E M A I L
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Sri Lanka Reisenotizen
Auf dem Heimweg fühle ich mich wieder einmal aus dem Paradies vertrieben

"There is a memory in every moment at The Icebear" (Time Magazine)

Online Reprint der vergriffenen Erstausgabe von 1983 with compliments from Gerd Arthur Haisch,
Proprietor of The Icebear Beach Hotel, Negombo, Sri Lanka, www.icebearhotel.net
Mit freundlicher Genehmigung (C) des Pamelart Verlag, ISBN 3-905450-17-8


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in Deutsch
The Icebear
Strandhotel Negombo
Sri Lanka
Ich glaube, ich bin vom Himmel gefallen.
     Schon auf dem Flughafen schlägt es mir feuchtheiss entgegen. Der Monsunregen blieb aus bisher, Notstand, nur drei Stunden Wasser täglich, morgens um fünf, und während sechs Stunden kein Elektrisch, jeden Tag. Die drei Stauseen, die drei Viertel des Landesbedarfs sichern, sind fast leer. Viele Industrien arbeiten nicht mehr. Seit drei Jahren hat sich die Zahl der Elektrizitätsanschlüsse verdoppelt, das bisschen sogenannte Entwicklungshilfe scheitert an der Energie. Ich schütte mir nach Fischermannsart immer wieder den Wasserkübel aus dem Tank über den Kopf und weiss nicht, ob die Luft wärmer ist oder das Wasser. Ja langsam laufen. Zum Rasieren zehn Minuten haben. Das kleine Leben organisieren, die Tageshitze bewältigen, das kostet unerhörte Kraft. Leistung  liegt nicht drin, sie braucht kühles Klima, kühlen Kopf. Dass da die kleinen, feinen Kultiviertheiten nicht gedeihen, dass all die Artigkeiten ausbleiben, die Dankeschön und Bitteschön und Entschuldigensie und Wiegehtsdennheute, ist gut so, die Leute sind direkter, glaubwürdiger, echter eben. Bloss keine Erwartungen haben, wie es sein sollte, oder gar, wie es sein muss. Annehmen einfach, sich hingeben, sich geborgen und eins fühlen mit der Schöpfung.
     Hinein also ins tropische Paradies.
     Nach einem Begrüssungstrunk hinunter zum Meer, die ersten Bilder sammeln sich. Sie decken ein Dach, die Hunde liegen träg im Sand, die Fischer schälen die Fische aus den Netzen. Am Strand Palmen wie im Reiseprospekt, rote Erde, merkwürdig gebaute Fischerboote, der Indische Ozean.
     Auf dem Heimweg ein Rudel Kinder um mich herum, sie wollen meine Sachen tragen, mich zu sich einladen, und da lass ich mich drauf ein, besuche das Elternhaus. Ich sitze eine Stunde da auf einem Stuhl, den sie mir hingestellt haben, dem einzigen im Haus. Fünfzig Kinder, zwanzig Frauen, ich schwöre es, schauen mich an, und ich schau sie an. Mit der Zeit fange ich an, Märchen zu erzählen, und obwohl sie kein Wort verstehen, wird es ganz still. Später beginnt einer, der lieb, aber im Kopf nicht so recht ist, mit mir Englisch zu reden an. Die andern bewundern ihn deshalb, ich tue, als ob ich ihn verstünde, aber nichts von dem, was er sagt, ist Englisch, es tönt nur so. Ich verrate ihn nicht, und er liebt mich sehr deswegen. Später verschwindet er und kommt nach einer Weile wieder, den Kopf und die Haare über und über mit Mehl bestäubt. Alle lachen, als er sich stolz herzeigt, ein Weisser.  Mangels kolonialer Vergangenheit bin ich ein wenig verlegen.
     Der ältere Bruder kommt hinzu, er ist Steward im ersten Hotel am Platz. Ja, ich werde morgen zum Buffet kommen. Noch ein Nachbar, ich kenne ihn bereits vom Sehen, er verkauft in einem Shop Sarongs, das sind jene Stofftücher, die hiesige Männer statt der Hosen tragen und die sie abenteuerlich und in vielfältiger Art um sich herumwickeln. Auch er  lädt mich zu seiner Familie ein. Immer laden sie einen zum Essen ein.
     Am nächsten Tag besuche ich Seneviratnes, sie haben gekocht für mich, irgendwo haben sie gar Schildkröteneier aufgetrieben, die würden auch als Aphrodisiatikum gegessen seit alters her. Der Vater trinkt Arrak, die ganze Familie muss arbeiten. Sie machen Zigarren von Hand, dreitausend am Tag. (Sie ziehen nicht!). Mutter, Schwester, Kinder, Schwiegersohn, alle haben ihr Brot, aber der Leader fehlt, bewegt sich im meditativen Vorfeld des Nirwana. Es wird wegen schlechter Organisation noch immer zu wenig produziert, es hat zu wenig zum Essen.
     Der Onkel wird später einmal die jetzt fehlende  Leitung übernehmen, die Produktion in sein Haus verlagern. Ihm habe ich letztes Jahr zweihundert Franken gegeben, damit er sich Tabak kauft, als Vorrat, und das hat die Produktion vervielfacht. Aus Dankbarkeit überraschte er mich letztens mit einer Zigarrenmarke meines Namens. Und weil ich von denen seither ein paar Kistchen importiere, bringt ihm das bei den Abnehmern enormen Goodwill und grossen Respekt:  Er bietet die Sorte jetzt als - teurere - Exportqualität an.
     Grillen nachts, ein hoher Sternenhimmel, Laute, Stimmen und Geräusche, die ich nicht kenne. Einmal, im Landesinneren, habe ich ein grandioses Naturschauspiel gesehen. In einem einzigen, ganz bestimmten Dorf, während dreier ganz bestimmter Wochen im Jahr, kommen allabendlich Millionen kleiner Vögel, sitzen dichtgedrängt auf allen elektrischen Drähten zum Schlafen und verschwinden bei der ersten Morgendämmerung so plötzlich, wie sie gekommen sind.
     Eine Vegetation, wie ich sie nur aus heimischen Tropenhäusern kenne, diesen obszönen Pflanzenzoos, die schon das Fernweh unserer Grossväter stillten. Betel kauen, in der Hocke sitzen, die Kinder mit sich tragen, irgendwo die Notdurft verrichten. Viele neue Shops an der Strasse zum Meer, wo jetzt Hotels sind, statt Fischerhütten: wieder seien dreissig Familien weggezogen, niemand weiss, wohin. Manchmal eine Touristengruppe, die ihre Unsicherheit hinter Arroganz versteckt. Sunil  sagt, sie würden einen nie in die Augen sehen.
      Eine Fahrt über Land mit dem Taxi. Der Driver ist nett, aber ein Schlingel. Er verlangt mehr, als wir vorher vereinbart haben, doch werde ich  erst ungehalten, als er mitten in der Hauptstadt anhält, aussteigt, laut sein Recht verlangt, und zehn Minuten später hundert Leute aufgeregt um uns herumstehen, so dass es mir tatsächlich unbehaglich wird. Ich lenke ein, notiere mir die Nummer, gehe nachher zur Polizei und erzähle die Geschichte. Ich bin wohl in vielerlei Hinsicht ein Entwicklungshelfer, aber keine Milchkuh, die man ständig melken kann. Es stellt sich heraus, dass er die Hälfte zuviel verlangt hat, und die muss er mir zurückgeben. Aber dann lädt er mich feixend zum Arrak ein.
     Auf der Terrasse des Nobelhotels bei eisgekühltem Tee eine Plauderei mit der aufreizend gelangweilten Frau eines UN-Beamten, die unbesehen alle Vorurteile ihres abwesenden Ehemannes zitiert. Es ist entlarvend und beschämend.
     Im Stadtteil mit dem tiefsinnigen Namen  Slave Island bin ich eine Stunde später Zeuge einer Dirnen-Auktion. Ein Rudel knallfarbig in die Nacht leuchtende Frauen steht an den Fenstern und unterhält sich nach Taubstummenart mit den Händen, doch ausgelassen kreischend. Zahlreiche einheimische Freier zeigen mit den Fingern das Preisgebot, jeder Finger bedeutet hundert Rupien, und in einer - ich gestehe es, mir weitgehend verständlichen - Geheimsprache malen sie mit den Fingern und Händen obszöne Bilder dazu, um ihr Menu zu bestellen. Zwei alte Weiber stehen vor dem Höllentor und sorgen für die Einhaltung des Vertrags.
     Ein Rudel schwarzer Schweine spielt auf der Strasse. Saman gegenüber mit diesem miesen Schuhschachtelhaus hat seine Negombo Pension um zwei Räume vergrössert, nach jeder Saison gibt es ein Zimmer mehr. Der Bank traut er nicht, Schulden mag er nicht, ohnehin bekommt keiner über Fünfzig ein offizielles Darlehen, das Risiko ist zu gross. Die Inflation galoppiert, entsprechend ungeheuerlich ist der Habenzins,  ich bekomme achtzehn Prozent auf mein Sparheft bei der Staatsbank, das ich anekdotisch angelegt habe. Sein Bruder sei gestorben. Auf die Frage nach der Ursache sagt mir der von den Hindus konvertierte Haudegen allen Ernstes, der Teufel habe ihn geholt, das sei bei den Katholischen so. Dann will er mir aus der Hand  lesen... (*)

(*) Mit untenstehendem rotem Link erhalten Gäste der Privatpension The Icebear, Negombo, Sri Lanka, den vollständigen Text dieses Sri-Lanka-Journals an ihre Emailadresse gesandt, selbstverständlich gratis
The Icebear Strandhotel, Negombo, Sri Lanka mit Swissness??, Lewis Place 103-2, Fax 0094-3l-2233862, www.icebearhotel.net