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Overview:
Hier möchte ich Kurzgeschichten vorstellen, welche aus genau 250 Wörtern bestehen. Auf die Idee gebracht hat mich David Brin in seiner Kurzgeschichtensammlung Otherness. Anscheinend gibt es auch Sammlungen von Kurzgeschichten mit genau 100 und genau 750 Wörtern.
Falls jemand Links zu diesem Thema kennt, wäre ich froh um eine mail kensanata@yahoo.com.
"Endlich raus!" dachte er sich. Der Atem beruhigte sich etwas und er wischte sich den Schweiss von der Stirn. Das Flackern und Knistern der Magie verlor sich. Die dunkelgraue Tischplatte war bedeckt mit Raureif. Darunter glitzerten ein paar silberne Fäden, ein Spinnennetz. In der Mitte des Tisches liefen die Fäden zusammen, bildeten einen Knoten, wickelten sich um eine Sammlung von zarten Stangen. Ein Beben durchlief das filigrane Gerüst, dann begann es sich zu entfalten. Fühler streckten sich, metallische Segel spannten sich auf, und das ganze Ding öffnete sich, kehrte sein Innerstes nach aussen, blühte auf.
Ein Blick hinauf zur Statuswand zeigte ihm, dass er diesmal 88% des grossen Kondensators geleert hatte. Das grauenhafte Gewicht der gesamten Anlage lastete jedesmal auf ihm. Selbst die Luft war klebrig und schwer.
Ohne die Verwandlung auf dem Tisch weiter zu beachten, nimmt er sein Brett und geht zu den Schleusen. Der Rücken schmerzt. Nach dem Lift meldet er sich beim Tisch 25 und setzt sich auf einen der vielen Stühle. Eine Menge Leute wartet hier. Eine alte Oma mit einem Buch. Zwei junge Kinder mit Kopfhörern, Mikrofon und Telemonokel. Man wartet auf einen freien Produktionsraum, oder man wartet auf die Bestätigung der Techs. So wie er selber. Dabei war der Zauber ohne Zweifel gelungen, sonst hätte er es gemerkt. Irgendwie merkt man das, wenn man diese Arbeit jahrelang macht.
Scheissarbeit lohnt sich einfach nicht. Entweder man hat das Talent oder man hat es nicht. Magier gibt es wie Sand am Meer. Angebot und Nachfrage.
Seltsam, wie schlecht man sich erinnern kann. Konzentriert man sich, verbiegt sich alles, verstummen die Stimmen. Lässt man sich ablenken, springt die Szene wieder in Bewegung. Irgendwie verändert, und doch gleich. War es wirklich das?
So komme ich nie dahinter! Ihr Brief liegt immer noch auf dem Tisch, ich habe ihn nicht mehr angefasst. Ich kann mich nicht mehr an sie erinnern. Zuerst wollte ich nach einem Fotoalbum suchen. Vielleicht hilft das weiter. Aber ich wusste, dass ist nichts. Wenn man weit genug zurück geht, kommen alle in Frage. Es ist besser, ich denke nicht zu fest an die Gesichter. Besser sie bleiben im Schatten verborgen.
Aber sie will vorbei kommen. Ich kann mich gar nicht mehr daran erinnern, wann überhaupt jemand das letzte Mal vorbei gekommen ist. Ich kann mich auch nicht mehr daran erinnern, wann ich den letzten Brief bekommen habe. Es könnte sogar sein, dass ich mir den Brief selber geschrieben habe. Um mich selber zu verunsichern. Habe schon ein paar Schriftproben versucht. Mit etwas Übung kann man jede Schrift fälschen.
Sie hat im Brief eine Szene erwähnt, die mir bekannt vorkam. Vielleicht haben wir wirklich ein paar Jahre zusammen verbracht. Vielleicht habe ich das aber auch nur gelesen. In einem der Bücher. Einige meiner Bücher habe ich selber geschrieben. Vielleicht habe ich sie darin erwähnt? Ich kann mich nicht erinnern, welche Bücher ich selber geschrieben habe. Ich habe meinen Namen so oft gewechselt.
Sie kommt. Sie kommt. Hoffentlich habe ich mir den Brief nicht selber geschickt.
Wissen sie, warum ein Löwe die Jungen seines Vorgängers tötet? Täte er es nicht, hätte er selber weniger Nachkommen, weil die Löwinen den Nachwuchs des Vorgängers aufziehen. Es ist keine Frage des Wollens. Alle Löwen, die nicht wollten, sind im Laufe der Zeit ausgestorben. Es ist ein stabiles System.
Deswegen bin ich beim Fernsehen. Uns gibt es schon seit über tausend Jahren. Der Mensch möchte unterhalten werden. Wir wollen den Menschen zum Medienkonsum verführen, damit unsere Werbung mit angeschaut wird. Also unterhalten wir den Menschen so gut wie möglich. Es handelt sich hierbei um eine sehr alte und ausgefeilte Kunst. Schauen sie sich die Menschen an! Fernsehen ist heilig! Der Mensch wird von uns zum Fernsehen verführt, ans Fernsehen gefesselt. Der Mensch lernt im Fernsehen, dass Fernsehen gut ist. Fernsehen ist Unterhaltung, Bildung, Zeitvertreib, Information, harmlos, wichtig, freiwillig, fesselnd. Fernsehen ist unersetzlich.
Kommen sie mir nicht mit der Moralduselei. Es ist keine Frage des Wollens. Alle Fernsehmacher, die das nicht wollten, haben Einschaltquoten verloren, haben Geldgeber verloren. Sie sind im Laufe der Zeit ausgestorben. Es ist ein stabiles System.
Klar ist das Manipulation. Kein Sender ist an kritischen Stimmen bezüglich Fernsehen interessiert. Die sogenannten kritischen Stimmen sind einfach eine weitere Zielgruppe, die von uns bedient werden. Die Diskussionen zeigen immer mehr Stimmen für als gegen das Fernsehen. Das ist keine Frage des Wollens. Alle Sender, die Fernsehen kritisiert haben, haben Einschaltquoten verloren, haben Geldgeber verloren. Sie sind im Laufe der Zeit ausgestorben. Es ist ein stabiles System.
Fernsehen ist ewig.
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