährt pünktlich zur vereinbarten Zeit unser Fahrer Mohamed mit dem Bus und den Fahrrädern vor. Na, wie sind die Räder beschaffen, sind noch umfangreiche Justierungen erforderlich?

Christoph bietet mir ein Fahrrad an. Ein wenig ungewohnt ist es schon, die Schaltung hakelt, die Hinterradbremse ist schöner Dekor. Sie schadet nicht, aber sie bremst auch nicht! Aber was soll's, es gibt ja noch ein Vorderrad - und das mit einer funktionstüchtigen Bremse. Martin hat auch keine Probleme mit seinem Rad. Dafür trifft es Peter um so härter. Peter, ein offenkundig leidenschaftlicher Radfahrer hat wohl die Niete bei der Fahrradverlosung gezogen! Die Schaltung klappt nicht, die Bremsen funktionieren nicht, die Räder schleifen, das Tretlager ist nicht in Ordnung, sagt er. Was soll's, Christoph hat vorsorglich ein Reservefahrrad mitbringen lassen. Na, auch hier entspricht nicht alles den hohen Ansprüchen eines nahezu semi-professionellen Radfahrers. Aber Peter schluckt es mit Würde!

Christoph hat natürlich gar keine Schwierigkeiten, er benutzt sein eigenes Fahrrad. Christoph lebt in Kairo und studiert dort als Stipendiat Hocharabisch. In dem nahezu unvorstellbaren Verkehrschaos hat sich Christoph für das zwar etwas risikoreiche aber ansonsten unschlagbar schnelle Fahrrad als Nahverkehrsmittel entschieden. So ist er natürlich fein heraus!

Nun sind wir alle ausgerüstet, es kann losgehen. Natürlich zu den Pyramiden, wenn wir schon im Pyramid-Hotel wohnen! Zu den Pyramiden benutzen wir eine stark befahrene Straße. Es bedarf schon einer gewissen Eingewöhnung - oder Überwindung? - in diesem auf den ersten Blick für einen Mitteleuropäer ungeordneten Verkehrsstrom mitzuschwimmen. Aber irgendwie geht es! Mir fällt zum Glück eine Anmerkung eines langjährigen Ägyptenkenners ein: ägyptische Autofahrer schauen nur nach vorne, was hinter ihnen geschieht interessiert nicht. Gefahren wird, wo Platz ist!

Doch recht einfach! Wo ein Eselskarren fährt, fährt kein Autofahrer! Warum soll das nicht auch für Fahrräder gelten? Ich versuche es mal. Tatsächlich, es funktioniert. Der Abstand ist manchmal recht eng, na ja - es geht halt irgendwie. Wir erreichen die Pyramiden tatsächlich.

Jetzt erweisen sich unsere Fahrräder doch schon als recht gute Hilfsmittel. Die Entfernungen zu den einzelnen Pyramiden, zur Sphinx oder zu einigen besonders schönen Aussichtspunkten sind recht groß. Die allgegenwärtigen Kamelführer warten nur auf die Touristen. Eine Ablehnung ist kein ausreichender Grund, einen Kamelritt nicht immer wieder anzubieten. Der Tourist muß doch zu seinem Glück zu bekehren sein! Mit unseren Fahrrädern ist eine Ablehnung sofort glaubwürdig! Wir können uns unbehelligt von allzu intensiven Akquisitionsbemühungen der Kamelführer im Pyramidenbereich bewegen. Gelegentlich fällt einem der Kamelführer, einem der Straßenhändler auf, daß wir andere Fahrräder benutzen, als in Ägypten allgemein üblich. Schon werden uns die tollsten Tauschgeschäfte angeboten! Aber wir brauchen die Fahrräder, wie sollen wir sonst unsere Reise zu den Oasen durchführen?

Was, mit dem Fahrrad die Oasen besuchen? Das kann doch nicht vernünftig sein! Aber mit offenkundig unvernünftigen Menschen macht es auch wenig Sinn, einen Tauschhandel einzugehen. Wir können also unsere Fahrräder behalten, brauchen keinen Kamelritt um die Pyramiden machen! Kurzum - Narren, Radfahrer in der Wüste oder sonstwie spinnerte Leute läßt man in Frieden ziehen!

Anschließend fahren wir direkt durch das Getümmel von Giza-City zu unserem Hotel zurück. Es geht über Stock und Stein, zwischen Autos, Eselskarren, Kamelen, Frauen, Kindern, Greisen, zwischen fliegenden Händlern und hockenden Menschen - kurzum durch eine geballte Mischung ägyptischen Lebens! Vor uns hupend, neben uns hupend, hinter uns hupend. Aus dem Seitenstraßen einfach einbiegend. Wer da von links kommt, muß selbst auf seine Sicherheit achten. Nur nach vorne sehen - gefahren wird, wo Platz ist!

Wir kommen heil bis zum Hotel. Peter ist etwas genervt, Christoph glaubt auch, das heute einige Autofahrer etwas agressiv waren. Martin und ich haben die Fahrt zwar nicht für eine beschauliche Spazierfahrt durch Giza gehalten - aber irgendwie hat es Spaß gemacht: nach vorne schauen und fahren wo Platz ist - ist doch irgendwie einfach und praktisch!

In die Kairoer Innenstadt lassen wir uns dann doch lieber von Mohamed mit dem Bus fahren. Zum Imbis ein erster Test ägyptischer Gerichte: Foul, Kofta - alles wohlschmeckend und äußerst preisgünstig obwohl wir den ersten Weg in die ägyptischen Küche im Gartenrestaurant des Nile-Hilton gemacht haben.

Anschließend Besuch im Ägyptischen Nationalmuseum. Ich habe mich diesmal auf die Grabschätze des Tut-Ench-Amun und den Stein von Rosetta beschränkt. Andere Dinge hatte ich mir bereits bei früheren Besuchen angeschaut.

Das Museum beherbergt eine riesige Anzahl von Exponaten, alle einfach so hingestellt. Die Vielfalt droht einen unbefangenen Besucher nahezu zu erschlagen.

Ach, dieses Museum birgt Schätze, mit denen viele Museen gefüllt werden könnten - und alle wären interessant! Aber so wie es ist, ist es auch wieder eine Besonderheit - eine irgendwie liebenswerte, große Rumpelkammer. Voll mit schönen, voll mit wertvollen, voll mit interessanten Dingen!

Aber Kairo hat noch mehr zu bieten. Christoph regt einen Bummel durch den Souk Khan-il-Kallili an. Wir starten natürlich mit einem Glas Tee irgendwo in einer kleinen Teestube. Die Wasserpfeife überlassen wir den Einheimischen und Christoph!

Natürlich muß irgendetwas gekauft werden. Martin hat zwar schon eine große Menge T-Shirts in seinem Seesack, aber eins wird wohl noch hinein passen! Heute ist Sonntag, viele Geschäfte werden von Kopten betrieben. Daher sind zum Glück viele Läden geschlossen. Ich werde daher erst gar nicht in Versuchung geführt, mein Reisegepäck gleich bei Antritt der Reise noch weiter unnötig aufzublähen. Lassen wir es also mit dem Ankauf eines T-Shirts bewenden.

Dann geht's mit dem Bus zurück zum Hotel. Zwischendurch treffen wir erste gemeinsame Vorbereitungen für die Reise zu den Oasen: Wir kaufen eine große Menge Mineralwasser. Je Person und Tag 15 l - insgesamt für die 9-tägige Tour über die Oasenstraße ca. 700 l! Den Rest will Christoph besorgen und am nächsen Morgen mit dem Bus zum Hotel bringen.

Den Abend nutzen Martin und ich zu einem Bummel vom Midan el-Tahir über die angrenzenden, auch abends mit intensivem Leben gefüllten Straßen bis zum Midan Opera.

Natürlich muß ich dahin, dieser Platz zieht mich nahezu mit magischen Kräften an! Und tatsächlich, dem Govenor of Cairo ist die Finanzierung seiner Parkhausprojekte gelungen. Da steht es nun, das Parkhaus aus einer gewaltigen Betonkonstruktion. Wie gut hätte hier unsere leichte Stahlkonstruktion hingepaßt! Bei den schlechten Baugrundverhältnissen, bei der erforderlichen Pfahlgründung hätte unsere Konstruktion deutliche Vorteile haben müssen!

In mir steigen wieder längst vergessen geglaubte Sehnsüchte auf, die seinerzeit angebotenen Projekte, Projekte mit höchsten logistischen Anforderungen, in diesem für mitteleuropäische Massstäbe grenzenlosen Chaos abzuwickeln, welch eine Herausforderung! Aber nun steh ich hier als Tourist. Ich sehe nur noch das fertige Werk. Von anderen realisiert! Erledigt, vorbei! Wenden wir uns anderen Dingen zu!

Zwischendurch meldet sich mal wieder unser Magen! Na, suchen wir halt mal ein Restaurant auf. Nicht ins Nile-Hilton oder in eines der anderen großen Hotels.
Das Felfela, in einer Seitenstraße der Sh. Talaat Harb, ein unscheinbarer Eingang, soll es heute sein. Ein großes Restauraunt, ein sehr gemischtes Publikum, Touristen, Einheimische, Studenten, junge Menschen, alte Menschen. Ein ständiges Gehen und Kommen. Zügige Bedienung, niedrige Preise, angemessene Qualität. Ein jederzeit zu empfehlendes Restaurant!


Heute, 24.12., soll unsere Fahrt in die westliche, in die libysche Wüste beginnen! Beginnen wir erst einmal ganz konservativ mit einem Frühstück in unserem Hotel. Wenige Gäste, freundliches Personal, prompte Bedienung. Wir hatten ja auch keine besonderen Wünsche geäußert!

Peter, Frühaufsteher, hatte schon vor uns gefrühstückt. Ein recht einfacher Sonderwunsch, bitte ein Frühstücksei! Zunächst beim Kellner etwas Ratlosigkeit, dann Rückfragen: Wie soll es denn sein - hart oder weich gekocht? Wir erfüllen jeden Wunsch - ist doch selbstverständlich! Nur gebracht wurde das Ei bis heute noch nicht. Gilt wohl auch hier die alte Weisheit, warum einem Gast einen Wunsch abschlagen, er wird schon merken, wenn der Wunsch nicht erfüllt werden kann. Aber wer weiß das schon so genau, vielleicht geschieht ja irgendein Wunder und das Ei ist doch plötzlich da. Was soll man dann dem Gast sagen, wenn der Wunsch doch bereits abgelehnt war! Ein Ei? weichgekocht? Aber selbstverständlich, Inshalla, malesh.

Dann fährt unser Bus vor, wiederum mit einer erschreckenden Pünktlichkeit. Wo soll das noch hinführen! Los geht es. Wir verlassen den Kernbereich von Kairo, bleiben auf der Ausfallstraße Richtung Alexandria. Dann der Abzweig nach Westen, Richtung Bahariya. Westlich der Straße verschiedene Trabantenstädte. Triste Neubauten, alle in Skelettbauweise mit Fertigteilfassaden oder komplett aus Betonfertigteilen errichtet. Aus meiner früheren Projekttätigkeit in Kairo sind mir einige der Fertigteilwerke recht gut bekannt. Hier werden erstaunlich gute Qualitäten erzeugt! Die Architektur könnte unter stadtplanerischen Gesichtspunkten etwas gefälliger sein. Aber - Ägypten hat andere Probleme. Der unaufhaltsam anschwellende Strom der Bevölkerung, die Zuwanderung aus dem engen Niltal, der Geburtenzuwachs, die dringend sanierungsbedüftigen Quartiere in Teilen von Kairo-City erzwingen schnelle und kostengünstige Lösungen!

Es geht weiter Richtung Westen. Östlich der Straße begleitet uns die Eisenbahnlinie zur Erzmine - Versorungsbasis des Hüttenwerkes Heluan.

Die Wüste wechselt ihr Gesicht. Sandfelder werden von Geröllflächen abgelöst. Vereinzelt auch Wanderdünen. Verstreut liegen große, versteinerte Holzstücke herum. Der Straßenverkehr wird weniger lebhaft, flaut weiter ab, schläft nahezu ein!

Die Straße ist stellenweise recht schlecht. Überall tiefe Spurrillen, Querrinnen, Löcher. Von Mohomed, unserem Fahrer, wird höchste Konzentration verlangt. Wie er bei der relativ hohen Geschwindigkeit all diese Straßenmängel rechtzeitig erkennt und gut umfahren kann ist uns ein Rätsel. Aber er schafft es - immer wieder!

Nach ca. 180 km erreichen wir die erste - und bis zur nächsten Oase einzige - Raststelle. Außer uns sind zunächst keine anderen Gäste da. Wir bereiten unseren Imbis zu. Alles schön frisch, alles schön kühl. Dann kommen zwei weitere Fahrzeuge - einige ägyptische Arbeiter. Leichtes Erstaunen, Kopfschütteln, Unverständnis! Was machen diese Touristen, vier Europäer und ein Ägypter, kommen mit einem großen, modernen Bus in die Wüste gefahren, bereiten sich ihren Imbis und - ja und spülen anschließend das Geschirr mit Baraka. Muß denn derartig teures Wasser für deratig simple Dinge vergeudet werden? Nein, was für Menschen kommen doch heutzutage in die Wüste!

Wir fahren noch ein Stück mit dem Bus. Dann läßt Christoph auf freier Strecke anhalten. Noch ca. 40 km bis zu unserem Lagerplatz, irendwo in der Wüste. An einer Wasserstelle der Eisenbahn, sagt Christoph. Na ja, wir werden die Stelle wohl finden! Fahren wir also los. Wie zu erwarten, die Schaltung hakelt mal wieder etwas. Aber keine Ausreden, wir wollten doch wesentliche Teile der Strecke mit dem Fahrrad fahren. Also los. Ich probiere die mir noch nicht so recht vertraute Schaltung in verschiedenen Stellungen aus.Es läßt sich alles recht gut an. Links und rechts der Straße - wohin man schaut - überall Wüste. War wohl nicht anders zu erwarten! Aber welche Wüste, welche beieindruckenden Unterschiede, Sand, Geröll, die Farben. Ja, immer wieder diese Farben. Ich bin ganz fasziniert von dieser Landschaft. Alles ist hügelig, etwa 5 km bis 10 km abseits der Straße ein richtiger Gebirgszug. Wohl auf 400-500 m ansteigend.

Ich nehme gar nicht wahr, daß die anderen weit zurück geblieben sind. Dann folgt eine längere Gefällestrecke. Schlechte Straßenverhältnisse, herrliches Landschaftsbild. Wo soll man nur hinschauen - nach rechts, nach links, nach vorne oder nach hinten. Aber leider muß ich immerwieder nach vorne unten schauen, aus dem eigentlich überall schlechten Straßenabschnitt die mit dem Fahrrad relativ gut befahrbaren Teile heraussuchen. Jetzt kommt eine Stelle, die zu Fotos im Gegenlicht einlädt. Also erst einmal absteigen, das restliche Wasser der ersten Flasche austrinken, Kamera auspacken, fotografieren, einfach mit den Augen, mit allen Sinnen diese Landschaft, diese völlig andere Landschaft aufnehmen.

Ach, weit am Horizont taucht ein einsamer Radfahrer auf. Ist es Wirklichkeit oder glaube ich das nur? Der Radfahrer kommt näher, Martin kommt näher. Na also, bald werden die anderen Kameraden auch noch kommen. Ja, was war denn? Wann kommen Peter und Christoph? Peter hatte mal wieder Anlaufschwierigkeiten mit seinem Fahrrad - heute ist schlicht und ergreifend ein Pedal herausgebrochen. Kleine Bastelstunde - und aus Peters Fahrrad und dem Reservefahrrad wird ein funktionsfähiges Rad zusammengebaut. Martin meint, in ca. 10 bis 15 Minuten müßten sie uns eingeholt haben.
Links führt eine gute, eine asphaltierte Straße in Richtung Eisenbahn. Vor uns liegt eine lang gezogene Kurve mit leichtem Gefälle. Der Weg scheint uns direkt in die Sonne zu führen. Rechts und links der Straße große, hohe Sanddünen. Dazwischen Geröllfelder. Fahren wir also los. Dieser Abschnitt ist ein Genuß. Wo man hinschaut ein herrlicher Anblick, die ganze Palette der Braun- und Okerfarbtöne. Am Ende der Gefällestrecke hören wir hinter uns beharrliches Hupen. Wir fahren dicht an den rechten Fahrbahnrand. Weiteres Gehupe. Was will der nur! Wie breit ist denn das Fahrzeug? Vielleicht der einzige überbreite Sondertransport der je auf dieser Straße durchgeführt wird? Nichts von dem. Hinter uns ist unser Bus - mit Peter und Christoph. Wir sind viel zu weit gefahren. Also umkehren. Den Berg wieder hinauf. Die gute asphaltierte Straße in Richtung Eisenbahn müssen wir nehmen. Na ja, unsere kurze Pause hatten wir ja an dieser Stelle. Es ist die einzige für einen normalen Reisebus befahrbare Straße um dicht an die Eisenbahnlinie heranzukommen, um möglichst weit von der großen Straße wegzukommen. In der Tat, es ist die einzig sinnvolle Stelle als Lagerplatz. Also nicht murren, zurückfahren ist angesagt!

Unser Bus steht dicht am Bahndamm. Der Damm gibt guten Windschutz. Mohamed meint, der beste Schlafplatz wird in einer Mulde der großen Düne zu finden sein. Also ziehen sie los, die Düne zu inspizieren. Martin und ich erreichen den Platz etwas später. Auf, folgen wir den Kameraden auf die Düne. Von oben haben wir einen schönen Blick auf das ganze umliegende Areal.

Lange können wir uns hier nicht aufhalten. Es ist schon reichlich spät und die Dunkelheit bricht recht schnell herein. Wir haben einiges vorzubereiten. Wir lange werden wir brauchen - so gut aufeinander eingespielt. Wir machen das ja heute in dieser zusammengewürfelten Besetzung zum ersten Mal!

Schnell haben wir unsere Feuerstelle eingerichtet, schnell alle erforderlich erscheinenden Dinge für die Zubereitung von Tee und einem kleinen Abendessen bereit.

Dann fährt langsam, aber äußerst gut hörbar, ein Güterzug vorbei. Mohamed meint, daß nur noch ein weiterer Zug am späten Abend und einer am nächsten Morgen zu erwarten sei. Ja wenn das so ist, könnten wir doch gleich hier unten unser Nachtlager einrichten, gleich in der Nöhe der Feuerstelle!

Die Dämmerung ist hereingebrochen, es wird rasch dunkler. Der erste Tee ist fertig! Mohamed bereitet den Salat vor. Und dann kommt die Überaschung, Christoph zaubert aus dem Nichts einen herrlichen Truthahn herbei. Herrlich gerupft, ausgenommen, mit Gewürzen und Kräutern gefüllt. Der richtige Weihnachtsbraten - und das am Rande der libyschen Wüste!

Unser Truthahn ist schon so eine besondere Sache. Über zwei Monate hat Piet - ordentliche Truthähne haben halt einen ordentlichen Namen - bei Freunden von Christoph auf dem Balkon zugebracht. Zur Freude der Kinder, aber in heimtückischer Absicht. Christoph hatte von Anfang an geplant, Piet seiner Weihnachtsreisegruppe zu opfern! Jetzt verstehen wir, warum Christoph gestern abend keine Zeit für einen gemeinsamen Bummel durch Kairo hatte. Es waren nicht so sehr zwingende andere Vorbereitungen für unsere Oasentour, es waren keine anderen wichtigen privaten Termine die noch vor unserer Reise erledigt werden mußten. Nein, es ging einfach darum, Piet seiner lang geplanten endgültigen Bestimmung zuzuführen. Es ging darum, Piet grillfertig vorzubereiten.

8 kg ist er schwer, unser Piet. 5 Leute sind wir. Das ist schon ein recht großes Programm. Aber - zunächst muß Piet erst einmal ordentlich gegrillt werden. Der aufgebaute Grill muß mehrfach umgebaut, mal weiter eingegraben, mal weiter auseindergestellt, mal sonstwie verändert werden. Zuversicht ist angesagt. Die ersten defätistischen Äußerungen fallen: so bekommen wir Piet niemals gar, der ist viel zu groß, die Glut zu schwach, die Folie falsch gewickelt.

Na, wer wird denn gleich verzweifeln! Es ist doch erst 6.00 Uhr. Vor 8.00 Uhr muß doch niemand über das arme Tier herfallen. Das sind noch zwei Stunden! Da kann doch schon eine ganze Menge vom guten Piet einen herrlichen, wohlschmeckenden Zustand erreichen. Diesen großen Piet können wir doch gar nicht in wenigen Minuten verzehren. Also kann der Rest von Piet in Ruhe weiter garen, wenn wir den ersten Teil, den Salat, etwas Fladenbrot mit Schafskäse, oder was sonst noch so in Christophs Schatztruhen ruht, verzehren. Laßt uns mal noch einen weiteren Tee Trinken und abwarten. Na ja, wenn Piet bis 8.00 Uhr keine Gnade walten läßt, sich noch nicht einmal teilweise zum Verzehr durch uns bereit findet, na ja - dann können wir immer noch über andere Lösungen nachdenken! Irgendwie werden wir Piet schon niedermachen! Wo kämen wir hin, Christoph und seine Freunde ziehen den Kerl mühevoll, lustvoll oder wie sonst, zu seinem stolzen Schlachtgewicht heran - und wir kapitulieren an der verhältnismäßig einfachen Aufgabe, das Fleisch über der offenen Glut zu grillen. Das darf doch nicht wahr sein!

Es ist auch nicht wahr! Erste Proben um 7.30 Uhr lassen nur bestes ahnen! Piet ist zwar noch nicht verzehrbereit - aber es läßt sich gut an. Das Fleisch verbreitet seinen wohligen Geruch, die Farbe wird immer angenehmer! Die richtige Zeit zu einem kleinen ersten Gang! Fladenbrot mit Schafskäse und Feigenkonfitüre! Etwas Salat! Und dann, dann wird Piet gnädig! Große Stücke vom Rücken, die Schenkel, die Flügel sind wohlschmeckend gar. Und was macht Chrisoph jetzt, was sucht er da im matten Lichtkegel einer kleinen Taschenlampe? Die nächste Überraschung - gut gekühltes Bier! Für jeden eine Flasche Stella. Das leichte, wohlschmeckende, durstlöschende, im Lande gebraute Bier!
Das ist ein guter Auftakt unserer Oasentour! Weihnachten im Wüstensand mit einem mehrgängigen Menu: Salat, Fladenbrot mit Schafskäse und Feigenkonfitüre, Reis, ein gutes Stück vom Piet und ein kühles Bier! Zum Abschluß einen Tee!

Piet war doch recht groß. Wir sind schon von bisher gegarten Teilmengen gut gesättigt. Und was machen wir mit dem Rest? Alles essen? Geht nicht! Den Rest einfach liegen lassen? Das können wir weder Piet, noch Christoph und seinen ägyptischen Freunden und schon gar nicht uns selbst antun! Aber was ist zu tun? Das ist die Lösung: die besten Teile von Piet, die gefüllte Brust wird etwas zerlegt, in Folie eingewickelt und weiter gegrillt. Das wird unser Essen für die Mittagspause des nächsten Tages! Gegrillte Putenbrust, etwas Salat, Fladenbrot, und und und, ein richtiges Festmenu für den ersten Weihnachtstag! Das habe ich alles nicht erwartet - bei einer Tour durch die Wüste einen Weihnachtsbraten - aber Christoph ist hiermit eine recht angenehme Überraschung gelungen! Nur weiter so!

Der von Mohamed angekündigte Abendzug kündigt sich mit lautem Grummeln an, der Scheinwerfer der Lok taucht für kurze Zeit unseren Rastplatz in gleißendes Licht, der Zug rumpelt vorbei, wird leiser und leiser.

Plaudernd vergeht die Zeit. Es ist schon reichlich spät geworden. Morgen wollen wir früh starten, etwa 120 km - bis zur Ortschaft Bawiti in der Oase Bahariya wollen wir mit dem Fahrrad zurücklegen. Wie wird die Straße beschaffen sein? Wie kommen wir mit den doch noch etwas ungewohnten Fahrrädern zurecht? Werden wir Anpassungsschwierigkeiten an das ungewohnte KLima haben? Alles ungewiß! Machen wir keine Experimente, gehen wir erst mal schlafen. Zumindest ausgeruht sollen wir die erste größere Etappe unserer Fahrradtour angehen.

Zum Schlafen die Zelte aufbauen? Oder doch auf die große Düne steigen und einen windgeschützten Platz in einer Mulde suchen? Warum dieser Aufwand! Ein Schlafsack ist völlig ausreichend! Es muß doch angenehm sein, ohne störendes Zelt direkt in den Sternenhimmel zu schauen, direkt in die aufgehende Sonne! Gesagt, getan. Und außerdem, es macht viel weniger Aufwand, jetzt - und erst recht am nächsten Morgen!

Ja, der nächste Morgen! Was der so alles bringt! Aufgewacht, ein Gang zur Feuerstelle. Ja, wo sind denn die in Folie eingewickelten guten Teile von Piet geblieben? Wo ist unser sorgsam vorbereitetes Fleisch für die Mittagsrast? Wer hat es schon für die weitere Reise verpackt? Nein, es kann nicht sein, die anderen schlafen noch! Keiner hat das Fleisch verpackt - wir hatten Besuch! Im Sand die Spuren. Es muß wohl ein Einzelgänger, ein einsamer Wüstenfuchs, gewesen sein. Vielleicht hundert Meter weiter, in einer Mulde im Sand, liegen die Reste, einige Knochen, die Folie! Na ja, was soll's, Wüstenfüchse wollen auch leben!

Langsam kommt Leben in unser Lager. Jeder erkundigt sich nach dem Zustand des restlichen Fleisches. Ist es ordentlich geworden, wird es für unsere Mittagsrast reichen? Etwas unrealistische Sorgen. Unser Fleisch hat bereits einen anderen Magen gefüllt. Aus, weg, vorbei!

Wir machen ein ordentliches Frühstück, Tee mit Fladenbrot und Käse. Alles geht recht zügig voran. Wir alle haben recht gut geschlafen. Keiner hat Anpassungsschwierigkeiten an das ungwohnte Klima. Schnell wird das Lager abgebaut. Alles im Bus verstaut. Die Fahrräder werden nochmals kurz überprüft, einige lockere Schrauben nachgezogen, die Bremsen justiert - und schon kann's losgehen!

120 km bis zur Oase Bahariya sind heute vorgesehen. Die Straße ist durchweg gut befahrbar. Die Landschaft links und rechts der Straße, Wüste und nochmals Wüste. Wo man auch hinschaut, überall Wüste. Aber auch hier ein ständiger Wechsel - Sandflächen, Geröll, wechselnde Farben. Auf der Straße wenig Autoverkehr. Die meiste Zeit können wir plaudernd nebeneinander fahren, die ganze Straßenbreite nutzend. Unser Bus bleibt hinter uns. In größeren Abständen schließt Mohamed immer wieder zu uns auf. Ist alles in Ordnung? Wird etwas aus dem Bus benötigt?

Peter fährt uns anderen ständig davon. Er ist halt ein ambitionierter und gut trainierter Hobby-Radfahrer. Aber keine Sorge, auf der Strecke sind einige militärische Kontrollstellen. Spätestens hier wird Peter auf uns warten müssen. Unsere Reisepässe sind im Bus - und der Bus fährt so, daß der jeweils letzte jederzeit den Bus erreichen kann.

An den Kontrollstellen herrscht Langeweile - kein Wunder bei dem spärlichen Verkehrsaufkommen. Was macht die Mannschaft an der Kontrollstelle? Reisende schikanieren? Dumme Fragen stellen? Hochnotpeinliche Kontrollen? Alles falsch, die Leute an den Kontrollstellen sind freundlich, interessiert - insbesondere an solchen etwas ungewöhnlich mit Fahrrädern auf dieser Strecke reisenden Ausländern. Peter erreicht jeweils als erster unserer Gruppe die Posten. Und schon geht es los! Zunächst formale Fragen, Reisepass, Passierschein. Alles im Bus. Peter kann mit solchen Dingen nicht dienen. Na, kein Problem! Warten wir ab, der Bus muß ja irgendwann kommen. Trinken wir einen Tee! Und dann, ein kleiner Plausch, woher, wohin, warum.

Für uns zahlt sich jetzt das regelmäßige Vorpreschen von Peter aus. Wenn wir den Posten erreichen, ist die größte Neugier befriedigt. Die Kontrollposten hatten ihre Abwechslung. Wir können schnell weiterfahren. Wir haben noch eine große Strecke vor uns. Das überzeugt auch die freundlichen Kontrollposten - wir können mit Anstand die Einladungen zum nächsten Tee ausschlagen. Weiter gehts.

Kurz hinter der Kontrollstelle liegt die Wohnsiedlung der Minenarbeiter. Eine schöne, mit Dattelpalmen bestandene Allee führt zur Siedlung. Die Siedlung - eine vor Jahren in den Wüstensand gesetzte Retortenstadt - macht einen verschlafenen Eindruck. An vielen Stellen hat der allgegenwärtige Sand alles zugeweht. Die Straßen sind mit hohen Sandbelägen zugeweht. Stellenweise ist das Befahren mit unseren Fahrrädern recht mühsam. Im Gästehaus der Minengesellschaft machen wir Rast. Im Innenhof eine nette Terasse, aber aus unerfindlichen Gründen wird unser Essen in einem großen, ungemütlichen Saal serviert.

Wir können uns nicht allzu lange hier aufhalten. Wir haben noch eine recht große Strecke vor uns.

Bis jetzt sind wir im wesentlichen Richtung Westen gefahren. Der erhoffte, der vom Reiseveranstalter versprochene ständige Rückwind, ja wo ist er? Bisher nur Seitenwind! Das konnte auch nicht anders sein. Aber jetzt macht die Straße eine langezogene Kurve, die weitere Strecke geht kontinuierlich in einen Südkurs über. Ja, jetzt merken wir den Rückenwind. Wir kommen gut voran.

Und dann, vor uns der Steilabbruch zur großen Bahariya-Senke. Hier machen wir Tempo, hier kommen wir gut voran. Der Blick in die Senke ist überwältigend. Weit vor uns dehnt sich eine riesige Oase aus. Kein zusammenhängender Bewuchs, vielmehr verschiedene größere grüne Flächen. Sollten wir denn schon unser Tagesziel erreicht haben? Da, schräg links vor mir ist offenkundig eine größere Ansiedlung. Eine gut befestigte Straße führt direkt ins Dorf. Aber nein, das Dorf gehört auch zur Oase Bahariya - aber wir wollen zum Hauptort, nach Bawiti. Dort werden wir zwischen 4.00 Uhr und 5.00 Uhr von Achmed, dem lokalen Tourist-Manager erwartet. Noch sind es mindestens weitere 40 km! Also weiter fahren und zur Kenntnis nehmen: Oasen sind nicht unbedingt kleine bewachsene Flächen an einer Wasserstelle, irgendwo in der Wüste.

Nein, Oasen können riesige Ausmaße haben. Bahariya ist ca. 100 km land und ca. 40 km breit. Die Oase umfaßt 6 Dörfer mit insgesamt etwa 25.000 Einwohnern!

Dann, auf der rechten Seite eine größere Ansammlung Lehmhäuser. Viele verfallen. Unweit der Straße. Aber alles leer, keine Menschen. Das kann dann ja wohl nicht unser Ziel sein. Fahren wir weiter. Jetzt endlich erreichen wir die nächste Ortschaft. Wie vereinbart, am Ortseingang steht Achmed mit einigen seiner Freunde. Man hat seit ca. einer Stunde auf uns gewartet. Fröhliche Begrüßung. Wie sollen wir weiterfahren? Der direkte Weg zu unserer Unterkunft sieht nicht besonders vertrauenserweckend aus. Sehr sandig. Ob wir hier mit unseren Fahrrädern durchkommen? Achmed deutet meinen Gesichtsausdruck richtig. Es gibt einen anderen Weg. Der Hauptstraße bis zum Ortskern folgen und dann über eine recht ordentliche Piste, so sagt Achmed, zur Unterkunft. Umweg 10 km. Na ja, daß muß doch nicht unbedingt sein! Warten wir noch einige Minuten, dann wir Mohamed mit dem Bus kommen. Für heute haben wir eine ausreichend große Strecke mit dem Fahrrad zurückgelegt. Der Rest darf wieder im Bus gefahren werden!

Etwas außerhalb der Ortschaft erwartet uns ein neu vom Governorate of Giza eingerichtetes Camp. Das Camp in unmittelbarer Nähe einer warmen Quelle - eine noch einige Grad wärmere Quelle liegt weiter abseits! Den Staub und Schweiß des Tages können wir also auf angenehme Weise abspülen!

Das Camp ist ordentlich konzipiert, aber so neu, daß noch nichts so richtig funktioniert! Mich stört's nicht! Nicht verschließbare Türen bleiben geöffnet, fehlende Beleuchtung wird durch die Taschenlampe ersetzt und bei unserem letzten Camp sind wir auch mit recht bescheidenen - um nicht zu sagen fehlenden - sanitären Einrichtungen ausgekommen! Es wird also auch hier zum Wüstenstandard gehen! Nur nicht gleich verzweifeln!

Fehlender Komfort wird durch herbe Romantik ausgeglichen. Zwischen den Gebäuden haben die einheimischen Guards ein kleines Feuer entfacht. Bald ist das Feuer von verschiedenen Gästen umlagert. Bei einem Glas Tee werden Erfahrungen, Absichten, Wünsche ausgetauscht. Ach, ihr wollt mit dem Fahrrad die Oasenstraße über Farafra nach Dakhla oder gar bis Kharga fahren? Das geht doch gar nicht, die Straße ist viel zu schlecht! Na, soll man das so einfach glauben? Ich lasse mich nicht beirren, wir haben die Reise begonnen - jetzt wird sie auch fortgesetzt. Und außerdem, wir haben ja Mohamed und unseren Bus! Was soll uns da schon passieren!

Nach dem Tee ist noch eine Fahrt zur heißen Quelle angesagt. Den Weg können wir nur mit einem geländegängigen Fahrzeug wagen. Also los! Wir sitzen hinten auf dem mit einer Plane abgedeckten Wagen. Von der herrlich im Mondschein darliegenden Umgebung sehen wir nur recht wenig. Dafür werden wir aber bei der Ankunft an der Quelle entschädigt. Im Mondschein ein herrlicher Anblick! Nur unsere Gruppe, kein Gedrängel, angenehme Ruhe!

Am nächsten Morgen erwartet uns Ashraf, unser junger einheimischer Führer. Er wird uns die Oase zeigen, mit uns einen Ausflug in die Wüste machen.

Wir starten gleich nach dem Frühstück mit dem Geländefahrzeug. Wir wollen uns die Oase einmal näher ansehen. Zuerst ins freie Gelände, zum Pyramidenberg. Eine etwa 250 m hohe Erhebung, stark verwittert, in Form einer Pyramide. Mit etwas Vorsicht gut zu begehen. Von oben oder von halber Höhe geniessen wir einen schönen Ausblick auf den westlichen Teil der Oase. Vor uns dichte Palmenhaine, verschiedene Quellen, Felder, Wasserflächen.

Das besehen wir uns alles mal etwas aus der Nähe. Wir durchfahren dichte, von Palmen gesäumte Alleen, teilweise überflutete Wegstrecken. machen Halt an verschiedenen Quellen, betrachten die recht simplen Bewässerungsgräben, die einfachen Absperr-Lehmwälle.

Überall die typischen Lehmhütten, die Gärten mit lehmbeworfenen Zäunen abgegrenzt, die hölzernen Eingangstore mit hölzernen, sehr sinnvoll konstruierten Schlössern versehen.

Auf den Wegen reges Treiben. Überall Esel als Reittiere, Esel als Lasttiere. Alles wirkt auf mich so, als hätte sich hier seit Jahrhunderten nichts verändert! Nur die an den Quellen eingerichteten Fangbecken und die installierten Stahlrohre erinnern an die Neuzeit.

Im Ort lebhaftes Treiben, überall in der Hauptstraße Geschäfte, Verkaufsstände. Alle Dinge des täglichen Bedarf sind zu haben - sogar frische Farbfilme zu vernünftigen Preisen!

Mittags treffen wir uns mit Achmed, dem lokalen Tourist-Manager, in seinem Garten. Die Ergebnisse einiger Jahre Arbeit können wir hier im Detail beschauen: Gemüsegärten, Obstbäume, Palmen und - eine expandierende Hühnerzucht! Und gleich neben Achmeds Garten liegt die nächste warme Quelle.

Dann haben wir einen weiteren Stop an den großen Gärten am Nordrand der Ortschaft. Auch hier viel Grün, Dattelpalmen, Gemüse, Reis. Aber, aber! Am Rand wandert die Wüste, wandert der Sand unaufhaltsam in die Gärten. Vielleicht kann man die Sandwanderung an solchen Stellen etwas oder auch vollständig aufhalten. Vielleicht auch nicht. Es fällt mir schwer, hier bei einem flüchtigen ersten Eindruck zu dieser wichtigen Frage eine fundierte Meinung zu entwickeln. Ashraf meint, nur die Gärten, die weniger ordentlich bearbeitet werden versanden. Alles sei nur eine Frage des persönlichen Einsatzes der Leute. Vielleicht, nein hoffentlich, hat er recht!

Zum Abschluß des Tages nochmals an die heiße Quelle, wer weiß wann wir wieder großzügig mit Wasser umgehen können!

Für den 27.12., den 5. Tag unserer Tour, haben wir uns frühmorgens in Achmeds Garten verabredet. Vor hier wollen wir mit 4 Geländefahrzeugen einen Trip in die Wüste machen, zu einer einsamen Palme an einer kleinen Quelle, ca. 200 km von Bawiti, unserem jetzigen Aufenthaltsort entfernt!

Bei unserem letzten Besuch an der heißen Quelle hatte uns Ashraf in die Besonderheiten der "egyptian time" eingewiesen. Aber für den Treffpunkt für unsere gemeinsame Wüstentour war "normal time" verabredet. Na, wer hat wohl die abgesprochene Zeit nicht eingehalten? Ashraf? Nein, auf Ashraf war Verlaß! Wir haben uns wohl schon stark auf die (vermeintlichen?) Landessitten eingestellt, wir waren ungefähr eine Stunde zu spät! Aber darüber verlieren unsere ägyptischen Gastgeber selbstverständlich kein Wort! Vorerst zumindest. Bei späteren Terminabsprachen fragt Ashraf häufig nach, ob wir wirklich normal time oder doch besser egyptian time vereinbaren sollen. Noch können wir wählen!

Wir haben Achmeds Garten erreicht, die Gruppe ist komplett. Schnell haben wir das für den Trip mit zwei Übernachtungen in der Wüste erforderliche Gepäck verladen. Mohamed bleibt zurück. Wir werden uns wieder am 28.12. in der weißen Wüste zum gemeinsamen Abendessen treffen.

Aber jetzt geht es los. Zunächst folgen wir der Piste in Richtung Oase Siwa, kurz vor der libyschen Grenze. Bald verlassen wir die befestigte Piste. Wir sind im ersten Wagen. Manchmal sind Fahrspuren im Sand zu erkennen, mal Steine oder sonstige Markierungen, mal verstehen wir nicht, an welchen Dingen sich unser Fahrer orientiert. Die anderen folgen. Es geht immer weiter in die Wüste. Sandflächen werden von Geröllen abgelöst. Die Farben wechseln. Dann - weit am Horizont - scheinen große Wasserflächen aufzutauchen, wenn wir näher kommen sehen wir es genauer, es sind große Salzflächen. Ausgetrocknete Wasserflächen! Zurückgeblieben ist nur noch Salz! Dann, endlich tauchen große, flache Seen auf. Wasservögel, vereinzelte Palmen. Dann wird der Bewuchs dichter, Felder, Menschen bei der Feldarbeit. Und wieder ist alles vorbei. Sand, Geröll, Sand. Kein Bewuchs. Weiter geht es.

Dann, am Rande der Piste die vertrockneten Reste einer großen Palme. Anhalten. Wir brauchen Brennmaterial. Und weiter geht es.

Einen sinnvollen Verlauf der Piste vermag ich z.Zt. nicht auszumachen! Aber unser Fahrer fährt ohne Zögern, ohne Zaudern unverdrossen weiter. Die anderen Fahrzeuge sind weit hinter uns. Zeitweise haben wir noch nicht einmal Sichtkontakt. Das Gelände wird zunehmend welliger. Dann hält unser Wagen an. Wollen wir auf die anderen Fahrzeuge warten? Oder gibt es einen anderen Grund? Ja, es gibt einen anderen Grund! Wir haben eine technische Panne. Ein Verbindungsschlauch zwischen dem Primär- und dem Sekundärkühlkreislauf ist geplatzt. Natürlich hat keiner einen Ersatzschlauch mitgenommen! Warum auch! Es wird schon nichts passieren! Inshalla.

Aber unser Fahrer findet eine Lösung. Die Verbindung zwischen Primär- und Sekundärkreislauf ist verzichtbar! Warum haben sich diese Konstrukteure auch so etwas ausgedacht! Der Schlauch wird abgeschraubt, ein passendes Holzstück gesucht und dann - dann werden zwei Stopfen geschnitzt und zuerst recht sachte, dann mit einem kräftigen Schlag, in die Anschlußstutzen getrieben. Die Fahrt kann weitergehen. Es funktioniert! Wir müssen aber jetzt häufiger Kühlwasser nachfüllen. Wir sind zwar in der Wüste, aber Wasser haben wir in ausreichender Menge mitgenommen. Wir sind auf der sicheren Seite.

Wir fahren weiter. Die Piste - oder was unser Fahrer zu einer solchen aus für mich unerklärlichem Ratschluß erklärt, wird immer sandiger. Jetzt geht es auch noch in starker Steigung auf eine Anhöhe. Ob wir da wohl hinaufkommen? Keine Frage, den Hügel zunächst zügig anfahren, dann im Rückwärtsgang nach schräg, hinten oben und dann mit Schwung und aller Kraft den sandigen Hang hinauf. Geschafft! Ja, unser Fahrer kennt sein Fahrzeug, kennt die Wüste.

Die anderen Fahrzeuge folgen. Gutgemeinte Handzeichen sollen den besten Weg zeigen, aber es geht nicht so richtig. Erst sitzt man mal im Sand fest. Aber was soll's. Dagegen hilft Schaufel und Ausdauer. Dann geht es. Der zweite, auch der dritte Wagen schaffen den Hügel. Nur der vierte Wagen hat Schwierigkeiten. Schon zweimal festgefahren! Jetzt geht unser Fahrer herunter. Vorsichtig anfahren, den Rest kennen wir ja schon, In souveräner Art wird auch der letzte Wagen den Hang hinaufgesteuert.

Jetzt ist Zeit für einen Imbis. Wir rasten in einer windgeschützten Mulde. Feuer machen. Tee kochen - und, ja es wird mal wieder Foul, ein sehr typisches ägyptisches Bohnengericht, zubereitet. Und, wie immer, Fladenbrot, Schafskäse und Feigenkonfitüre, Tomaten, Obst.

Es ist schon reichlich spät, unsere morgendliche Verspätung rächt sich jetzt. Wir müssen aufbrechen. Wir haben noch etwa 80 km vor uns. 80 km in schwierigem Gelände! Wir wollen unseren Zielpunkt, die kleine Oase, noch vor Einbruch der Dunkelheit erreichen!

Vor uns einige Randausläufer der weißen Wüste. Bizarre Gebilde. Das muß fotograafiert werden. Aber es ist schon reichlich spät! Zu dunkel! Unser Fahrer und Ashraf drängen. Vorwärts, wir müssen weiter. Links und rechts, vor uns und hinter uns, alles wie gehabt, überall Wüste und nochmals Wüste. Und dann: Dort hinten, zu diesem Baum fahren wir. Zu welchem Baum? Ich kann keinen Baum erkennen! Ach dort, weit am Horizont, ein dunkler Punkt. Das soll ein Baum sein, das soll unser Ziel sein? Es wird schon stimmen - und wenn nicht, dann haben wir halt einen anderen Rastplatz gefunden!

Der Punkt wird größer. Langsam kommt ein Bild zustande. Es wird immer klarer. Ja, eine kleine Anhöhe, von einer riesigen Dattelpalme bewachsen. Bald haben wir das Ziel erreicht. Endlich, mit hereinbrechender Dämmerung gelangen wir zum Rastplatz. Bei einigen Reisegefährten bricht leichte Hektik aus. Gute Plätze für den Zeltaufbau sollen gefunden werden, die Zelte vor Einbruch der Dunkelheit stehen.

Christoph, Martin und ich beschränken uns darauf die Schlafsäche griffbereit zu legen. Wir werden wieder ohne Zelt in der Wüste schlafen. Unsere ägyptischen Freunde machen es ebenso.

Aber zunächst wird Feuer gemacht, Tee gekocht. Und so ganz nebenbei wird das Abendessen vorbereitet, Foul, Salat, Fladenbrot. Plaudernd vergeht die Zeit.

Alles liegt dort im milden Licht des Mondes. Die Quelle schüttet beständig, regelmäßig. Das Fangbecken läuft über. Und, nach weniger als 20 m ist das Wasser vollständig versickert. Wo ist es nur geblieben? In Farafra, unserem nächsten Oasenziel, sagt man, die Quelle schütte nur solange jemand dort ist, wenn alle weggehen, fließt kein Wasser. Darum muß man immerwieder hingehen und immerwieder weggehen. Nur so kann die Quelle auf immer das lebensspende Wasser schütten, nur so wird die Quelle nie vollständig versiegen!

Ich mache noch einen kleinen Spaziergang rund um unseren Lagerplatz. Angenehmes Licht, wir haben nahezu Vollmond, große Stille. Von weitem schimmern die Lampen am Lagerplatz. Es wird allmählich ruhiger, stiller. Die meisten schlafen bereits. Nur unser Fahrer werkelt noch an seinem Fahrzeug. Der während der Fahrt notdürftig geflickte Kühlkreislauf macht doch noch eine gründliche Inspektion des Fahrzeuges erforderlich. Der Kühler wird ausgebaut, es wird irgendwas verändert. Und dann bleibt der Kühler ausgebaut auf dem Fahrzeug liegen. Auch unser Fahrer wird müde. Mich stört's nicht besonders, wir haben ja noch drei andere Fahrzeuge. Irgendwie werden wir schon wieder aus der Wüste herausfinden.

Am nächsten Morgen gemeinsames Frühstück. Der Kühler liegt immer noch ausgebaut auf dem Fahrzeug. Dann machen wir einen längeren Spaziergang in die Wüste. An den überall herumliegenden Tonscherben erkennen wir, hier war mal eine bewohnte Oase. Viele der Sandhügel entpuppen sich als vom Sand zugewehte Reste von Palmen. Weiter außerhalb finden wir Reste von Grabanlagen. Und dann, hinter einem großen, hohen Sandhügel sehen wir eine riesige Fläche mit weit gestreutem, lockeren Palmenbewuchs. In dieser Gegend soll es noch eine größere Anzahl Gazellen geben. Ja, es stimmt. Wir sehen an verschiedenen Stellen Spuren. Das könnten Gazellen gewesen sein.

Zwischen dem Geröll verschiedene versteinerte Holzstücke, gut erkennbar die Jahresringe. Dann verschiedenstes Gestein, Kristalle, Oxydationsprodukte.

Aber wir müssen zurück zum Rastplatz. Ja, zwischenzeitlich ist auch der Kühler wieder eingebaut. Noch klingt der Motor nicht besonders vertrauenserweckend - aber diese Kleinigkeit wird bald behoben sein.

Gemeinsames Aufräumen, verladen unseres Gepäcks und weiter geht die Fahrt. Wieder andere Eindrücke von der Wüste. Wir folgen einer jahrhunderte alten Karawanenstrecke, entlang einer Wasserader. Etwa alle 50 bis 80 km waren hier früher reichlich schüttende Quellen. Zwei dieser Quellen liegen auf unserer Strecke. Wir haben jetzt die relativ wasserreiche Winterzeit. Aber unsere Quellen sind nur noch ein trauriges Abbild ihrer selbst. Wie lange werden sie noch geringe Wassermengen spenden? Wann werden sie vollständig versiegen, wann werden die letzten Palmen verdorren?

Wo liegt die Ursache? In den umliegenden Oasen wurden in den letzten Jahren viele Quellen durch Bohrungen erschlossen. Sind diese Wasserentnahmen die Ursache für das Versiegen anderer Quellen, entfernt in der Wüste? Wir wissen es nicht, zu kurz ist unser Besuch. Wir können nicht alles ergründen.

Jetzt fahren wir direkt in die weiße Wüste, ein Kalksteingebiet. Über Jahrmillionen von Wind und Wetter, von Erosionspartikeln bearbeitetes Gestein. Teilweise zu glatten, runden Kegeln geschliffen, teilweise bizarr verformt. Ein riesiges Atelier. Bildhauerkunst der verschiedensten Stilrichtungen. Manchmal ganze Gruppen von Gesteinen in ähnlicher Form, wie von planender Hand zu kunstvollen Ensembles geformt. Manchmal einzelne Monumente, Gesichter, Gestalten, Geister, abstrakte Objekte. Ein jeder mag sehen, mag empfinden, ein jeder mag anderes wahrnehmen. Eine einzige Herausforderung an die Phantasie. Die Objekte wirken einzeln, sie wirken in Gruppe. Manchmal wirken sie erst überhaupt nicht, aber dann, nur eine kleine Veränderung der Blickrichtung, ein anderer Wolkenschatten, und schon verwandelt sich der gerade noch unschöne Steinbrocken in ein Kunstwerk. Verwandelt er sich wirklich - oder geschieht alles nur im Kopf des Betrachters? Ist diese Frage wichtig? Nein, wichtig sind die Eindrücke, wichtig sind die Impulse die diese Landschaft vermittelt, wichtig ist die Erinnerung!

Wir haben gut daran getan, diese Änderung des eigentlich geplanten Tourenverlaufes zu machen. Mit diesen Geländefahrzeugen durchfahren wir die schönsten Teile der weißen Wüste. Fernab der großen Oasenstraße, fernab von den auch hier schon häufiger anzutreffenden Bustouristen. Unerreichbar für unsere Fahrräder, zu weit, um hierher zu laufen.

Wir haben uns mit Mohamed, Achmed und einigen anderen Gefährten an einem Treffpunkt an der Oasenstraße verabredet. Verlassen wir die weiße Wüste. Durch sandige Teile, durchzogen von Geröll erreichen wir nach einigen Stunden die Oasenstraße. Eine kleine Quelle Na ja, jetzt kann uns nichts mehr passieren. Mohamed wird die Stelle mit dem Bus, mit unserem Gepäck, mit unserem Wasservorrat finden. Nach einer kurzen Rast geht es weiter, der Oasenstraße entlang. Und wieder sind wir in der weißen Wüste. Hier biegen wir von der Straße ab. Befahren eine Piste, einige hundert Meter abseits der Straße.

Und wieder das alte Ritual. Feuer machen, Tee kochen, plaudern. Auf unsere Gefährten warten.

Spaziergang durch das große Freilichtatelier der weißen Wüste. Jetzt sieht alles ganz anders aus. Diese geänderten Lichtverhältnisse, diese großen, von Wind und Wetter über die Zeitläufe bearbeiteten Kalkgebirge im Hintergrund!

Später kommt Mohamed mit dem Bus, Achmed und einige andere Gefährten. Wir brechen auf, fahren etwas weiter in die weiße Wüste hinein. Unser Geländefahrzeug fährt vor. Wo will er nun wieder hin? Kann uns der Bus überhaupt folgen? Ist der Weg noch befahrbar? Natürlich nicht. Mohamed hupt und hupt, bis man endlich bemerkt, weiter geht es nicht! Der Bus kann nicht weiter. Also, hier bauen wir unser Lager auf.

Es wird ein schöner Abend. Wir machen unsere Feuerstelle vor einem großen, weit überkragenden Kalksteinblock. Windgeschützt. Das Feuer erzeugt einen herrlichen Widerschein an den weißen Kalksteinflächen!

Am nächsten Morgen, gleich nach dem Frühstück, geht es weiter. Wieder mit unseren Fahrrädern. Nach Farafra geht es heute, man sagt, es sollen noch 40 km sein. Keiner weiß es so genau. Über den Straßenzustand werden die schrecklichsten Dinge berichtet. Kaum befahrbar ist eine positive Schilderung. Nahezu unpassierbar, meinen einige. Wir haben schon viel gehört. Manches stimmte irgendwie. Nie so ganz richtig, nie so ganz falsch! Was mögen die heutigen Aussagen, die Prognosen, die Meinungen, die Informationen bedeuten? Haben sie überhaupt irgendeinen Wert? Wissen die anderen Gefährten eigentlich, welcher Straßenzustand für uns ungeeignet ist? Ich habe da erhebliche Zweifel! Woher sollen Autofahrer, zum erstenmal in dieser Gegend, das überhaupt beurteilen?

Also fahren wir los. Die Straße beginnt mit einem sehr gut zu befahrenden Stück. Dann folgen in rascher Folge Abschnitte mit Sandüberlagerungen, mal dünne Schichten, mal mächtige Sandmengen. Manchmal müssen wir absteigen, die Fahrräder schieben. Weiter geht es auf guten Straßenabschnitten. Schlechte Abschnitte folgen. Wir müssen auf die festgefahren Streifen neben der Fahrbahn ausweichen, aber es geht zügig voran. Dann, vor uns über einige Kilometer, von weitem zu erkennen, Fahrbahn übelster Art. Die ehemalige Asphaltdecke ist nur noch stellenweise als ein Gerippe zu erahnen. Aber, aber in der Fahrbahnmitte ein gut erhaltener Streifen. Keinen halben Meter breit. Für Autofahrer nicht nutzbar. Eine ideale Strecke für Radfahrer. Hier können wir ohne Mühe unserem Bus davon fahren. Wir haben eine gut befahrbare Strecke! Dann wird der Straßenzustand wieder gut. Alles erst vor kurzer Zeit erneuert. Wir steuern Farafra an. Rast außerhalb der Ortschaft in einem Straßenrestaurant. Treffpunkt der Bustouristen, Treffpunkt der Fahrer mit Geländefahrzeugen. Meinungsaustausch, Wünsche, Erfahrungen, Erwartungen.

Christoph will noch irgendwie eine Kameltour rund um die Oase, quer durch die Oase oder wohin auch immmer, organisieren. Saad, unser Kontaktmann in dieser Oase, soll wohl alles vorbereitet haben. Intensive Gespräche, so eine richtige Übungsstunde zur parktischen Anwendung der arabischen Umgangssprache! Für Christoph's Sprachstudium, zur Vervollkommnung seiner verbalen Kommunikationsfähgkeit vermutlich ein absoluter Höhepunkt unserer Reise. Aber ob das auch die Kamele wissen oder jemals erfahren werden? Werden sich die Kamele eh die Mühe machen drei oder vier merkwürdiger Fahrradtouristen wegen ihren Mittagsschlaf zu unterbrechen? Warten wir erst einmal ab. Radeln wir zunächst einmal durch die Oasensiedlung, schließlich machen wir eine Fahrradtour durch die Wüste - und keinen Kamelritt!

Die alte Ansiedlung war vollständig in Lehmbauweise errichtet. In dieser Gegend sind Regenfälle nahezu unbekannt. Aber auch hier keine Regel ohne Ausnahme. Vor etwa 30 Jahren hat es einen länger andauernden, starken Regen gegeben, mit verhängnisvollen Folgen. Der Dauer und Intensität des Regens konnten die meisten der Lehmgebäude nicht standhalten. Vieles hat sich im wahren Wortsinne in nichts aufgelöst, viele Gebäude wurden arg beschädigt. Dieser Teil der Oasensiedlung ist heute nur noch teilweise bewohnt. Der Neubauteil bietet das übliche Bild, Betonskelettkonstruktionen mit Füllungen aus modernen, gebrannten Steinen oder auch traditionellen Lehmziegeln. Es scheint so, diese neuen Häuser werden den nächsten länger anhaltenden Regen, sofern er je kommen wird, überstehen!

Wir kommen zurück ins Rasthaus. Noch keine Kamele in Sicht. Was soll's, Farafra hält noch eine Überraschung bereit. Ein junger Mann, Ibn Badr, hat ein kleines Museum eingerichtet. Oder sollte man besser sagen ein Atelier, ein Keramikstudio, eine Künstlerwerkstatt?

Ein traditionelles Lehmgebäude, direkt neben der modernen, in Betonskelettbauweise errichteten Schule. Mehrere Räume, ein Innenhof, große Dachterassen. Ibn Badr modelliert, malt, gestaltet seine Eindrücke vom Leben in den Oasen, seine Eindrücke vom heutigen Leben, Erinnerungen oder Überlieferungen aus füheren Zeiten. Er gestaltet Abbilder der Menschen seiner Heimat, überwiegend älterer Menschen, Menschen, gezeichnet von den Spuren des Lebens!

Er zeichnet Impressionen aus der Wüste. Steine, über jahrtausende von Wind und Wetter geformt. Absterbende Palmen, totes Holz. Er führt uns durch seine Welt, erläutert uns seine Sicht der Dinge, seine Empfindungen, läßt uns für eine kurze Zeit teilhaben an seinem Leben, an einem etwas ungewöhnlichen, von vielen in der Oase nicht verstandenen Leben. Ibn Badr scheint es hier in dieser kleinen Oase, weit draußen in der libyschen Wüste, nicht anders zu ergehen, als vielen kreativen, künstlerisch tätigen Menschen - überall in der Welt. Aber, so sagte er mehrfach, wenn ich etwas beginne, weiß ich oft nicht so recht warum ich beginne, aber irgendein innerer Antrieb veranlasst mich immer wieder, die Dinge die ich sehe, meine Empfindungen, in eine Form zu bringen, mit den Händen den Ton zu formen, zu malen, zu gestalten.

Es ist schon recht beeindruckend, hier weit draußen in der Wüste, einen derartigen Menschen zu treffen, mit ihm zu sprechen und , ja und im Hintergrund Beethoven zu hören!

Wir verlassen sein Atelier. Vor der Türe sein modernes Motorrad. Hier erscheint er wie einer von vielen jungen Leuten, überall in der Welt. Hier erkenne ich nicht mehr die besondere Sensibilität, die ständige Auseinandersetzung mit dem Leben in der Oase, mit dem besonderen Lebensraum Wüste.


Es ist schon reichlich spät geworden. Christoph hat seine Bemühungen, die versprochene Kameltour doch noch zu organisieren, aufgegeben. Mir ist es recht. Radeln wir lieber zu unserem Camp. Vielleicht haben wir auch noch etwas Zeit, vor Einbruch der Dunkelheit auf den gut befahrbaren Pisten am Rande der Oase einen weiteren Eindruck von dem alltäglichen Leben hier draußen zu gewinnen.

Wie uns Saad jetzt eingesteht, hat er seine für einen Ausritt mit Touristen geeigneten Tiere vor einigen Tagen mit einem Führer auf eine mehrtägige Tour durch die angrenzende Wüste geschickt. Die noch in der Oase verbliebenen Tiere sind wohl reichlich ungestüm, für den Umgang mit Touristen einfach ungeeignet. Diese einfachen Tatbestände überzeugen auch Peter und Martin. Also radeln wir zu unserem Camp.

Außerhalb der Ortschaft, an einer heißen Quelle, liegt das Camp. Eine Ansammlung kleiner Palmblatthütten. Umgeben von einem Palmblattzaun. In der Mitte eine Feuerstelle. Ringsherum eine große, aus Lehmziegeln errichtete Sitzbank. Gleich nebenan eine weitere Feuerstelle und ein Backofen. In der Mitte der Anlage ein größeres aus Lahmziegeln errichtetes Gebäude. Hier dürfte es in der heißen Jahreszeit angenehm kühl sein. Und zur Abrundung saubere, ordentliche sanitäre Einrichtungen. Als Dusche und Badegelegenheit dient die heiße Quelle, gleich vor dem Camp.

Wir sind die einzigen Gäste. Aber wer sind denn die anderen jungen Leute, die mit Saad zum Camp gekommen sind? Wie normale Touristen sehen sie tatsächlich nicht aus, vielleicht junge Ägypter aus Kairo oder einer anderen Stadt aus dem Niltal. Vielleicht werden solche ägyptischen Besucher nicht als normale Gäste registriert?

Dann löst sich das Rätsel auf. Die drei jungen Männer kommen tatsächlich aus Kairo. Aber nicht als Touristen, nein sie wurden von der in Kairo ansässigen Betreibergesellschaft dieses Camp extra nach Farafra geschickt um uns den bestellten und von unserem Veranstalter zu bezahlenden Service zu bieten.
Und es geht gleich los. Erst wird einmal Feuer gemacht. Mein - wie sich später ergab - unpassender Hinweis, es sei doch noch reichlich früh, bereits jetzt Feuer zur Zubereitung des Abendessens zu machen, wird freundlich lächelnd mit dem Hinweis auf die ausreichende Menge Holz und die Aufgabenstellung, sie sollten uns einen guten Service bieten, beantwortet.

Na ja, lassen wir die drei gewähren. Sie werden schon wissen, was sie tun. Zwischenzeitlich läßt Saad unsere Hütten herrichten. Peter, Christop und Martin gehen zur Quelle. Ich mache noch einen kleinen Rundgang ums Camp. Es sieht alles so recht romantisch aus, in der untergehenden Sonne! Dann gehe auch ich zur Quelle, aber zunächst schaue ich noch einmal zur Feuerstelle. Das war eine gute Idee. Herrlicher, frischer Tee ist fertig. Ich nehme ein Glas Tee mit zur Quelle. An der Quelle, im großen Fangbecken ist es recht angenehm. Auf dem breiten Rand, wie an einer großen Theke, wird der Tee abgestellt, von Zeit zu Zeit ein Schluck genommen. Saad erzählt uns vom Leben in der Oase, von seiner großen Familie, von den Traditionen, von den Neuerungen, von seinen Plänen für die Zukunft.

Unsere drei Kairoer Gastgeber haben ein Essen vorbereitet. Eine typisch ägyptische Linsensuppe, Fleisch, Spaghetti, Salate, Fladenbrot, Tee. Alles wird auf großen Tabletts, in großen Schüsseln auf einem Teil der großen Lehmbank aufgebaut. Es sieht gut aus, es schmeckt gut! Und dann die überraschende Frage: wann sollen wir das Abendesen zubereiten? Wir verstehen die Frage nicht, wir halten dieses Essen für das Abendessen und nicht für irgendeinen kleinen Imbis so zwischendurch. Schließlich haben wir schon mittags in dem Rasthaus am Ortseingang gegessen!

Das mag ja ein Irrtum auf unserer Seite sein, wird uns deutlich gemacht. Unsere drei Gastgeber haben den klaren Auftrag unserer kleinen Gruppe Übernachtung und für einen Tag "full board" zu bieten. Und da wir ja am nächsten Tag gleich nach dem Frühstück weiterfahren wollen, müssen die zwei Mahlzeiten heute angeboten werden. Wir vertagen die Entscheidung zunächst einmal. Aber es bleibt schließlich dabei, heute bitte keine weitere Mahlzeit.

Na gut, dann wird anderer Service geboten! Ob zu unserer Unterhaltung oder zum eigenen Zeitvertreib, wer wird solche kleinlichen Betrachtungen an diesem Ort, zu dieser Zeit anstellen! Allerlei Späße, kleine Tricks, Spiele und Geschichten machen die Runde. Es ist ein netter Abend. Alle sind in guter Stimmung! Schnell vergeht die Zeit - und schon wieder dürfen wir nicht vergessen, auch am nächsten Tag wollen wir einige Kilometer radeln. Wir sollten nicht zu spät schlafen gehen.

Es ist angenehm ruhig im Camp. Nahezu Vollmond, angenehme Temperaturen. Wir wachen alle wieder bestens ausgeruht auf. Und - ja unser Frühstück ist schon fertig. Und dann, eine neue Idee unseres wohlgelaunten ServiceTeams, wir sollen mal losfahren, an der nächsten Quelle zwischen Farafra und Al Quasr wollen sie uns einen weiteren Imbis bereiten. Fahren wir also los!

Bis zu unserem Tagesziel, zur Ortschaft Mut in der Oase Dakhla sind es fast dreihundert Kilometer. Die Strecke können wir auf keinen Fall mit dem Fahrad schaffen. Daher zunächst einmal ein gutes Stück mit dem Bus.

Zunächst kommen wir recht gut voran. Bald erreichen wir eine weitere kleine Oase, ein Kontrollposten. Dann wieder Wüste. Baumaschinen, große Gräben. Wir sind mitten in den neuen Bewässerungprojekten. Überall wird gearbeitet, überall der Versuch, die landwirtschaftlich nutzbaren Flächen deutlich zu vergrößern. Neue Wohnsiedlungen. Alles ist vorbereitet. Jetzt sollen die Menschen kommen, die Menschen aus dem Niltal. Die Menschen, auf die die Regierung setzt. Mit neuen Ideen dem Wüstenboden Waser, Leben, Landwirtschaft abringen. Hoffen wir mit den Ägyptern, daß all diese Bemühungen ein dauerhafter Erfolg werden!

Wir fahren weiter. Die Straße wird schlechter. Noch kann man auf die befestigten Randstreifen ausweichen. Bald geht auch das nicht mehr. Überall nur Sand. Weicher Sand, nirgends tragfähiger Untergrund. Wird Mohamed noch eine befahrbare Stelle finden? Jetzt sitzt er fest. Nichts geht mehr, weder vor - noch zurück, einfach fest. Aus! Pause oder Ende der Reise?

Natürlich besteht kein Grund zur Aufregung. Vor uns und hinter uns, neben uns, sind große Baumaschinen im Einsatz. Eine großrädrige Baumaschine kommt schon auf uns zugefahren. Die hilfsbereiten Arbeiter ziehen gleich eine starke Stahltrosse aus. Wo ist am Bus eine geeignete Abschleppöse - und schon werden wir aus dem Sand gezogen. Frohes Gelächter. Shukran, maa salama! Wir fahren weiter, wir verlassen das Bewässerungsprojekt! Die Wüste ändert wiederum das Gesicht. Überall grob gebrochenes, kantiges Gestein. Alles in dunklen Farbtönen. Teilweise flache, weit ausgedehnte Gesteinsfelder, teilweise schroffe Anhäufungen. Und immer wieder andere Farbnuancen.

Dann, weit vor uns, in einer langgezogenen Kurve, stehen zwei Geländefahrzeuge am Straßenrand, an einem Wagen die Motorhaube geöffnet. Hier ist wenig Autoverkehr, jeder ist auf jede Hilfe angewiesen. Halten wir, fragen wir nach, können wir helfen? Wohl kaum, irgendein Problem mit der Elektrik. Aber warten wir zunächst einmal ab, vielleicht gibt es doch noch Probleme, vielleicht wird noch Hilfe benötigt.

Die Besatzung der zwei Fahrzeuge ist eine Gruppe fröhlicher Italiener. Zwei werkeln am Auto, die anderen machen Scherze. Bald werden wir einbezogen, fröhliches Palaver, teilweise radebrechend. Und wieder stößt unsere Idee, weite Strecken der Oasenstraße mit dem Fahrrad zurückzulegen auf ungläubiges Kopfschütteln. Die Reparaturen am Auto machen keine rechten Fortschritte. Nutzen wir die Zeit zu einem kleinen Imbis. Die Italiener versorgen auch uns mit wohlschmeckendem, gepökeltem Schweinefleisch. Und warme Getränke hat man auch schon vorbereitet.

Endlich taucht auch unsere Servicetruppe aus Kairo auf. Nochmalige kurze Absprache des vorgesehen Rastpunktes. Nur noch wenige Kilometer entfernt. Sie fahren schon voraus, wollen alle Vorbereitungen treffen.

Die Bastelstunde am Auto kann erfolgreich abgeschlossen werden. Unsere Hilfe wird nicht mehr benötigt. Wir können weiterfahren, treffen bald auf unsere Servicecrew. Sie haben schon Feuer gemacht, Salat vorbereitet, gleich sollen auch noch Hähnchen gebraten werden.

Gleich neben der Quelle liegt ein verschlafenes Dorf, recht trister Eindruck, graue Lehmhüttem, kein Bewuchs. Wenig Menschen. Von der Quelle führt ein Bewässerungskanal etwas abseits der Straße. Hier liegt eine kleine Ansiedlung. Viel Grün, große Palmen, Weiden mit einigen Rindern, Feldern, Orangen- und Limonenbäume, Olivienbäume und, für mich ganz überraschend, eine große Anzahl Bienenstöcke! An einer Stelle habe ich mindestens 50 gezählt, an einer anderen stehen noch mehr!

Zwischen den Ansiedlungen sind überall Vorbereitungen für weitere Bebauungen, für die Ansiedlung weiterer Menschen zu erkennen. Vorbereitungen für den Wegebau, Stromleitungen, Straßenbeleuchtung.

Ich kehre zur Quelle zurück. Nach dem Imbis wollen wir weiter fahren. Wir haben noch eine große Strecke zurückzulegen.

Aber nur keine Hast, noch ist nicht alles fertig. Zunächst eine kleine Vorspeise, Fladenbrot mit Feigenkonfitüre, ein Glas Tee. Endlich sind auch die Hähnchen fertig. Wieder eine reichliche Menge, genug um noch zwei zufällig auftauchende junge Deutsche, zwei Rucksacktouristen, zu versorgen. Das Fangbecken der Quelle ist inzwischen mit einer riesigen Anzahl Kinder aus den beiden Ansiedlungen bevölkert. Argwöhnisch, neugierig, interessiert werden wir beobachtet. Die ersten kommen auf uns zu. Fragen etwas, nutzen ihre wenigen Brocken Englisch. Alle sind nur freundlich, keiner will etwas von uns, keine Frage nach Bakschisch - nur Interesse und Freundlichkeit.

Aber jetzt müssen wir wirklich weiter. Wir haben viel Zeit verloren. Auf der Strecke liegt noch El Quasr, eine sehenswerte alte Oasensiedlung. Wenn wir uns die noch anschauen wollen, müssen wir heute auf's Radfahren völlig verzichten.

Bleiben wir also im Bus. Auf guter Straße kommen wir schnell voran. Große Sicheldünen, wandernde Dünen, tauchen auf, gehen bis an die Straße. Einige sind schon etwas in die Straße hineingeweht, hineingewandert. Die die Straße begleitende Stromleitung wird an einigen Stellen fast von den Dünen zugeweht. Von einigen Masten ist nur noch die Spitze zu sehen, bis zu den Leitungen vom Sand überspült. Vereinzelt sehen wir Palmen am Straßenrand, weiter im Gelände werden es immer mehr. Wir erreichen El Quasr.

El Quasr, eine alte Oasenstadt. Eng bebauter Ortskern. Alles alte Lehmbauten. Einfache, auch mehrstöckige Gebäude, die alte Moschee. Viele Gebäude sind verfallen, viele unbewohnt.

Gleich am Ortsrand laufen wir einem Jugendlichen aus dem Ort in die Quere. Sofort erkennt er seine Chance, die möchten die Oase sehen! Die möchten einige Geschichten hören! Er verkauft sich mit Witz und Charme. Er macht seine Sache gut. Wie er uns die alten Hütten zeigt, auf viele Details aufmerksam macht, Details zur Baukonstruktion, Details zur Ästhetik der Gebäude, kalligraphisch schön gestaltete Türstöcke.

Ob seine Geschichten so stimmen, haben sie einen Bezug zur Realität? Das ist nicht so wichtig, die richtige Stimmung trifft unser Führer allemal. Und dann führt er uns noch zu einem alten Bewässerungsgraben. Ein uraltes Wasserschöpfrad. daneben ein Göpelwerk.

Und dann, ein kleiner Disput zwischen unserem Führer und einem anderen Jugendlichen. Irgendeiner hat wohl dem anderen die wenigen Touristen weggeschnappt. Wer mag hier wohl die stärkeren Rechte haben? Wir halten uns aus dem Disput heraus, unser Führer hat seine Sache gut gemacht, soll er sie auch zu ende bringen!

Wir besuchen noch eine Töpferei. Die hier hergestellten Tonwaren sind offenkundig für den lokalen Bedarf. Große Wasserkannen, überall große Wasserkannen, so wir sie schon oft vor den Rasthäusern oder am Rand einer kleinen Siedlung gesehen haben.

Wir müssen weiter, haben hier nur noch Zeit für ein Glas Tee. Die Straße nach Mut führt weiter durch ein Gebiet mit wandernden Sicheldünen. Aber noch ist die Straße überall befahrbar. Dann wird der Bewuchs stärker, immer dichter. Große Palmenhaine, große Felder, große Wasserflächen. Überall Menschen bei der Feldarbeit. An den Wasserflächen Ibisse.

Jetzt sind wir in der Ortschaft Mut. Gleich am Ortseingang ein auffallend hell beleuchtetes kleines Restaurant, Abu Mohamed's Restaurant! Ja, so haben wir das Restaurant, the cleanest place in town, gefunden. Es war gar nicht zu übersehen, mit dieser hellen Ausleuchtung. Es macht einen ordentlichen Eindruck, es wird ordentliches Essen angeboten. Wir melden unseren Besuch für den späten Abend an und stellen später fest, auch teurer als in den anderen Restaurants ist es bei Abu Mohamed!

Zunächst wollen wir unser Oasenhotel aufsuchen. Die Beschilderung ist etwas verwirrend. Eigentlich müßte es jetzt rechts abgehen. Aber das Schild führt zu einem anderen Hotel. Wir fahren weiter geradeaus. Nein, hier kann es auch nicht sein. Fragen wir also. Ja, umkehren, wir hätten tatsächlich abbiegen müssen. Das Hotel hat seit einiger Zeit einen anderen Namen. Auf den ersten Blick macht es zumindest von außen einen ordentlichen Eindruck, Hotelhof mit Schwimmbad. Gleich nebenan die lokale heiße Quelle. Christoph und Mohamed inspizieren das Haus und sind nicht zufrieden. Hier bleiben wir nicht, der erste Eindruck täuscht, innen muß es wohl recht rustikal, recht herb gewirkt haben. Schlimmer noch, die Wasserversorgung hatte wohl starke Mängel.

Mut ist nicht der kleinste Ort in der libyschen Wüste, es soll noch ein weiteres Hotel geben. Na ja, von außen wirkt es auch recht ordentlich - aber wie wird es innen aussehen? Wenn wir halt nur übernachten wollen, vor dem Essen und vor der Weiterreise duschen, dafür reicht's. Mehr sollten wir nicht erwarten, meint Christoph nach seiner Inspektion. Ich hatte eh nicht mehr erwartet, irgendwo in der Wüste, bei einer Reise, bei der bereits in der Reiseankündigung für einzelne Tage die Duschmöglichkeit ausdrücklich als besonderes Highlight angekündigt war!

Mut, ein blasser Ort. Nach dem Frühstück am nächsten Tag fahren wir gleich weiter. Weitere dreihundert Kilometer bis nach Kharga. Auch diese Tagesetappe können wir nicht mit dem Fahrrad bewältigen. Wir fahren zunächst wieder mit dem Bus. Am Südostrand der Oase Dakhla weite Gebiete, die für die landwirtschaftliche Nutzung erschlossen werden. An vielen Stellen Vorbereitungen zur Ansiedlung weiterer Menschen.

Die Neulandflächen gehen in Sanddünenfelder über, werden abgelöst durch Geröllfächen, kantiges, gebrochenes Gestein. Stark verwittertes Gestein, etwas abseits der Straße verwitterte Bergketten, zweihundert, vielleicht dreihundert Meter hoch. Dann große Flächen, übersäht mit über Jahrtausende glattgeschliffenen Steinkegeln. Angehäuft wie bei einem Brettspiel. Die einzelnen Kegel siebzig, achtzig Meter hoch. Eine lebensfeindliche Landschaft, herber, abweisender als alles, was wir bisher gesehen haben. Und dann folgen wieder sandige Stellen, mit ersten Sicheldünen wechselt das Landschaftsbild wieder vollständig..

Wir nähern uns auf etwa 40 km der Oase Al Kharga. Den Rest wollen wir mit dem Fahrrad zurücklegen. Kalter, starker Wind bläst uns entgegen. Die Straße geht in wechselnden Richtungen, leider oft eine starke Nordkomponente. Der versprochene Gegenwind, hier können wir damit nicht rechnen. Der Wind bläst unaufhörlich, mit großer Heftigkeit - aus Nord. Also Gegenwind. Links und rechts der Straße immer größere Sandflächen, Sanddünen, Sicheldünen. Bis an die Straße heran, teilweise bereits auf die Straße gewandert. An anderen Stellen macht die Straße plätzlich eine scharfe Richtungsänderung. Die geradeaus verlaufende Trasse ist durch einige Steine für die Durchfahrt gesperrt. Warum, was soll das?

Die alte Trasse ist einige hundert Meter weiter völlig von Sicheldünen überwandet, unpassierbar, verschwunden. Vielleicht wird die Trasse mal wieder freigeblasen, wenn die Düne weiter gewandert ist, vielleicht wird die Trasse auch gleich von der nächsten Düne zugeweht. Jetzt verstehen wir auch, warum hier in dieser Gegend die Straße recht kurvenreich ist, teilweise direkt in Nordrichtung verläuft, obgleich unser grober Kurs etwa südost ist.

Der Wind wird stärker und kälter. Dort, kurz vor uns, ein großes Dünenfeld, bis direkt an die Straße. Die richtige Stelle für eine Verschnaufpause. Oder sollen wir gleich die Radtour abbrechen, den Rest im Bus fahren? Alle sind mehr oder weniger stark erkältet, zumindest durch die bisherige kurze Radfahrstrecke reichlich durchfroren.

Zunächst will ich mal auf die Dünen steigen, einen Eindruck von dem weit ausgedehnten Sicheldünenband gewinnen, von dem Sicheldünenband, das sich über hunderte Kilometer bis weit nach Libyen hinein erstreckt. An der Nordostseite sind die Dünen recht fest, gut begehbar. Am Rand gibt es einige weichere Stellen, vielleicht gar Treibsand. Also Vorsicht!

Vom Dünenkamm einen herrlichen Blick auf das große Dünenfeld. Über weite Strecken die schön gleichmäßig geformten Sandsicheln, alles scheint wie nach einem streng eingehalten geometrischen Muster angelegt. Das ist hier Bilderbuchwüste, so wie die schönsten Teile der Wüste in allen Büchern abgebildet werden.

Vom Dünenkamm zurückgekehrt, wo sind die Fahrräder? Na ja, die Gefährten haben wohl beschlossen, den Rest im Bus zurückzulegen. Es sind nur ca. 25 km bis zu unserem Ziel. Ich wäre lieber weiter mit dem Fahrrad gefahren. Ja, es ist reichlich kalt, aber in meiner Reisetasche ist noch genügend wärmende Kleidung, Pullover, eine dicke Jacke. Na ja, ich mache ja keine ganz individuelle Reise, wir sind eine Gruppe. Bisher bestens miteinander ausgekommen. Mitgehangen, mitgefangen - oder besser gesagt, im Bus mitgefahren! Aber meine Meinung hätte man ja doch vorher erkunden können, nicht so einfach die Gelegenheit nutzen, während ich auf den Dünenkamm laufe, meine Aufmerksamkeit mehr einem sicheren Weg als dem Bus und den Fahrrädern am Straßenrand widme, einfach die Räder verladen.

Ein wenig verstimmt bin ich schon. Hier, mitten in der Bilderbuchwüste, in dem großen Sicheldünenfeld in der libyschen Wüste! Gerade diesen Teil der Wüste wollte ich schon immer besonders intensiv aufnehmen. In allen Büchern über die Wüsten der Welt, die mir bisher in die Hände gefallen waren, ist dieser Teil der Wüste als besonders interessant, besonders schön dargestellt. Und jetzt bin ich hier, wie geplant mit dem Fahrrad und soll nun mit dem Bus weiterfahren, nur weil wir starken Gegenwind haben, nur weil es lausig kalt ist? So ganz will ich das noch nicht einsehen. Schaue ich mir erst einmal solch eine Sicheldüne aus aller Nähe an, von allen Seiten, die dem Wind zugekehrte Seite, die dem Wind abgekehrte Seite. Vorsichtige Schritte auf den Sand. Sehr unterschiedliche Festigkeit. An der sichelförmigen Innenseite ganz weich, nicht zu begehen.

Na ja, irgendeinen Eindruck von diesen schönen Dünen habe ich gewonnen. Zurück zum Bus, die anderen warten schon, wollen weiterfahren. Die Fahrt geht weiter. Mehrfach ist die ursprüngliche Trasse der Straße von Dünen überlagert. Mäanderförmig, durch das riesige, wandernde Sandgebilde nähern wir uns Al Kharga, der größten ägyptischen Oase.

Wir erreichen Al Kharga deutlich vor unserem Zeitplan. Zunächst ins Hotel. Zu unserer Überraschung, ein ordentliches Haus, freundlich eingerichtete Zimmer, alles sauber. Ich hatte hier in der Wüste mit diesem Standard nicht mehr gerechnet. Aber Mohamed hatte in Dakhla recht, als er, etwas um Nachsicht bittend, erklärte, die nächsten Hotels seien alle besser, jetzt ginge es mit dem Standard ständig aufwärts. Keine Komprisse mehr!

Die durch den Verzicht auf die Fortsetzung der Radtour gewonnene Zeit können wir anderweitig nutzen. Außerhalb der Stadt, direkt bei einem Palmenhain, wurde ein alter Tempel gefunden. Nicht so groß wie in Luxor, aber alt soll er sein. Welcher Gottheit er geweiht war, ist unter den Ägyptologen noch umstritten, zu widersprüchlich sind einige Inschriften.

Nicht weit entfernt, eine große Grabanlage, mehr als tausend Jahre alt. Viele Einzelgräber, einige Kapellen. Alles in Lehmbauweise. Alles Zeugnisse frühesten Christentums, alles Zeugnisse der alten koptischen Besiedlung dieses Gebietes! In den aus Lehmziegeln errichteten alten Kapellen noch gut erhaltene Deckenmalereien mit vielen alttestamentarischen Motiven. Viele Zerstörungsspuren, viele Spuren religiöser Unduldsamkeit früherer Epochen. Verkratzte Bilder, herausgekratzte Augen.

Bei hereinbrechender Dämmerung machen wir noch einen Bummel durch die Stadt, durch den Souk, durch die weniger belebten Nebenstraßen. Christoph und Mohamed warten in einem kleinen Straßenrestaurant bei einigen Zügen an der Wasserpfeife. Wir kommen etwas früher als geplant zurück, setzen uns und schon werden wir von äußerst kontaktfreudigen jugen Leuten, von jungen Leuten aus der Stadt, angesprochen. Das haben wir ja häufig beobachten können, die Menschen hier in den Oasensiedlungen sind alle sehr aufgeschlossen, freundlich, unkompliziert kontaktfreudig.

Heute haben wir Silvester! Eine große Silvesterparty ist hier nicht zu erwarten. Nach dem Abendessen mit einer Flasche Wein aus ägyptischem Weinbau verbringen wir den weiteren Abend in angenehmer Plauderstimmung. Und schon wieder hat Christoph eine kleine Überraschung bereit. Für den Umtrunk zum Jahreswechsel hat er zwei Flaschen Sekt im Reisegepäck. Plaudernd vergeht die Zeit. Plötzlich Dunkelheit. Stromausfall. Na ja, hier scheint ja immer irgend etwas auszufallen, meinen wir. Aber weit gefehlt, das Licht war nur ganz kurz abgeschaltet, auch so kann man den Jahreswechsel ankündigen! Wir haben es erst gar nicht bemerkt. Nun aber schnell, die Sektflaschen öffen, Gläser beschaffen. Und was machen unsere lieben Ägypter? Ein Teil des Hotelpersonals hat sich am Nebentisch häuslich niedergelassen. Ja was machen diese Leute? Sie bringen Gläser, große, kleine, jede Menge. Wir brauchen eigentlich nur drei Gläser, aber alle Gläser werden uns angereicht! Na gut, warum sollen wir unseren Sekt alleine trinken? Teilen wir, teilen wir so gut es geht! Dann werden noch weitere Kollegen gerufen. Welche Vorstellungen haben unsere lieben Ägypter vom Fassungsvermögen einer normalen deutschen Sektflasche? Die Flaschen sind leer, die Tatsache überzeugt. Wir haben ordentlich geteilt, werden mit Glückwünschen zum neuen Jahr überhäuft!

Am nächsten Morgen, am Neujahrstag, wollen wir früh aufbrechen. Wir müssen nach Assiout, unserer nächsten Station, dann wieder im quirligen Niltal. Mohamed wird uns dort verlassen und direkt nach Kairo fahren.

Aber wir lassen uns doch noch etwas Zeit. Zunächst besuchen wir die örtliche Fabrik zur Dattelverarbeitung. 250 Menschen arbeiten hier, 3000 t Datteln werden jährlich verarbeitet. Datteln einfach, Datteln mit Mandeln gefüllt, Datteln mit Mandeln gefüllt und mit Schokolade umhüllt. Die Dattelproduktion, die Dattelverarbeitung ist für Kharga ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Wir nehmen als Wegzehrung eine kleine Menge der verschiedenen Zubereitungsarten mit. Aber dann müssen wir aufbrechen. Die Straße nach Assiout ist stellenweise schlecht, wir werden mehrere Stunden mit dem Bus benötigen.

Die Straße führt in einem großen Bogen nach Nordosten, ins Niltal, direkt nach Assiout. Nicht weit nach Verlassen der Oase Al Kharga kommen wir an den Aufstieg aus der großen Oasensenke. Die Senke zog sich von Bahariya im Norden bis hierher, bis zur Oase Kharga im Süden. Es ist ein recht steiler Anstieg, die Straße macht einige Windungen, dann sind wir auf der Hochebene. Wieder wechselnde Formen der Wüste, sandige Teile werden von Geröllflächen abgelöst. Dann eine große, sandige Fläche, übersäht mit Melonensteinen, mit großen melonenförmigen Steinen, über Jahrmillionen glattgeschliffenen Granitbrocken. Ein herrlicher Anblick. Alles überwölbt von einem blauen Himmel mit etwa 4/8 Cumulusbewölkung. Zumindest heute müßte man in dieser Region gute Thermik antreffen. Das wäre doch etwas, zum Abschluß der Oasentour noch einige Stunden im Segelflug die Landschaft aus einem anderen Blickwinkel betrachten!

Schluß mit diesen Träumereien. Die Wirklichkeit holt mich schnell wieder ein. Bekommen wir mit dem Bus Probleme? Der Motor läuft unrund. Was ist los? Mohamed hält an. Ganz einfach, wir haben kein Benzin mehr. In Kharga konnte wohl nicht die nötige Menge getankt werden. Der starke Gegenwind tat sein übriges. Zum Glück ist die nächste Tankstelle nicht besonders weit. Auch bis Assiout sind es nur noch etwa 20 km. Wir könnten ja zur Not den Rest mit dem Fahrrad fahren. Ein Lastwagen hält an, Mohamed kann mitfahren, zur nächsten Tankstelle. Später kann die Fahrt weitergehen. Wir kommen nach Assiout. Auch hier ein ordentliches Hotel, direkt in der Stadt, direkt am Bahnhof. Überall quirliges Leben, ganz anders als in den letzten 9 Tagen in der Wüste.

Wir machen einen Bummel durch die Stadt, in den Souk. Mehrere Kirchen zeugen von dem starken koptischen Einfluß. Vor allen Kirchen bewaffnete Wachen. Auch hier wird Vorsorge getroffen, Vorsorge gegen Übergriffe islamischer Fundamentalisten.

Überall Betriebsamkeit. Lauter, lebhafter als Kairo - zu Beginn unserer Reise! Nein, das kann nicht sein, die Tage in der Wüste haben unsere Maßstäbe verändert!

Mohamed ist mit dem Bus nach Kairo weitergefahren. Einen Teil unseres Gepäcks hat er mitgenommen. Für den Rest der Reise benötigen wir nur noch wenig. Wird unser Gepäck bei unserer Rückreise über Kairo wieder verfügbar sein? Wir haben zwischenzeitlich Vertrauen zu unseren ägyptischen Partnern, zu unseren ägyptischen Freunden gewonnen. Es wird schon irgendwie gehen. Schließlich waren wir in den letzten Tagen die Unpünktlichen - nicht unsere Ägypter!

Für die Weiterfahrt nach Luxor bestellt Christoph ein Taxi. Auch hier das bekannte Spiel, der Taxifahrer kommt zur vereinbarten Zeit zum Hotel, wir haben noch nicht einmal mit dem Frühstück begonnen! Aber was soll's, schließlich haben wir Urlaub und der Fahrer wird auch in einer halben Stunde noch an der lohnenden Fahrt nach Luxor interessiert sein.

Aber dann kann es endlich losgehen, die Fahrräder werden auf dem Auto verstaut. Vier Fahrräder auf einem normalen Dachgepäckträger eines Peugeot 504 Kombi. Na ja, robust sind die Fahrräder zum Glück und in und um Luxor wollen wir keine besonders großen Strecken fahren. Auch das wird irgenwie gehen.

Wir verlassen Assiout in Richtung Süden. Lebhafter Autoverkehr. In den einzelnen Ortschaften quirliges, ägyptisches Leben. In Sohag wechseln wir auf die Ostseite des Nils. Ruhige Nebenstraßen, wenig Autoverkehr. Diese Strecke lädt geradezu zu einer Fortsetzung der Radtour ein. Aber wir haben nicht mehr genug Zeit, die Strecke bis Luxor ist zu groß. Wir müssen mit dem Auto fahren.

Wir durchfahren das von der Landwirtschaft geprägte Niltal. Häufig kleinere Ansiedlungen, Lehmhütten. Menschen bei der Feldarbeit. Wasserschöpfräder, mit Ochsen betriebene Göpelwerke. Das Tal wird zeitweilig sehr eng. Manchmal ist nur Platz für die Straße, manchmal verbleiben 30 oder 50 m landwirtschaftlich nutzbare Fläche. Das nackte Gebirge der östlichen, der arabischen Wüste reicht hier fast bis an den Nil heran. Am gegenüberliegenden Westufer ist das Tal nicht viel breiter. Es folgen dann wieder Abschnitte, in denen das Niltal breiter wird, mit ordentlich landwirtschaftlich nutzbaren Flächen.

Dieses enge, mit Menschen gefüllte Niltal ist ein starker Kontrast zu den Weiten der libyschen Wüste, zu den großen Oasen mit den wenigen Menschen. Jetzt wird uns erst richtig bewußt, welchen Stellenwert die Bewässerungsprojekte für die Entwicklung dieses Landes, für Ägypen haben!

Nach einigen kleineren Unterbrechnungen, unser Fahrer mußte mehrfach an der Elektrik seines Autos basteln, erreichen wir Karnak. Direkt in der Nähe der großen Tempelanlagen sollen wir wohnen. Die Hotelanlage, direkt am Nil gelegen, macht einen guten Eindruck. Aber - leider überbucht. Recht verwunderlich, denn eigentlich sind viel weniger Touristen im Lande als im langjährigen Durchschnitt!

Aber bitte keine Aufregung, etwas Improvisation dürfen wir bei unserer Reise doch wohl erwarten! Wir ziehen nach Luxor, in ein vorzügliches Hotel. Wir fahren mit den Rädern von Karnak nach Luxor. Für unser Gepäck bestellt das Hotel ein Taxi. Ein schöner erster Eindruck von Luxor! Unser Hotel liegt direkt im Zentrum der Stadt. Vor dem Haus ein großer Garten mit Schwimmbad und großen Gartenrestaurant. Alles schön mit einer Schranke zur Straße abgesperrt. Martin und ich lassen es uns nicht nehmen, mit dem Fahrrad direkt bis vor die Hoteltüre zu fahren. Später fügen wir uns den Wünschen des Hotelpersonals. Wir deponieren auch unsere Fahrräder unter schattigen Bäumen, gleich neben der Schranke.

Luxor, ein Zentrum des Fremdenverkehrs - die nahen Tempelanlagen von Karnak, der Tempel von Luxor, Theben-West mit den berühmten Gräbern - hat sich noch viel ägyptische Ursprünglichkeit bewahrt. Wer es nicht glauben will, gehe mal durch Luxor, etwas abseits der von Touristen bevölkerten Straßen, gehe dorthin, wo keine Autos mehr fahren. Hier wird es mit jedem Schritt ägyptischer. In den Geschäften, bei den Straßenhändlern kein Angebot von Touristenware, nur Dinge des täglichen Bedarfs der einheimischen Bevölkerung.

Wir besuchen die touristischen Höhepunkte einer jeden Luxorreise, den Tempel von Luxor, Karnak bei Nacht, Karnak am Tage, Tal der Könige, Tal der Königinnen, die Memnon-Kolosse, den Tempel der Hatschepsut.

Nach einem kleinen Imbis starten wir mit dem Luxor-Tempel. Ein kurzer Rundgang, die Dämmerung bricht herein. Jetzt ziehe ich es vor, bis ans Ende der Sphinx-Allee zu gehen. Dort am Ende setze ich mich auf die Treppe. Ein schöner Blick auf den Tempel, auf den ersten Pylon. Jetzt kommt die gute Ausleuchtung der Tempelanlage voll zur Geltung. Die ganze Schönheit der Anlage, die Ehrfurcht gebietende, ja früher vielleicht Furcht einflößende Größe der Anlage wird deutlich!

Am späten Abend wollen wir noch nach Karnak. Wie wird diese gewaltige Tempelanlage wirken?

Aber vorher noch ein Bummel über die Nilpromenade. Überall Feluken, die traditionellen, kleinen Nilsegler. Es sind wenig Touristen in Luxor. Die Bootsführer suchen Kundschaft, machen günstige Angebote!

Dann, ein großes Ungetüm. Die Fähre der Einheimischen. Besonders vertrauenserweckend sieht das Fahrzeug nicht aus - aber voll mit Leben!

Daneben die großen Touristenfähren. Und eine große Anzahl Feluken.

Am nächsten Morgen, für unsere Überfahrt nach Theben-West, zum Tal der Könige, entscheiden wir uns für eine Feluka.

Über eine waklige Planke ist das Boot zu erreichen. Ein Fehltritt, und die sanften Fluten des Nils umspülen uns. Wäre bei den angenehmen Temperaturen ja kein Problem, ja wenn, ja wenn Dr. Bilharz, wenn die nach ihm benannte schreckliche Hakenwurmkrankheit nicht eine der Geißeln Ägyptens wäre!

Aber auch diese Horrorvision löst sich zumindest für mich schnell in Wohlgefallen auf. Der junge Bootsführer balanciert unsere Fahrräder an Bord. So können wir unbeschwert über die Planke ins Boot gelangen.

Und dann, ich traue meinen Augen nicht, der junge Mann läuft mit bloßen Füßen durch das Nilwasser um das Boot aus der Verankerungsstelle zu lösen. Vielleicht haben wir zu große Bedenken, vielleicht haben sich die mit dem Nil lebenden Menschen damit abgefunden, Opfer dieser bösartigen Krankheit zu sein.

Die Feluken sind Segelboote. Aber heute steht die Luft. Nicht mal eine leichte Brise weht. Aber wir möchten mit diesem Boot zur anderen Nilseite! Es hilft alles nichts, unser Bootsführer muß seine Muskeln bemühen. Zunächst stakend im Flachwasser, später rudernd. Leise und ruhig gleiten wir über den Fluß. An den flachen Stellen ist der Nil übersäht mit großen, schwimmenden Wasserpflanzen. Alles sieht sehr malerisch aus, die richtige Einstimmung für den Tag. Nur unser junger Freund muß sich arg ins Zeug legen, vergießt eine Menge Schweiß. Na ja, wir sind ja keine Unmenschen, neben dem vereinbarten Preis geben wir für die besondere Anstrenung gerne ein Zusatzhonorar!

Die Fahrt mit den Rädern, durch dörfliches Leben, vorbei an den Memnon-Kolossen, hinauf ins Tal der Könige. Hier treffen wir unseren lokalen Führer. Besichtigung von drei Grabanlagen, gute Erläuterung des Totenkultes, gute Erläuterung der Besonderheiten eines jeden Grabes. Anschließend besuchen wir das Tal der Königinnen, den Tempel der Hatschepsut und eine der vielen Alabasterwerkstätten.

Dann geht es zurück nach Theben, zurück an den Nil. Ob der vorbestellte Nilsegler pünktlich ist? Ist er, wir kommen zügig aufs Boot. Jetzt haben wir ausreichend Wind, wir segeln zurück zum Ostufer, zurück nach Luxor.

Nach einer Pause im ruhigen Garten unseres Hotels radeln wir nach Karnak, Karnak mit den größten je errichteten Tempelanlagen!

Unsere Reise ist nahezu beendet. Wir müssen Luxor bereits am Freitag verlassen, der ursprünglich vorgesehene Rückflug am Samstag ist Opfer einer Flugplanänderung geworden.

Eigentlich schade, eine Tagestour mit einer Feluka oder eine weitere Fahrradexkursion könnte doch ein schöner Abschluß der Reise sein.

Ein zusätzlicher Tag in Kairo vor dem Rückflug nach Frankfurt kann aber auch recht reizvoll sein.

An welchen Stellen in Kairo waren meine interessantesten Bauprojekte? Midan Opera und Midan al Ataba! Den Midan Opera habe ich ja schon zu Beginn dieser Reise besucht, jetzt habe ich noch Zeit al Ataba, den wohl lebendigsten, den wohl chaotischsten Verkehrsknotenpunkt Kairos, nochmals zu besuchen. Was wird aus diesem Projekt geworden sein?

Zurück in Kairo finden wir sofort unser mit dem Bus voraus gereistes Gepäck wieder. Unsere als ach so unzuverlässig gepriesenen Ägypter halten sich wieder einmal nicht an die Regel! Unterlaufen einfach alle Vorurteile!

Für den durch die Flugplanänderung verursachten zusätzlichen Tag in Kairo hat unser Veranstalter ein Hotel in Agouza gewählt. Dem eigenen Anspruch der Hotelleitung zufolge soll es ein Haus der gehobenen Mittelklasse sein. Dieses Haus war ein Fehlgriff. Darüber können auch die sündhaft teuren Autos vor der Türe, die Autos einiger Gäste aus Kuwait, nicht hinwegtäuschen! Das zu Beginn unserer Reise bewohnte Pyramid-Hotel in Giza war weitaus besser. Na gut, eine richtige Panne will ich unserem Reiseveranstalter zugestehen. Ich habe ja mein vollständiges Gepäck. Ein Schlafsack kann ja auch in einem vermeintlichen 3- oder gar 4-Sterne Hotel benutzt werden! Und für den letzten Tag ist eine Dusche notfalls verzichtbar!

Und was mache ich mit diesem zusätzlichen Tag in Kairo? Zunächst ein Bummel ohne richtiges Ziel, einfach von einer Straße in die andere. So laufe ich für einige Stunden durch Randbereiche von Agouza, durch Imbaba, sehe für Stunden keinen einzigen Europäer, komme durch Zamalek und lande schließlich auf eine Tasse Kaffee in dem gepflegten Garten des Kairo Mariott Hotel. Erinnerungen an frühere geschäftliche Besuche in Kairo werden wach. Ach ja, ich wollte noch einmal zum Midan al Ataba. Also zurück auf die Straße, ein Taxi zum Ataba!

Heute ist Freitag, welch ein Leben hier, welch ein Gedränge! Ja, auch hier wurde das alte Parkhausprojekt in einer Betonkonstruktion realisiert, der Busbahnhof überbaut. Aber die alte Betriebsamkeit ist geblieben, vielleicht etwas weniger Autos als vor Jahren, dafür mehr Händler, mehr Menschen! Ich lasse mich treiben, in diesem gewaltigen Strom von Menschen, lande schließlich am Ramses-Bahnhof.

Für den späten Abend habe ich mich nochmals mit Christoph und Achmed, unserem Freund aus der Oase Bahariya, verabredet. Also zurück zum Hotel.

Nur mit Mühe gelingt es mir, mit dem Taxifahrer einen Festpreis für die Fahrt nach Agouza zu vereinbaren. Aus mir völlig unverständlichen Gründen sagte er mehrfach, wir würden sehen, was es koste, er könne es noch nicht sagen, wir sollten abwarten.

Dann fahren wir los. Nach wenigen Metern rufen einige junge Leute: "Agouza, Agouza". Der Fahrer hält, jetzt haben wir 3 Fahrgäste mehr. Nun verstehe ich den Fahrer. Bei längeren Fahrstrecken werden die noch freien Plätze im Auto anderen Gästen mit ähnlichem Ziel angeboten. Jeder zahlt einen vernünftigen Anteil an den Gesamtkosten. Tatsächlich kann der Fahrer in einem solchen Fall nicht im voraus sagen, was es denn kosten wird. Ich lasse mich in der Nähe des Hotel absetzen, bezahle nur einen Bruchteil des vorher besprochenen Festpreises - schließlich sind noch andere Gäste im Auto - und alles hat seine Ordnung. Der Fahrer ist zufrieden, die anderen Fahrgäste und ich, ich habe nach eigenem Ermessen weniger als vorgesehen bezahlt.

So einfach regelt sich wohl einiges in Ägypten. Nicht stures, dogmatisches Vorgehen, nein, einfache, praktikable Lösungen sind gefragt.

Ähnliches erleben wir am nächsten Tag bei unserer Abreise. Wir kommen reichlich spät zum Flughafen. Ob wir noch alles schaffen? Schließlich sind wir jetzt für die Rückreise wieder eine größere Gruppe, 9 Personen mit reichlich Gepäck. Aber irgendwie wird alles geregelt. Die knappe Zeit wird nicht vergeudet! Gepäck muß man nicht wiegen, die Gepäcksticker müssen doch nicht in die zugehörigen Tickets geklebt werden. Mir werden gleich 11 Gepäcksticker in die Hand gedrückt obgleich ich nur ein Packstück aufgebe. Ebenso die für die Ausreise auszufüllenden Formulare oder unsere Boarding Cards. Hauptsache, wir sind vom Check-in-Computer erfasst. Dann wird die Maschine auch nicht ohne uns abfliegen, meint unser Travelagent. Hoffentlich teilt der Flugkapitän seine Ansicht!

Eigentlich müßte die Maschine jetzt starten. Wir sind aber noch nicht durch die letzte Gepäckkontrolle. Und dann, eine neue Verzögerung. Einer unserer Mitreisenden hat ein Kurzwellenradio, das eher wie ein Funkgerät aussieht. Das löst das besondere Interesse der Gepäckkontrolleure aus. Lange Debatten, Fragen zur Funktion, zu technischen Details.

Nervöse Hinweise auf den längst fälligen Abflug unserer Maschine führen zwar dazu, daß ich ohne erneute Kontrolle meines Gepäcks passieren darf, aber das Radio ist weiterhin Gegenstand ausgiebiger Unterhaltungen.

Aber auch jetzt ist das keine Schikane. Es droht keine Beschlagnahme oder sonstiger Ärger. Die Leute sind nur persönlich interessiert, wollen nur wissen, wo man so ein schönes Gerät kaufen kann, hätten es am liebsten gleich dem Reisenden abgehandelt.

Endlich ist unsere Gruppe vollständig durch die Kontrolle, vollständig im Warteraum 3, im Warteraum für den Egyptair-Flug 786 nach Frankfurt. Wir sind die letzten Reisenden. Für uns fährt ein gesonderter Bus zum auf dem Flugfeld wartenden Bus. Wir können ganz ohne Gedränge, in aller Ruhe die Plätze für den Rückflug nach Frankfurt einnehmen.

Also, keine Hektik. Es wird schon werden. Inshalla!

Maa salama Kairo, maa salama Ägypten. maa salama Misr!

Es war eine schöne, eine interessante, eine beeindruckende Reise.

Es soll nicht meine letzte Reise nach Ägypten gewesen sein. Inshalla!

Aber, wir haben heute den 13. Januar 1991, zwei Tage vor Ablauf des Kuwait-Ultimatum. Was wird uns die Zukunft bringen?

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