Matthies,
Annika
3.2.2000
Protokoll der Schulwoche vom 10.1.2000 bis zum
13.1.2000
Deutsch LK Höfig Jgst.12/1
Bertolt Brecht: Der gute Mensch von Sezuan
(Die Ware Liebe)
Montag, den 10.1.2000 3.+ 4. Stunde:
Thema der Stunde ist die
Erschliessung der drei Hauptbegriffe, Freundlichkeit, Güte und Nächstenliebe erläutert
an zwei Textstellen im Buch.
Zu Beginn der Doppelstunde
schreibt Herr Höfig die Begriffe Freundlichkeit, Güte und Nächstenliebe
an die Tafel. Sie werden von den Schülern erläutert mit dem Ergebnis, dass alle
drei Begriffe Tugenden sind. Die Freundlichkeit stellt eine Relation
zwischen den Menschen her und es steht jedem frei sich freundlich zu verhalten
(Entscheidungsfreiheit). Im Gegensatz dazu ist die Nächstenliebe meist
durch eine Religion erzwungen. Der Begriff Güte wird immer im
Zusammenhang mit Macht gebraucht. Gütig sein kann nur derjenige, der auch Macht
hat.
Im Folgenden wird der Begriff
Freundlichkeit ( passend zu Wang) genauer untersucht , indem der Kurs
sich über die Gründe für freundliches Handeln klar wird. Demnach wird
Freundlichkeit eingesetzt
a) zum eigenen Vorteil und
b) weil man durch Veranlagung
und Erziehung selbstverständlich freundlich ist.
Die Nächstenliebe
(siehe Shen Te) wird durch drei Merkmale charakterisiert:
a) Sie ist eine Extremform
der Freundlichkeit.
b) Sie ist intuitiv.
c) Es gibt keinen
unmittelbaren Grund dafür.
Die Güte ( siehe
Götter ) ist eventuell eine Haltung. Sie ist ein Gefälle von Beziehungen und es
kann nur jemand Güte besitzen, der auch Macht besitzt. Herr Höfig brachte als
Gegenbeispiel den Begriff "Bosheit " ein, und es wurde erkannt, dass
ein Handeln aus Bosheit eine Absicht voraussetzt.
Nach Klärung und Erläuterung
dieser Begriffe sollen folgende Fragen anhand des dritten Kapitels "Abend
im Stadtpark " S.44-52 beantwortet werden:
a) Wie bestimmt Bertolt
Brecht die drei Begriffe?
b) Was ist für die
verschiedenen Verhaltensweisen ausschlaggebend? Wie kommt das Böse in
die Welt?
Nach Bearbeitungszeit ist man
sich einig, dass es in diesem Buch keine heile Welt gibt, und dass nicht alle
Menschen freundlich zueinander sind.
Folgende Verhaltensweisen
der Personen werden gefunden:
S.44 Die Prostituierten sind anfangs sehr nett
zu Sun, weil sie Geld brauchen. Als sie jedoch merken, dass Sun kein Geld hat,
hört die Freundlichkeit schlagartig auf. ("Du bist wohl übergeschnappt?
Gehen wir weiter. Wir verlieren nur unsere Zeit mit ihm.") Sie werden
unfreundlich und beleidigend.
S.44 Shen Te kommt ins Spiel:
Die Prostituierten sind
aggressiv und beleidigend, doch Shen Te begegnet ihnen mit einer Sachlichkeit,
Freundlichkeit und Ruhe. ( "Friss mich doch nicht gleich auf." )
Die Prostituierten verhalten
sich so, weil sie Shen Te als Rivalin ansehen. Sie brauchen Geld um zu
überleben , und es gibt viel Konkurrenz in ihrer Branche. Shen Te will den
Witwer heiraten , um sich und auch ihren Tabakladen abzusichern. Für sie ist
die Heirat nur ein Zweckbündnis, zu dem sie von dem Polizisten angeregt wird.(
S.42 "Heirate einen Witwer.")
S.45-50 Shen Te und Sun
Shen Te will Sun retten und
ihm in der Situation helfen. Das Motiv ist hierbei Nächstenliebe. Diese
ist ein spontaner Impuls, der sich unmittelbar aus einer Empfindung heraus
entwickelt und einstellt. Sun reagiert unfreundlich bzw. beleidigend auf Shen
Tes Versuche.( S.45 " Du bist mir auch zu hässlich. Krumme Beine.")
Ein möglicher Grund dafür könnte sein , dass Sun unsicher ist und nicht weiß,
wie er Shen Te begegnen soll. Sun will einfach nur in Ruhe gelassen werden und
sterben.
Herr Höfig stellt dem Kurs
noch zwei Fragen:
A) Welche Rolle spielt Wang?
B) Was macht Menschen nach
Brecht freundlich bzw. unfreundlich?
Zu A) Shen Te kauft ihm bei
Regen Trinkwasser ab. Dieses ist ein Beispiel für Güte. Sie tut dieses ohne
Eigennutz. Shen Te sieht Wang als bedürftigen Menschen und handelt aus
Nächstenliebe.
Zu B)
- Das Kapital
- Die Knappheit der
Waren und des Geldes (Überlebenskampf)
- Die gesellschaftlichen
Verhältnisse
- Mittel zum Zweck
Zuletzt werden die Begriffe Bosheit
und Freundlichkeit besprochen, wie sie im Text definiert sind.
1. S.49 " Bosheit ist
bloß eine Art Ungeschicklichkeit."
= Das heisst, dass man
einfach nicht weiss, wie man mit Menschen umgehen muss. Man hat
es vielleicht nicht gelernt. Bosheit = Ungeschicklichkeit
2. S.49 " Freundlichkeit
ist, wenn jemand ein Lied singt oder eine Maschine baut oder Reis pflanzt."
= damit ist gemeint, dass man
anderen nützlich sein muss. Reines Wollen reicht nicht aus.
Zum Ende der Stunde kommt der
Kurs zu dem Entschluss, dass Shen Te zur Humanität fähig ist und ein guter
Mensch ist.
Dienstag, den 11.1.2000 5.+6. Stunde
Thema der Stunde ist die
Gegenüberstellung von Shakespeare, Goethe und Brecht und die Klärung der
vorhandenen Unterschiede.
Herr Höfig schreibt die
Reizwörter "Shakespeare" , "Goethe" und "Brecht"
an die Tafel und fragt, welche Unterschiede es bei deren Dramen gibt. Es werden
folgende Fakten erarbeitet:
Shakespeares und Goethes
Dramen sind in einer gebundenen Sprache geschrieben, während Brecht eine nicht
gebundene Sprache (Prosa) vorzieht. Shakespeare steht für die Tragödie, Goethe
für das Lösungsdrama und Brecht für das offene Ende und auch für die
Verfremdung und Veränderung.
Als nächstes wird die Frage
gestellt, welche Rolle der Zuschauer in den Dramen spielt:
Bei Goethe und bei
Shakespeare fühlt sich der Zuschauer in das Drama ein. Er lernt daraus und
akzeptiert das Ende, denn man vermag den Schluss sowieso nicht zu ändern. Bei
Brechts Dramen hingegen wird der Zuschauer zum Denken gebracht. Er wird, wie
bei "Der gute Mensch von Sezuan" direkt angesprochen. (Shen Te
spricht zum Beispiel vor dem Vorhang zum Publikum und "Songs" tauchen
in regelmässigen Abständen immer wieder auf.) Die Frage, ob Brecht kritisch sei
und ob man dies überhaupt sagen dürfe, sowie die Frage, was dann Shakespeare
und Goethe seien, bleibt offen.
Im Weiteren werden zwei Songs
unter folgender Fragestellung untersucht:
Welches ist die Funktion der
Lieder im Textzusammenhang?
Sind sie etwas Neues oder
eine Ergänzung?
Wie ist die Wirkung auf den
Zuschauer ?
S.50 " LIED DES
WASSERVERKÄUFERS IM REGEN "
In diesem Lied beschreibt
Wang seine missliche Lage. Dieses Beispiel könnte man auf die gesamte
Mittelschicht übertragen. Wer nichts besitzt, der ist auch nichts. Die ganze
Situation ist so schwierig, weil Wang letztendlich immer der Dumme ist : Wenn
es regnet, kauft ihm niemand das Wasser ab , und wenn es nicht regnet, dann
muss Wang weite Strecken zurücklegen, um an das Wasser zu gelangen. Wang malt
sich aus, wie es wäre, wenn es sieben Jahre lang keinen Regen mehr geben würde.
Die soziale Lage würde sich verbessern, und Wang würde endlich die gewünschte
Achtung erlangen. Wang befällt der Wunsch sich frei entscheiden zu können und
auch einmal die volle Macht in den Händen zu haben.
Der Regen ist für die
Personen von verschiedener Bedeutung:
- für Wang ist er bedrohend ,
da sein Geschäft schlecht läuft.
- dasselbe gilt für die
Prostituierten.
- für Shen Te ist er schön
und klärend, da ihr Gemüt von Liebe erfüllt ist.
Die Stimmung verändert sich
je nach sozialer Lage. Personen entwickeln in diesem Buch Wut, wenn sie kein
Geld haben. Die materiellen Werte sind sehr wichtig. Gefühlslagen sind außer
für Shen Te unwichtig. Der Zuschauer reagiert auf Wangs Verhaltensweisen
seltsam anrührend. Fragen wie "Dient das Lied der reinen
Unterhaltung?" , "Ist das Wangs Charakter?" und "Ist Wang
der zweite gute Mensch?" bleiben offen.
S.65 "DAS LIED VON DER
WEHRLOSIGKEIT DER GÖTTER UND GUTEN"
Die Aufgabe besteht darin,
die Unterschiede zum ersten Lied heraus zu arbeiten und zu klären, was Brecht
mit dem Stück bei dem Zuschauer bewirkt und erreicht.
Es folgt eine kurze
Beschreibung des Inhalts:
- Man braucht Glück, um im
Leben weiterzukommen.
- Man schafft es nicht, lange
gut zu bleiben, da es einfach zu viele Mängel gibt.
- Shen Te braucht Shui Ta um
ihre Ziele erreichen zu können. Ohne ihn kann sie nicht
überleben.
- Shen Te beklagt sich
darüber, dass die Götter machtlos sind.
Frage: Ist der Zuschauer
Mittel der Einfühlung?
Wir sagen ja, das Lied dient
der Einfühlung, aber Brecht hat eine andere Absicht. Er will mittels der Lieder
den Zuschauer zum Denken anregen. (...)
Die Hauptaussagen des Textes
sind, dass das Gute nicht in der Armut überleben kann. Es sind die sozialen
Umstände, die einen vom Guten abbringen. Als Fazit muss demnach das Schlechte
ausgemärzt werden.
Folgende Fragen bleiben zum
Schluss noch offen:
- Ist es möglich , die
"Fülle der Waren" gerecht zu verteilen?
- Was ist mit Göttern
gemeint? Welche Identität haben sie?
Bei diesem Stand der Dinge
wird die Stunde beendet und Herr Höfig bittet, das fünfte Kapitel noch einmal
durchzuarbeiten.
Donnerstag, den 13.1.2000 3.+4.Stunde:
Thema der Stunde ist die
Erschliessung des fünften Kapitels.
Zu Anfang der Stunde wird in
kurzer Fassung der Inhalt des fünften Kapitels "DER TABAKLADEN"
zusammengetragen:
Shen Te verwandelt sich
wieder einmal zu Shui Ta. Yang Sun verlangt das restliche Geld für seine
Flugschule und bittet Shui Ta um die Auszahlung. Als dieser jedoch erfährt,
dass Sun Shen Te gar nicht auf seine Reise mitnehmen und sie somit nur
ausnützen will, gerät er in Panik und glaubt verloren zu sein. Da kommt ihm die
Shin zu Hilfe und rät, dass er doch mal mit Shu Fu, dem Barbier , reden soll.
Danach ist Shen Te durchaus mit einer Vernunftheirat einverstanden. Als jedoch
Sun wieder auftritt sind alle guten Vorsätze vergessen und Shen Te geht mit ihm
aus Liebe davon.
Im weiteren Verlauf wird die Personenkonstellation
genauer untersucht:
Sun bittet Shui Ta um das
versprochene Geld, da ihm das Geld für die Tickets fehlt. Als Gegenleistung
wird er Shen Te heiraten und sie versorgen. Als Shen Te jedoch sagt, dass sie
Schulden bei den Alten hat, fragt Sun nur nach einem schriftlichen Beleg dafür.
Den hat sie nicht und so müsste sie seiner Meinung nach, das Geld auch nicht
zurückzahlen (Betrug). Sun betrügt Shen Te, indem er sie gar nicht mitnehmen
möchte, betrügt die Alten um ihr Geld und will sich durch Bestechung einen
Arbeitsplatz erwerben. Yang Sun ist nur auf den eigenen Vorteil aus.
Bertolt Brecht will den
Zuschauern wahrscheinlich damit zeigen, dass es in jedem Menschen zwei Seiten
gibt, nämlich die rationale und die triebgesteuerte. (Shui Ta/ Shen Te)
Es sind die sozialen
Umstände, die Menschen in die Zwiespältigkeit führen. An dieser Stelle ist wieder
einmal die eingebrachte Verfremdung sehr gut zu erkennen.
Wie ist Yang Sun
einzuschätzen?
Sun ist kein Opfer der
Gesellschaft. Bei ihm spielen die äusseren Verhältnisse keine grosse Rolle. Er
könnte einfach den Laden behalten und auf seine Fliegerei verzichten. In diesem
Abschnitt wird er als Mensch mit deutlichen Charakterschwächen gezeigt.
Warum verhält sich Shen Te
auf diese Art und Weise und folgt Sun?
- Sie geht mit Sun, weil sie ihn liebt. Sie hat keine Vorbehalte
und lässt sich auf seine
Schwächen ein. ( S.80 " Ich will mit dem gehen, den ich
liebe...")
- Vielleicht ist das eben ihre Charakterschwäche. Ihr Wesen führt
zu äusserst spontanen
Handlungen.
- Hat Shen Te , der gute Mensch , nur einfach Mitleid mit Sun?
- Sieht Shen Te in Sun einfach einen schwachen Menschen und
reagiert mit Nächstenliebe?
- Ist es doch einfach nur Liebe?
- Kann man einen Menschen lieben, der einen missbraucht?
= Diese Fragen bleiben offen
und können nur individuell beantwortet werden. Für den
Zuschauer ist Shen Tes Verhalten schwer nachvollziehbar.
In der zweiten Stunde wird
"DAS LIED VOM SANKT NIMMERLEINSTAG" auf S.91 analysiert:
Im vorangegangenen Geschehen
findet die Hochzeit von Shen Te und Yang Sun statt. Yang Sun und seine Mutter
warten vergeblich auf Shui Ta. Nach einer Weile verlassen die Gäste die
Gesellschaft. Shen Te fordert von Yang Sun das ihm schon gegebene Geld zurück.
Dieser hat es jedoch nicht, und hofft vergeblich auf ein gutes Wort bei Shui
Ta.
Das Lied ist eine Utopia (
Wunschvorstellung ).Sie wird nie eintreten. Dieser Tag wird nie
eintreten....Die Herrschaft soll der Arme übernehmen...Die Güte zahlt sich aus,
und die Schlechtigkeit kostet den Hals... Die Erde wird zum Paradies...Die
Träume von Yang Sun erfüllen sich (Fliegen )....Es existiert nur noch der gute
Mensch...
Brecht kritisiert hier das
Denken der religiösen Menschen. Man soll nicht in der Hoffnung verharren,
sondern sein Leben eigenständig in die Hand nehmen und dabei versuchen aus der
Utopie Wirklichkeit werden zu lassen.
Als letztes wird der Text
"WANGS NACHTLAGER" auf der S.93 zusammen im Kurs gelesen und die
Frage geklärt, welches Problem Wang an dieser Textstelle aufwirft.
Der Schlechte wird für seine
Taten nicht bestraft und führt ein glückliches Leben. Das Einzige, was man
machen kann um aus einer misslichen Lage herauszukommen ist, dass man sich zwei
Charaktere aneignet(Shen Te / Shui Ta). Eine andere Möglichkeit ist nicht
vorhanden.
Bertolt Brechts
Theatertheorie folgt in den nächsten Stunden.