Helmbrecht als Lehrgedicht
Die didaktische Wirkung der Versdichtung in ihrer
zeitgenössischen Rezeption
© Petra Höfels, Aachen, im November 1995
Das Märe vom Helmbrecht gehört zu den kleineren mhd. Dichtungen des Spätmittelalters und ist gattungsgemäß innerhalb der Versepen des 13. und 14. Jahrhunderts am ehesten den moralischen Exempeldichutngen zuzuordnen. Dieses nicht einmal 2000 Verse umfassende Werk aus dem späten 13. Jahrhundertist auch in heutiger Zeit von literarischem Interesse, was sich nicht zuletzt an den zahlreichen Forschungen und Veröffentlichungen ablesen läßt.
Die Geschichte vom ungehorsamen Bauernsohn Helmbrecht, der Ritter werden wollte und als Räuber endet, der verstümmelt und verstoßen schließlich von anderen Bauern gehenkt wurde, bietet eine Vielzahl von Aspekten, die dem neuzeitlichen Leser das mittelalterliche Leben durch zeitgenössische Literatur nahezubringen vermag und es dabei versteht, auch den heutigen Ansprüchen von Unterhaltung gerecht zu werden.
"Das Märe vom Helmbrecht vermittelt uns Einsichten in bestimmte mittelalterliche Lebensverhältnisse, die die idealisierende hohe Dichtung dieser Zeit bewußt ausklammert; es bringt uns auf diesem zeitbedingten Hintergrund zugleich tiefere menschliche Probleme nahe, die eine überzeitliche Gültigkeit besitzen und auch den heutigen Leser bertoffen machen"
Der Inhalt des Märe ist schnell zusammengefaßt: Es handelt vom Bauern- bzw. Meiersohn Helmbrecht, der sich nicht mehr mit seiner Herkunft und seinem Stand zufrieden gibt und als Ritter an den Hof will.
Er wird zunächst von Mutter und Schwester höfisch eingekleidet und mit einer ritterlichen Ausrüstung ausgestattet, wobei die Erstellung einer prächtigen Haube besonders viel Raum einnimmt. Auch auf das äußere Erscheinungsbild des jungen Helmbrechts wird explizit hingewiesen (V.10-13), da die blonden Locken, bzw. das Tragen langer Haare als nicht standesgemäß im Sinne von nicht-seiner-Herkunft-entsprechend zu betrachten ist, für den Aufstrebenden allerdings Zeichen seiner Besonderheit darstellt. Zur Vervollkommnung seiner ritterlichen Ausrüstung schließlich versorgt ihn der Vater mit einem Streitroß.
Trotz wiederholter Mahnungen des Vaters, der den Sohn nicht nur davor warnt, sich über den angeborenen Stand zu erheben, sondern auch davor, sich mit der Lösung der Vormundschaft auch der Schutzgemeinschaft der Familie zu entfliehen, erweist sich der Sohn als unbeirrbar und unbelehrbar und verläßt das Vaterhaus.
Helmbrecht schließt sich einer Gruppe von Raubrittern an und verbringt die Zeit mit grausamen Verbrechen und Trinkgelagen.
Bei einer ersten Heimkehr in das elterliche Haus kommt es nach einer großzügigen Begrüßungsfeier zum endgültigen Bruch mit dem Vater, und Helmbrecht kündigt der Familie den Frieden auf. Einzig der Schwester bleibt er wohlgesonnen, ist sie doch für die Heirat mit einem seiner Gefährten zu gewinnen. Gotelint schließt sich ohne Wissen und Zustimmung der Eltern ihrem Bruder und dessen zwielichtiger Gesellschaft an und wird Lemberslints Frau.
Noch während des Gelages, das im Anschluß an die Hochzeitszeremonie stattfindet, werden die Verbrecher durch einen Richter und dessen Helfer gefangen, gefesselt und vor Gericht geführt. Nach der sofortigen Eröffnung des Gerichtsverfahrens erfolgt wenig später die Hinrichtung.
Helmbrecht wird aufgrund eines Rechts des Henkers begnadigt und kommt - verstümmelt und geblendet - mit dem Leben davon.
Reumütig kehrt er nach Hause zurück, wird
jedoch vom Vater - wenn auch schweren Herzens - der Tür verwiesen. Anton Schwob
verweist in diesem Zusamenhang auf die bayrische und österreichische
Landesfriedensgesetzgebung, die festlegte, "daß man einem Geächteten
und Gebannten jegliches Asyl, ja sogar Almosen verweigern mußte, wie dies der
alte Helmbrecht tut." Im folgenden irrt der Held heimatlos, hilflos und
einsam durch das Land. Schließlich entdecken ihn im Wald einige Bauern, die er
vordem mißhandelt und bestohlen hat. Sie rächen sich nun an ihm, indem die ihn
verprügeln und zu guter letzt an einem Baum aufknüpfen, wo Helmbrecht sein
gerechtes Ende findet.
In gewisser Weise ist die Helmbrecht Erzählung
als untypisch für die mhd. Dichtung zu betrachten, stellt sie doch im Gegensatz
zu der sonst überwiegenden ritterlichen Standesdichtung den Bauern in den
Mittelpunkt der Handlung. "Die Bauern als niedrigster Stand der
mittelalterlichen Ständepyramide tauchen in der mhd. Dichtung nur selten und
zumeist als ungesittet Randfiguren auf". Wernher der Gärtner setzt in
seiner Verserzählung erstmals den Bauern in ausgeprägter Charakterisierung als
Handlungsträger ein und stellt in den Figuren von Vater und Sohn, beide dem bäuerlichen
Stand entstammend, positive und negative Ausprägungen des Millieus vor, "indem
er die literarischen Tendenzen seiner Vorbilder, vor allem Neidharts und des
Stricker, zusammenbringt und am Beispiel eines Vater-Sohn-Konfliktes und
zugleich ständischen Konflikten dichterisch realisiert".
Dieser Vater-Sohn-Konflikt soll im Folgenden insbesondere anhand des Dialogs zwischen Vater und Sohn innerhalb der Verse 403-652 als Beispiel für Lehrdichtung untersucht werden. Die didaktischen Funktion des Werks in seiner Rezeption ist dabei ein Aspekt auf den besonders eingegangen werden soll.
Der Name des Dichters ist den Schlußversen der
Erzählung entnommen, in denen er in der in Form einer Gebetsbitte an das
Publikum wendet:
Swer iu ditze maere lese,
bitet daz im got genaede wese
und dem tihtaere,
Wernher dem Gartenaere (V.1931-1934)
Die Person des Dichters, seine Herkunft, Bildung und Stand bleibt jedoch gänzlich unbekannt. Der Name läßt eine Vielzahl von Vermutungen zu, etwa daß Gartenaere auf eine Tätigkeit zurückzuführen ist, der Verfasser also (Kloster-) Gärtner oder Besitzer eines Gartens gewesen ist, oder die metaphorische Deutung als "Arbeiter im Garten der Dichtkunst".
Die Form des Namens steht allerdings in der Tradition der Spruch- und Märendichter des 13. und 14. Jahrhunderts, die zu ihrem Rufnamen noch einen Berufs-, Herkunfts- oder Übernamen tragen um sich so von den seßhaften Dichtern zu unterscheiden. Am naheliegensten scheint daher die Erklärung, daß sich hinter dem Zusatz das Verb garten verbirgt, die mittelhochdeutsche Bezeichnung für "bettelnd umherziehen". Es würde sich dann bei Wernher um einen fahrenden Sänger handeln, der eigene Dichtungen und die anderer gegen Entlohnung vor einem literarisch gebildeteten Kreis vorgetragen hat. "Dafür sprechen auch die didaktischen Einwürfe an das Publikum, die Neigung zur Vierzeilergliederung, die Kenntnis anderer mhd. Dichtung und ihre Stilformen, möglicherweise auch Andeutungen von eigenen Liebeserfahrungen (209f.), evtl. auch ein vortrags- und situationsbedingter Ortsnamenwechsel," wie er den beiden erhaltenen Handschriften A und B als wesentlicher Unterschied zu entnehmen ist.
Festzustellen bleibt, daß Wernher über genauestete Bibelkenntnisse verfügt, was eine kirchliche Schulbildung nicht ausschließen läßt und zudem umfassende literarische Bildung nachweisen kann. Die Annahme, ihn der klerikalen Herkunft zuzurechnen, ist jedoch nicht naheliegend, da an einigen Stellen Kritik in Bezug auf phaffen (V. 780) zutage tritt, und eine eher juristische als kirchliche Laienmoral vertreten wird. "Seine Kenntnisse, die ebensoviel Erfahrung wie Buchgelehrsamkeit zu verraten scheinen, und seine dichterischen Techniken passen gut zu dem Bild, das wir uns von mittelalterlichen Berufsdichtern machen können."
Die anhaltende Wirkung und Aufnahme der Dichtung in später entstandenen Werken (z.B. Seifried Helbing) läßt sich heute nicht mehr klären, ist aber im Zusammenhang mit der künstlerischen Bedeutung des Werks zu sehen. Unbeantwortet bleibt die Frage nach den Gründen Wernhers, das bäuerliche Milieu als Handlungsort für seine Dichtung zu wählen, und das in einer Ernsthaftigkeit, die im Gegensatz zu den Schwänken und possenhaften Erzählungen Neidharts und des Strickers steht, die den Bauern als tumben Narren oder Trottel darstellen.
Der von dem Dichter im Prolog beteuerte
Wahrheitsgehalt der Dichtung, der mehrfach wiederholt die Geschichte als mit mit
eigenen Augen gesehenes bezeugt, dient wohl weniger dem tatsächlichen Zeugnis,
als vielmehr in erster Linie der Gegenwartsbezogenheit der Geschichte einerseits
und der Abschreckung andererseits, was den bispel-Charakter
unterstreicht.
Die Lebenszeit Wernhers und die Entstehung der Dichtung läßt sich dem entsprechend ebenso wenig genau feststellen. Die zeitliche Begrenzung liegt nach der zeitlich frühesten Begrenzung zwischen dem Tod Neidharts, auf den der Dichter in Andeutungen eingeht, und dem letztmöglichen Datum aufgrund der Nachwirkungen der Helmbrecht-Dichtung in späteren Werken. Daneben können zur zeitlichen Einordnung auch inhaltliche Bezugspunkte, z.B. die Blütezeit des Raubrittertums etc., herangezogen werden.
Als Entstehungszeit des Märe wird heute meist
der Zeitraum um 1280 genannt.
Bemerkenswert bleibt die von Wernher gewählte Thematik, die die Frage hervorruft, welche Intention hinter der vordergründigen Darstellung der bäuerlichen Welt und des eindeutig fehlgschlagenen Versuchs des Ausbruch durch den jungen Helmbrecht steht.
Zweifellos gelingt es dem Dichter, den bäuerlichen Lebensraum und seine sozialen Eigenschaften präzise aus der internen Perspektive wiederzugeben. "Die ethische Ernsthaftigkeit, mit der Wernher vor allem die Figur des alten Meier Helmbrecht zeichnet und mit der er seine Wertvorstellungen verkündet, hebt seine Dichtung über alle anderen `Bauerndichtungen´ der Zeit hinaus". Gleichzeitig werden Ansehen und Moral der höheren Stände, insbesondere des Ritterstandes aus dem Blickwinkel des Bauernstandes geschildert, wobei auch Kritik zu vernehmen ist. Dadurch erfährt gerade die bäuerliche Lebenswelt eine Zuordnung in Bezug auf Recht und Ordnung, Tugend und Moral sowie Sitte und Ehre, die diesem Stand in der zeitgenössischen Literatur nicht zukommt und somit erstmals ein vollkommen anderes Licht auf die Lebensweise der rechtschaffenen Bauern wirft.
In der Darstellung des Vaters ist das Bild vom ehrlichen und gottesfürchtigen Mann des Bauernstandes gezeichnet, der im Gegensatz zu seinem Sohn an der bestehenden Werteordnung festhält. Die Auseinandersetzung zwischen Vater und Sohn nimmt innerhalb der Dichtung einen großen Teil der Handlung ein. Die Dialogform unterstreicht die jeweils polarisierenden Einstellungen der Protagonisten und ermöglicht dem/der Zuhörer/in Sympathien zu entwickeln und Stellung zu beziehen. Durch diese Art der Gegenüberstellung wird zusätzlich die Vernunft auf der einen und die Unvernunft und Uneinsichtigkeit auf der anderen Seite der Konfliktparteien deutlich. Der Dichter nimmt beim Vortrag des Märe eher die Rolle des Vaters ein, worin seine Kritik am Adel zwar verdeckt erscheint, jedoch von der Rechtschaffenheit der Figur und dem weiteren Handlungsverlauf überlagert wird.
Die Lehrhaftigkeit des Dialogs zwischen Vater und
Sohn ist in verschiedener Hinsicht von Bedeutung und soll im folgenden genauer
untersucht werden.
In den Versen 403 - 648 ist die zweite Auseinandersetzung zwischen dem alten Meier und dem jungen Helmbrecht bezüglich der Absicht des Sohnes, Haus und Stand zu verlassen und in Zukunft das Leben eines Ritters zu führen, in Dialogform wiedergegeben.
Zu Beginn des Gesprächs erwartet der junge Helmbrecht in seiner Ausrüstungt voller Ungeduld den Beginn seiner aventûre, was einleitend als erzählerische Beigabe beschrieben wird:
Dô der sun wart bereit
und er sich hêt an geleit, (V 403f)
Die Beschreibung seiner Wildheit vollführt er selber in wenigen Zeilen (V 407-423) und bekundet darin sein übersteigertse Selbstgefühl durch Mißachtung von Kaiser, Herzog und Grafen. Nachfolgend erbittet er die Lossagung von seinem Vater, um ein selbstständiges Leben zu führen:
la mich ûz dîner huote;
hinnen für nâch mînem muote
wil ich selbe wahsen (V 419-421)
huote bedeutet hier das gleiche wie zuht, also die Muntgewalt des Familienoberhaupts. Storp ist der Ansicht, daß sich der junge Mann in eine Freiheit begibt, "die keine Gesetze kennt, in die Vogelfreiheit, ohne rechtlichen Schutz. Denn der Vater entläßt ihn schließlich aus seiner huote, aus seiner Muntgewalt, aus der Familie aus dem Sippenverband (...)".
Dem Wunsch des Sohnes kommt der Vater in den Versen 424-438 nach und entläßt den Sohn aus seiner Rechtsgewalt (munt):
Er sprach: `sun, sô wil ich dich
mîner zühte lâzen frî.
nû zuo des der neve sî! (V 424-427)
Der Vater ist nach dieser Lossagungsformel nicht länger für seinen Sohn verantwortlich. Es handelt sich um eine "Art Mündigkeitserklärung, die Helmbrecht nunmehr voll für seine Taten verantwortlich macht". Seelbach sieht darüber hinaus in dieser Handlung eine Art Entsippungsformel die einer Entzweiung gleichkommt: "Da der Vater den Sohn aus der Munt entlassen hat und kein anderer die Aufsicht über Helmbrecht zu übernehmen scheint, wird er vielleicht aus der väterlichen Sippe (neve, Angehöriger der Sippe) ausgestoßen worden sein".
In der Entlassung aus der väterlichen Erziehung ist jedoch bereits Sorge enthalten was sich in der Warnung vor der Zerstörung von Haube, Haar und Augenlicht niederschlägt (V 429-438). Hierin ist bereits eine erste Vorausdeutung auf Helmbrechts Ende und eine Andeutung auf die Träume (V. 577-634) des Vaters zu erkennen., die er seinem Sohn als letzten Warnungs- und Überzeugungsversuch am Ende des Dialogs darlegt.
In den folgenden Mahnungen zum Bleiben und zum Begnügen mit bäuerlicher Nahrung statt geraubten Gutes insistiert der Vater auf seine Bindung an den bäuerlichen Stand. Der alte Meier betont das Ehrenvolle seiner Lebensweise in Bezug auf Speisen, Verhalten und Tätigkeit und grenzt sich somit in positiver Weise von der korrupten Räuberei ab.
"In der Betonung bäuerlicher Speisesitten greift der Dichter - wohl vor einem adligen Publikum - auf die verschiedenen Speiseregeln des Mittelalters zurück, die bestimmte Speisen dem Adel vorbehielten, andere als ausgesprochen bäuerlich deklarierten und so die Standesunterschiede zu vertiefen suchten."
Neben der Distanzierung von Raubgütern ist auch eine Warnung vor den Folgen (hab ouch den schaden eine, V. 470) nicht zu überhören.
In seiner Antwort vergeht sich Helmbrecht erneut in grenzenloser Selbsterhöhung. Sein Plan steht fest, er will sich vom bäuerlichen Leben abwenden und überläßt die entsprechenden Speisen dem Vater:
und iz dû gîselitze,
sô wil ich ezzen ditze
daz man dâ heizet huon versoten;
daz wirt mir nimmer verboten. (V. 473-476)
Der junge Held läßt sich nichts mehr verbieten, er ist etwas besseres als sein Vater, der weiterhin Bauernspeise essen soll: haber der ist dir geslaht (V. 479).
Zur Begründung seiner Absichten, seinen Stand zu verlassenen und zu höherem berufen zu sein, zielt Helmbrecht in Vers 480-486 auf die Erbanlagen eines ritterlichen Paten:
ein kint gevâhe in sîner jugent
von sînem toten eine tugent.
ein edel ritter was mîn tote [...]
von dem ich sô edel bin
und trage sô hôchvertigen sin! (V.480-486)
Nach landläufiger Meinung sind Fähigkeiten und Eigenschaften (tugent) angeboren. Helmbrecht bedient sich an dieser Stelle in einer verqueren Argumentationsweise dieses feudalistischen Standpunkts. Von einem ritterlichen Taufpaten soll ihm edelkeit zugekommen sein. Helmbrecht benutzt den Begriff hôchvertigen sin als edle Gesinnung "Er mißversteht dabei den Vater, der zwar ebenfalls von sin gesprochen hatte [V. 465], aber die Vernunft meinte." Deutlich wird hier die Superbia Symbolik, die Überheblichkeit und Uneinsichtigkeit des Sohnes, die dazu führt, daß Helmbrecht genau das Gegenteil des vom Vater gemeinten wiedergibt, was in noch ausgeprägterer Form in den Träumen des Vaters und deren Deutung durch den Sohn zum Ende des Dialogs (V. 577-640) zu tage tritt.
In seiner Antwort verlegt sich der Vater auf die Betonung der Vorzüge des tugendhaften Lebens vor einem bloßen Geburtsadel ohne Tugend. Die Adelsdefinition des Meiers gibt wenig auf die adlige Geburt "Bei manchen didaktischen Autoren des Mittelalters finden sich auch Erörterungen über einen besonderen Tugendadel, der einem korrupten Geburtsadel entgegengesetzt wird und nicht an die ständische Herkunft gebunden ist." In der Argumentation des Vaters (V. 487ff.) sind Belehrungen zum rehte tuon, tugent und êre als sinngebend für edelkeit eingeflochten. Wer adelig sein will, solle edel handeln:
sun, und wilt dû edel sîn,
daz rât ich ûf die triuwe mîn,
sô tuo vil edellîche:
guot zuht ist sicherlîche
ein krône ob aller edelkeit; (V. 503-507)
Die guot zuht ist eine zentraler Begriff des adeligen Selbstverständnisses, worunter vorbildliche Erziehung zum gesitteten Verhalten in der Gesellschaft am Hof und unter gleichgestellten verstanden wird.
Die Tugendadel Definition - eine weit verbreitete Anschauung - stellt die adlige Geburt nicht zwangsläufig in Frage, aber die versucht den Adel auf den Pfad der Tugend zu leiten. Es gibt daneben auch Tugendadel Definitionen, die einen Schritt weitergehen und adelig nennen, wer tugendhaft handelt, selbst wenn er von niederer Herkunft stammt. Es wird der Schluß gezogen "daß man durch edelîche tuon geadelt werden kann und eine niedere Abkunft mehr als ausgeglichen werde".
Helmbrecht bleibt jedoch bei seinem Willen, dem väterlichen Hof den Rücken zu zukehren. Er geht auf den Gedankengang des Vaters nicht ein, sondern konstatiert erneut, ganz auf seine Person konzentriert, daß sein äußeres Erscheinungsbild und seine Ausstaffierung mit vornehmer Kleidung einen Aufenthalt in der bäuerlichen Umgebung nicht länger rechtfertigen.
mich enlât mîn hûbe und mîn hâr
niht mîn wol stânde gewaete
niht belîben staete. (V. 510-512)
Sein Wunsch, am Hofleben teilzunehmen, ist mit der Vorstellung von Tanz als Zeichen höfischer Kultur verbunden (V. 514). Ihm ist die "oberflächliche, völlig äußerliche Adaption ritterlichen Gehabes vorzuwerfen, das alle humanen Qualitäten, alle menschlichen Inhalte, die die ritterlich-höfische Kultur entwickelte, vermissen läßt."
In einem letzten Überredungsversuch appeliert der Bauer durch die Gegenüberstellung eines unrecht Handelnden und eines recht Handelnden an die witze (V. 521), an die Intelligenz des Sohnes. Über die Frage nach dem besseren Tun versucht er den Sohn zu einem Werturteil über nützliche Menschen und über Verbrecher zu bewegen.
Helmbrecht weiß wohl zwischen gut und schlecht zu unterscheiden und votiert für den Recht-Handelnden, der Nutzen bringt (des man geniezen sol, V. 541), "lehnt jedoch die Folgerungen für sein eigenes Leben in sarkastischem Spott gegen die `Predigt´ [V. 565] des Vaters ab" und wählt für sich die entgegengesetzte Lebensweise.
Der Plan des Vaters, mit diesem "Lehrgespräch" seinem Sohn die Augen zu öffnen hinsichtlich dessen Vorhaben und der zur Verfügung stehenden Alternative in einer geordneten Zukunft wird in der nachfolgenden Darstellung des Bauerntums (V. 545-560) deutlich:
Lieber sun, daz waerest dû,
ob dû mir woldest volgen nû. (V. 543f.)
In der Ermahnung des Vaters an den Sohn, seine Nachfolge anzutreten und durch die Betonung des Bauerntums als Grundlage der Harmonie in der Gesellschaft hält Wernher durch die Person des alten Meiers ein flammendes Plädoyer für die Leistung dieses Standes: "in der Literatur [...] ist selten eine so uneingeschränkte Anerkennung der Mühen des mittelalterlichen Bauern formuliert worden."
In dieser belehrenden Rede legt der Vater all seine Überzeugung für die Richtigkeit seiner Lebensführung offen dar. In seiner Lobrede auf seinen Stand "werden die segensreiche kulturelle und soziale Wirksamkeit des Bauern und deren Folgen für die gesammte Schöpfung und die menschliche Gesellschaft besonders hervorgehoben, da die bäuerliche Arbeit die Grundlage allen Lebens und aller Pracht und Schönheit wie auch von Reichtum und Macht darstellt (558ff.)." Zu den Aufgaben des Bauern gehört es, den Fortbestand der Schöpfung zu garantieren. Dies ist als Kompetenz- und Verantwortungsangebot an den jungen Bauernsohn anzusehen.
lieber sun, nû bouwe:
jâ wirt vil manec frouwe
von dem bûwe geschoenet,
manec künec wirt gekroenet
von des bûwes stiuwer. (V.553-557)
Unter Berücksichtigung der höfischen Rezeption ist eine unverhohlene Absicht seitens des Dichters zu erkennen, deutlich zu machen, daß die Bauern höhere Achtung verdienen, als ihnen das ihr angeborener Stand und die Ideologie der Adeligen zugesteht. Das Loblied auf das Bauerntum mündet in der Aussage, "daß ohne die Landwirtschaft, ohne die Abgaben aus dem Feldbau manch eine Dame schlecht aussähe, manch ein König nicht gekrönt wäre." Die Notwendigkeit der gegenseitigen Unterstützung bzw. die Verdeutlichung der Abhängigkeit wird jedoch durch den Stolz des Bauern auf sein Tun und durch seine Gottesfürchtigkeit nicht zur Bedrohung für den Adel, sondern bestätigt die ständische Ordnung als gottgewollt und somit unumstößlich.
Die Reaktion des Sohnes beinhaltet lediglich spottende Ablehnung der väterlichen Darstellung, die er als Predigt (predige, V. 565) bezeichnet. Er geht sogar so weit, sich über die Bauern in dem Maße zu äußern, wie es der Auffassung des Adels entspricht:
bûwent die gebûren vil,
si ezzent wol dester mê. ( V. 568f.)
Hier spricht die Überheblichkeit des Adels, für den der Bauer nur ein Objekt der Ausbeutung darstellt. Die Aussage über die Fressgier der Bauern steht in Kontrast zu dem Bauernlob, daß zuvor in der Rede des alten Meiers zu finden war.
Schließlich wiederholt Helmbrecht seine Entschlossenheit, die angestammte Lebenswelt zu verlassen:
ich wil dem phluoge widersagen. (V. 571),
was in dem widersagen eine Kampfansage an
den eigenen Stand beinhaltet. Die Schande durch schmutzige Arbeit, die sich in swarze
hende (V. 572) niederschlägt, wird von ihm als unpassend für die höfische
Kultur, insbesondere den Tanz, abgelehnt.
Nachdem alle Versuche des Vaters, den Sohn von seinem Vorhaben abzubringen fehlgeschlagen sind, begibt er sich zur letzten Überredungskunst in die Traumwelt, deren Aussagekraft von großer Bedeutung ist und deren Auslegung durch wisen (V. 579) Prophezeiungscharakter besaßen. "Dabei ist zu bedenken, daß Träume im Mittelalter, wie noch heute manchmal im Volksglauben, als Zukunftsoffenbarungen des jenseitigen aufgefaßt wurden." Sowinski verweist jedoch darauf, daß die Träume eigentlich nicht der Deutung durch die wisen bedürfen, da in ihrer Präsenz als solche für das Publikum eindeutig als Vordeutung für den Fortlauf der Erzählung und das Schicksal von Helmbrecht betrachtet werden konnten.
Die insgsamt vier Träume behandeln die Reihenfolge von Helmbrechts späteren Strafen.
Der erste Traum (V. 577-586) enthält die Ansicht von Helmbrecht, wie er mit Fackeln durch das Land zieht:
dû hêtest zwei lieht in der hant
diu brunnen, daz si durch diu lant
luhten mit ir schîne. (V. 581-583)
Damit ist das Schicksal der Blendung (V. 1688) bereits angedeutet.
Gleichzeitig ist auch eine Allegorie zu erkennen zwischen Helmbrechts Verhalten bzw. Reaktion auf den Traum und dem Inhalt des Traums. Die Verblendung des Helden, das Nicht-Sehen-Können/Wollen des ihm prophezeiten Schicksals äußert sich in seinen Bemerkungen zu den Träumen: uneinsichtig und starrköpfig gelingt es Helmbrecht die leicht zu deutenden Träume in ihrem Inhalt zu verdrehen und zu seinem Vorteil auszulegen.
Er sprach: `vater, daz ist guot.
ich gelâze nimmer mînen muot
umb sus geâniu maere; (V. 587-589)
Er besteht darauf ze hove zu ziehen und will sich daran durch die Reden des Vaters nicht hindern lassen. Es ist jedoch bezeichnend, daß im ersten Traum die Blendung Helmbrechts angedeutet wird und durch sein abweisendes Verhalten seine Ver-Blendung zu tage tritt.
Dem zweiten Traum (V. 592-600) ist deutlich das Schicksal vom abgeschlagenen Fuß (V. 1691) zu entnehmen:
ein fuoz dir ûf der erde gie,
dâ stüende dû mit dem anderen knie
hôhe ûf einem stocke; (V593-595)
Der hinkende und verstümmelte Helmbrecht ist als Bild für den Zusammenbruch des Rittertums anzusehen.
Dem Helden selber bedeutet die Aussage des Traums Vorausdeutung von Glück:
daz ist saelde unde heil (V. 601).
Im dritten Traum (V. 603-610) ist das Abschlagen der Hand (V.1691) vorausgedeutet:
dû soldest fliegen hôhe [...]
ein vettich wart dir versniten: (V. 605, 607)
Das Motiv des gestutzten Flügels ist in Anlehnung an das Ikarus Motiv zu betrachten. Daß Helmbrecht im Traum als Vogel erscheint, der hoch fliegen will (hôhe fliegen) steht in engem Zusammenhang mit der hôchvart, der Superbia gegenüber der weltlichen und göttlichen Ordnung.
Als Antwort besteht Helmbrecht jedoch weiterhin auf die Bekräftigung der Deutung von Glück und insistiert auf der Lossagung vom Vater:
schaf dir umb einen andern kneht: (V. 614)
Der vierte und letzte Traum (V. 617-634) ist der Höhepunkt der Vorausdeutungen, und wird deshalb vom Vater als "richtiger", als entscheidender Traum angekündigt:
nû hoer von einem troume, (V. 619)
Die Rache der Bauern und Helmbrechts Tod sind unmißverständlich Inhalt der prophetischen Aussage des Traums. Die Erzählung von Helmbrecht und den Totenvögeln (ein rabe, ein krâ, V. 624) auf einem Baum wird wiederum nicht verstanden bzw. führt zur Beteuerung des Festhaltens am Entschluß zum Weggang:
ich gelâze nimmer mînen muot
hinnen unz an mînen tôt. (V. 638f.)
Rede und Träume bleiben ohne Erfolg für den
Vater, der Sohn hält an seinem Entschluß fest und empfindet eine besondere
Notwendigkeit fortzugehen (V.640).
Der Sohn sendet dem Vater Abschiedsgrüße (V. 641-645) und ruft Gott um seinen Segen für alle an: got habe uns alle in sîner phlege (V. 645).
Damit ist der Dialog zwischen Vater und Sohn beendet. Der Dichter berichtet in seiner Funktion als beobachtender Erzähler von dem Fortgang Helmbrechts, der mit seinem Pferd ungestüm davonreitet
hin drâte er über den gater (V. 648)
und verbindet in den Zeilen 649-652 die Andeutung
auf das uneinsichtige aber auch brutale Wesen Helmbrechts durch den
vorangegangen Dialog mit der Schilderung seiner Untaten in den folgenden Versen.
Der Unsagbarkeitstopos (Sold ich allez sîn geverte sagen ... V. 649),
der auf die lange Liste der Verbrechen deutet und als Ankündigung eines
zusammengefaßten Berichts gesehen werden kann, unterstreicht die Grausamkeit
Helmbrechts ebenso wie die Unangemessenheit seinens Tun.
Die Funktion der Dichtung als Lehrgedicht ist
trotz der Ansiedlung der Handlung in das bäuerliche Milieu naheliegend. "Das
Märe ist tatsächlich lange Zeit als Parabel von der durch einen
Vater-Sohn-Konflikt gestörten Idylle und Plädoyer für eine strenge
Disziplinierung der Jugend gehandelt worden." Ursula Storp nennt die
Geschichte des Helmbrecht sogar als Beispiel für eine "gescheiterte
Sozialisation". Sie verweist darauf, daß die
Vater-Sohn-Auseinandersetzung in der mittelalterlichen Lehrdichtung ein
verbreitetes Motiv ist. "Dahinter verbirgt sich die Erfahrung, [...]daz
unde jugent/ selten gehellent einer tugent (Tristan, 4509f.)." In der
Helmbrecht Dichtung ist das literarische Schema des Generationskonflikt deutlich
dargestellt, das die traditionellen Werte unterstützt und zur Nachahmung des rehte
tuon der vorbildlichen Gestalt des Vaters anregt.
Vortragsort der Werke war in erster Linie die höfische
Gesellschaft. Die künstlerische Ausgestaltung des Märe setzt denn auch ein
literarisch gebildetets Publikum voraus, was sich etwa in der Haubenschilderung
niederschlägt, oder in der Schilderung der Hochzeitsszene der Räubergesellschaft,
die zahlreiche Hinweise auf das Ritterleben enthält und hier gezielt auf die
Trauzeremonie im Tristan anspielt, sowie in zahlreichen anderen Hinweisen und
Anspielungen, die in der Forschungsliteratur umfassend behandelt werden.
Die Verwendung der Dialogform zur Ausgestaltung des Vater-Sohn-Konflikts kommt den traditionellen Lehrgesprächen der höfischen Lehre sehr nahe.
"Dabei hat sich Wernher an die Tradition der Lehrgespräche zwischen Vater und Sohn angeschlossenen, einer Tradition, der schon der Winsbecke folgt. Auch hier ist der Vater das Sprachrohr des Autors, wenn auch im `Winsbecke´ der Vater ein Adliger ist und im `Helmbrecht´ ein Bauer."
Die Aufbereitung von pädagogischem Wissen und die Vermittlung von höfischer Lehre, von zuoht und êre, ist nicht allein an die Niederlegung in traditionellen Erziehungsschriften gebunden, sondern wurde auch mittels Vortrag von Mären dem aufgeschlossenen Publikum näher gebracht.
"Diese Erzählung ist von vorneherein auch ein pädagogischer Text, der zum Verhalten der jungen Generation engagiert Stellung nimmt, wobei das überzeitliche Interaktionsschema des Lehrgesprächs in Form der Vater-Sohn-Unterweisung Wernhers didaktischen Ernst unterstreicht."
Den Dialog als literarische Form zur Vermittlung von Werten und Lehre ermöglicht den Verzicht auf langatmiges, möglicherweise einseitiges Moralisieren. Da die Handlung durch den Dialog getragen wird, bleibt trotz der pädagogischen Inhalte die Spannung gewährt."Handlung und Lehre bilden hier eine untrennbare Einheit", die das Gespräch zwar der zwangsläufigen Wertung unterzieht, ohne jedoch den lehrhaften Charakter in den Vordergrund zu stellen.
Die Stellungnahme des Publikums erscheint zwangsläufig: Betrachtet man den Aufbau der Auseinandersetzung und die Verteilung der Dialogpartien in diesem Teil des Märe, so fällt auf, daß die Gewichtung der Aussagen in Umfang und Inhalt unterschiedlich verteilt ist. Die Rede des Vater ist mit 211 Versen gegenüber den 177 Versen des Sohnes deutlich umfangreicher. "Der Vater verfügt jedoch nicht nur über die größere Redefähigkeit, sondern auch über die größere Zahl gewichtiger Argumente."
Die Übermittlung der Inhalte liegt also neben dem Umfang der väterlichen Rede auch in dessen argumentativer Schlüssigkeit. Diese Logik ist im Vortrag der Werkes wahrscheinlich am besten nachzuvollziehen. Tschirch weist in seiner Einführung in das Werk darauf hin, daß der Dichter durch direkte Ansprache die Aufmerksamkeit des Publikums auf den Verlauf der Handlung verstärkt: "Dabei redet Wernher in fast allen Fällen die Zuhörer mit ir und iu(ch) unmittelbar an und verständigt sich so mit ihnen gleichsam augenzwinkernd über daz maere hinweg."
Es ist davon auszugehen, daß bei der Aufführung der Erzähler als Sprachrohr des Vaters auftritt, "er geht derart mit einem konkreten historischen Auditorium eine Interaktion ein, so daß sich auch das Publikum von den Lehrinhalten direkt angesprochen fühlen muß" Unterstrichen wird dies durch die wiederholten Aufforderungen des Autors, dem Folgenden die gesamte Aufmerksamkeit zu schenken, ausgedrückt in Formeln wie: nû hoeret wie der knabe sprach (V. 405).
In diesen Passagen, in denen Werher als
auktorialer Erzähler auftritt, schildert er das Geschehen als Vermittler
zwischen der fiktiven Welt der Erzählung und dem Publikum. Es geht im dabei um
eine gezielte Einflußnahme auf seine Zuhörerschaft, um den Wunsch, "die
offenen und versteckten Wertungen des Erzählers mitzuvollziehen."
Durch die Gegenüberstellung zweier konträrer Meinungen, vorgeführt durch Vater und Sohn, bedient sich Wernher des Prinzips, die positive Figur sympatisch, die negative Figur unsympatisch zu zeichnen. Dadurch wird dem Publikum die Identifikation mit der vorbildlich handelnden Person nahegelegt und eine Distanzierung zu der negativ agierenden Person veranlaßt.
Dieses Mittel des didaktischen Erzählens kann
innerhalb der Helmbrecht-Dichtung in Zusammenhang mit der Struktur der
griechischen Tragödien betrachtet werden. Die Hybris des Helden richtet sich
gegen die gottgewollte Ordnung und ist somit ein schwerer Verstoß gegen das
christliche Verständnis der ordo-Lehre im Mittelalter. Das Publikum empfindet
eine Bedrohung der ständischen Ordnung und erfährt durch Helmbrechts Scheitern
und die damit verbundene Wiederherstellung von Recht und Ordnung eine Katharsis.
Die didaktische Leistung liegt in der Darstellung einer bedrohten Wirklichkeit,
die für den Zuschauer den Anstoß zur Auseinandersetzung mit der aktuellen
Realität gibt. Die von dem Dichter bewußt gewählte Perspektive, deutliche
Stellungnahme und mahnende Warnung beinflußt das Publikum weitestgehend, "so
daß der so von der Bedrohung befreite Leser oder Hörer zu persönlichen
Auseinandersetzung mit ihr [der Wirklichkeit] im Sinne der Intention des
Autors veranlaßt wird."
In den Schlußzeilen (V. 1913-1930) verweist Wernher ganz explizit auf den pädogogischen Anspruch seines Werks, indem er wünscht, daß diese Geschichte eigenwilligen jungen Leuten erzählt werde und als abschreckendes Beispiel diene.
So erscheint der Lerneffekt zwar unumgänglich,
drängt sich jedoch durch die Einbindung in den Vortag einer Geschichte dem/der
Zuschauer/in nicht moralisierend auf.
Das von Werher dem Gaertenere um 1280 abgefaßte Märe Helmbrecht erfüllt in vielerlei Hinsicht den Anspruch mittelalterlichter Lehrdichtung.
Der Dialog zwischen Vater und Sohn mit den divergierenden Interessen beinhaltet einen unlösbaren Generationskonflikt, der sich in der Weisheit und Lebenserfahrung des Alten gegenüber der maßlosen Selbstüberschätzung der Jugend darstellt. Der Antagonismus der Generationen vermittelt illustrativ die tradtionellen Normen und plädiert für die Aufrechterhaltung der Werte durch Vorbild und Nachahmung.
Das gesamte Werk ist als Warnung für die Konsequenzen aus unangemessenem Verhalten und Ungehorsam gegenüber den Erziehern anzusehen.
Wernhers Plädoyer für den Zusammenhalt der Gemeinschaft und die Ordnung der Gesellschaft ist an alle Menschen über die Standesgrenzen hinweg gerichtet. "Die Vater-Rolle wird als Metapher für gesellschaftliche Ordnung verstanden, an ihr werden standesübergreifende Normen und Werte sichtbar, so daß sie - wenn auch im Bauern-Milieu angesiedelt -keine `dörperlichen´ Züge aufweist."
Die Lehre liegt in der Beibehaltung des altbewährten, die Besinnung auf Normen und Werte der Gesellschaft und deren Tradition, bilden im Mittelalter den zentralen Aspekt der Tugendlehre.
Diese Tradition liegt im Helmbrecht zwar fest verankert in der bäuerlichen Gemeinschaft, dennoch: was hier als bäuerliche Lebenswelt dargestellt wird, läßt sich ohne weiteres auf das gesamte Gesellschaftsgefüge übertragen.
Die Motive des bescheidenen, bäuerlichen Lebens, die Integration in die funktionierende Ordnung, die der Vater vertritt sind als stellvertretend für die guten Sitten zu betrachten. Das aufstrebende Wesen des Sohnes, dessen fehlendes Rechtsbewußtsein und Mangel an Tugend stehen in scharfen Kontrast dazu und verkörpern verweigerten Gehorsam und Sittenverfall.
De Ausgang der Geschichte führt zu einer für
alle Menschen gleichermaßen gültige Aussage: Die Lehren der Eltern müssen in
jedem Fall befolgt werden und ein Aufbegehren der Jugend ist zu unterdrücken,
weil dieses Aufbegehren gegen Autoritäten nur Unheil zur Folge hat.
Auch wenn die Handlung der Dichtung nicht am Hofe angesiedelt ist, ist das Verständnis für das Agieren der Personen auch für ein höfisches Publikum möglich. Die bîspel-Geschichte Wernhers beschränkt sich nicht so sehr auf das typenhafte der Vertreter eines bestimmten Standes, sondern ermöglicht eine allgemeingültige Verurteilung des Helden als selpherrischiu kint (V. 1913).
Die zeitgenössiche Rezeption einer im bäuerlichen Milieu angesiedelten Dichtung dürfte denn auch trotz der vermeintlichen Unterschiede in der Lebenswelt von Zuhörerschaft und Handlungsträgern die didaktischen Inhalte in ihrer Allgemeingültigkeit erkannt und aufgenommen haben. Die für den Vortrag vor höfischem Publikum entstandene Dichtung büßt trotz ihres lehrhaften Charakters nicht an Unterhaltungswert ein. Eine von Spannung, und Spott getragene Handlung vermittelt auch ohne moralisierenden Habitus eine allgemeingültige, standesübergreifende Lehre in einem für seine Zeit spektakulären Rahmen.
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