Nr. 20/2000
Der Pavillon der Hoffnung- ein gelungenes Symbol für die Expo
Die Kritiker sind still geworden. Zum Beispiel Hans Mönninghoff, Hannovers grüner Umweltdezernent. Vor zwei Jahren noch warf er den Expo-Machern in einer leidenschaftlichen Rede
vor, sie hätten sich 1992 die Zustimmung der Hannoveraner zur Weltausstellung - die mit 51,5 Prozent denkbar knapp ausfiel - quasi erschlichen, indem sie "das Blaue vom Himmel versprochen", doch nichts davon gehalten hätten. "Die Bauten auf dem Expo-Gelände, der Themenpark und die Durchführung der Veranstaltung selber" sprächen "dem Weltausstellungsmotto und den Sonntagsreden über Nachhaltigkeit und Zukunftsorientierung Hohn", wetterte er.
"Diese Logik verschließt sich mir", sagt dazu Robert Exner, der Expo-Referent des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) Niedersachsen. Nur um "ein paar Mark fünfzig abzuzweigen", könne man sich doch nicht mit dieser Expo arrangieren, einer Veranstaltung, bei der "Welten zwischen Anspruch und Wirklichkeit" klafften. Das Motto der Ausstellung "Mensch, Natur, Technik - Eine neue Welt entsteht" sei auf eine Weise umgesetzt worden, kritisiert der Ökolobbyist, dass am Ende nur eine Botschaft übrig bleibe: Großtechnik, egal ob Atom-, Gen- oder Autotechnik, wird alles richten. Auch Exner zieht sich nun zurück: Wenn am 1. Juni die Expo beginnt, wird er mit seiner Familie für die Dauer der Ausstellung Hannover den Rücken kehren und im VW-Bus durch Großbritannien touren.
Still ist es schließlich auch in den Reihen der Wirtschaft geworden. Vor nicht allzu langer Zeit noch fürchtete der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), die Umweltverbände könnten der Expo ihren Stempel aufdrücken. "Die Unternehmen wollen sich positiv präsentieren und können sich nicht unter ein Dach begeben, das möglicherweise vornehmlich industriekritisch ist", monierte BDI-Hauptgeschäftsführer Ludolf von Wartenberg. Diese Gefahr ist gebannt. "Ich glaube sagen zu können, die Wirtschaft kann mit den Präsentationen jetzt sehr zufrieden sein", erklärt nun BDI-Sprecher Albrecht von der Hagen. Das nicht eben wirtschaftsfeindliche Magazin Capital sagte es ebenso deutlich wie lapidar: "Bei der Weltausstellung entscheidet die Industrie."
Wird die hannoversche Expo, die erste auf deutschem Boden, demnach eine profane Leistungsschau der Industrie wie alle anderen vor ihr? Was ist geblieben vom Anspruch, eine "Weltausstellung neuen Typs" zu präsentieren, wie Expo-Generalkommissarin Birgit Breuel, seit 1997 auch Mitgeschäftsführerin der Expo GmbH, nicht müde wird zu beteuern?
Den Zielen der Agenda 21, jenes Aktionsprogramms für das 21. Jahrhundert, das die Staats- und Regierungschefs auf dem Umweltgipfel von Rio 1992 verabschiedeten, fühle sich die Expo verpflichtet, hoben die Macher stets hervor. Ob Umwelt, Ernährung, Energie oder Kommunikation - zu all diesen Themen sollen "Ideen und Ansätze präsentiert werden, die sich deutlich am Ziel der nachhaltigen Entwicklung orientieren", heißt es in einem Expo-Papier.
Das Herzstück der Veranstaltung soll der Themenpark sein. Zumindest ist er ein Novum: Erstmals inszeniert damit ein Expo-Veranstalter einen eigenständigen Beitrag und beschränkt sich nicht darauf, den Bau der mehr oder minder gelungenen Nationenpavillons zu betreuen. In elf Einzelausstellungen, verteilt auf fünf Messehallen, will der Themenpark "das künftige Zusammenleben der Menschen im Einklang mit der Natur" (Expo) sinnlich "erfahrbar" machen.
In die Ausstellung Ernährung zum Beispiel gelangt der Besucher durch eine überdimensionale Speiseröhre, die ihn unter anderem mittels Gerüchen auf das Thema einstimmt. Beim Thema "Zukunft Gesundheit" sind die Gäste eingeladen, sich auf bequemen Liegestühlen an einem tiefblauen See in frischer Luft zu entspannen. Das soll ihnen bewusst machen, dass 80 Prozent der Weltbevölkerung nur "unzureichende Chancen" haben, "körperliches, geistiges und soziales Wohlbefinden zu erreichen".
Die "Zukunft der Arbeit" präsentiert sich als großes Theater: Über eine lange Rampe betritt der Zuschauer eine ellipsenförmige Arena und sieht sich alsbald von Hunderten von Darstellern umstellt, die in kurzen szenischen Sequenzen neue Arbeitswelten mimen. Damit nicht genug, wird der Besucher mit Videofilmen, Licht- und Toneffekten geradezu überflutet - was er alles als Aufforderung verstehen soll, "sich neuen Herausforderungen zu stellen".
Richtig ins Schwärmen gerät Martin Roth, der Themenpark-Manager, angesichts der Inszenierungen, die nun unter enormem Zeitdruck entstehen, da die Messe die Hallen erst Anfang April freigab. Hochkarätige Szenografen aus aller Welt habe er gewinnen können, etwa den belgischen Comiczeichner François Schuiten, den Performance-Künstler Antoni Miralda oder den japanischen High-Tech-Architekten Toyo Ito. Was die Inhalte angeht, gibt sich Roth wesentlich zurückhaltender. Dafür fühlt sich die Expo GmbH offenbar auch nicht zuständig. "Sie stellt den Präsentationsrahmen und die aufregende Gestaltung", heißt es fast verschämt in einem Papier, "die zukunftsorientierten Lösungen kommen von den Partnern."
Die Partner - das sind die Sponsoren aus der Wirtschaft. Die exklusivsten sind die elf so genannten "Welt-Partner", darunter DaimlerChrysler, Preussag, Siemens, Volkswagen und das Duale System Deutschland; sie unterstützen die Schau mit jeweils 30 Millionen Mark und dürfen dafür auf der Expo omnipräsent sein. So entsorgt das Duale System den Müll der Besucher, Preussag baute vier Brücken auf dem Gelände, Siemens stattete die Expo mit der kompletten Informationstechnik aus.
Je zehn Millionen zahlen die "Produkt-Partner" - unter anderem Coca-Cola, McDonald's, Bertelsmann und die Allianz Versicherung -, die mit dem Expo-Logo werben dürfen. Hinzu kommt eine Reihe von "Partnern", die gezielt den Themenpark fördern - durchaus zum eigenen Wohle, wie eine Werbebroschüre für die Wirtschaft verspricht: "Der Themenpark ist für die Unternehmen ein außergewöhnlich glaubwürdiges Instrument des Public Marketing und eröffnet neue Wege zum Kunden ..."Beim Thema "Energie" beispielsweise, dem eine der elf Themenpark-Ausstellungen gewidmet ist, fungieren als "Partner": die deutsche Gaswirtschaft, die deutsche Stromwirtschaft, die RAG (vormals Ruhrkohle) sowie die Mineralölwirtschaft. Die "zukunftsorientierten Lösungen" kämen somit von Unternehmen, "die zentrale Interessen an Atomkraftwerken haben", schimpft Umweltdezernent Mönninghoff, beziehungsweise "von Lobbyisten gestriger Energien" wie Kohle und Öl, "die kein gesteigertes Interesse an Solarenergie haben".
So dürfe Expo-"Welt-Partner" Siemens den neuen Europäischen Druckwasserreaktor EPR präsentieren, während regenerative Energien so gut wie gar nicht berücksichtigt seien, kritisiert Mönninghoff. Wenn es um die Frage gehe, wie Energie preiswert erzeugt werden könne, "dann gehört Atomkraft dazu", entgegnet darauf BDI-Sprecher von der Hagen. "Sonnenenergie und Windräder können die Grundlast nicht abdecken."
Regelrechte "Ökohämmer" hat BUND-Referent Exner unter den Projekten, vor allem unter den rund 700 weltweiten, ausgemacht. Etwa den Drei-Schluchten-Staudamm in China, für dessen Bau 1,3 Millionen Menschen umgesiedelt werden müssen und für dessen Wasserkraftwerk die Siemens-Tochter KWU die Generatoren liefert. Oder den neuen, ebenfalls von Siemens errichteten bayerischen Forschungsreaktor Garching II, gegen dessen Aufnahme in die Liste der Expo-Projekte die bayerische SPD-Chefin Renate Schmidt sogar bei Birgit Breuel intervenierte, allerdings vergeblich.
Schuld an dieser "Unausgewogenheit" sei vor allem das Versagen der Politik, meint Stefan Wolf, Bereichsleiter Politik und Gesellschaft beim Baseler Prognos-Institut und bis 1999 in der Öffentlichkeitsarbeit der Expo tätig. Er hat dort sozusagen aus Gewissensgründen gekündigt, weil er seine "Identifikation mit der Expo nur noch schwer aufrechterhalten konnte".
Um das "Konfliktfeld zwischen ökonomischen Interessen und ökologischen Belangen" auszubalancieren, hätte es seiner Meinung nach "einer von allen Seiten anerkannten Moderation bedurft". Dies aber wurde versäumt - mehr noch: Vier Jahre verstrichen nutzlos nach dem Zuschlag 1990 durch das Bureau International des Expositions, bis 1994 endlich die Expo GmbH gegründet wurde. Und die nunmehr knappe Zeit wurde zu einem großen Teil auch noch mit Pleiten, Pech und Pannen vertan.
Die Politik interessierte sich nicht für die Expo. Die gerade ins Amt gewählte rot-grüne Landesregierung unter Gerhard Schröder sah in ihr vor allem eine Hinterlassenschaft der Vorgängerregierung; deren Finanzministerin Birgit Breuel war es ja auch, die sich die Bewerbung zusammen mit Messevorstand Sepp Heckmann ausgedacht hatte. Und die Bundesregierung war vollauf mit der deutschen Einheit beschäftigt, die über sie gekommen war. Dabei wäre es Aufgabe der Politik gewesen, meint Wolf, in der Public-Private Partnership, als welche die Expo konzipiert ist, die "integrative Plattform zu finanzieren, auf der sich dann alle relevanten Aspekte zu den jeweiligen Themen präsentieren sollten".
Nicht mehr Visionen zählen, es geht ums große SpektakelStatt eine Diskussion über Inhalte zu fördern, rechtfertigte die Politik die Expo mit der "schwarzen Null", also damit, dass die rund 3,5 Milliarden Mark teure Veranstaltung die Steuerzahler nichts koste. Derweil schufen die Sponsoren Fakten, "und die gingen in der Regel, von wenigen Ausnahmen abgesehen, zulasten ökologischer Gruppen, sozialer Institutionen, NGOs aus dem Entwicklungsbereich und sonstiger Initiativen, die zwar gute Ideen, aber kein Geld für ihre Umsetzung besaßen", so Wolf. Anstelle einer "kontroversen Vielfalt, die den Besuchern die unterschiedlichen Wege in mögliche Zukünfte begreifbarer macht", sei so vor allem im Themenpark eine "Mainstream-Ausstellung" herausgekommen, "die viele Ausrufezeichen setzt, wo sie die richtigen Fragen hätte aufwerfen sollen", bedauert er.
Mittlerweile, kurz vor der Eröffnung, zählt nur noch der Event. Nicht mehr Visionen oder die Agenda 21 stehen im Mittelpunkt der Werbung, sondern das größte Spektakel, das Deutschland je erlebt hat - mit den meisten Teilnehmerländern, die eine Expo je hatte (170); mit der längsten Theateraufführung, die es hierzulande je gab (21 Stunden Goethes Faust I und II); mit 700 Konzerten, jeder Menge "Trendsportarten", Open-Air-Kino - kurzum: mit "Unterhaltung und Abwechslung non-stop" (Expo).
So wollen die Veranstalter ihr ehrgeiziges Ziel erreichen, 40 Millionen Tickets zu verkaufen. Zwar wurde die Vorgabe der schwarzen Null inzwischen fallen gelassen, die Expo-Veranstalter rechnen nun offiziell mit einem Defizit von rund 400 Millionen Mark. Doch selbst das ist nur bei 40 Millionen Besuchern einzuhalten. Danach sieht es derzeit nicht aus. Bislang wurden gerade 2,3 Millionen Karten im Einzelverkauf und 15,3 Millionen über Großabnehmer wie die Deutsche Bahn losgeschlagen - die ihr Kontingent zurückgeben können, wenn sie keine Käufer finden.
Stefan Wolf rät trotz aller Enttäuschung über die verpassten Chancen zu einem Besuch der Expo - "und sei es allein wegen der Frage, wie sie eigentlich auch hätte werden können". Manche richten unterdessen ihre Hoffnung bereits auf die nächste Expo im Jahr 2005 im japanischen Nagoja. Auch sie steht unter einem Ökomotto: "Jenseits der Entwicklung: Die Weisheit der Natur wiederentdecken". Robert Exner vom BUND ist da wenig erwartungsvoll: Japanische Journalisten haben ihm berichtet, dass für die Ausstellung mehrere Hektar Wald gerodet würden - und das in einem waldarmen Land wie Japan.
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Artikel zu diesem Thema:
DIE ZEIT 20/2000: Weltausstellung ohne Weltmacht
200020.expo-kasten_usa_.html
Links zu diesem Thema:
Expo 2000 - Partner
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Agenda 21
http://www.agrar.de/agenda/agd21k00.htm
X-Position, Kritisches Forum zur Expo 2000
http://www.xposition.de/
Expo 2000 - Agenda 21
http://www.expo2000.de/deutsch/agenda21/index.html
Expo 2000 Hannover
http://www.expo2000.de/
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