Nr. 22/2000
Der letzte Dienst, den das Christentum unserer Kultur nach 2000 Jahren zu leisten vermöchte, sei sein Verlöschen. Dies schrieb der Berliner Philosoph Herbert Schnädelbach in der ZEIT Nr. 20 vom 11. Mai. Richard Schröder dementiert in seiner Replik keineswegs das Sündenregister der Kirchengeschichte, aber er bestreitet den Kern von Schnädelbachs Thesen: Diese Geschichte sei gewissermaßen die konsequente Umsetzung von sieben Geburtsfehlern des Christentums, "die es gar nicht aufheben kann, weil es bedeutete, sich selbst aufzugeben." Schröders Forderung lautet: Mehr Sorgfalt mit der historischen Wahrheit!
Herbert Schnädelbachs Abrechnung mit dem "Fluch des Christentums" erweckt bei mir Erinnerungen an meine Schulzeit. Es war wohl zu Beginn des Geschichtsunterrichts in der fünften
Klasse, als wir lernen sollten, die Kirche habe die Waffen gesegnet, sie stehe auf der Seite der Ausbeuter, sie habe Hexen und Ketzer verbrannt und die Wissenschaft verfolgt und das Volk verdummt, sie nütze dem Klassenfeind, indem sie zur Feindesliebe aufruft statt zum Hass gegen die Feinde des Volkes. Es gab entsprechende Propagandahefte. Die Pointe war klar: Lasst die Finger weg von diesem gefährlichen reaktionären Haufen. Ich war nun aber einer von diesem Haufen und habe deshalb früh gelernt, in dem Wust von Vorwürfen gegen "die Kirche" und das Christentum das Berechtigte vom Unberechtigten zu unterscheiden. Denn das alles war ja keineswegs erfunden, es hatte aber so gut wie nichts zu tun mit dem Christentum, das ich in Heimatgemeinde und Familie erlebte. Nach und nach hat die SED die öffentliche antireligiöse Propaganda vom leninschen Typ, die sich aus der französischen Aufklärung speiste, eingestellt, sich stärker auf die Marxsche Religionskritik bezogen (Religion ist Opium des Volkes, das Herz einer herzlosen Welt) und die Christen im Lande mehr als Sonderlinge denn als Schädlinge behandelt - sofern sie ihnen nicht direkt in die Quere kamen. Außerdem hatten sie bemerkt, dass das Arsenal der sowjetischen antireligiösen Propaganda, das auf die russisch-orthodoxe Kirche zugeschnitten war, auf den Protestantismus der DDR weit weniger passte.
Richard Schröder begleitete die Wende von 89/90 als Politiker. Er lehrt Philosophie an der Theologischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin
Der Atheismus war offizielle Staatsdoktrin der DDR. Aber das Kruzifix als Klopapierhalter auf der Titelseite einer Zeitschrift prangend, das habe ich erst im Westen erlebt. Woran liegt das? Offenbar setzen glühende Gegnerschaft und Freude am Sakrileg Nähe, prägende Begegnung voraus. Das Christentum war für Beides in der DDR einfach zu weit weg. Nietzsche, dessen glühende Christentumskritik in der DDR nun gerade nicht bekannt war, weil er zu den unerwünschten Denkern gehörte, war ein Pfarrerssohn.
Einen Artikel mit dem Titel Der Fluch des Islam oder gar Der Fluch des Judentums würde in Deutschland niemand veröffentlichen. Das finde ich gut so. Ich finde aber auch, dass die antichristliche Propaganda nach der Methode "Haut den Lukas" ihre Unschuld verloren hat, wenn wir nur an die blutige Vernichtung der russisch-orthodoxen Priesterschaft nach der Oktoberrevolution denken. Das gibt auch Anlass, mit dem Wort Märtyrer etwas respektvoller umzugehen. Ich war nie einer, aber immerhin als Christ so weit unterprivilegiert, dass ich mir die Märtyrersituation vorstellen kann. Märtyrer weigern sich, das bisschen Weihrauch vor dem Kaiserbild zu streuen, weil sie ihrem Gott, ihrem Glauben und sich selbst auch treu bleiben, wenn es etwas kostet. Sie bringen die marktwirtschaftliche Frage Schnädelbachs: "Was hat man davon, ein Christ zu sein?" einfach nicht über die Lippen, weil ihnen die Sache zu nahe geht, um distanziert den Mehrwert zu berechnen. "Nehmen sie den Leib, Gut, Ehr, Kind und Weib", diesen Vers möchten manche aus der "Marseillaise der Reformation", Luthers Lied Ein feste Burg ist unser Gott, gern streichen. Das sei doch hohles Pathos, passiert ja doch nicht. Bei uns tatsächlich nicht. Anderswo in der Welt kann auch heute noch Christsein, vor allem aber Christ werden tödlich enden.
Die "Kriminalgeschichte des Christentums" ist ja wohl bekannt. Das Originelle an Schnädelbachs Abrechnung: Er sieht sie in Geburtsfehlern des Christentums begründet. "Die Täter haben dabei nicht gegen dessen Prinzipien verstoßen, sondern nur versucht, sie durchzusetzen." Er lehnt also die im Christentum selbst permanent beheimatete Kritik an der "Verweltlichung" des Christentums ab. Merkwürdigerweise verschweigt er diese permanente innerchristliche Selbstkritik vollständig, von der ich hier nur die Reformation und das Zweite Vatikanische Konzil der römisch-katholischen Kirche erwähne. Zudem hat Schnädelbach für das Christentum eine Falle gebaut, die auf fatale Weise der der Inquisition ähnelt: Entweder bestätigt der Angeklagte die unter Folter zugestandene Häresie, dann ist er des Todes, oder er widerruft sie, dann ist er als hartgesottener Häretiker auch des Todes. Schnädelbach: Entweder die Christen praktizieren ihre Geburtsfehler, dann müssen wir das Christentum als Fluch auf unserer Zivilisation verabschieden. Oder sie sind geständig, dann geben sie ihr Christentum selber auf.
Geburtsfehler oder Verweltlichung? Die Frage lässt sich manchmal durch Tatsachen entscheiden. Zum Beispiel: Inquisition. Matthäus 13 findet sich das Gleichnis vom Unkraut unter dem Weizen. Das Himmelreich gleicht einem Mann, der Weizen gesät hat, aber nachts hat der Feind Unkraut dazwischen gesät. Nun sieht er Beides aufgehen. Die Knechte fragen: Sollen wir das Unkraut ausreißen? Nein, sagt der Herr, dann würdet ihr auch Weizen mit ausraufen. Wartet bis zur Ernte. Dies Gleichnis diente in der Alten Kirche als Einwand gegen den Zwang in Religionssachen. Als 385 der Usurpator Maximus den Priscillian wegen Irrlehre in Trier hinrichten ließ, kündigten die Bischöfe Martin von Tours und Ambrosius von Mailand den am Verfahren beteiligten Bischöfen die Kirchengemeinschaft auf. Noch im 12. Jahrhundert war es ein Grundsatz des kanonischen Rechts, dass Geständnisse nicht durch Folter erzielt werden dürfen. Dann kam der Umschwung, die Installation des Inquisitionsverfahrens und mit ihm die Wiedereinführung der Folter, die in der vorchristlichen römischen Rechtspraxis üblich, aber mit der Anerkennung des Christentums als Staatsreligion (391) weitgehend außer Gebrauch gekommen war. Zu den Auseinandersetzungen der Reformation gehörte auch diese Frage. Luthers Satz "Ketzer verbrennen ist wider den Heiligen Geist" wurde allerdings noch im 19. Jahrhundert von katholischen Theologen bekämpft.
Als 1572 die Dordrechter Ständeversammlung für die Niederlande die Religions- und Versammlungsfreiheit beschloss und damit die Entwicklung zu den modernen Grundrechten einleitete, berief man sich im Kreis um Wilhelm von Oranien wiederum auf das Gleichnis vom Unkraut unter dem Weizen und verabschiedete damit einen Grundsatz, der weltgeschichtlich der Normalfall ist: "ein Staat, eine Staatsreligion" - wie das auch den Kommunisten mit ihrer "wissenschaftlichen Weltanschauung" vorschwebte. In diesem Grundsatz und nicht im Missionsbefehl des Matthäus-Evangeliums liegt die Tendenz zum Zwang in Religionssachen, der übrigens auch Herrscher jüdischen Glaubens nicht fremd war. Als Aristobulos die Ituräer im Norden Palästinas unterwarf, stellte er sie vor die Alternative: Beschneidung oder Auswanderung. Ansonsten haben Christentum und Judentum in der Antike ungefähr in derselben Weise erfolgreich Mission betrieben, nämlich zwanglos werbend. Dass es aber auch unter den Juden aggressive Eiferer gab, belegt der Apostel Paulus für sich selbst.
Verantwortung selbst für den Gulag?
Vor seiner Bekehrung habe er die christliche Gemeinde "über die Maßen verfolgt und zerstört", schreibt er selbst im Galaterbrief. Es ist aber richtig, dass sich im Christentum eine üble Tradition des Antijudaismus festgesetzt hat. Man wird sogar zustimmen müssen, dass der Holocaust ohne das Christentum nicht möglich war. Es musste aber noch anderes hinzukommen, nämlich die Verwandlung des religiösen Unterschieds in einen rassistischen oder der Übergang vom Antijudaismus zum Antisemitismus. Daran war nicht das Christentum schuld, sondern eine Missgeburt der Aufklärung, der pseudowissenschaftliche Biologismus eines Kampfes ums Dasein zwischen den Rassen, verbunden mit Neuheidentum. Im Übrigen hat Hitler auch vom Christentum nichts gehalten. Es sollte ebenfalls verschwinden. Die beiden deutschen Diktaturen des 20. Jahrhunderts, die das Christentum gezielt abschaffen wollten, haben, gelinde gesagt, keinen Humanitätsgewinn gebracht. Da muss ich es schon als zynisch empfinden, dass Schnädelbach das Christentum auch noch für den Gulag verantwortlich macht. Geschieht uns ganz recht, wir haben schließlich die Eschatologie in die Welt gesetzt, und die war "eine ständige Versuchung, hier Gott durch einen modernen Götzen zu ersetzen". Das ist richtig, aber gegen diese Versuchung steht das erste Gebot: keine anderen Götter haben neben mir. Da hilft nicht Streichen, sondern Unterscheiden! Das hat die Barmer Theologische Erklärung von 1934 getan, als sie den Totalitätsanspruch des nationalsozialistischen Staates öffentlich zurückwies. Die Nazis haben zurückgeschlagen. Auch gegen den Totalitätsanspruch der marxistisch-leninistischen Ideologie haben die Kirchen hinreichend deutlich Stellung bezogen.
In solchen Fragen müssen wir von Schnädelbach etwas mehr Sorgfalt im Umgang mit der historischen Wahrheit erbitten.
Das letzte Buch der Bibel, die Offenbarung des Johannes, ist in der Tat ein problematisches Buch und zum Beispiel von Luther auch so bezeichnet worden, weil er die Gefahr apokalyptischer Politik (Thomas Müntzer) gesehen hat. Es ist aber in einer Zeit der Christenverfolgung geschrieben, als Trost für Todgeweihte. Was nun den Gedanken eines Jüngsten Gerichts betrifft, so gibt es zwar eine fatale Missbrauchsgeschichte im Christentum, nämlich Angst und Schrecken verbreiten. In der Darstellung von Stephan Lochner finden sich auch Könige, Kardinäle und Mönche unter den Verurteilten. So gesehen ist der Gedanke des Jüngsten Gerichts ein Einspruch gegen den Grundsatz: Egal, ob Recht oder Unrecht, der Erfolg hat das letzte Wort. Und das "jenseitige" Gericht schärft ein, dass das "Diesseits" der Ernstfall ist. Es gibt keine zweite und dritte Chance durch Reinkarnation. Es schärft das Prinzip Verantwortung ein. Deshalb findet sich die Darstellung des Jüngsten Gerichts so oft über mittelalterlichen Kirchenportalen. In Sachen Diesseits - Jenseits ist mir Schnädelbachs Position nicht klar geworden. Sein Kronzeuge Nietzsche würde ihn zweifellos unter die Platoniker einordnen, da auch er für "das Gute", nämlich Humanismus, eintritt. Dass er aber dennoch für die "Normativität der realen Welt" eintritt, verstehe ich nicht. Soll das heißen: Ich bin so, wie ich bin, und die Welt nun mal, wie sie ist? Dann muss er sich vor solchen platten, aber gefährlichen Argumenten hüten, wie: Kannibalismus kommt im Tierreich massenhaft vor, und: Der Mensch ist auch bloß ein Tier, oder auch vor dem "Kampf ums Dasein", dem Nietzsche ja sehr viel abgewinnen konnte. Hegels oft verspotteter Satz: "... umso schlimmer für die Tatsachen" ist eben angesichts himmelschreiender Tatsachen durchaus am Platz. So diesseitig sollte niemand sein, dass er keine schlimmen Tatsachen mehr wahrnehmen kann. Schnädelbach hat sie ja gerade massenhaft in der Christentumsgeschichte diagnostiziert.
Nun kommen wir zur Hauptsache: Erbsünde und Rechtfertigung.Auf Partys nach zwei Uhr kann man ohne Mühe eine Diskussion entfachen zu dem Thema "Der Mensch ist gut, der Mensch ist schlecht". Sofort melden sich Vertreter beider Thesen. Die sagen, der Mensch sei gut, möchten nicht ihr Nest beschmutzen. Die sagen, der Mensch sei schlecht, führen massenhaft Erfahrungsbeweise an, möchten aber sich selbst gern ausnehmen. "Die Menschen sind schlecht, sie denken an sich, nur ich denk an mich." Wer nun daraus folgerte, das eine seien die Guten, das andere die Schlechten, hat offenbar zu plump gefolgert. Als der Stasi-Chef Erich Mielke vor der Volkskammer erklärte, "Ich liebe doch alle Menschen", erntete er Hohngelächter. Die da sagen: Der Mensch ist gut, fügen gern hinzu: Er muss sich aber noch ordentlich anstrengen, wir werden ihm dabei helfen. Und dann kommt die Erziehungsdiktatur. Auch die marxistische Theorie von der Produktion des Neuen Menschen durch eine Erziehungsdiktatur ist eine Missgeburt der Aufklärung.
Mit der christlichen Erbsündenlehre hat dieser Streit nur wenig zu tun. Denn die gemeinsame Voraussetzung dieses Streits ist, mit Erich Kästner gesprochen, der Satz: "Es gibt nichts Gutes, außer man tut es." Dem widerspricht die Erfahrung des christlichen Glaubens. Es gibt noch Besseres als dieses Gute der Taten: das Gute der Gaben. Wir werden geboren. "Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen", heißt es in der Bibel. Aber vorher gilt: Wer nicht zuerst sein Essen geschenkt bekommt, kann gar nicht Arbeiten lernen. Die beste aller Gaben ist der Frieden mit Gott. Den können wir uns nicht erarbeiten, der kann uns nur geschenkt werden. Die Erbsündenlehre ist kein Fehlschluss und macht auch nicht die Sterblichkeit zur Schuld, sondern besagt: Den Frieden mit Gott gibt's nur als Geschenk, von uns aus sind wir unfähig dazu, ihn uns zu beschaffen, also sei so nett und lass dich beschenken.
Der Frieden mit Gott heißt bei Paulus: Rechtfertigung aus Glauben. Dass dabei so viel vom Blut Christi die Rede ist, hat seinen Grund darin, dass die ersten Christen Jesu Tod nach dem Muster des Opfers gedeutet haben, das im damals noch praktizierten jüdischen Tempelkult für das Gottesverhältnis so wichtig war. Die Pointe ist aber die Verabschiedung der Opferlogik: Es bedarf keiner Opfer mehr, um Gott zu versöhnen, er hat uns mit sich versöhnt. Dass die Blutmetaphorik in der christlichen Sprachwelt oft über die Grenze des guten Geschmacks ausgewalzt worden ist, gebe ich Schnädelbach sofort zu. Dass sich die Christen Glaube, Liebe, Hoffnung ohne Blut nicht vorstellen können, ist dagegen falsch. Die Heilsbedeutung des Todes Jesu ist nämlich auch in anderen Metaphern ausgedrückt worden, etwa in der der Erlösung, das heißt des Sklavenfreikaufs. Wir waren unter der Macht der Sünde, das heißt der heillosen Selbstbezogenheit gefangen und dienten falschen Göttern, aber Gott selbst hat uns durch Jesus Christus freigekauft. "Zur Freiheit hat uns Christus frei gemacht, darum steht fest und laßt euch nicht wieder unter ein Joch der Knechtschaft bringen", mahnt Paulus die Galater.
Schnädelbachs Vermutung, die "Blutorgien" christlicher Sprache seien eine Vorbereitung auf die Grausamkeiten im Namen Christi, gehört in den Bereich der Psychologisiererei, in der man alles und nichts beweisen kann. Will er wirklich behaupten, Bachs Matthäuspassion, die es ja mit der Blutmetaphorik auch ziemlich weit treibt, habe auch nur einen einzigen Menschen zum Sadismus konditioniert? Ist in bayerischen Schulen Gewalt häufiger, weil dort der Gekreuzigte zu sehen ist? Schnädelbachs Schauder vor der Flut von Martyriumsdarstellungen auf mittelalterlichen Altären teile ich. Aber die hängen ja mit der Heiligenverehrung zusammen, die man einem Protestanten schlecht zum Vorwurf machen kann.
Schnädelbach fragt, warum der Gekreuzigte und nicht der Auferstandene im Zentrum christlicher Ikonografie steht. Nun, im Zentrum der ostkirchlichen Ikonografie steht der Pantokrator, der Auferstandene, in der Pose eines byzantinischen Herrschers. In der Romanik ist der Gekreuzigte als Triumphator dargestellt. Erst die Gotik stellt den leidenden Christus dar. Welche Gründe dieser ikonografische Wandel auch haben mag, Paulus jedenfalls predigte den Gekreuzigten, "den Juden ein Ärgernis, den Griechen eine Torheit".
Ähnlich liegen die Dinge übrigens beim Thema Hexenverfolgung. Der aus dem 9. Jahrhundert stammende Canon Episcopi, der in das Kanonische Recht eingegangen ist, forderte von den Priestern, das Volk darüber aufzuklären, dass der Hexenglaube Aberglaube sei. Aber im Hochmittelalter hat die Kirche diesen Widerstand gegen den vorchristlichen Hexenglauben aufgegeben und die Realität der Hexen in immer abstruseren Theorien sanktioniert. Die innerkirchlichen Gegner des Hexenglaubens, die es weiterhin in erheblicher Zahl gab, haben dagegen den Canon Episcopi ins Feld geführt. Luther allerdings hat hier gar keine Verdienste, wohl aber zum Beispiel der Jesuit Friedrich Spee, der unter Lebensgefahr seine Erfahrung als Gefängnisseelsorger veröffentlichte.
Derzeit nimmt in Afrika der Hexenwahn wieder zu. In Tansania soll er zwischen 1970 und 1984 über 3000 Todesopfer gefordert haben. Traditionalistische Einheimische werfen den Kolonialherren vor, sie - und auch die Missionare! - hätten sie auf infame Weise dem Wirken der Hexen ausgeliefert, weil sie sich gegen die Hexenverfolgung gewandt haben. Es ist nicht viel gewonnen, wenn das Vorurteil vom wilden Wilden durch das vom edlen Wilden ersetzt wird. Der Hexenglaube ist nämlich weltweit verbreitet. Die Kirche hat ihn nicht erfunden, sondern war ihm auf Zeit mit furchtbaren Folgen erlegen, die katholische wie die protestantische.Artikel zu diesem Thema:
DIE ZEIT 20/2000: Der Fluch des Christentums.
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