In aktuellen Buchhandelsverzeichnis finden betroffene Eltern nur ein Buch zum Thema "Morbus Perthes", nämlich das oben angeführte Fachbuch von Schulitz und Dustmann. Es ist vordringlich für Mediziner konzipiert und kostet einen beachtlichen Preis, nämlich fast 200 DM. Zu dem Preis kann es in jeder Buchhandlung bestellt werden.
![]() | Es handelt sich um ein sehr umfassendes (404 S., zahlr. 111.) und grundlegendes Werk zum Thema. Nach einem kurzen historischen Überblick nimmt Teil B, die theoretischen Grundlagen, 112 Seiten ein . Die Kapital behandeln die Anatomie des Hüftgelenks, das Gefäßsystem, Noxen (= Störungen), Bedeutung familiärer und sozialer Faktoren (wird überwiegend als nicht relevant beschrieben), Skelettreifung und angeborene Fehlbildung, Histopathologie, Pathomorphogenese, dargestellt am Röntgenbild. Es folgt dann die "Klinik", d.h. die Darstellung der Diagnosetechniken und der Therapie. Es werden Kernspin- und Computertomographie, Szintigraphie und Sonographie dargestellt. Ausführlich werden die verschiedenen Stadien nach "Catterall", auch anhand von Röntgenbildern, beschrieben. Schon an der Häufung der hier angeführten Fachbegriffe kann man erkennen, dass vieles im Buch für Laien so gut wie unverständlich ist.. Man kann versuchen, sich einzulesen, wird aber immer wider durch Begriffe wie "anterolateral" oder "Labrum acetabulare" im Verständnis aufgehalten.
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Die Bettruhe zur Entlastung wird abgelehnt, weil die sozialen Folgen etc. überproportional seien. Ähnliches wird über fixierende Liegegipsverbände gesagt.
Die "Thomas-Schiene" gehört zu den noch gängigen Behandlungsmethoden. Schulitz und Dustmann machen allerdings folgende Aussage:
"Die Resultate entlastender Schienenbehandlung sind uneinheitlich." (S. 280) Von 1952 1970 haben beide selbst umfangreiche Studien an der Universitätsklinik Heidelberg durchgeführt. Das Ergebnis:"... Das bedeutet, dass die jüngeren Kinder wesentlich bessere, die Kinder über 6 Jahren relativ schlechtere Ergebnisse zeigten.... Unsere Untersuchungen ergaben, dass eine entlastende Behandlung mit Hilfe der Thomas-Schiene bei älteren Kindern kaum zu guten Ergebnissen führt, ganz gleich, um welches Catterall-Stadium es sich handelte... Unter den jüngeren Kindern waren die Catterall-Gruppe 1 und die nicht dezentrierten Hüftköpfe einer Schienenbehandlung zugänglich. Wir sind aber der Auffassung, dass die meisten Hüften der jüngsten Altersklasse auch ohne jegliche Therapie ausgeheilt wären." (S. 283) Als nächstes werden Behandlungsmethoden mit Zentrierung des Hüftkopfes (Containmentmethode) diskutiert. Die Behandlung wird mit Bettruhe und physikalischer Therapie eingeleitet. Dann erfolgt eine feststehende Abspreizung (mit Gips, mit Schienen ... ). Schlußfolgerung:" Unter den zahlreichen Gipsen und Orthesen zur Zentrierung des Hüftgelenks gibt es nur wenige wirklich akzeptable Lösungen. Die meisten Hilfsmittel sind zu aufwendig und behindern..." (S. 292)
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Die Autoren haben selbst eine umfangreiche Studie durchgeführt, die sehr differenziert und ausführlich beschrieben wird. Zur Behandlungsbeurteilung erstellen sie eine Aufteilung nach Altersstufen, Risikofaktoren und Catterall-Einordnung. "Nach unseren Untersuchungen profitieren v.a. jüngere Kinder unter 7 Jahren (Skelettalter) mit Dezentrierung und lateralem Anbau von der Operation" (S. 315). "Die Catterall-Gruppen 1 und 11 der jüngeren Kinder unter 7 Jahren brauchen nach der Literatur selten und nach unseren Ergebnissen normalerweise nicht operiert zu werden. ... Wir betrachten ... die operativen Ergebnisse hinsichtlich der Catterall-Gruppen 111 und IV dieses Alters mit Zurückhaltung, da wir häufig auch mit konservativen Verfahren gleichwertige Ergebnisse erzielen konnten." (S. 316). ..Statistisch ändern sich weder beim konservativen noch beim operativen Verfahren Hüftwert und Gesamtquotient." (S. 317) "Bei den älteren Kindern über 7 Jahren (Skelettalter) (hat) die Operation ... nicht nur keinen Einfluß auf die eigenständige morphologische Entwicklung , sondern sie stört im Gegenteil auch die Biostatik des Hüftgelenks, selbst wenn im Krankheitsverlauf frühzeitig operiert wird.... Aufgrund der schweren Verlaufsformen und geringerer Wachstumspotentiale sind diese Hüftgelenke gegenüber der jüngsten Altersklasse nicht mehr in der Lage, aus der ihnen durch die Operation aufgezwungenen Fehlstellung herauszuwachsen". (S. 320) "Aussichtslos ist jede operative Therapie bei den ganz alten Kindern über 10 Jahren (Skelettalter), ganz gleich, ob Risikofaktoren vorliegen oder nicht..." (S. 325). "Wir haben immer so früh wie möglich, d. h., im aktiven Stadium... operiert und nie ein späteres Stadium abgewartet. (S. 325).
Im weiteren Verlauf werden verschiedene Operationstechniken auf ihre Durchführung und Anwendbarkeit hin diskutiert. Die Möglichkeit, auf eine Therapie zugunsten eines natürlichen Verlaufs zu verzichten, wird allerdings kritisch gesehen. 'Nur bei bestimmten Erkrankungsformen kann auf eine Therapie verzichtet werden. Dies sind die Gruppe Catterall 1 und die der Gruppen 11 und 111 bei sehr jungen Kindern. " (S. 341).
Schlußfolgerungen der Autoren sind:
"Nicht alle Perthes-Hüften profitieren von einer Therapie. Dies liegt an dem eigengesetzlichen Krankheitsverlauf Es gibt einen großen Prozentsatz von Perthes-Kindern, denen die strapaziöse, langwierige und psychosozial belastende Therapie erspart werden kann, da die Hüften ohnehin gut, oder trotz aller Bemühungen schlecht werden. So bleibt nur ein Teil der Erkrankungen, bei dem sich eine Therapie lohnt. ...
Nicht operiert werden Kinder unter 4 Jahren mit den Catterall-Gruppen 1 und 11, zwischen 4 und 7 Jahren mit der Catterall-Gruppe 1 sowie Kinder über 7 Jahren mit den Catterall-Gruppen 1, III und IV, da nach unserer Meinung die Remodellierungspotenzen bei jüngeren Kindern ausreichen und bei älteren Kindern ohnehin nicht mehr gegeben sind. Immer operiert werden Kinder zwischen 4 und 7 Jahren mit der Catterall-Gruppe 111 ohne Subluxation. Fakultativ operiert werden Kinder unter 4 Jahren mit den Catterall-Gruppen 111 und IV, Kinder zwischen 4 und 7 Jahren und mit den Gruppen 11 - IV und Kinder über 7 Jahren mit der Catterall-Gruppe 11 (S. 356 -357)
Fazit:
Das Buch ist für Leser mit sehr guten medizinischen Kenntnissen bestimmt und enthält dementsprechend gehäuft Fachbegriffe und Illustrationen wie Röntgenbilder, die der Laie ohne Vorbildung schwer einordnen und bewerten kann. Es empfiehlt sich angesichts des hohen Preises für betroffene Eltern eher, sich das Buch z.B. über eine Bibliothek zu entleihen und auftauchende Fragestellungen mit dem behandelnden Orthopäden zu besprechen. ( Man kann aber nicht unbedingt davon ausgehen, dass jeder Orthopäde das Buch kennt, so meine Erfahrung).
Susanne Wehking, März 2000
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