Im Krankenhaus
Sie starrte an die Decke.
Dort gab es zwar nichtszu sehen, aber wo hätte sie denn sonst hinschauen
sollen! In diesemganzenöden
Krankenhauszimmer gab es ja keine Ablenkung. Und mit derAltenim
Nachbarbettwollte sie auch kein Gespräch anfangen. Also ärgertesie
sich stummund starrte dabei an die decke. Dass ihr das aber auch ausgerechnetjetztin
der stressigen Vorweihnachtszeit passieren musste! Wer konnte dennahnen,dass
der dumme Hocker gleich ein Bein verlieren würde?
Gunda sah sich vor sich, wie sie auf den Hocker kletterte und dieserunter
ihrem Gewicht zusammenbrach. Ein gebrochenes Bein zu Weihnachten. DasLeben
war doch so ungerecht!
„Verdammter Mist!“, stieß
sie leise aus, woraufsich die Alte zu ihr umdrehte.
„Was ist denn los?“, fragte sie
sehr höflichundunaufdringlich.
Da Gunda nicht unfreundlich erscheinen wollte,
erzähltesieihr knapp ihre Geschichte. Doch als sie sich den Beinbruch,
das geplatzteWeihnachtsfest, den Verdienstausfall in ihrer Kneipe und den
nun wohl auchnicht mehr stattfindenden Skiurlaub mit Lukas und Marek nochmals
in Erinnerungrief,kamen ihr fast die Tränen. Warum musste das Leben
ausgerechnetzu ihrso ungerecht sein?
Die Alte hörte schweigend zu; und als Gunda
ihre Geschichteerzählt hatte, fragte sie mehr aus Höflichkeit als
aus Interesse:„Und warum liegen Sie hier?“
„Ach, nichts Schlimmes...“, erklärte
die alteFrau,“... ich meine, es könnte schlimmer sein.“
Daraufhin erzählte sie, dass sie allein
lebte und dass sievor drei Tagen im Treppenhaus gestürzt war, da sie
nicht mehr so gutsah und die Treppe so steil war. Jetzt hatte sie eine Verletzung
an der Hüfteund die Ärzte wussten nicht, ob sie überhaupt
wieder gehen konnte.
Gunda sah sie mitfühlend an: „Und
da sagen sie, eskönnteschlimmer sein?!“
Die Alte lächelte. Von der Verbitterung,
die sie eigentlichhätte ausstrahlen müssen, war nichts zu spüren.
„Ach, wissen sie, ich habe schließlich
nur an derHüfteetwas abbekommen und nicht am Kopf oder so. Ich glaube,
der Herrhat schonauf mich aufgepasst.“
Sie lächelte wieder: „Und außerdem
brauche ichso das Weihnachtsfest nicht allein zu feiern, da mich jetzt meine
KinderundEnkel im Krankenhaus besuchen werden...“
Gunda starrte wieder an die Decke. Sie war jetzt
ganz still geworden.