Leistungskurs Deutsch
Herr Höfig
Protokoll der Stunden in der Woche vom 13.
Dezember bis zum 18. Dezember 1999
Verfasst von Katrin Linke
I.
Doppelstunde
am Montag, dem 13. 12. 99
Die
Rede von Johann Wolfgang von Goethe “Zum Shakespeare Tag” wird verteilt, damit
Goethes Einstellung zu William
Shakespeare und zu den verschiedenen Dramentheorien herausgearbeitet werden
kann.
Der
Kurs stellt fest, daß Goethe Shakespeare (und somit auch dessen Werk) mit
großer Bewunderung und Verehrung gegenübersteht; er erkennt sich selbst in
Shakespeares Werken wieder und scheint durch sie gelernt und sich selbst auch
besser verstanden zu haben. Aber der Dichterfürst erkennt, daß Shakespeare
unübertroffen und in seinem Schaffen unerreichbar bleiben wird.
Charakteristisch
an Shakespeares Werken ist die Natürlichkeit, die immer philosophisch
anspruchsvoll zu sein scheint. Außerdem löst Shakespeare die erstarrten Formen
des klassischen Theaters (Einheit von Ort, Zeit und Handlung) auf und führt
somit eine Änderung der üblichen Vorgehensweise herbei.
Der
Kurs beschäftigt sich erstmals mit der neuen Lektüre. Bertolt Brechts “Der gute
Mensch von Sezuan” wird Thema der folgenden Unterrichtsstunden sein.
Besprochen
wird zunächst das Vorspiel (Seite 7 bis 17), in dem Brecht ein äußerst
skurriles Götterbild darstellt; sämtliche Vorstellungen, die man von einem Gott
oder von Göttern hat, werden hier beinahe ironisiert. Dabei wird offensichtlich
das Theodizee1 - Problem angesprochen; wie können göttliche
Vorschriften und Richtlinien überhaupt erreicht werden, wenn die Menschen
tagtäglich voll und ganz damit beschäftigt sind, ihre Grundbedürfnisse (Stillen
von Hunger, Durst; Linderung des eigenen Unglücks) zu sichern? Der Kurs kommt
zu dem Ergebnis, daß das Erfüllen dieser Vorschriften weniger wichtig zu sein
scheint als die Bereitschaft, diese erfüllen zu wollen.
Die
Verantwortung für Gut oder Böse liegt also bei jedem Menschen selbst, denn er
ist in seinem Handeln völlig frei und bedarf einer göttlichen Verantwortung für
sein Tun nicht; dennoch kann man den Menschen nicht die volle Verantwortung für
ihre Lebenssituation anrechnen, da es schwierig ist, unter den Bedingungen
eines bestimmten (ungerechten?) Wirtschaftssystems ein guter Mensch zu sein
(siehe Grundbedürfnisse). Die politische Denkweise Brechts (er war dem
Kommunismus deutlich mehr zugetan als dem Kapitalismus) ist sicherlich
ausschlaggebend für diesen Interpretationsansatz. Nur um Mißverständnissen
vorzubeugen: Brecht will an dieser Stelle dem Kapitalismus nicht mit dem
Vorschlaghammer begegnen, sondern bringt die Eigenverantwortung jedes Einzelnen
sich selbst gegenüber (und damit auch dem Guten in ihm) genauso klar wie seine
politische Gesinnung zum Ausdruck.
Das
Verhältnis der Figuren in “Der gute Mensch von Sezuan” untereinander steht in
diesen Stunden zur Diskussion. Auffällig an den handelnden Personen ist
zunächst, daß nicht das Individuum von Bedeutung ist, sondern daß ihr Status
und ihre Funktion ausschlaggebend sind.
Es
folgt nun die vom Kurs erarbeitete Zusammenfassung der einzelnen
Personenkonstellationen:
a) Shen Te & Wang:
-
Vertrauen
zu Shen Te
-
Sie
will Wang helfen (kauft ihm Wasser während der Regenzeit ab, obwohl sie oft
nicht einmal ihre Miete bezahlen kann
b)
Lin To & Shen Te/Shui Ta:
-
Lin
To ist dreist und frech, will seine Familie ernähren
-
Geschäftsbeziehung
(rücksichts- und gefühllos)
-
Shui
Ta erpreßt ihn
c)
Shen Te & Mi Tzü:
-
abwertend
zu Shen Te
-
Inhalt:
Mietvertrag
-
Mißtrauen
-
Die
Notwendigkeit, zu Shui Ta zu werden, bildet sich heraus
-
Shen
Te soll ihre Vergangenheit mitbezahlen
-
Zweckrationalität
d)
Shen Te & Shin:
-
Falschheit,
Hinterlistigkeit, Betrug
-
Vorteilsuche
mit allen Mitteln
e)
Polizist & Shui Ta:
-
Polizist
ist Mittel zum Zweck; beseitigt ungebetene Gäste
-
Leistung
C Gegenleistung
f)
Shen Te & Götter:
-
Götter
sind ihr dankbar (hoffen, den guten Menschen gefunden zu haben)
-
Gekennzeichnet
durch Vertrauen
Die
Transformation von Shen Te zu Shui Ta entwickelt sich daraus, daß Shen Te in
den hier herrschenden Verhältnissen mit ihrer Gutmütigkeit unmöglich überleben
kann. Schuld daran sind die Menschen, die diese Umstände geschaffen haben, und
die Menschen die diese Umstände nicht ändern wollen. Daraus läßt sich ableiten,
daß diese (und ähnliche) Umstände einen Menschen nur überleben lassen, wenn er
sich von seinem eigenen Sein entfremdet.
Im
Original hieß das Stück von Bertolt Brecht “Die Ware Liebe”.
Anmerkungen:
1 Theodizee (von griechisch theos:
Gott und dike: Gerechtigkeit), in der Philosophie und Theologie Bezeichnung für die begründete
Rechtfertigung Gottes hinsichtlich des Übels und des Bösen in der Welt. Bereits Epikur befasste sich mit verschiedenen Interpretationen der Theodizee, wobei er
die Fragen miteinbezog, ob Gott das Böse nicht aufheben wolle oder könne. Der
von Plotin beeinflusste spätantike Philosoph
Augustinus suchte nach der Antwort darauf, weshalb Gott als die größte Kraft
des Guten, das Böse entstehen lassen konnte. Für Augustinus ist das Böse ein
Mangel an Gutem oder eine Perversion des Guten: Gott ist das Gute schlechthin
und alles, was von ihm geschaffen wurde, ist im Wesentlichen gut. Nach
Augustinus kann es deshalb nichts geben, was vollkommen böse ist. Die moderne Diskussion
über die Theodizee bezieht sich oft auf Augustinus und die theologischen
Konsequenzen seiner Gedanken.