wiedererkannt...






Dennis saß beiGunda und kaute lustlos auf einem Hamburger herum. Die Langeweilehatteihnschon den ganzen Tag über ziellos durch die Stadt getriebenunderfragtesich gerade wieder einmal, ob er jemals einen vernünftigenJobfindenwürde, der ihm ein geregeltes Leben ermöglichte. UmsichvonseinenGedanken abzulenken zündete er sich eine Zigarette anundbeobachtetedieanderen Gäste. Ein fetter Mann mit fettigen haaresaßalleinan einemTisch und schaufelte in unglaublicher GeschwindigkeiteineriesigePortion Pommesin sich hinein, ein Pärchen saß hinteninder Ecke,beide hattenihr Handy am Ohr und planten mit den Anrufern lautstarkwie manden Abend verbringensollte, und eine Mutter mit vier Kindern saßdrübenam Fenster undversuchte hilflos zu verhindern, dass sich allevier überund übermit Mayonaise und Ketchup beschmierten. Unddanntraf sich DennisBlick mitdem der Frau am Tisch gegenüber. Siewar etwaim Alter seiner Mutter und saß mit einem Mädchen,dasetwas älterwar als Dennis, und einem etwa fünfjährigenJungenvor einem Sparmenüund sah ihn an, so als überlege sie, wohersieihn kenne. Auch Denniswusste, dass er die Frau schon einmal gesehen hatte.Und dann fiel ihm auchein wo, und sein Herz schlug ein paar Takte schneller.Es war gestern gewesen,gestern an der Tankstelle. Jetzt hielt er erstmalihrem Blick stand und überlegte.Es sah nicht so aus, als hättesie ihn ebenfalls erkannt. Weiso auch?Schließlich hatte sie ihn janur einen kurzen Augenblick lang bewusstwahrgenommen. Kaum länger alsein paar Sekunden. Und dann war er auchschon weggerannt. Er hatte sich aberauch einfach zu blöd angestellt.Zwar hatte er die Bierdosen ganz unauffälligin seinem Rucksack verschwindenlassen, aber die Autozeitung hätte ereinfach schnappen und dann rauslaufensollen. Stattdessen hatte er sie abererst durchgeblättert und dann inder Innentasche seiner Jacke verschwindelassen, und das alles auch noch genauim Blickfeld der Kassiererin. Da wares doch klar, dass sie ihn beobachtetund dann auch noch bis zur nächstenKreuzung verfolgt hatte. Scheiße!Bisher hatte er sich noch nie erwischenlassen. Außer einmal als erfünfzehn war und im Supermarkt Zigarettengeklaut hatte. Aber seitdemhatte ihn niemand mehr beim Klauen ertappt. Naja, aber es war ja gut ausgegangenund er war der Frau entkommen und hattenicht mal seine Beute zurücklassenmüssen. Trotzdem war es irgendwieanders als sonst. Irgendwie meldetesich sowas wie sein schlechtes Gewissen,vermutlich deshalb, weil er nichtin einem anonymen Kaufhaus gewesen war,sondern seinem Opfer direkt ins Gesichtgesehen hatte. Aber das war natürlichSchwachsinn, denn es war ja nichtihr Bier und ihre Zeitung gewesen. Ihmginges ja auch nicht besser, und wenner genügend Geld hätte,bräuchteer nicht zu klauen. Und außerdemschien die Frau dasganze ja auch ganzgut verkraftet zu haben, zumindest hattesie sich jetztwieder dem Fünfjährigenzugewandt und nahm von Denniskeine Notizmehr. Und wie ging es jetzt weiter?Diesmal war er davongekommen,aber erwürde auch weiterhin in GeschäftenDinge mitnehmen, die ersichnicht leisten konnte, und irgendwann würdemal jemand schneller seinalser.
Der fette Mann hatte seine fettigen Pommes inzwischen hinuntergeschlungenund sich zum Nachtisch noch zwei Cheeseburger bestellt, das Pärchenhattedie Handys in die Tasche verschwinden lassen und sich in die Wollebekommen,da sie wohl mit seiner Planung für den Abend nicht einverstandenwar,und die Mutter mit den vier Kindern hatte den Kampf aufgegeben und schobdieSchmierfinken mit Nachdruck auf die Toilette. Und Dennis hatte jetztkeinenAppetit mehr, ließ den Hamburger liegen und wandte sich zuumGehen.Alser den Tisch mit der Frau aus der Tankstelle passierte, trafensich ihreBlickenoch einmal für einen Augenblick, und er hörtesie flüstern: "Such dir das nächste Mal 'ne andere Tanke! Nochmallasse ich dich jedenfalls nicht entkommen..."




Christian Dolle, 01/2001
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