Leistungskurs Deutsch 12/II (Höfig)

Schuljahr 1999/2000
Klausur Nr. 2                                                      Lengerich, den 11.5.2000

 

Aufgabe:                    Wähle eines der nachfolgenden Gedichte für die Analyse.

 

 

 

Georg Trakl

 

Die schöne Stadt

 

 

Alte Plätze sonnig schweigen.

Tief in Blau und Gold versponnen

Traumhaft hasten sanfte Nonnen

Unter schwüler Buchen Schweigen.

 

Aus den braun erhellten Kirchen

Schaun des Todes reine Bilder,

Großer Fürsten schöne Schilder.

Kronen schimmern in den Kirchen.

 

Rösser tauchen aus dem Brunnen.

Blütenkrallen drohn aus Bäumen.

Knaben spielen wirr von Träumen

Abends leise dort am Brunnen.

 

Mädchen stehen an den Toren,

Schauen scheu ins farbige Leben.

Ihre feuchten Lippen beben

Und sie warten an den Toren.

 

Zitternd flattern Glockenklänge,

Marschtakt hallt und Wacherufen.

Fremde lauschen auf den Stufen.

Hoch im Blau sind Orgelklänge.

 

Helle Instrumente singen.

Durch der Gärten Blätterrahmen

Schwirrt das Lachen schöner Damen.

Leise junge Mütter singen.

 

Heimlich haucht an blumigen Fenstern

Duft von Weihrauch, Teer und Flieder.

Silbern flimmern müde Lider

Durch die Blumen an den Fenstern.

 

 

Gottfried Benn

 

D-Zug

 

 

Braun wie Kognak. Braun wie Laub. Rotbraun. Malaiengelb.

D-Zug Berlin‑Trelleborg und die Ostseebäder.

 

Fleisch, das nackt ging.

Bis in den Mund gebräunt vom Meer.

Reif gesenkt, zu griechischem Glück.

In Sichel-Sehnsucht: wie weit der Sommer ist!

Vorletzter Tag des neunten Monats schon!

 

Stoppel und letzte Mandel lechzt in uns.

Entfaltungen, das Blut, die Müdigkeiten,

die Georginennähe macht uns wirr.

 

Männerbraun stürzt sich auf Frauenbraun:

 

Eine Frau ist etwas für eine Nacht.

Und wenn es schön war, noch für die nächste!

Oh! Und dann wieder dies Bei-sich-selbst-sein!

Diese Stummheiten! Dies Getriebenwerden!

 

Eine Frau ist etwas mit Geruch.

Unsägliches! Stirb hin! Resede.

Darin ist Süden, Hirt und Meer.

An jedem Abhang lehnt ein Glück.

 

Frauenhellbraun taumelt an Männerdunkelbraun:

 

Halte mich! Du, ich falle!

Ich bin im Nacken so müde.

Oh, dieser fiebernde süße

letzte Geruch aus den Gärten.