Silvester


Nachdem wir unsere Sauferfahrungen in diesem Jahr wieder kräftig aufgebessert und erweitert haben, wollten wir zu Silvester doch schon mächtig was loslassen. Aber das war dann doch keine gute Idee, weil wir ja privat, also zu Hause beim Paul(*) feiern wollten und es ist ja unhöflich und unpassend wenn man als Gastgeber zach in der Ecke rumliegt und einen Schwank aus seiner Jugend vor sich hinbrabbelt und keiner hört zu. Nun wird man sich fragen, warum ich (also die Autorin) auch nicht so betrunken irgendwo rumtorkeln wollte (ja ich wollte es wirklich nicht), da gibt es eine einfache Erklärung: ich wohne keine zwei Minuten von Paul entfernt und bei mir zu Hause lief auch einiges, quasi meine Eltern hatten so zwölf Gäste, und da wäre es auch peinlich, wenn die mich da so hacke rumlaufen sehen würden. Aber so leicht wollten wir uns den Spaß nicht nehmen lassen und beschlossen, wenn wir schon nicht sehr viel Alkohol zu uns nehmen konnten, wollten wir die anderen Leute die noch zu Paul nach Hause kommen wollten, ordentlich abzufüllen. Dabei hatten wir es besonders auf Katrin(*) abgesehen. Mit Katrin hatten wir schon folgende lustige Erfahrung gemacht: bei einem unserer Besäufnisse (um mich hier mal sehr assihaft auszudrücken) war die besagte Katrin auch sehr betrunken und obwohl sie wirklich super brav und unschuldig aussieht und eher zurückhaltend ist, fragte sie mich frech von der Seite, ob ich denn mal ein bisschen Gras für sie hätte. Ich sagte ihr, dass ich so was nicht besitze und da sie weiß, dass ich mehrere Leute kenne, die diesen Stoff besitzen, drängte sie mich irgendwelche von diesen Leuten anzurufen. Das tat ich aber auch nicht und da stritten wir uns halt so ein bisschen rum und zum Glück war der Abend nicht mehr so lang, dass ich noch mehr darüber verlieren muss. Ja das ist also der driftige Grund zum Zachmachen dieser Person, zudem hatten wir noch keine Zachi- Fotos von ihr und so erwies sich Silvester als eine günstige Gelegenheit.
So war unser Plan vollständig, der Tag rückte immer näher und unsere Laune steigerte sich immer mehr, dazu kam noch, dass sich Paul circa einen Monat vor Silvester vorgenommen hatte, keinen Alkohol bis zum Tag des Jahreswechsels zu sich zu nehmen. So gingen wir eigentlich fast jedes Wochenende in mein Lieblingscafé, ins Cappuccino, und tranken brav unsere heiße Schokolade mit Schaum und redeten viel und euphorisch über diesen Tag. Zu allem Unglück sagte Katrin zu Silvester ab, sie müsse woanders feiern und sie dürfe diese Leute nicht enttäuschen. Dafür hat sie uns enttäuscht und wir waren dann schon traurig, aber wenn sie was verpassen wollte, hat sie halt Pech. Nun, mittlerweile war der einunddreißigste Dezember und ich kam mir vor wie die Vermittlung, denn ich musste dauernd Anrufe entgegennehmen von einem gewissen Hans(*), der mich fragte, ob er und seine Freundin, sein Kumpel und dessen Freundin nicht mit bei uns feiern könnten. Es war schon sechzehn Uhr und ich konnte das ja nicht entscheiden und so gab ich ihm die Nummer vom Gastgeber, Paul, und so kam noch ein letzter Anruf von ihm, in dem er mir sagte, dass er & Co. auch bei uns feiern könnten und würden, dass sie auch Alkohol und Knabberzeug mitbringen würden und dass sie mich Punkt viertel neun abholen kommen würden. So wartete ich dann bis zwanzig Uhr fünfzig, wurde dann schon nervös (wie Frauen es immer werden, wenn sie warten müssen) und dann hörte ich den rettenden Klingelton der Haustüre, welcher sonst so nervend laut war und jetzt wie eine Entspannungs- Cd, die man in der Fernsehwerbung zu 99,- DM kaufen kann, klang. Ich rannte wie irre die Treppe runter, wäre beinahe auf die Schnauze gefallen, und stellte dann mit Bestürzen fest, dass die zwei Berlin- Kinder vor der Türe standen, welche bei mir zu Hause geladen waren und von draußen kamen, wo sie belustigt schon ein paar Böller ausprobiert hatten. Ich ließ sie rein und gleich darauf fiel mir auch schon wieder ein Stein vom Herzen als ich sah, dass Hans und seine teure Begleiterschar auch draußen standen und mich so anguckten, wie, na, kommste vielleicht auch mal? So zog ich Schuhe an, Jacke drüber und freute mich, denn ich hatte jemanden gefunden, der die Schüssel mit dem zuvor gemachtem Nudelsalat für mich tragen würde. So gingen wir rüber zu Paul. Und ich merkte dass es schon tüchtig kalt war und ärgerte mich über mich selbst, da ich zu faul gewesen war, meine Winterschuhe anzuziehen, so hatte ich eben meine alten, zerlöcherten Turnschuhe an. Drüben bei Paul angekommen, luden wir die Sachen aus und knallten uns aufs Sofa, wobei ich eigentlich auf dem magentafarbenen Gymnastikball Platz nehmen wollte, auf dem aber dann Hans’ Freundin saß. Kurze Zeit später waren wir vollständig und alle Leute verteilten sich zu ihrer Zufriedenheit im Zimmer. Wir guckten seltsamerweise Fernsehen, aber das haben wohl viele getan, denn es lief ja schließlich TvTotal. Zum Fernsehen einen kleinen Snack: verschiedene Salate, Brot, Käse und was weiß ich noch, dazu den ersten Alkohol: Wodka- Cola im Verhältnis eins zu eins. Die Zeit verging dann recht schnell. Noch vor Mitternacht kam dann Pauls kleine Schwester ins Zimmer und hing dann auch gut an der Weißweinflasche. Soviel zum Thema „Vorbild großer Bruder“. Dann stießen wir traditionell an und gingen an die frische Luft, um die erhitzten Gemüter abzukühlen. War man eine Weile draußen, musste man (also zum Beispiel ich und viele andere Nicht-Böller-BesitzerInnen) immer auf der Hut sein, denn man wusste nicht ob von links, rechts, mitte, oben, unten, vom besten Freund, vom Unbekannten oder von sonst wem Böller zu einem geworfen worden und man sich tierisch erschrak. So war ich eine Zeit lang Mit- Opfer und war nur am Wegrennen. Als sich das Schlachtfeld um mich und den 3- Meter- Kreis um mich beruhigt hatte, merkte ich bald, dass mir schon ziemlich kalt war, meine Füße ein Eisklotz waren und sich meine Hände nicht mehr bewegen ließen. Ich glaube zwar nicht an Gedankenübertragung, aber es war dann doch fast ein Wunder als wir uns wie von allein sammelten und beschlossen, wieder rein ins Haus und in die damit verbundene Wärme zu gehen. Wir waren wieder glücklich drinne und leerten unsere Gläser, denn Alkohol wärmt ja. Die nächsten paar Stunden verbrachten wir mit Quatschen, Trinken, Lästern und was man halt so um die Zeit noch so macht, wie zum Beispiel am Computer sitzen und mp3s anhören. Aber wir stritten um HipHop, Techno, Offspring und NDW. Dann legten wir eine Bob Marley Cd ein. Dann kam die Zeit in, der alle mal dringend mit ihren Leuten telefonieren mussten, und so waren wir teilweise nur eine kleine Zimmerrunde, weil die Telefonierer ins Nebenzimmer verschwunden waren. Die erste Müdigkeit zeige sich und Hans und sein Kumpel und deren Freundinnen gingen. Zum Glück ließen sie uns Alkohol da. Das Zimmer wurde in meinen Augen fast eine Chillecke, es war schon ziemlich ruhig geworden. Die Gründe waren, dass die Raucher, zu denen auch die zache Diana(*) gehörte, dauernd aufs Klo rannten und ihrer Sucht folgen mussten. Am nächsten Morgen stellten wir auch belustigt fest, dass jemand keine Kippen mehr selber drehen konnte, da überall loser Tabak rumlag. Auch noch mit von der Zimmer- Partie war Jana(*), Pauls kleine Schwester. Sie war die Betrunkenste und redete ziemlich lustiges Zeug daher, auch ihre Stimme war leicht entstellt. Auch zwei andere Krachmacher, die eine war Dianas Freundin, von der wir den Namen nicht wissen und sie deshalb Nummer 6 genannt haben, und Pauls guter Freund Karl(*), waren auch nicht mehr zu hören und nicht gut zu sehen. Ich dachte schon, dass die beiden sich versteckt hatten, aber dann sagte jemand laut „Dort, auf dem Sofa!“. Das war dann der Schock. Man hörte, aber nur wenn man genau hinhörte, schmatzende Geräusche, und wenn man hinsah, aber nur wenn man genau hinsah, zwei undeutlich erkennbare, ineinander verschlungene, halbnackte Wesen. Wir dachten uns zuerst nichts Schlimmes dabei und Paul schaffte fürsorglich seine kleine Schwester runter ins Bett. Dann laberten wir über die gute alte Zeit und Diana schwärmte von Tom(*) und versuchte alles über ihn durch mich und Paul rauszukriegen. Schließlich gab ich entnervt auf und sagte sie solle selber mit ihm reden und ich rief ihn an und die beiden redeten so daher (was für die Party bei Tom, welcher in Klaffenbach gefeiert hat, ziemlich lustig gewesen sein muss, da das Telefon rumgereicht wurde und Diana nicht mehr wusste wie sie heißt). Da saßen wir nun und langsam wurden wir sauer, denn schließlich belagerten Nummer 6 und Karl das Sofa jetzt schon eine gute halbe Sunde, und es war an der Zeit, auch mal was bequemeres unterm Hintern zu haben als einen harten Stuhl. So wollten wir also das Sofa wiederhaben und versuchten vorerst ohne Gewalt, den beiden klarzumachen, sie sollen woanders ihren Trieben nachgehen. Als sie unsere gutgemeinten Vorschläge nach wiederholtem Male ignorierten, half alles nichts, wir griffen nach der letzen Lösung, Gewalt! Und bewarfen sie einige Male mit Eiswürfeln. Das erzeugte zumindest schon ein genervtes Murren vom Sofa und das war unser Zeichen zum Angriff. Wir schmissen die beiden einfach vom Sofa, taten noch die Kissen wieder schön drauf und das Sofa war zurückerobert. Ich weiß wirklich nicht mehr wie spät es zu der Zeit war, aber ich vermute es war so um vier, um fünf. Jetzt saßen wir auf dem Sofa und beobachteten Nummer 6 und Karl, wie die beiden auf dem Stuhl saßen und da weitermachten, wo sie aufgehört haben, nachdem wir sie vom Sofa gescheucht haben. Das war sehr amüsant. Es sah aus, als wenn die beiden einen billigen Softporno drehen wollten und vergessen haben, die Kamera mitzubringen oder einzuschalten und sich auszuziehen. Alle dachten, bald bricht der Stuhl zusammen, er quietschte auch schon sehr dolle, aber schließlich war es ein alter Stuhl und nichts geht doch über DDR- Qualität! Für mich war es schlicht und ergreifend pervers. So düdelten wir so vor uns hin, es wurde auch schon hell und da wollte Diana auch schon gehen. Sie nahm gleich alle anderen, die noch da waren, mit. So waren wir nur noch zu dritt und referierten über die Erfolge und Misserfolge des Abends. Ein wesentlicher Punkt war, dass kaum Knabberzeug gegessen wurde und noch gut Alkohol vorhanden war. Ich machte mir mit Paul aus, diesen Abend (also an Neujahr) noch zu ihm zu kommen, fern zu sehen und die offenen Flaschen zu leeren, was dann auch geschah. Doch noch war ich ja bei Paul und es war erst um zehn. So nutzten wir die Zeit noch aus und entspannten. So um zwölf machte ich mich auf den Weg zu mir rüber (ich glaube er war noch nie so anstrengend, lag aber am Schnee und an der Müdigkeit ;-)). Bei mir zu Hause angekommen, empfingen mich gleich alle gutgelaunt. Sie frühstückten gerade. Bis fünfzehn Uhr unterhielt ich mich noch mit den Berlinern und mit den anderen Gästen, bis dann auch alle aufbrechen mussten. Nun war ich ganz allein in meinem Zimmer. Nach einer weiteren Stunde fragte ich mich wieso ich mich nicht schlafen legte, denn schließlich musste ich ja am Abend wieder fit sein. Nach einigem Hin und Her ging ich dann doch ins Bett und Silvester war vorbei.

(*) Name von der Autorin geändert