Jonas Kieserling                                                                                                                                      20.11.99

 

 

Protokoll der Woche vom 15.11. bis zum 19.11.99

 

Deutsch LK Herr Höfig, Jgst. 12/1

 

 

Johann Wolfgang von Goethe: ”Iphigenie auf Tauris”

 

Anmerkung: Am 18.11. war ich leider erkrankt und deshalb nicht imstande, diese Doppelstunde zu protokollieren. Deshalb sind im Folgenden nur die Stunden vom 15.11. und 16.11. aufgeführt.

 

 

 

Montag, 15.11.99, 3./4. Stunde:

 

Zu Beginn der Stunde wurde noch mal auf die Unterschiede zwischen einer internen (gleich textimmanent) und externen sowie einer textimmanenten Interpretation verwiesen, welche Thema in der letzten Stunde waren. Danach ging es direkt zur Hausaufgabe, die darin bestand, den Symbolbegriff  (der Klassik) ”Klassik” zu erklären. Um zu verdeutlichen, was man unter einem Symbolbegriff versteht, wurde zunächst ein kleiner Exkurs eingeschoben, mit deren Hilfe das Wort ”Symbol” genau definiert werden sollte.

Ein Symbol hat demnach mehrere Definitionen. Es kann ein Sprachzeichen sein, welches aus zwei Ebenen besteht: dem Inhalt und dem Ausdruck. Ein Beispiel kann die stilisiert-zeichnerische Darstellung eines Hauses sein: Dem graphischen Zeichen liegt ein bestimmter Inhalt zugrunde, der zur Zuordnung einer spezifischen Lautfolge führt. Diese Zuordnung ist rein arbiträr (willkürlich). Ein Symbol kann aber auch ein sogenanntes Superzeichen sein. Wenn wir beispielsweise auf der Ausdrucksseite das Symbol einer weißen Taube haben, wird dieses häufig als Zeichen des Friedens erkannt, obwohl es im Grunde ja nur ein einfacher Vogel ist. Das soll nun helfen, den Symbolbegriff ”Klassik” genau oder eben als einen solchen zu verstehen. Auch in der Klassik haben wir diese zwei Ebenen. Zum einen haben wir die Wirklichkeit, die Realität, die geprägt ist durch die Erfahrung, das allgemein Bekannte und Erlebte. Die Klassik versucht nun durch die Schaffung von Symbolen Zugang zu der zweiten Ebene zu schaffen, die Ebene des göttlichen, ewigen und idealistischen, die eigentlich niemandem bekannt ist. Im Kontrast zur Klassik existiert die Epoche des Realismus, welche sich immer nur in der empirischen Ebene aufhält.

Nun gilt es, den Symbolbegriff der Klassik auf Goethes ”Iphigenie auf Tauris” zu beziehen.

Auf den ersten Blick kann man die beiden erwähnten Ebenen in den Personen Pylades und Iphigenie in Bezug auf die Flucht aus Tauris erkennen. Die detaillierte Besprechung dieses Zusammenhangs findet allerdings erst in der Stunde vom 16.11. statt (s.u.). Die Verdeutlichung des Klassikbegriffes soll nun anhand von zwei Texten erfolgen. Einmal ein Text über die Haltung Goethes und Schillers zur französischen Revolution und das Gedicht Goethes ”Das Göttliche”.

Aus Goethes Gedicht ist die klassische Vorstellung des Menschen ersichtlich: Ihm wird eine Sonderstellung in der Natur eingeräumt, aufgrund der ihm eigenen geistigen und schöpferischen Fähigkeiten, die es ihm ermöglichen, Werte von Dauer zu schaffen und Ordnung in Zufall und Willkür der Natur zu bringen. Diese Fähigkeit wird zum Ausdruck göttlicher Eigenschaft (nicht der personifiziert Gott steht als Ziel im Mittelpunkt, sondern die unter seinem Begriff zusammengefassten Charakteristika) ”höheren Wesen” zugeschrieben, deren Eigenschaften zum Inbegriff des klassischen Ideals werden (‘Reinheit, Wahrheit, Ewigkeit’). Dem Menschen bleibt es vorbehalten, sich diesem Ideal zu nähern. 

In der distanzierten Haltung gegenüber der frz. Revolution lässt sich die Idee von der Schaubühne als einzig legitimes Mittel zur Erziehung des Menschen zum Ideal erkennen; nicht durch blutigen Aufstand, sondern konstanten Erziehungsprozess soll eine ”Veredelung des Charakters” erreicht werden. Es bleibt infolge die Frage offen, wozu ein Gottesbegriff zur Legitimation menschlicher Fähigkeiten notwendig bleibt.

 

 

Dienstag, 16.11.99, 5./6. Stunde

 

Zunächst wird noch einmal zurückgeblickt auf die in der letzten Stunde erarbeiteten Ideale der deutschen Klassik und ihrer politischen Aussagekraft. Anhand eines Textes von Hubert Ivo soll nun verdeutlicht werden, welche politischen Ambitionen Goethes “Iphigenie” hat und inwiefern sie ein typisches Lösungsdrama aus der deutschen Klassik ist. Laut Ivo will Goethe mit seiner “Iphigenie” ein Gegenbild zu den real existierenden, gesellschaftspolitischen Zuständen der damaligen Zeit darstellen. Ivos Argumentation geht dabei von den gegensätzlichen Positionen des Pylades und der Iphigenie aus. Pylades einerseits handelt gescheit, nüchtern und kalkulierend, ist auf das Wohl der anderen bedacht; allesamt Eigenschaften, die ein Vorbildcharakter ausmachen und auf die man auch in unserer Gesellschaft noch hinarbeiten sollte. Iphigenies Handeln hingegen entbehrt jeder Logik und jeden Verstandes. Sie geht ein enorm hohes Risiko ein und wird praktisch zu einer “Verräterin”, setzt das Leben der anderen aufs Spiel, nur im Vertrauen auf die Menschlichkeit eines Herrschers. Jedem rational denkenden Mensch erscheint eine derartigen Handlungsweise vollkommen unplausibel und wirft natürlich die Frage auf, warum gerade Iphigenies Handeln im Endeffekt erfolgreich ist und was Goethe nun damit aussagen will. Ivo ist der Meinung, man solle die “Iphigenie” nicht als Handlungsanweisung für den Alltag verstehen sondern vielmehr als eine Aufforderung, auf die dort dargestellten, utopischen Zustände hinzuarbeiten.

In einem weiteren Arbeitsschritt könnte man jetzt die Position Ivos prüfen und sein eigenes Verständnis und seine eigene Meinung in Form einer Stellungnahme einbringen.