Wer war Platon?
Platon, ein griechischer Philosoph, lebte von 427
v.u.Z. bis 347 v.u.Z., war ein Schüler des Sokrates und gründete 387 v.u.Z.
eine eigene Schule in Athen. Seine Werke, die uns alle erhalten sind, sind
zumeist in Dialogform abgefaßt und erstrecken sich über einen Zeitraum von ca.
50 Jahren.
Platons Theorie des Erkennens basiert auf dem Apriorismus
der Sinneswahrnehmungen, i.e., er geht von bestimmten ¯Gewußtheiten® aus, die
jedem Menschen angeboren sind. Zu diesen apriorischen Gewußtheiten zählt er
unter anderem Identität, Gleichheit, Verschiedenheit, Gegensatz, Einheit,
Zahlenbestimmtheit, Gerades und Ungerades. Diese Begriffe können seiner Meinung
nach nicht auf Grund von Abstraktion erschlossen werden, da sie jeder
Abstraktion zugrunde liegen, so daß diese ohne sie gar nicht möglich wäre.
Weil diese Gewußtheiten apriorisch sind, sind sie ebenfalls
unveränderlich, was daher rührt, daß das Denken sich mit Gegenständen befaßt,
die selbst auch unveränderlich sind. Zu diesen Unveränderlichkeiten zählt auch
jede Wesenheit (z.B. das Schöne an sich, das Gute, die Gesundheit, die Stärke,
das Gleiche, das Große oder das Kleine). Diese Dinge, die eingestaltig, ewig,
unsterblich, göttlich sind, stellen seine Ideen dar.
Die Idee hat eine doppelte Bedeutung: Sie ist zum
einen ein Gedanke (subjektive Idee), zum anderen aber auch der Gegenstand, den
wir denken (objektive Idee). So real und dualistisch ein Gegenstand aufgefaßt
wird, so real sind auch die platonischen Ideen, unter denen man die auf Grund
ihrer apriorischen Verankerung im reinen Denken unveränderlichen Gegenstände
des wahren Erkennens versteht.
Die platonische Idee ist etwas Unräumliches,
Zeitloses, Unveränderliches, das lediglich dem Denken zugänglich ist. Ihre
Wirklichkeit ist nicht die Realität der sinnlichen, raumzeitlichen Wirklichkeit
(¯res extensa®), und sie besitzt auch keine psychische Wirklichkeit (¯res
cogitans®), so daß die Idee nicht aktuelles Denken oder Wissen darstellt,
sondern vielmehr eine ideale Wirklichkeit. Die ideale Wirklichkeit der Idee ist
vergleichbar mit mathematischen oder logischen Geltungszusammenhängen; Sätze
wie 2*2=4, die Winkelsumme im Dreieck o.ä. können nicht verändert werden. Sie
stehen nicht zeitlich gebunden, und es ist sinnlos zu fragen, wann sie
angefangen haben zu gelten und ob sie aufhören zu gelten, wenn es einmal keine
Welt mehr gibt. Dieser Geltungssinn kann nicht einmal von Gott geändert werden,
es handelt sich um ¯Sätze vor Gott® (Bolzano).
Diese ideale Wirklichkeit ist stärker als jede andere
materielle Wirklichkeit, denn im Gegensatz zu dieser ist sie immer gültig, auch
wenn die materielle Welt längst vergangen ist. Sie enthält die obersten
Strukturpläne der Welt, ohne in irgendeiner Weise von ihr abhängig zu sein, so
daß die materielle Welt nach Platon nur von der Gnade der Idee lebt. Daher ist
auch in der idealen Wirklichkeit die eigentliche Wirklichkeit zu sehen.
Damit ist mit einem Kreis nicht das gemeint, was an
einer Tafel gezeichnet ist, sondern der ideale Kreis, für den als einzigen die
Kreisgesetze gelten, denn der gezeichnete Kreis ist nicht ideal, er weist stets
geringe Abweichungen auf. So schreibt Platon in seinem Phaidon: ¯Die ganze
Sinnenwelt strebt danach zu sein wie die Ideenwelt, vermag es aber nicht,
sondern bleibt dahinter zurück®. Es besteht also ein Unterschied zwischen der
Ideenwelt (¯mundus intelligibilis®), die die wahre und eigentliche Welt
darstellt, und der sichtbaren Welt (¯mundus sensibilis®), die ein bloßes Abbild
ist, das in der Mitte steht zwischen Sein und Nichtsein.
Den Inhalt der Ideenwelt hat Platon zunächst auf die
Ideen des Guten, Schönen, Gerechten und anderen ethischästhetischen Idealen
beschränkt, bereits im Phaidon erwähnt er aber auch die Ideen von logischen
Relationen, wie die Idee des Gleichen, Verschiedenen, des Gegensatzes, und
schließlich Ideen aller Wesenheiten überhaupt, womit die Ideenlehre auf die
ganze Welt des Seins ausgedehnt ist, da die Wesenheit überall zu finden ist.
Obwohl die Ideenlehre ursprünglich mehr eine ¯Idealenlehre® gewesen zu sein
scheint, beinhaltet sie ebenso negative Bereiche, denn die Idee ist ohne jede
Ausnahme alles, was mit dem ¯an sich® oder der ¯Wesenheit® bestimmt werden
kann.
Die Ideenwelt ist für Platon gleichzeitig auch die
Welt der Wahrheit und der Wissenschaft. Die Seele bleibt vom Irrtum befreit und
erkennt die Wahrheit, wenn sie ganz auf sich selbst gestellt das Sein zu
erkennen trachtet, weil sie sich im Reiche der immer mit sich selbst
identischen Gegenstände befindet. Dieser Zustand wird dann als ¯Wissen®
bezeichnet. Nur in der Ideenwelt können wissenschaftliche Sätze und Gesetze
wirklich gelten (s.o. Beispiel ¯Kreis®). Damit ist erwiesen, daß wir eben noch
eine andere Gegenstandswelt annehmen als die sinnlich ausgedehnte, nämlich die
ideale Gegenstandswelt.
Und dies ist keineswegs nur in der Mathematik so, denn
die ganze Naturwissenschaft rechnet mit Durchschnittswerten, mit deren Annahme
die Welt der reinen Fakten verlassen wird. Ansonsten wäre man gezwungen, an den
faktischen Einzelergebnissen festzuhalten, da sie allein positiv gegeben wären.
Dies wird mit der Annahme des Durchschnittswertes aber überschritten. Wenn z.B.
das spezifische Gewicht eines Stoffes bestimmt werden soll, erhält man nie
genau den gleichen Wert, sondern eine Streuung der Werte in einem gewissen
Bereich. Dies liegt nicht nur in der Fehlerhaftigkeit der Messungen begründet,
sondern auch in der grundlegenden Eigenschaft der Gegenstandswelt, nicht
vollkommen bestimmbar zu sein (¯Heisenbergsche Unschärferelation®). Nur die
differierenden, einzelnen Ergebnisse sind aber faktisch gefunden und somit
wirklich positiv gegeben. Der Durchschnittswert dagegen wird errechnet, so daß
hier eine ideale Welt an die Stelle des positiv Gegebenen gesetzt wird. Platon
brach damit als erster mit dem Urteil des Alltags sowie mit den Auffassungen
des Sensualismus und des Positivismus, wonach der Gegenstand der Wissenschaft
die unmittelbare, sinnliche Erscheinungswelt sein solle. Platon hat so als
erster festgestellt, daß es für die Wissenschaft das ¯unmittelbar in der
Sinneserfahrung Gegebene® eben nicht gibt.
Diese Gedanken über Wahrheit und Wirklichkeit hat
Platon sehr anschaulich durch sein berühmtes Höhlengleichnis in seinem siebten
Buch des Staates erläutert:
Platon vergleicht die Situation der Menschen mit
Leuten, die sich seit ihrer Geburt in einer unterirdischen Höhle befinden, wo
sie so an einer Bank gefesselt sind, daß sie sich nie umwenden können und nur
die dem Eingang gegenüberliegende Wand sehen können. Hinter ihnen verläuft quer
durch die Höhle eine hohe Mauer, hinter der wiederum ein Feuer brennt.
Wenn nun zwischen dem Feuer und der Mauer Dinge
vorübergetragen werden, die die Mauer überragen, werden die durch das Feuer
entstehenden Schatten an die Höhlenwand geworfen und auch das Echo entstehender
Laute dringt von dort an das Ohr der Gefangenen.
Da die Gefangenen nie etwas anderes gesehen haben als
die Schatten und nie etwas anderes gehört haben als das Echo, werden sie diese
Abbilder für die wahre Wirklichkeit halten. Könnten sie sich umwenden und im
Lichte des Feuers die Gegenstände selbst anschauen und die Töne selbst hören,
so würden sie sehr erstaunt sein über die neue Wirklichkeit. Und könnten sie
gar aus der Höhle heraus gehen und im Sonnenlicht die lebendigen Menschen, Tiere
und wirklichen Dinge selbst betrachten, von denen die in der Höhle
vorübergetragenen Gegenstände ja auch nur Abbilder waren, dann wären sie wohl
ganz geblendet von dieser nun wieder anders gearteten Wirklichkeit.
Würden sie aber den Gefangenen, die in der Höhe
geblieben sind, erzählen, daß das, was sie hören und sehen, gar nicht die
Wirklichkeit ist, dann würden diese ihnen mit Sicherheit keinen Glauben
schenken. Und sollte jemand den Versuch wagen, die Gefangenen zu befreien, so
könnte es ihn sogar das Leben kosten.
Aber trotzdem müssen die Gefangenen aus der Höhle
heraus. Die erste Aufgabe des Philosophen ist es, die Menschen aus der Welt des
Scheins und der Bilder zu befreien und zum wahren Sein hinzuführen. Dieses
¯wahre Sein® ist nicht zu verwechseln mit der wirklichen, raumzeitlichen Welt,
die ja auch nur ein Abbild ist, sondern die wahrhaft seiende Welt ist nur die
Ideenwelt. Ein erstes Abbild davon, das den Gegenständen entspricht, die in der
Höhle hinter der Wand vorbeigetragen werden, ist die raumzeitliche Welt. Ein
Abbild dieser und darum das Abbild eines Abbildes ist die Welt der Nachahmung,
die mit den Schatten an der Höhlenwand gleichzusetzen ist.
Der Grundgedanke des Höhlengleichnisses ist daher also
nicht bloß der Gedanke der Existenz verschiedener Schichten des Sein, sondern
auch der Gedanke, daß eine Schicht auf der anderen beruht: Das Schattensein
ruht auf dem raumzeitlichen Sein der physischrealen Welt, dieses wiederum auf
dem idealen Sein. Das, worauf etwas ruht, wodurch es allein gedacht werden und
sein kann, ist für Platon ¯Voraussetzung®, i.e. ein Seiendes, das zuerst
gesetzt sein muß, wenn ein weiteres Seiendes sein soll.
Ebenso wie die verschiedenen Schichten des Seins
verhalten sich auch die Ideen zueinander. So gibt es nachgeordnete Ideen, die
abhängig sind von übergeordneten, und da eine übergeordnete Idee immer die
Voraussetzung für mehrere nachgeordnete Ideen darstellt, sind die Ideen wie in
einem Stammbaum angeordnet, bei dem die tragenden Ideen nach oben hin immer
weniger werden, aber gleichzeitig eben damit auch mächtiger, weil sie
weitreichender und umfassender sind, bis man zur Spitze der Ideenpyramide
gelangt, zur Idee der Ideen, von der alle anderen Ideen abhängen.
Diese höchste Idee verleiht allem Seienden Wesen und
Erkennbarkeit und hängt selbst von nichts mehr ab, denn sie ist das Absolute.
Daher ist sie kein Sein mehr im üblichen Sinne. Zwar bedarf es für alles Sein
eines Grundes, das Absolute ist jedoch anderer Art, es steht jenseits allen
Seins, indem es alles an Macht und Würde überragt.
Da somit in der platonischen Metaphysik alles Sein von
der übergeordneten Idee lebt und von daher verstanden wird, müssen die Ideen, die
in jedem Seienden vorhanden sind, herausgeholt werden, um ihrer Reichweite und
Verzweigung nachzugehen. Hierdurch entsteht die platonische Dialektik, die
durch den Logos als Seinsgrund eine Seinserklärung ist.
In der Dialektik gilt Platons besonderes Interesse der
logischen Seite. Die Idee, die hier vor allem logische Inhalte aufweist, ist
als allgemeiner Begriff aber auch Gattung und Art, verknüpft mit anderen über,
unter und nebengeordneten Begriffen. Die Aufgabe der Dialektik ist es, den
Verflechtungen dieser Begriffe nachzugehen.
Es ist eine richtige Unterscheidung der Begriffe
vorzunehmen, so daß weder einem Begriff verschiedene Bedeutungen zugeordnet
werden, noch verschiedenen Begriffen dieselbe Bedeutung. Aber voneinander
verschiedene Begriffe können durch einen Begriff von außen umschlossen werden,
weshalb auch letztendlich jeder Begriff mit allen anderen Begriffen in
Zusammenhang steht. Das bedeutet, begriffsmäßig zu unterscheiden wissen,
inwiefern in jedem einzelnen Fall eine Verbindung stattfinden kann und
inwiefern nicht.
Dies Verfahren läßt sich zum einen von oben nach unten
anwenden, indem der allgemeine Gattungsbegriff in seine Arten aufgeteilt wird,
die Arten wiederum für sich u.s.w., bis das Individuum, das ¯Nichtmehrteilbare®
erreicht ist. Zum anderen kann man von unten nach oben vorgehen, so daß man aus
dem Individuellen das Allgemeine herausnimmt, aus diesem wieder das noch
Allgemeinere u.s.w., um so die allgemeinste Idee zu finden, die im allgemeinen
alles Sein umfaßt; das ist die ¯Dialektik® im engeren Sinn.
Dabei geht es Platon aber weniger um die logischen
Umfangs und Inhaltsbeziehungen der Begriffe, als vielmehr um den Logos, den
tragenden Seinsgrund, wobei die Dialektik im Dienste der Metaphysik steht.
Denn da es Ideen gibt, die Seinsgrundlagen für anderes
Seiendes sind und da im Verlauf dieses Zusammenhanges von Idee zu Idee immer
weitreichendere Seinsgründe auftauchen, je höher man in der Hierarchie der
Seinsstufen aufsteigt, muß schließlich eine Idee der Ideen existieren, die das
Gerüst dieses alles stützenden Logos darstellt. Benötigt wird eine Erklärung
des gesamten Seins durch Aufzeigen der Strukturideen der Welt, wobei die
Dialektik ¯reine® Physik, ¯reine® Biologie und ¯reine® Anthropologie ist, weil
sie die apriorischen Wahrheiten für alle Wissenschaftsgebiete beinhaltet und
damit die grundlegendsten Seinszusammenhänge darlegt. Letztendlich geht es in
ihr daher um den Nachweis der Spur Gottes im All, um die Idee des Guten.
šberall in der Welt ist die Idee des Guten selbst zu
sehen, die helfen soll, damit jeder an Hand dieser ewigen Urbilder sein eigenes
Selbst in Wahrheit und Richtigkeit gründet. Daher ist für Platon die Dialektik
im eigentlichen Sinn viel mehr als nur Logik, sie ist immer auch Metaphysik und
als solche die Grundlage der Ethik, Pädagogik und Politik.
Die Dialektik stellt also Platons Lösungsversuch der
großen metaphysischen Probleme des Heraklitismus und Eleatismus dar. Für
ersteren gibt es nur das Viele, aber kein Eines und Allgemeines, für letzteren
existiert nur das eine Identische, das Viele oder Verschiedene wäre ein
Nichtseiendes. Als Beispiel soll die dialektische Begriffsbestimmung des
Angelfischers aus dem Werk ¯Sophistes® dienen, die dadurch zustande kommt, daß
der allgemeine Begriff ¯Kunst® immer wieder in seine Teile aufgegliedert wird,
bis der gesuchte Begriff erreicht worden ist.
An diesem Beispiel wird deutlich, daß es durchaus noch
sinnvoll ist, trotz aller Vielheit noch von Einheit zu sprechen, denn die
allgemeine Gattung faßt jeweils alles Darunterfallende in ihrer Allgemeinheit
zusammen. Es ist aber ebenso sinnvoll, von Vielheit zu reden, weil neben dem
Allgemeinen auch das Besondere vorkommt. Darüber hinaus ist es möglich, alles
als identisch zu bezeichnen, da alles Viele jeweils in seinem Wesen teilhat an
Art und Idee und insofern damit identisch ist, andererseits zeigt gerade das
Schema mit seiner Gliederung, daß zusammen mit der durchgehenden, wesentlichen
und identischen Idee gleichzeitig noch vieles davon Verschiedene auftritt.
Schließlich wird deutlich, daß alles Seiende zugleich auch Nichtseiendes ist,
weil man im Hinblick auf ein Anderes nämlich das, was Sein ist, ebenso als
Nichtsein bezeichnen kann, da jenes Andere eben nicht ist.
Das Geheimnis der Ideengemeinschaft beruht also
darauf, daß nicht ein EntwederOder das Richtige ist, sondern ein SowohlAls
auch. Um diese Synthese von Heraklit und den Eleaten zu ermöglichen, wird der
Gedanke der Teilhabe benötigt, denn dieser sieht das Identische, ohne das
Verschiedene zu übersehen.
Für Platon hat die Idee verschiedene Bedeutungen, von
denen die logische, nach der die Idee ein allgemeiner Begriff ist, noch von
Platons Lehrer Sokrates stammt. Der ¯Begriff® ist als einheitliche, geistige,
schaubare Gestalt zu sehen, die Allgemeingültigkeit besitzt.
Für Platon ist jedoch die zweite Bedeutung der Idee
als Wesenheit wichtiger, denn die Idee bedeutet damit das Ding selbst in seinem
eigentlichen Sein, das ein ideales ist.
Drittens ist die Idee aber auch Ursache, da sie als
Voraussetzung den Seinsgrund darstellt (¯causa® entspricht ¯ratio®). Das
Verhältnis der Ideenwelt zur wahrnehmbaren Welt ist demnach das eines
Gegenstandes zu seinem Abbild; der Demiurg (¯Demiurg®: Weltenschöpfer) hat
alles im Hinblick auf die ewigen Ideen geschaffen.
Damit ergibt sich eine vierte Bedeutung der Idee, die
ihren Charakter als Ziel und Zweck herausstellt: Alles Seiende hat einen Sinn,
durch den es immer auf etwas šbergeordnetes bezogen ist. Da die Idee, sofern
sie als Zweck erstrebt wird (¯Alles Sinnliche will sein wie die Idee®
[Phaidon]), als ein Wert erscheint, kommt mit dieser Betrachtungsweise ein
teleologischer (¯Teleologie®: philosophische Lehre, nach der alles
zweckbestimmt ist.) Grundzug in die platonische Metaphysik hinein, denn alles
Niedere wird vom Höheren her erklärt, keinesfalls umgekehrt. Eine Herausbildung
höherer Arten aus niedrigeren, wie beispielsweise Darwin sie annimmt, wäre für
Platon keine Entwicklung, sondern vielmehr ein unübersichtliches Chaos (¯Im
Anfang war der Logos!®). Alles Nachgeordnete existiert um eines Höheren willen,
dieses wieder um eines Höheren willen, und so fort, bis zum Absoluten, das
letztendlich alles andere begründet. Daher ist das ganze All ein Kosmos, eine
Pyramide des Seins, in der alles, was überhaupt ist, zur Spitze hin geordnet
ist. Alles an der Pyramide strebt zur Spitze hin und liebt sie. Von dieser
Liebe lebt das Sein der Welt, das selbst Streben nach und Ruhen in der Idee ist
und damit in der Idee der Ideen.
Die Philosophie Platons stellt die Grundlage für eine
Vielzahl der später erarbeiteten Theorien vor allem in der Beschreibung des
Erkenntnisprozesses dar. Das Problem des Apriorismus beschäftigt die
Philosophie ebenso wie die Naturwissenschaft noch heute, und das
Höhlengleichnis ist dabei ein oft zitiertes Beispiel.
Man braucht nur in einer mondlosen Nacht den Kopf zu
heben, um das Unmögliche vor Augen zu haben: einen Raum der Raum der ¯Welt®, dessen Unendlichkeit ebensowenig
vorstellbar ist wie seine endliche Abgeschlossenheit. ¯Wir ahnen die
Unermeßlichkeit unserer Unwissenheit, wenn wir die Unermeßlichkeit des
Sternenhimmels betrachten!® hat Karl R. Popper dies einmal treffend formuliert.
In demselben Augenblick, in dem wir in einen Raum hineinsehen, dessen Natur uns
ein Geheimnis bleibt, sind wir der Meinung, daß es für jedes Problem eine mit
der menschlichen Vernunft erreichbare Lösung gebe. Doch wir sind das Opfer der
Illusion, die Wirklichkeit, in der wir leben, sei unserer Vernunft
uneingeschränkt zugänglich, wie es bereits in dem Höhlengleichnis zum Ausdruck
gekommen ist.
Wie begründet die erkenntnistheoretische Skepsis ist,
die aus Platons Gleichnis spricht, dafür steht die jahrhundertelange Geschichte
des naturwissenschaftlichen Erkenntnisfortschrittes. Man kann das eigentliche
Wesen aller naturwissenschaftlichen Forschung sogar am treffendsten
charakterisieren, indem man sie als die Anstrengung beschreibt, mit deren Hilfe
der Mensch versucht, den Augenschein, in dem sich die Dinge darbieten, zu
überwinden. Erst dieser Vorstoß kann wenigstens ein Stück der wahren, eigentlichen
Natur freilegen, die der Augenschein, der sich uns als ¯real® aufdrängt, in
Wahrheit verbirgt. ¯Wären überhaupt die Dinge das, was man ihnen oft ansieht,
so müßten jede Untersuchung und Wissenschaft sich erübrigen!® (Peter
Sloterdijk; ¯Kritik der zynischen Vernunft®). Sie sind es eben in keinem Falle,
und das ist eine große Erkenntnis Platons, die er bereits im vierten
Jahrhundert v.u.Z. machte.
Damit begründete Platon eine spezielle philosophische
Disziplin, die ¯Erkenntnislehre® (bzw. ¯Erkenntnistheorie®), die sich einzig
und allein damit beschäftigt, herauszufinden, wie es sich mit unserer
Erkenntnis und Erfahrung über die Welt im einzelnen verhält. Diese Frage hat
bis heute, fast zweieinhalb Jahrtausende nach Platon, noch immer keine endgültige
Antwort gefunden. Allerdings scheint man sich in letzter Zeit als Ergebnis
eines Zusammenschlusses philosophischerkenntnistheoretischer und
naturwissenschaftlicher šberlegungen der Lösung erheblich genähert zu haben.
Basierend auf den Problemen, die Platon aufgeworfen hat, und den weitreichenden
Ausführungen Immanuel Kants zu diesem Thema findet die seit einigen Jahrzehnten
hauptsächlich von Konrad Lorenz und Karl Popper entwickelte sogenannte
¯evolutionäre® Erkenntnistheorie immer breitere Zustimmung.
Literaturverweise:
J. Hirschberger, ¯Geschichte der Philosophie® Teil I
H. von Ditfurth, ¯Wir sind nicht nur von dieser Welt®
H. von Ditfurth, ¯So laßt uns denn ein Apfelbäumchen
pflanzen®
P. Berger, ¯Philosophische Grundgedanken zur Struktur
der Physik®
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