Unheimliche Begegnung | ||
Wie Ufologen Forscher über den Tisch gezogen haben
Von Christoph Drösser
Eine Einladung von Herrn Rockefeller kriegt man nicht jeden Tag. Entsprechend überrascht war Günther Reitz, Strahlenbiologe beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln, als er für drei Tage auf das Anwesen des amerikanischen Multimillionärs eingeladen wurde. Zusammen mit acht anderen Wissenschaftlern war er in eine Kommission berufen worden, die sich mit Berichten selbsternannter Ufo-Forscher kritisch auseinandersetzen sollte.
Hätte Reitz geahnt, daß er die Ergebnisse der Expertenrunde in der vergangenen Woche auf der Titelseite der Washington Post wiederfinden würde mit der Schlagzeile "Wissenschaftliche Kommission hält Ufo-Berichte für untersuchenswert" - vielleicht hätte er sich die Sache noch einmal überlegt.
Ist die Erde von Lebewesen aus dem All besucht worden? Seit dem amerikanischen Roswell-Vorfall im Jahr 1947 spaltet diese Frage die Experten in zwei Lager, die einander aufs schärfste befehden: Da sind auf der einen Seite die Ufo-Gläubigen, die eifrig Augenzeugenberichte sammeln, auf der anderen Seite die Ufo-Skeptiker, die oft ebenfalls ein sektenhaftes Verhalten an den Tag legen. Die letzte unabhängige Untersuchung, der Condon-Report der US-Regierung, stammt aus dem Jahr 1968.
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Sie kam damals zu dem vernichtenden Urteil: "Aus den Ufo-Forschungen der vergangenen 21 Jahre hat sich nichts ergeben, was zur wissenschaftlichen Erkenntnis beigetragen hätte." Aber da gibt es noch die Society for Scientific Exploration (SSE). Ihr gehören Forscher an, die auf ihrem Fachgebiet angesehen sind, aber nebenher noch einem parawissenschaftlichen Hobby frönen. Auf den Kongressen der SSE geht es um Kalte Fusion, Marskanäle, Psychokinese - und eben auch um Ufos. Die Gesellschaft erhebt den Anspruch, diese Außenseiterthemen streng wissenschaftlich zu untersuchen. Kritiker halten ihr allerdings vor, unter dem Deckmäntelchen der Wissenschaft noch den letzten esoterischen Unsinn zu fördern. Die führenden Mitglieder der SSE forschen an angesehenen Universitäten. Der Vorsitzende Peter Sturrock, der sich seit zwanzig Jahren mit Ufologie beschäftigt, lehrt als Astrophysiker an der kalifornischen Stanford-Universität. Sturrock traf sich Ende 1996 mit dem Multimillionär Laurance S. Rockefeller, der schon in der Vergangenheit Ufo-Studien finanziert hatte. Gemeinsam überlegte man, wie die wissenschaftliche Reputation der Ufologie verbessert werden könnte, und kam auf die Idee, eine Gruppe unverdächtiger Wissenschaftler zusammenzustellen und mit den Ufo-Berichten zu konfrontieren. |
Skeptiker, die sich schon seit längerem mit der Widerlegung solcher Geschichten beschäftigen, wurden ausdrücklich nicht eingeladen. "Ich wollte einen Workshop veranstalten, keinen Zirkus", begründet Sturrock diese Entscheidung. Matthew Nisbet, Pressesprecher der Skeptiker-Organisation CSICOP, hält dem entgegen: "Das ist wie eine Gerichtsverhandlung, bei der die Geschworenen nur die Argumente der Anklage zu hören bekommen." War das angebliche Ufo nur ein gewöhnliches Frisbee? Günther Reitz wußte nichts von dieser Vorgeschichte, hatte sich auch noch nie ernsthaft mit Ufos auseinandergesetzt. So flog er Ende September 1997 nach Tarrytown im US-Staat New York. Der Millionär sorgte für ein angenehmes Ambiente: "Abends saßen wir in den Palästen von Rockefeller zusammen. Das war schon beeindruckend, mit sechzig Picassos und so", schwärmt der deutsche Ufo-Forscher Illobrand von Ludwiger, der als Experte geladen war. Die schöne Umgebung konnte allerdings nicht über die Dürftigkeit der Präsentationen von Ludwiger und seinen Kollegen hinwegtäuschen: Meist altbekannte Anekdoten von Ufo-Sichtungen, deren Wahrheitsgehalt kaum zu überprüfen war. "Am ersten Abend war das Komitee der Meinung, daß man sich das nicht länger anhören müsse", erzählt Reitz. |
Aus Höflichkeit hielt man durch und lauschte den Vorträgen - etwa dem von Ludwiger, in dem er Radardaten präsentierte, die er auf nicht ganz legalem Wege von der militärischen Luftüberwachung der Schweiz erhalten hatte. Unter anderem sollten darin auch die Spuren eines Ufos verzeichnet sein, das 1994 über Frankreich gesichtet worden war. Die Kommission reagierte zurückhaltend: "Die Auswertung von Radaraufzeichnungen ist eine sehr spezialisierte Tätigkeit, die die Hilfe von Radarexperten erfordert", heißt es im Abschlußbericht. Auch sonst nahmen die Physiker die angeblichen "Beweise" der Ufologen mit Skepsis zur Kenntnis: Insgesamt gebe es in den Berichten "keine überzeugenden Anhaltspunkte für unbekannte physikalische Prozesse oder die Beteiligung außerirdischer Intelligenz". Das Niveau der präsentierten Forschung entspreche meist "nicht den Standards der wissenschaftlichen Forschung". Diese schon recht reservierten Kommentare der Wissenschaftler wären womöglich noch schärfer ausgefallen, hätten sie über ein wenig mehr Hintergrundwissen verfügt. Denn die angeblich "besten Fälle" der Ufologen waren zum großen Teil Ladenhüter, die schon in der Vergangenheit einem kritischen Blick nicht standgehalten hatten. |
Etwa das angebliche Ufo-Photo, das eine Familie im Jahr 1981 auf der kanadischen Insel Vancouver Island aufgenommen hatte. Der Journalist Phil Klass, in der Szene bekannt als "Sherlock Holmes der Ufologie", hat schon vor Jahren herausgefunden, daß der Familienvater an Frisbee-Turnieren teilnahm und sogar selber seine Wurfscheiben herstellte. Wenn Peter Sturrock darauf spekuliert hatte, von seiner Expertenrunde ein begeistertes "Und es gibt sie doch!" zu hören, dann mußte er von dem Urteil der Kommission enttäuscht sein, die sich zwei Monate später noch einmal in San Francisco zur Beratung traf. Sturrocks Entwurf für einen Abschlußbericht wurde "total verrissen", berichtet Günther Reitz. "Wir haben um jeden Satz gekämpft." Sei es aus Dankbarkeit für die freundliche Bewirtung, sei es aus Ermüdung angesichts von Sturrocks Beharrlichkeit - die Forscher gaben schließlich doch ein paar Höflichkeiten zu Protokoll: Man solle in Zukunft die Berichte über angebliche Ufo-Sichtungen gründlich auswerten, denn "bei allen unerklärten Beobachtungen besteht die Möglichkeit, daß Wissenschaftler etwas Neues lernen können". Und schließlich sei "institutionelle Unterstützung für weitere Forschungen auf diesem Gebiet" eine wünschenswerte Sache. |
Diese Nebenbemerkung machte Sturrock schließlich zum Aufhänger seiner auf offiziellem Stanford-Papier gedruckten Presseerklärung - mit Erfolg, wie die Schlagzeilen der letzten Woche zeigen. Die beteiligten Forscher mußten schließlich einsehen, daß man sie vor einen PR-Karren spannen wollte. "Wir standen unter starkem Druck, die Sache der Ufo-Gemeinschaft zu unterstützen", berichtet Jay Melosh von der Universität von Arizona, "aber ich glaube, wir haben dem Druck widerstanden." Im Lichte des Pressewirbels wird er sein Urteil vielleicht doch revidieren müssen. © beim Autor/DIE ZEIT 1998 Nr. 29All rights reserved. |