Fiskus [lat. >Korb<, >Geldkorb<, >Kasse<] der, Staatsvermögen; im röm. Recht seit Augustus Privatkasse (Krongut) des Kaisers, anfangs im Gegensatz zum Aerarium, dem Staatsschatz, später nach Verschmelzung mit diesem das öffentliche Vermögen überhaupt.
In der Karolingerzeit bekam das Wort einen neuen Sinn (Domäne). Im Zeitalter des Absolutismus war F. der Staat als Träger des staatl. Vermögens im Unterschied zum Staat als Träger der Hoheitsrechte. Bis ins 19. Jahrh. galt der F. dabei als eine selbständige Jurist. Person des Privatrechts, der vom einzelnen gerichtlich in Anspruch genommen werden konnte (Fiskustheorie), während er gegen Hoheitshandlungen des Staates keinen Rechtsschutz genoß. Seitdem wurde der Staat als Hoheits- und als Vermögensträger eine Einheit. Doch hat sich die Bezeichnung F. für das Vermögen des Staates erhalten. Man spricht von Reichs- (Bundes-), Landes- und Gemeindefiskus, pflegt aber auch die verschiedenen Verwaltungszweige (stationes fisci) als F. zu bezeichnen (Post-, Militär-, Steuer-, Bau-, Justiz-, Forst- und Domänenfiskus u. a.). Besondere Vorrechte (iura fisci) aus älterer Zeit sind vereinzelt dem F. verblieben, z. B. Anfall von Vereinsvermögen, Aneignung aufgegebener Grundstücke, Versteigerungserlös gefundener Sachen, Erbrecht mangels Verwandter oder Ehegatten, kein Grundbuchblatt für das Grundvermögen des F., keine Eintragung ins Handelsregister. Der F. haftet wie jede juristische Person für die Handlungen seiner Vertreter im privatrechtl. Verkehr (§ 89 BGB.), Amtshaftung. Die Steuerfreiheit des F. von Staatssteuern und Gebühren ergibt sich aus der Gleichheit von Staat und F.; doch hat das stärkere Eintreten des Staates in den Erwerbsverkehr zu einer Einschränkung seiner Steuervorrechte geführt (Körperschaftsteuer, Vermögensteuer). Im Zivilprozeß kann der Staat als F. klagen und verklagt werden. Die Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen gegen den Staat als F. ist in § 882 a ZPO. geregelt. Der fiskalisch ("iure gestionis") handelnde Staat genießt nach Völkerrecht keine —»Exterritorialität gegenüber Gerichtsbarkeit und Zwangsgewalt eines anderen Staates.
In Österreich können Bund, Länder und Gemeinden als Körperschaften öffentl. Rechts (Gebietskörperschaften) selbst vermögensrechtl. tätig werden. Für die privatwirtschaftl. Tätigkeit gilt die Kompetenzverteilung der Art. 10-15 Bundesverfassungs-Ges. zwischen Bund und Ländern nicht (Art. 17). Die Vorstellung vom F. als selbständigem Vermögensrechtsträger des Staates ist in Österreich aufgegeben.
In der Schweiz gilt im allgemeinen ein übereinstimmender Begriff des F. in Bund und Kantonen. Das Bundesvermögen darf nicht mit einer direkten kantonalen Steuer belegt werden.
J.HATSCHEK in: K.FRH.V. STENGEL-M.FLEISCHMANNS Wb. des dt. Staats- und Verwaltungsrechts, l (2-1911); E. FORSTHOFF: Lehrb. des Verwaltungsrechts, l (1966).
TEILBEREICHE DER F.
Es ist zweckmäßig, von den gesamtwirtschaftlich relevanten Zielen der staatl. Budgetpolitik auszugehen, die Ausgaben- und Einnahmenseite zugleich umgreift. In diesem Sinn sind ein allokationspolitischer, ein dis-tributionspolit. und ein stabilisierungspolit. Bereich der Budgetpolitik zu unterscheiden, wobei letzterer das konjunkturpolit. Ziel der Vollbeschäftigung, Preisstabilität und das wirtschaftl. Wachstum umfaßt.
Allokationspolitik
Aufgabe ist die Aufteilung der volkswirtschaftl. Ressourcen auf die Befriedigung privater und öffentl. Bedürfnisse (Militärschutz, Rechtssicherheit, Gesundheitswesen usw.). Die Abzweigung volkswirtschaftl. Mittel zur Deckung der öffentl. Bedürfnisse kann durch unmittelbare Umlenkung von Produktivkräften (Enteignung, Produktionsumlenkung) oder im Wege des Besteuerungs-/Ausgabenprozesses herbeigeführt werden, wobei die F. durch Steuererhebung über private Nachfrageeinschränkung Ressourcen freisetzt, die dann mit der Verausgabung des Steueraufkommens von der privaten in die öffentl. Nutzung überführt werden. Daneben kann die Freistellung von Mitteln für Zwecke der privaten Verwendung und ihre Übertragung auf den Staat auch durch den Kreditnahme-/Ausgabenprozeß bewirkt werden. Da das Ausmaß der dem privaten Gebrauch entzogenen Mittel immer dem Umfang der zum öffentl. Gebrauch zusätzlich zur Verfügung gestellten Produktivkräfte entspricht, ist das Budget unter allokationspolit. Aspekt immer ausgeglichen.
Distributionspolitik
Die öffentl. Einnahmen und Ausgaben haben zwangsläufig Wirkungen auf die Einkommensverteilung. Einerseits belastet die Wahl zwischen den alternativ möglichen Steuerformen die einzelnen Steuerzahler in unterschiedl. Maße, andererseits begünstigen die Ausgaben, auch wenn es sich nicht um Transfer- oder Subventionszahlungen handelt, die Staatsbürger in verschiedener Höhe. Erwünschte Verteilungskorrekturen sind am leichtesten und direktesten durch ein System von Steuer- und Transferzahlungen zu erreichen. Andere finanzpolit. Methoden der Redistribution sind die Umverteilung über besondere Sozialversicherungsträger oder die Subventionierung bestimmter Massengüter; auch kreditfinanzierte Transferzahlungen kommen vorübergehend in Betracht. Dabei ist zu beachten, daß die endgültigen Verteilungswirkungen der Finanzgebarung im allgemeinen nicht mit den primären Entzugs- und Ausgabeeffekten identisch sind, sondern sich erst aus einem komplizierten Uberwälzungsprozeß ergeben.
Stabilisierungspolitik
Deren Funktion ist die Erreichung und Erhaltung eines hohen Nutzungsgrades der Produktivkräfte und eines stabilen Preisniveaus. Das Problem der kompensatorischen F. trat zuerst in der Depression der 30er Jahre auf. Ausgehend von der Stagnationslehre, die aus einer permanenten Divergenz zwischen der privaten Spar- und Investitionstätigkeit eine ständige Tendenz zur Unterbeschäftigung ableitet, wird dem Staat die Aufgabe zugeschrieben, diese Depressionstendenz zu >kompensieren<, d. h. die Investitionslücke durch konsumsteigernd wirkende Redistributionspolitik oder durch zusätzliche öffentl. Investitionstätigkeit zu schließen. Die sich aus dieser betont interventionistischen Variante der F. ergebende permanente Defizit- und Verschuldungspolitik des Staates wird nicht als finanziell oder ökonomisch nachteilig, sondern geradezu als Vorbedingung für eine gleichmäßig fortschreitende Wirtschaftsentwicklung betrachtet.
Ein sehr viel geringerer Grad an Interventionismus wird demgegenüber von der automatisch stabilisierenden Budgetpolitik gefordert. Die Ausgaben sollen starr gehalten und die Steuersätze so fixiert werden, daß bei normaler Konjunkturlage der Haushalt ausgeglichen ist. Treten depressive Tendenzen auf, so verringern sich mit sinkendem Volkseinkommen die Steuereinnahmen, und es muß entsprechend zur Kreditfinanzierung übergegangen werden. Entsteht eine konjunkturelle Überhitzung, so ergibt sich dank entsprechend steigendem Steueraufkommen automatisch ein Budgetüberschuß. Durch diese >built-in-flexibility< entsteht eine die Konjunkturausschläge dämpfende Bremswirkung; für eine Beherrschung der Konjunktur reicht diese Variante der F. jedoch nicht aus. Die -» antizyklische Finanzpolitik, die gegenüber den beiden vorher genannten Methoden auf einen mittleren Interventionsgrad abstellt, fordert daher eine bewußte und rechtzeitig, d.h. bereits vor Erreichen der Konjunkturhöhepunkte einsetzende >Kontrapolitik< mit dem Ziel, die Schrumpfung der Nachfrage und Beschäftigung mittels entsprechender öffentl. Expansionsmaßnahmen (Steuerermäßigung und/oder kreditfinanzierte Ausgabensteigerung) zu kompensieren und die Investitionsneigung zu stärken. So wird das automatisch sich einstellende Krisendefizit bewußt vergrößert, wobei jedoch -- im Gegensatz zur kompensatorischen F. - das "deficit spending" lediglich als vorübergehendes Mittel betrachtet wird, das im wesentlichen eine "pump-priming-Funktion" zu erfüllen hat und einzustellen ist, sobald die Weiterführung des eingeleiteten Wiederaufschwungs durch die Privatinitiative gesichert erscheint. Neben diesem Konzept der Stabilisierung, das auf Herbeiführung und Erhaltung eines konstanten Niveaus des Vollbeschäftigungseinkommens bei stabilen Preisen gerichtet ist, hat die Stabilisierungspolitik in einer wachsenden Wirtschaft überdies für eine mit dem Wachstum der Produktionskapazitäten übereinstimmende Ausdehnung der Gesamtnachfrage zu sorgen. Sie muß zu einer Gleichgewichtswachstumsrate führen, die ein aus dem Kapazitätszuwachs resultierendes zusätzliches Einkommen bei stabilen Preisen gewährleistet, so daß ein hoher Beschäftigungsstand und Preisstabilität auch im langfristigen Expansionsprozeß erhalten bleiben. Dabei kann die F. über produktivitäts-fördernde Maßnahmen auf die Wachstumsrate selbst einwirken. Das geschieht einerseits über Ausgaben für offentl. Grundlageninvestitionen (z. B. Straßenbau u. a. Verkehrseinrichtungen, Nachrichtenwesen, Wohnungsbau), die bei zunächst geringem Kapazitätseffekt einen starken einkommenschaffenden Effekt haben, der seinerseits über die wachsende Letztnachfrage zu Investitionen im Bereich Konsum- und Investitionsgüterindustrie angeregt. Aehnliches gilt fuer die oeffentl. Ausgaben fuer Wissenschaft und Erziehung, die über die Produktivitätsfortschritte der Zukunft entscheiden. Andererseits ist eine Einflußnahme der F. auf Kapitalbildung und erzielte Produktivitätsfortschritte im privaten Sektor möglich über Subventionen, Prämien u. ä. mit dem Ziel der Privatwirtschaft die Überwindung von Engpässen und die Umstellung auf neue Markterfordernisse zu erleichtern sowie den techn. Fortschritt zu fördern. Möglichkeiten einer steuerl. Forderung der Produktivitätsentwicklung sind etwa die steuerl. Begünstigung von Sparen und Investieren sowie die Gewährung von Steuerfreiheit für private For-schungs- und Entwicklungsaufwendungen.
Die Instrumente der F., die der Realisierung der hier isoliert dargestellten drei Zielbereiche der Allokation, Distribution und Stabilisierung dienen, stehen untereinander in vielfältiger Interdependenz, so daß die in einem Bereich getroffenen Maßnahmen die anderen Zielbereiche nicht unbeeinflußt lassen. Daraus ergibt sich auch für die F. die für alle wirtschaftspolit. Maßnahmen zutreffende Problematik, daß nicht nur eine grundsätzliche Entscheidung über die Rangfolge der angestrebten Ziele zu treffen ist, sondern ständig die Nebenwirkungen der eingesetzten Instrumente auf andere Zielbereiche zu berücksichtigen sind. Der wichtigste im Bereich der F. auftretende Konflikt besteht darin daß Maßnahmen zur Förderung des Wirtschaftswachstums im allg. dem Ziel der Einkommens- und Ver-mögensredistribution abträglich sind und umgekehrt.
F NEUMARK : Grundsätze und Arten der Haushaltsführung und Finanzbedarfsdeckung, in: Hb. d. Finanzwiss., 1 (1952); ders.: Wirtschafts- und Finanzprobleme des Interventionsstaates (1961); H. HALLER: Zur Frage der Wirtschaftl. Staatsintervention, in: Finanz-Archiv, NF 14 (1953/54); ders.: F. (31965); A. T. PEACOCK in: Finanz-Archiv, NF 16 (1955/56); G. SCHMÖLDERS: F. (21966); R. A. MUSGRAVE: Finanztheorie (dt. 1966).
Finanzprokuratur, in Österreich ein dem Bun-desfinanzminister unterstelltes
Organ für die rechts-anwaltl.Geschäfte des Bundesvermögens
und bestimmter anderer Vermögenschaften, bes. zur Vertretung vor Gericht
(Ges. v. 12. 9. 1945).
G. WACKE: Das Finanzwesen der Bundesrepublik, Lose-blattausg.
(1950), Kommentar (1958); TH. MAUNZ u. G. Dü-RIG : Grundgesetz, Art.
105 ff. GG; Gutachten über die Finanzreform in der Bundesrep. Dtl.
(21966).
In der Dt. Dem. Rep. sind Finanzsystem und Steuergesetzgebung Angelegenheiten der Republik (Art. 9 Abs. 4 Verf. v. 1968). Die F. ist Teil der allgemeinen Verwaltung und wird vom Finanzministerium und den Abteilungen Finanzen der Bezirke und Kreise wahrgenommen. Sie hat neben der Abgabenverwaltung (ohne Zölle) weitere finanzpolit. Aufgaben. Wichtige Steuerarten sind: die Einkommen-, die Umsatz- und Gewinnsteuer, die normative Einheitssteuer, die Landwirtschaftssteuer und für die volkseigene Wirtschaft eine Produktions- und Dienstleistungsabgabe. Rechtsgrundlage ist das Abgaben-Ges. v. 9. 2. 1950 mit späteren Änderungen.
Lit.-» Finanzverfassungsrecht.
In Österreich werden Bundesabgaben gemäß § 11 Finanzverfassungsges. 1948 grundsätzlich durch Organe der Bundes-F. bemessen, eingehoben und zwangsweise eingebracht. Die Länder haben mit der Einhebung der Landes- und Gemeindeabgaben vielfach die Bundesfinanzbehörden betraut. Das Abgabenor-ganisationsges. v. 6. 7. 1954 sieht als Bundesfinanz-behörden vor: Bundesmin. f. Finanzen, -» Finanzlandesdirektion, Finanzämter und Zollämter.
In der Schweiz ist die F. stark dezentralisiert. Im Bund befaßt
sich das Finanz- und Zolldepartement mit der Verwaltung der Zölle
und der eidgenöss. Steuern (Wehr- und Verrechnungssteuer, Militärpflichtersatz,
Stempelabgaben, Warenumsatz-, Tabak-und Biersteuer). Die Kantone sind in
der F. völlig selbständig; Kollisionsregeln über die interkantonale
Doppelbesteuerung sind vom Bundesgericht ausgearbeitet worden. Die unabhängige
F. der Gemeinden ist Ausdruck der Gemeindeautonomie; es besteht aber eine
kantonale Mißbrauchskontrolle. Finanzwechsel, -» WechseIrecht.
Ziel der ö. F. ist weder die Gewinnerzielung noch die Befriedigung individueller Bedürfnisse, sondern die Erfüllung des im -» Haushaltsplan festgelegten finanzpolit. Programms. Ihre Aufgabe ist auf der einen Seite die Erstellung bestimmter, wegen ihrer Unteilbarkeit nur durch die öffentl. Hand zu erbringender Kollektivleistungen (Verteidigung, Rechtspflege, Aufrechterhaltung der Ordnung und Sicherheit, Bildungs- und Gesundheitswesen usw.); auf der anderen Seite erfüllt die öffentl. Finanzgebarung irr Rahmen der >fiscal policy< besondere Funktionen in der Beeinflussung des Wirtschaftsablaufs.
AUSGABEN - EINNAHMEN
Die ö. F. läßt sich in zweifacher Weise kennzeichnen: 1) Als Haushaltswirtschaft der Gebietskörperschaft ist sie eine Einzelwirtschaft, die nach der Zielsetzung als Bedarfsdeckungswirtschaft anzusprechen ist; die Entscheidungen im Rahmen dieser Wirtschaft sind politisch bestimmt. 2) Die finanzpolit. Entscheidungen der Einnahmen- und der Ausgabenseite greifen über den Bereich der Haushaltswirtschaft der jeweiligen Gebietskörperschaft hinaus und beeinflussen den gesamtwirtschaftl. Ablauf. - Der rechtlich-politischen Eigenart entsprechend arbeitet die ö. F. nach einem im voraus aufgestellten, prinzipiell vollzugsverbindlichen und bewußt einheitlich gestalteten Gesamtplan (Haushaltsplan, Budget), der die Voranschlaege aller für einen bestimmten zukünftigen Zeitraum geplaneten Ausgaben und die Schätzungen der zu Deckung dieser Ausgaben vorgesehenen Einnahmen enthaelt.
Seit Ende des l9. Jahrh. ist eine ständige Steigerung des Umfanges der Staatstätigkeit und damit der Ausgaben festzustellen. Die Ursachen für diese Expansion der Staatsausgaben liegen m dem zunehmenden Bedarf an öffentlichen Leistungen, der sich einerseits aus der Verdichtung und Verstädterung der wachsenden Bevölkerung, andererseits aus der allgem. Entwicklung vom Rechts- und Machtstaat zum Wohlfahrtsstaat ergab. Eine wichtige Rolle spielte daneben die Steigerung der Verteidigungs-, Kriegs- und Kriegsfolgelasten. Die stärkste Expansion hat sich dabei auf dem Gebiet der Sozialausgaben einschl. des Gesund-heits-, Erziehungs- und Wohnungswesens vollzogen; ihnen folgt die beträchtliche Steigerung der Ausgaben für Wirtschaftsförderung. Dagegen hat der traditionelle Bereich der zur Wahrnehmung der Organisations-, Verwaltungs- und Sicherheitsfunktion des Staates bestimmten allgemeinen Staatsausgaben (ohne Verteidigung) relativ an Gewicht verloren.
Im Rahmen der öffentlichen Einnahmen domieren in modernen Volkswirtschaften
die Steuereinnahmen/ Daneben spielen eine geringere Rolle die oeffentlichen
Erwerbseinkünfte, die Einnahmen aus Gebühren und Beitraegen und
die Kreditaufnahme.
Im Steuersystem haben sich im Zug der oben erwähnten Ausweitung
der öffentlichen Haushalte entscheidende Änderungen vollzogen,
für die in erster Linie der Uebergang von der im 19. Jahrh. vorherrschenden
Objektbesteuerung zur Subjektbesteuerung kennzeichnend ist. In dem Vordringen
der Einkommensteuer, die zusammen mit der Körperschaftsteuer heute
über ein Drittel des Gesamtsteueraufkommens in der Bundesrep. Dtl.
erbringt, erfährt die Idee der Belastung nach der persönl. Leistungsfähigkeit
ihre Perfektion. Seit Ende des ersten Weltkriegs gewinnt daneben die Umsatzbesteuerung
stark an Gewicht. Ihr Anteil am Steueraufkommen in der Bundesrep. Dtl.
beträgt etwa 25% (1967). Die bislang bestehende Form der Bruttoallphasensteuer
wurde ab 1968 in eine Nettoumsatzsteuer umgewandelt (-» Mehrwertsteuer).
Im Bereich der speziellen Verbrauchsbesteuerung gewinnt nach dem zweiten
Weltkrieg die Mineralölsteuer zunehmende Bedeutung. Die im 19. Jahrh.
vorherrschenden Ertragsteuern wurden mit Vordringen der Einkommensteuer
den Gemeinden als Steuerquelle zugewiesen.
Die öffentlichen Erwerbseinkünfte spielen nur im Rahmen der Kommunalhaushalte eine größere Rolle. Auch hier gilt jedoch das Prinzip, daß im Rahmen eine marktwirtschaftl.Ordnung die privatwirtschaftlichen Betätigung der öffentl. Hand nicht primär unter einnahmepolitischen, sondern aus wirtschaftssozial- oder kulturpolitischen Gründen abgeleitet werden müsse. Gebühren und Beiträge spielen ebenfalls in den Gemeindehaushalten eine gewisse Rolle. -Neben diese laufenden Staatseinnahmen tritt als einmalige oder außerordentliche Einnahmequelle der oeffentl. Kredit.
W. LOTZ: Die dt. Staats-F. im Kriege (1927); F. K. MANN:
Dt. F. (1929); F. RAAB: Die Entwicklung der Reichsfinanzen seit 1924 (1929);
W. GERLOFF: Die öffentl. F., 2 Bde. (1948 bis 1950); F. TERHALLE:
Die F. des Staates und der Gemeinden 21948); ders.: Das Finanz- u. Steuersystem
der Bundesrep. Dtl., in: Hb. d. Finanzwiss., 3 (M958); H. JECHT: Ö.
F. in: Hwb. d. Sozialwiss., 3 (1961); F. NEUMARK: Steuerpolitik in der
Überflußgesellschaft (1961); A. T. PEACOCK u. J. WISEMAN: The
growth of public expenditure of the United Kingdom (Princeton, N. J., 1961);
H. TIMM: Das Gesetz der wachenden Staatsausgaben, in: Finanz-Archiv, NF.
21 (1961).
Erkenntnisobjekt der traditionellen deutschen F. ist der Staatshaushalt als Einzelwirtschaft, deren Wesen sich durch das Ziel der Bedarfsdeckung einerseits und die politische Determiniertheit ihrer ausgaben- und einnahmenpolitischen Entscheidungen andererseits kennzeichnen läßt. Seit ihrer Entstehung im Kameralismus beschäftigt sich die dt. F. bevorzugt mit dem Staat in seiner Rolle als >Fiskus<. Diese staatswissen-schaftl. Auffassung findet ihren Ausdruck in einem breiten Unterbau staatsrechtlicher und staatsphilosoph. Erörterungen (Rechtfertigung der Staatstätigkeit, insbes. der Steuererhebung, die Besteuerungstechnik und -grundsätze sowie die Technik des Budgetwesens und der Anleihebegebung). - Für die angelsächsische F. ist ihre enge Verbindung zur Volkswirtschaftslehre kennzeichnend. Wesensmerkmal der Finanzwirtschaft ist für sie das Übergreifen der Finanzgebarung auf die privaten Wirtschaftseinheiten und die damit verbundenen Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft. Im Sinne der für die klassische Theorie zentralen Frage nach dem marktwirtschaftl. Verteilungsprozeß beschränkt sich das Interesse der englischen F. zunächst auf die Verteilungswirkungen der Besteuerung; die Steuerüberwälzungslehre wurde bes. ausführlich behandelt.
Mit der Überwindung des Historismus in der dt. Nationalökonomie vollzieht sich seit den 20er Jahren eine Theoretisierung der F., während umgekehrt mit dem Aufkommen des Institutionalismus im angelsächsischen Bereich die traditionellen Probleme der dt. F. aufgenommen werden. Theoretisches Neuland wurde Ende der 20er Jahre beschatten, als auch die öffentl. Ausgaben in die Analyse mit einbezogen wurden. Neue und fruchtbare Perspektiven, auch auf dem Gebiet der F., eröffnete in jüngerer Zeit das Denken in Aggregaten, das durch J. M. KEYNES' >General theory of employment, money, and interest< gefördert wurde. Auf der Grundlage dieser makroökonomischen Theorie wurden von der >fiscal theory< vor allem neue Einsichten über die Wirkungen finanzwirtschaftl. Maßnahmen auf die Aggregate Volkseinkommen, Konsum, Ersparnis und Investition erarbeitet.
PROBLEME DER TEILGEBIETE
Diese neuerenErkenntnisse hatten in den letzten Jahrzehnten zunehmende Durchdringung der institutionell und verwaltungstechnisch ausgerichteten F. einerseits und der ökonomisch wirkungsanalytisch orientierten F. andererseits zur Folge. Kennzeichnend dafür ist die fortschreitende Integration der F. in die Wirtschaftstheorie. Als Hauptprobleme werden im Rahmen der Budgetlehre das Wesen und die Funktionen des Haushaltsplans, der Budgetkreislauf und die Budgetgrundsätze behandelt. Neben die traditionelle Betrachtung des Budgets aus der Sicht seiner administrativ-institutionellen und seiner allgemein politischen Funktion tritt dabei die Analyse der sich aus der wirtschaftspolit. Funktion ergebenden Aufgaben. Diese Ausgabenlehre befaßt sich mit dem Umfang der Staatstätigkeit, der Struktur der öffentl. Ausgaben und den Wirkungen der öffentl. Ausgabengebarung. Die Einnahmenlehre dagegen behandelt Entwicklung und Formen der öffentl. Einnahmen, insbes. Steuern, öffentl. Erwerbseinkünfte, Gebühren und Beiträge. Der wichtigste Teil der Einnahmenlehre besteht in der allgemeinen Steuerlehre (Wesen und Funktion der Steuer, Steuerrechtferti-gungs- und Steuerverteilungsprinzipien, die Tariflehre, die Klassifikation der Steuern, die Steuerwirkungen, Steuersysteme und Steuerordnungen). In der Lehre von den Steuerwirkungen erfährt die traditionelle preistheoret. Überwälzungslehre eine Ergänzung durch die makroökonomische Wirkungslehre. Hinzu tritt die Lehre vom öffentl. Kredit mit der Untersuchung der Arten der öffentl. Verschuldung, der Grundsätze der öffentl. Kreditnahme und der Wirkungen von Haushaltsdefiziten auf den Wirtschaftsablauf. Hier haben sich die theoret. Auffassungen in den letzten Jahrzehnten am stärksten gewandelt. Während die traditionelle Auffassung die Kreditfinanzierung nur für bestimmte Objekte im Rahmen des außerordentl. Haushalts als zulässig ansah, kommt derKreditfinanzierung nach der neueren Theorie im Rahmen der >fiscal policy< eine zentrale Bedeutung zu. Der Gegenstand der speziellen Steuerlehre ist die Darstellung der Einzelsteuern und ihrer Problematik. Die Grundlage der Finanzpolitik ist die einzel- und gesamtwirtschaftl. Wirkungslehre der Staatstätigkeit, umfassend die Ausgaben- und Entzugswirkungen auf die Entscheidungen der privaten Haushalte und Unternehmungen sowie die multipli-kativen Wirkungen von Budgetdefiziten und -Überschüssen auf Volkseinkommen, Beschäftigung, Produktion und Einkommensverteilung. Aufgabe der Finanzsoziologie und der Finanzgeschichte als mehr empirischer Disziplinen ist die Darstellung der wechselseitigen Beeinflussung von finanzwirtschaftl. Geschehen und gesellschaftspolit. Entwicklung und die Beschreibung finanzwirtschaftl. Erscheinungen einzelner Epochen und Länder sowie der internat. Vergleich.
GESCHICHTE
Die ersten Anfänge der F. finden sich im 16. Jahrh. in den oberitalien. Handelsstädten. Unter den französ. Vertretern des Merkantilismus beschäftigten sich mit finanzwissenschaftl. Fragen insbes. JEAN BODIN (>Six livres de la republique<, 1576) und C. DE MONTESQUIEU (>Esprit des lois<, 1748). - Im dt. Sprachgebiet gilt KASPAR KLOCK (>De aerario<, 1651) als der eigentliche Begründer der F., die von den Kameralisten weiterentwickelt wurde; wichtigste Vertreter sind L. VON SEKKENDORFF (deutscher FürstenstaaU, 1655), J. VON SONNENFELS (>Grundzüge der Polizey, Handlung und Handelswissenschaft<, 1763), J. H. G. VON JUSTI ("System des Finanzwesens" 1766). K. Klock forderte als Voraussetzung jeglicher Besteuerung einen gerechten Grund<, und von Justi stellte bereits vor ADAM SMITH eigene Steuergrundsätze auf. — Die in Frankreich auf den Merkantilismus nachfolgende Schule der Physio-kraten (Marschall S. DE VAUBAN: >La dime royale<, 1707, F. QUESNAY und A. R. TURGOT) vertrat die Idee der >einzigen Steuer< (Impöt unique). Von den Vertretern der klassischen Schule der Nationalökonomie haben A. SMITH und D. RICARDO bereits zahlreiche noch heute anerkannte Grundsätze der F. aufgestellt. Ähnliche Standpunkte wie die angelsächsischen Klassiker vertrat in Dtl. K. H. RAU. Im 19. Jahrh. leiteten L. VON STEIN, A. SCHÄFFLE ("Die Grundsätze der Steuerpolitik" 1880) und A. WAGNER (>F.<, 4 Teile, 1877 bis 1910) die Blütezeit der deutschen F. ein. A. Wagner vertrat besonders den Vorrang des Staates gegenüber dem Einzelinteresse und die Bedeutung sozialpolit. Gesichtspunkte. Sein "Gesetz von der wachsenden Ausdehnung der Staatstätigkeit" bewahrheitet sich bes. in den letzten Jahrzehnten.
Das 20. Jahrh. brachte wesentliche Neuorientierungen der F. Das Erbe der histor. Schule wurde von G v SCHANZ und von W. LOTZ (>F.<, 21931), J. JESSEN (>Deutsche Finanzwirtschaft<, M944) und F. TERHALLE (>Die Finanzwirtschaft des Staates und der Gemein-den<, 1948) weitergeführt. Daneben entwickelt sich eine >reine Finanztheorie<, die auf die Steuerwertlehre von E. SAX zurückgeht (>Theorie der Staatswirtschaft<, 1887). Ihre Vertreter (R. LINDAHL, MARGIT CASSEL, A. DE VITI DE MARCO, L. EINAUDI) erklären die Steuern als Preis für die Befriedigung der Kollektivbedürfnisse durch den Staat, der zwar einseitig festgestellt, letzten Endes jedoch analog der von der Volkswirtschaftslehre entwickelten Monopolpreistheorie gedeutet werden könne. Die soziologische Schule der F. (R. GOLDSCHEID, H. SULTAN, A. PUVIANI) stellt die gesellschaftlichen Ursachen und Wirkungen der Finanzwirtschaft in den Vordergrund. In den letzten Jahrzehnten ist in zunehmendem Maße die Tendenz zu beobachten, die F. in die ökonomische Theorie, insbes. in die makroökonomische Wirtschaftstheorie Keynesscher Prägung einzugliedern.
W. GERLOFF: Grundlegung der F., in: Hb. d. Finanzwiss.,1
(H952); Hb. d. F., hg. von W. GERLOFF u. F. NEUMARK, 4 Bde. ( 1952-65);
G. COLM: Essays in public finance and fiscal po-licy (New York 1955); Classics
in the theory of public finance, hg. v. R. A. MUSGRAVE u. A. T. PEACOCK
(ebd. 1958); F. NEUMARK: Wirtschafts- u. Finanzprobleme des Interventionsstaates
(1961); H. JECHT: F., in: Hwb. d. Sozialwiss., 3 (1961).
Finca span. >Landgut<, in Brasilien ein ländliches Besitztum, in Mittelamerika auch kleinere Pflanzungsbetriebe.