Korruption am Weißen Nil: Schulden für Uganda, Gewinne für Amerika
Trotz
weltweiter Kritik plant die Weltbank die Finanzierung eines
überteuerten Großstaudamms in Uganda, der einem US-Konzern Gewinne
garantiert, das Land aber noch tiefer in die Verschuldung treibt - ein
klassischer Fall falsch gesteuerter Globalisierung.
Von Harald Schumann, DER SPIEGEL
Der Lärm ist ohrenbetäubend, der Anblick überwältigend. Bis zu 3000
Tonnen Wasser stürzen jede Sekunde über die Klippen in die Tiefe, die
Gischt lässt zahllose Regenbogen im Tropfenschleier schillern. Hier, an
den Bujagali-Stromschnellen des Weißen Nil in Uganda, bewunderten schon
die Abenteurer des 19. Jahrhunderts das Spiel der Farben und
Naturgewalten.
Und eben hier, rund 100 Kilometer nördlich der Hauptstadt Kampala,
wollen die Raubritter des Globalisierungszeitalters das große Geld mit
der Armut machen: Quer über den 700 Meter breiten Strom wollen der
US-Kraftwerkskonzern AES und die ugandische Regierung mit Hilfe von
Krediten der Weltbank und der Westdeutschen Landesbank eine 30 Meter
hohe Staumauer errichten, an deren Abfluss vier Turbinen die Kraft des
Wassers in jährlich über 1000 Gigawattstunden Strom verwandeln. Das
würde die Kraftwerkskapazität des bettelarmen Uganda verdoppeln.
Das Projekt, so verspricht es AES-Manager Mark Fitzpatrick, werde
"ein Meilenstein für Uganda und Afrika" und Weltbank-Chef James
Wolfensohn spricht gar von einem "erstklassigen Entwicklungsprojekt".
Doch was daher kommt wie eine grandiose private Investition in
Afrikas Zukunft, droht einer der teuersten und schäbigsten Fehlschläge
der internationalen Entwicklungspolitik zu werden. Denn die technischen
und wirtschaftlichen Bedingungen des Projekts zielen grob an den
Interessen der ugandischen Bevölkerung vorbei.
Der absehbare Strompreis ist für die meisten Ugander unbezahlbar
und das Verteilungsnetz gänzlich unzureichend. Gleichwohl garantiert
die Regierung des ugandischen Potentaten Yoweri Museweni dem
Betreiberkonzern die Abnahme zum Festpreis - ein Vertrag, der ohne jede
öffentliche Ausschreibung zu Stande kam und schon deshalb nach
Bestechung und Vorteilsnahme riecht. Ein "Wirtschafts- und
Staatsverbrechen" bahne sich an, empörten sich daher ugandische Gegner
des Dammbaus. "Die Weltbank ist drauf und dran, ihre alten Fehler im
großen Stil noch einmal zu wiederholen", warnt auch Heffa Schücking,
Sprecherin der Umwelt- und Entwicklungsorganisation "urgewald".
Gewinn ohne Risiko
Größter Nutznießer des 573 Millionen Dollar teuren Vorhabens ist
der US-Stromkonzern Applied Energy Systems (AES), der weltweit 182
Kraftwerke in betreibt, vornehmlich in Entwicklungsländern. Dabei ist
das Unternehmen zugleich größter Kunde der International Finance
Corporation, des kommerziellen Zweiges der Weltbank, der gleich mit
mehreren Milliarden Dollar Kredit- und Bürgschaftszusagen bei
AES-Projekten engagiert ist.
Genau so soll es auch beim Bujagali-Damm laufen. Lediglich ein
Fünftel der Kosten will das Unternehmen selbst aufbringen. Den ganzen
Rest will ein von der IFC angeführtes Bankenkonsortium per Kredit
bereitstellen, an dem sich auch die Westdeutsche Landesbank und die von
der Bundesregierung mitgetragene Afrikanische Entwicklungsbank
beteiligen.
Bei all dem gehen die amerikanischen Strommanager und ihre Banken
jedoch keinerlei unternehmerisches Risiko ein. Denn die Frage, ob und
zu welchem Preis ihr Strom in Uganda verkäuflich ist, muss sie nicht
kümmern. Dafür sorgt ein Vertrag, den die örtliche
AES-Betreibergesellschaft mit der ugandischen Regierung schloss. Darin
verpflichtet sich die staatliche Stromgesellschaft des Landes für 30
Jahre zur Abnahme des Stroms zum kostendeckenden Preis einschließlich
Gewinnzuschlag für AES - in US-Dollar versteht sich.
Der Strom wird teuer und unverkäuflich
Doch zur Vermarktung der gewonnenen Elektrizität sind Ugandas
staatliche Stromverkäufer gar nicht in der Lage. Bislang haben gerade
einmal drei Prozent der Bevölkerung überhaupt Anschluss ans Netz. Das
ist zudem technisch hoffnungslos veraltet. Von dem im bislang einzigen
Großkraftwerk zehn Meilen stromaufwärts von Bujagali gewonnen Strom
gehen 30 Prozent unbezahlt verloren, sowohl durch technische Mängel als
auch durch illegale Nebenleitungen.
Abhilfe dafür sollen nach den Plänen der Weltbank die
Privatisierung des Stromnetzes und weitere Investitionen in Höhe von
374 Millionen Dollar bringen. Allein, dafür gibt es bislang weder einen
Investor noch Kapital, dieser Teil des Geschäfts war für Amerikas
Stromglobalisierer nicht lukrativ genug. Gleichzeitig räumen selbst die
von der Weltbank beauftragten Experten ein, dass sich der Strompreis
für die Endkunden voraussichtlich auf über zehn US-Cent pro
Kilowattstunde verdoppeln müsste, um den teuren Dammbau zu finanzieren
- ein Preis, den sich höchsten ein Zehntel der Ugander überhaupt
leisten könnte.
Damit ist absehbar, dass Uganda mit dem Dammprojekt vermutlich nur
noch tiefer in die Schuldenfalle gerät. Bereits heute steht das Land -
trotz eines Teilschuldenerlasses - mit 3,7 Milliarden Dollar bei
ausländischen Kreditgebern in der Kreide und muss ein Viertel seiner
vornehmlich mit Kaffeeexporten verdienten Devisenerlöse für Zinsen
ausgeben. Mit dem Bujagali-Projekt werden die jährlichen
Verpflichtungen noch einmal um mindestens ein Drittel steigen.
Das "Krebsgeschwür der Korruption"
Nicht nur dieser Umstand deutet darauf hin, dass es bei dem Projekt
von Anfang an nicht mit rechten Dingen zuging. Auch die Tatsache, dass
Ugandas seit 16 Jahren amtierender Staatschef das Projekt nicht
international ausschreiben ließ, hätte die Weltbanker stutzig machen
müssen. Schließlich wird ihr Chef Wolfensohn nicht müde, bei allen
Gelegenheiten die Bekämpfung des "Krebsgeschwürs der Korruption"
anzumahnen.
Zudem erhoben bereits im Januar 1999 drei ugandische Parlamentarier
nach Presseveröffentlichungen den Vorwurf, der damalige Energieminister
Richard! Kajuka habe eine viertel Million Dollar für die Unterzeichnung
des AES-Vertrages erhalten - ein Vorgang, den der seit 16 Jahren
amtierende Chef des ugandischen Einparteienstaates Museveni mit der
Entfernung des Ministers aus dem Amt quittierte. Polizeiliche
Ermittlungen fanden nie statt. Stattdessen installierte Museveni seinen
Minister pikanterweise als Vertreter Schwarzafrikas bei der Weltbank,
wo er das Projekt weiter promovieren konnte.
Nicht minder fragwürdig ist die Beteiligung der ugandischen Firma
Madvhani an der Betreibergesellschaft AES Nile Power. Nicht nur dass
die Weltbank seit längerem gegen das Unternehmen wegen Korruption bei
anderen Projekten ermittelt. Zugleich sind drei seiner Mitarbeiter in
Uganda selbst wegen Unterschlagung von Mitteln für das Bujagali-Projekt
in Haft.
All das hinderte die das Exekutiv-Direktorium der Weltbank Anfang
Dezember vergangenen Jahres jedoch nicht, das Vorhaben durchzuwinken.
In dem Gremium, wo die nationalen Anteilseigner aus den
Wohlstandsnationen die jeweiligen Kredite genehmigen müssen, war das
Vorhaben bis dahin offenbar völlig unstrittig.
"Wir müssen endlich privates Kapital nach Afrika bringen",
rechtfertigt Eckhardt Deutscher, Weltbank-Vertreter der Bundesregierung
seine Zustimmung, obwohl doch allein der Steuerzahler in Uganda und den
Staaten seiner Kreditgeber haftet. Zudem zwinge der überschüssige Strom
Uganda zur Kooperation mit den Nachbarländern zur Zusammenschaltung
ihrer Netze für Stromhandel, meint Deutscher. Auch das sei eine gute
Sache.
Weckruf durch die bankeigene Prüf-Kommission
Pech nur, dass Fachleute an anderer Stelle der kruden Argumentation
nicht folgen wollten. Auf Antrag der ugandischen Dammgegner nahm sich
das von der Bank finanzierte aber unabhängige "Inspection Panel", eine
Art Prüfkommission, das Projekt vor und kam zu vernichtenden
Ergebnissen.
Die Prüfer bestätigten nicht nur die im In- und Ausland
vorgebrachte Kritik, dass die Projektplaner der Bank das
Kraftwerksvorhaben ihres Lieblingskunden AES mit viel zu optimistischen
Annahmen schön gerechnet hatten. Schon eine mäßige Abwertung des
ugandischen Schilling gegenüber dem Dollar, so befanden die
Kontrolleure, würde den Strompreis in unbezahlbare Höhen treiben, weil
der ugandische Staat in Dollar bezahlen aber für Schillinge verkaufen
müsste. Zudem machte sich die Kommission die Forderung zu eigen, dass
der Stromvertrag zu Lasten der AES grundsätzlich verändert werden
müsste, um das Marktrisiko nicht nur der ugandischen Bevölkerung
aufzubürden.
Auch dieses Urteil wäre vermutlich folgenlos geblieben, hätte nicht
die schwedische Export-Bürgschaftsagentur im Februar beschlossen, dass
sie ihre ursprüngliche zugesagte 100-Millionen-Dollar-Garantie für
schwedische Lieferfirmen von AES wegen des "zu hohen Risikos"
zurückzieht. Zuvor hatten bereits die entsprechenden Behörden in
Großbritannien und den USA solche handelsüblichen Garantien verweigert
und so das komplexe Finanzierungskonzept zum Einsturz gebracht.
Als die AES-Freunde bei der Weltbank Anfang Juni nun auch noch die
fehlenden Export-Garantien über die hauseigene Agentur nachliefern
wollte, zog Weltbank-Präsident Wolfensohn die Notbremse. Wegen
angeblicher neuer Korruptionsvorwürfe ließ er kurzerhand die
vorgesehene Zustimmung des Exekutiv-Direktoriums auf unbestimmte Zeit
verschieben.
Rettung durch den Enron-Effekt
Zwar hatte Wolfensohn selbst noch im Dezember erklärt, alle Klagen
wegen Bestechung im Bujagali-Fall seien "vollständig ermittelt" und
keine Beweise gefunden worden. Doch womöglich ist die angeblich neue
Korruptionsaffäre nur ein Vorwand für einen Ausstieg aus dem Projekt
ohne allzu großen Gesichtsverlust. Denn der neue Hinweis, so berichtete
das "Wall Street Journal", kam ausgerechnet aus der Zentrale des
AES-Konzerns selbst.
Dessen Management kämpft aber derzeit ums Überleben. Nach einem
Kurssturz der AES-Aktie um 88 Prozent kündigte das Unternehmen
umfangreiche Beteiligungsverkäufe an, um seine Bilanz aufzubessern. Gut
möglich dass dem Konzern darum zur Zeit einfach nur das Eigenkapital
fehlt, um die Baugesellschaft vor Ort, die AES Nile Power, mit den
nötigen Mitteln auszustatten.
So bleibt Uganda der teure Irrweg in den Dammbau vielleicht doch
noch erspart und die Weltbank hat Zeit, sich wieder auf ihre eigenen
Richtlinien zu besinnen, die eigentlich die Förderung der jeweils
günstigsten und sozialverträglichsten Möglichkeiten zur Entwicklung
eines Landes vorschreiben.
Die gibt es selbstverständlich auch für Ugandas Stromproblem, wie
das Nachbarland Kenia eindrücklich demonstriert. Dort beziehen
inzwischen mehr Menschen ihren Strom aus Solarzellen als aus
Kraftwerken. Schon an die 50 private Firmen bauen überall im Land
Photovoltaik-Anlagen, die Branche wächst ohne jede Subvention bis zu 18
Prozent im Jahr.
Billiger für Uganda wäre auch die Errichtung kleinerer
Erdwärmekraftwerke, die wegen des heißen Grundwassers im "Rift Valley"
vergleichsweise günstig zu errichten wären - eine Alternative, deren
Machbarkeit ausgerechnet die Weltbank selbst demonstriert. Im
kenianischen Teil des Tals finanziert sie den Bau von
Erdwärme-Generatoren.
SPIEGEL ONLINE - 10. Juli 2002