<< Voriges Kapitel Inhaltsverzeichnis Nächstes Kapitel >>

Wolfsburger Bote

Ich habe keine Ahnung wie ich hierher gekommen bin. Na gut, ich weiss wie ich hier hergekommen bin, aber mir ist absolut nicht klar warum ich in diesem Dreck festsitze und mit diesem abartigen Abschaum rumhänge. Aber ich werde euch ersteinmal ein Idee davon geben was hier bedeutet.

Hier bedeutet die Unterstadt von Wolfsburg. Hier bedeutet es gibt keine vernünftige Medizinische Versorgung. Wenn du Hilfe brauchst und Glück hast, bringt man dich ins YoHop. Dort versorgen dich ein paar freiwillige Ärzte aus der Oberstadt die Verwundeten, die Kranken und die bald Toten. Wenn du nicht so viel Glück hast bringt man dich zu Spider, aber von dem später mehr.

Aber die krasse medizinische Unterversorgung ist nicht das schlimmste. Das schlimme ist, dass man diese medizinische Versorgung ständig braucht. Wenn du ungefiltertes Wasser getrunken hast brauchst du sie. Wenn du Nachts von Guhls erwischt wirst, brauchst du Sie oder wenn du dich mit einer der Gangs angelegt hast, brauchst du sie auch.

Spider hat mich vor ein paar Wochen zusammengeflickt, nach einigen kleinen Zusammenstoessen meines Gesichts mit ein paar massiven Gegenständen. Seit dem lebe ich bei ihm ... also unter seinem Krankenwagen.

Als die ganze Geschichte losgeht, hänge ich gerade im La Pampas ab. Das La Pampas ist ein übler Schuppen, der von Enrico geleitet wird. Den Enricos, denn angeblich sollen es fünf sein, aber keiner kann sie auseinanderhalten und so schwanken die Schätzungen ein wenig. Ich sitz also im La Pampas und hoffe darauf, dass irgendwer auftaucht der mir ein paar Mücken für nen Job bezahlt.

Der Tag hat schon beschissen angefangen und so geht er auch weiter. Den ganzen Nachmittag hab ich auf die Typen beim örtlichen Supermarkt eingequatscht, aber die rallen nicht, dass ich besser für ihre Sicherheit sorgen könnte als all diese Pfeifen, die sie da rum stehen haben. Es juckt mir in den Fingern es ihnen zu beweisen, aber das bringt eh alles nichts. Ich muss mich darauf konzentrieren, mein Ziel nicht aus den Augen zu verlieren.

Ich schweife ab. Also ich sitz da über diesem Getränk das Enrico Tequila nennt und beobachte die Leute, als die Blondschopfe auftauchen. Alles recht junge Leute mit blond gefärbtem Deckhaar. Sie suchen jemanden, dass kann man kaum übersehen. Und mit der Frisur kann auch kaum ein Zweifel aufkommen, dass sie zusammen gehören. Aber sie treten nicht gemeinsam auf. Sie scheinen nicht einmal vernünftig koordiniert zu sein. Den ganzen Abend über kommt immer mal wieder einer rein, schaut sich um und verschwindet wieder.

Ich beobachte den Ringelpiez, während in einer Ecke der Bar ein Vidscreen den 311 Bericht über die A-Bombe in Essen von vor 6 Jahren bringt. Schliesslich schnappe ich mir einen von den blonden Jungens und frag ihn wen sie suchen. Es ist Iggy, dieser abgedrehte schwarze Zwerg. Der Typ geht mir eh auf den Sack. Ständig hat man seinen blanken Arsch im Gesicht. Und für die Leute die diese Erfahrung noch nicht gemacht haben: Das ist kein schöner Anblick.

Iggy also - keine Ahnung was die von ihm wollen, aber selbst diese Stümper können nicht so fürchterlich lange brauchen, bis sie den gefunden haben, also kann ich genausogut ein wenig Geld damit verdienen. Für 50Eier erzähl ich einem nicht ganz so verunsicherten Herrn Schmidt, von der 'Blue Oyster'.

Der Block ist ein heruntergekommener Gebäudekomplex, der circa 250-350 Menschen, Metamenschen, Abschaum und Elfen beherbergt.
Die 'Blue Oyster' ist einer der beiden Discos, die wir hier im Block beherbergen. Dort kommt keiner rein, der sich nur an der Wand rumdrücken und gaffen will. Entweder du lässt Jungs wie Iggy für dich tanzen und bezahlst sie anständig dafür, oder sie werden dafür sorgen, dass du für sie tanzt. Eigentlich Schade, der Laden gehört zu denen, bei denen es mächtig Spass macht die Menschen zu beobachten.

Nicht das ein falscher Eindruck aufkommt. Ich würde jemanden aus dem Block nie hängen lassen. Ich bin erst seit ein paar Wochen hier, aber das habe ich begriffen. Der Block hält zusammen. Also wähle ich Iggies Nummer um ihm von seinen Besuchern zu erzählen. Dabei erzähl ich ihm auch, dass 'Old Wolf' hinter den Milchgesichtern steht. Er scheint sie durch die Gegend zu scheuchen und so eine Art Training abzuziehen. Für heute ist das Training beendet, denn die Lehrlinge haben Iggy schon vor 2 Stunden gefunden.

Der Wolfsburger Bote ist die Zeitung der Unterstadt. Es gibt wenig spannendes zu berichten, weder über die Unterstadt noch über die Zeitung. Das einzig interessante ist der Anzeigenteil. Ist manchmal ganz interessant, was die Leute so suchen und bieten.
Vor circa einer Stunde war Iggy wie üblich um diese Zeit bei der Arbeit, als einer von diesen möchtegern Schmidts reinkommt. Kurze Zeit später ist Blondy 200E$ ärmer und der Zwerg hat einen Job. Iggy soll ein paar simple Farbbänder und das Diktiergerät von Uwe Hartmann beim Wolfsburger Boten austauschen. Eine simple Sache also. Iggy, nicht dumm, denkt an seine Kumpel und erzählt was davon er bräuchte wenigstens 6 Leute für einen solchen Job und sichert sich eine Bezahlung von 1500E$ dafür.

Aus der Verhandlungen mit Spider stammt der folgende Dialog:
Iggy: Nigger, du bist mein Rigger, und wenn dich jemand fragt, das ist eine Datenbuchse.
Spider (zeigt auf seine Datenbuchse): Das ist eine Datenbuchse!?
Auch im folgenden beweisst Iggy mehr Verstand als man in einem so kleinen Kopf vermuten würde. Er sorgt erstmal für die nötige Rückversicherung und besetzt den Posten den Medizinmannes mit Spider.

Spider ist der Typ der mich zusammengeflickt hat. Er versteht sein Handwerk. Leider gehört zu seinem Handwerk nicht nur das 'reparieren' von Wracks wie mir, sondern auch der Verkauf von Ersatzteilen. Man sollte also nach einer Behandlung durch ihn vergewissern, dass noch alles dran und drin ist.

Iggy und Spider machen sich auf den Rest der Truppe zu versammeln. Der nächste bin Ich. Danach macht Iggy seinen ersten echten Fehler: Ben, einer mit spitzen Lauschern und platten Haaren. Rennt mit ner dicken Wumme rum und meint auch noch die jedem zeigen zu müssen. Er gehört zu den Leuten, die ich früher aus'em Weg geräumt habe. Was für nen Scheiss.

Spitzie das Spitzohr erzählt später, dass er als er den Fraggle mit nach vorne gefallenen Haaren gesehen hat, auch eine eigenartige Stelle in dessen Nacken gesehen hat, die sauber ausrasiert war und mit Panzerband verklebt!?
Der letzte im Bunde ist nicht viel besser. Ein echter Schitthead. Der Fraggle aus 'Harry's Laden'. Als wir dort ankommen ist der Mann völlig zugedröhnt. Wir hätten den ganzen Laden lehrräumen könne, ohne das der was gemerkt hätte. Mist, wir hättens tun sollen. Der Fraggle meint wir sollten ihn Bobby nennen, aber ich finde Fraggle passt zu ihm. Der Mann ist so zu, dass er nicht mal mitbekommt als Iggy mit ihm spricht. Fraggle denkt ständig er hat Haluzinationen, während Iggy versucht ihn zuzutexten.

Gemeinsam machen wir einen einfachen Plan. Wir besorgen uns Blaumänner und erzählen den Wachen einfach die Wahrheit: Wir sollen an den Druckern rummachen. Nur beim Auftraggeber erlauben wir uns die Wahrheit ein wenig zu beugen: Uwe Hartmann hat uns bestellt und sehr viel Wert darauf gelegt, dass das noch heute Nacht passiert.

Während die andern bei Hunter drin sind hängen in der Nähe ein paar Typen von den Nutbreakern einer der örtlichen Gangs rum. Die anderen Gangs sind:
  • Crusher begeistern sich für Cyberware aller Art. Ihr Markenzeichen sind zwei Cyberarme ... der Eigentümer des Alchemisten hat zwei Cyberarme. Auf ihren Jacken haben sie einen Schädel, der von einer Hand zerquetscht wird.
  • Nutbreaker
  • Spitter haben eine unangenehme Vorliebe für Flammenwerfer und Napalm. Ihr Emblem ist ein Schädel mit ausgeschlagenen Zähnen.
  • Hells Sons
Der Alchemist:
Für den Fall der Fälle besorgen wir uns beim Hunters Store noch ein wenig Handwerkszeug, falls was schiefgeht. Ein kurzer Check von Uwe Hartmann ergibt, dass der vor gut 15Jahren als Pressemann bei VW gearbeitet hat. Dann hat er wohl ein bischen zu viel geredet und ist dafür 15 Jahre in den Bau gegangen. Erst kürzlich ist er rausgekommen und hat beim Wolfsburger Boten als Chefredakteur angefangen.

Es läuft alles wie am Schnürchen. Wie besprochen gehen wir rein, halten den Wachleuten einen fingierten Auftrag unter die Nase und der laufende Meter redet die drei schwindelig. Oben im 2. Stock finden wir Uwe Hartmann sturzbesoffen auf der Toilette. Iggy fällt ihm um den Hals. Der Herr Chefredakteur denkt am nächsten Tag vermutlich er hätte von dem vielen Fusel weisse Mäuse gesehen. Ich denke es ist zu seinem Vorteil, dass er sich vermutlich nicht daran erinnern kann, dass er fast von einem schwarzen Zwergen vergewaltigt wurde, der ihm dann auch noch die Brieftasche und das Diktiergerät geklaut hat.

Wenig später sind auch die Farbbänder ausgetauscht. Alles ist super einfach. Uwe Hartmann versteckt sich auf der Toilette vor den weissen Mäusen und schwarzen Zwergen. Ansonsten ist nur noch ein Putzfrau da, die sich nichts weiter dabei denkt, das 5 Handwerker mitten in der Nacht durch die Gänge laufen.

In Uwes Büro nehmen wir uns ein wenig Zeit uns umzusehen. In einem Papierkorb schwelen noch die Reste von Briefen des VW-Konzerns, die wir mitnehmen. Dem Fraggle fallen die eigenartig auf dem Bildschirm angeordneten Icons auf. Er meint, sie würden gemeinsam aussehen wie ein brennendes Haus. Und schliesslich fehlt eine recht alte Diskette, die laut der leeren Hülle gut 15 Jahre alt sein muesste, also aus einer Zeit stammt als Uwe Hartmann noch für VW arbeitete.

Als wir von allem Kopien machen um sie später in Ruhe studieren zu können, hören wir auf einmal ein poltern auf dem Flur. Die Putzfrau liegt auf dem Boden und vom Treppenhaus sind Schritte zu hören.

Wir beschliessen, dass es Zeit ist das Haus zu verlassen. Gemäß der Vorschrift 'Im Notfall nicht benutzen' meiden wir den Fahrstuhl und nehmen das Treppenhaus. Unten finden wir die drei Wachleute. Alle drei bewußtlos, mit Giftnaden betäubt. Vor dem Haus steht ein schickes Motorrad. Die Terminals an der Reception versuchen ständig neu zu booten, kommen aber über die Anfangsphase nicht hinweg. Dies macht es unmöglich eventuelle Aufzeichnungen von uns aus dem Fahrstuhl zu löschen, aber dies ist vermutlich auch gar nicht nötig. Bobby nimmt sich den Wachen an, oder besser: Er nimmt deren Eigentum an sich.

Wir verlassen das Gebäude und beobachten was weiter geschieht. Nach einiger Zeit kommt eine Frau in enger schwarzer Kleidung aus den oberen Stockwerken herunter. An der Seite trägt sie eine Katana. Kurz beschäftigt sie sich mit den Terminals, kommt dann heraus, entsichert ihr Motorrad und fährt davon. Bis auf weiteres haben wir sie Jessica getauft, es spricht sich einfacher über eine Person, wenn sie einen Namen hat, auch wenn es ein erdachter ist.

Noch in der selben Nacht treffen wir uns mit unserem Herrn Schmidt. Wie zu erwarten ist auch Old Wolf dabei, als wir uns auf einem schönen übersichtlichen Parkplatz treffen. Old Wolf hält sich im Hintergrund und lässt den blonden agieren. Er scheint keine all zu grossen Probleme zu haben unser Gespräch aus beachtlicher Entfernung zu belauschen. Unser erstes durch einen Run verdientes Geld teilen wir fair auf. Einen Rest, die 1500 Mücken für den sechsten Mann, den es nicht gibt und was wir von den Wachen haben, geben wir einige Tage später für eine kleine gemeinsame Bude aus, damit wir Parties nicht immer bei Iggy feiern müssen und alle nen Platz haben, wo wir uns vernünftig gegen Guhle und anderes Ungeziefer verteidigen können.