Wichtige Personen im Buch "LEBENSNETZ"
Aristoteles
Bateson Gregory
Bertalanffy Ludwig von
Bogdanow Alexander
Capra Fritjof
Culloch Warren Mc
Eigen Manfred
Fleischacker Gail
Foerster Heinz von
Haken Hermann
Julia Gaston
Lovelock James
Mandelbrot Benoit
Maturana Humberto
Platon
Prigogine Ilya
Varela Francisco
Wiener Norbert

ARISTOTELES (384-322 v.Chr.)

Der griechische Philosoph war Schüler Platons und der Erzieher Alexander des Großen, er begründete eine eigene Schule (=Peripatetische Schule). Aristoteles war ein universaler Geist, der Weltoffenheit mit Geistesschärfe, Tiefsinn mit größter Verstandeshelle, Spekulation mit Erfahrung verband. Die überlieferten Werke sind vor allem Lehrschriften. Sie umfassen Logik, Metaphysik, Naturphilosophie, Ethik, Politik, Psychologie, Poetik und Kunsttheorie. Er gilt als der Fort- und Umbildner Platons, des größten Systematikers der abendländischen Geistesgeschichte. Seine Begriffsbildung beherrscht die Schulphilosophie bis zur Gegenwart. Seine Metaphysik ist wesentliche Lehre von den Seinprinzipien, Form und Stoff, Möglichkeit und Verwircklichung. Die aristotelische Theorie der Bewegung, die vier Arten unterscheidet (Entstehen-Vergehen, Zunehmen-Schwinden, qualitative Veränderung und Ortsbewegung) ist schließlich die spekulative Krönung seiner Philosophie.

Gregory BATESON

Der Geisteswissenschaftler verstand sich selbst in erster Linie als Biologe und betrachtete die vielen Gebiete mit denen er sich befaßte - Anthropologie, Epistemelogie, Psychiatrie und andere - als Zweige der Biologie.

Die große Leidenschaft, die er der Wissenschaft entgegenbrachte, galt der ganzen Vielfalt der mit dem Leben verbundenen Phänomene, und sein Hauptanliegen war es, in dieser Vielfalt allgemeine Organisationsprinzipien zu finden. Er war einer der Pioniere in der Anwendung des Systemdenkens in der Familientherapie. Er entwickelte ein kybernetisches Modell des Alkoholismus und erarbeitete die Double-bind-Theorie der Schizophrenie.

Bateson entwickelte unabhängig von Umberto Maturana den Begriff des Geistes. Er entwickelte eine systemische Behandlungsmethode von Geisteskrankheiten. Bateson stellte eine Liste von Kriterien auf, die Systeme zu erfüllen haben, damit von Geist die Rede sein könne. Er war der Meinung, daß Geist sich nicht nur in individuellen Organismen, sondern auch in sozialen Systemen und Ökosystemen manifestiere. Bateson stellte seinen neuen Begriff des geistigen Prozesses erstmals in einem Vortrag 1969 auf Hawaii vor.

Sein ganzes Denken war auf Muster und Beziehungen ausgerichtet. Er war in der Lage, der Natur durch höchst intensive Beobachtung Erkenntnisse zu entlocken.

Ludwig von BERTALANFFY

Ludwig von Bertalanffy wurde am 19.9.1901 in Atzgersdorf geboren und starb am 12.6.1972 in Buffalo. Er arbeitete als Professor in Wien (1934) und Ottawa (1949).

Die Karriere des österreichischen Biologen begann ungefähr in den 20er Jahren in Wien. Er schloß sich bald einer Gruppe von Philosophen und Wissenschaftlern an, die international als Wiener Kreis bekannt war, und von Anfang an befaßte er sich auch mit umfassenden philosophischen Themen. Er war der Ansicht, daß biologische Phänomene neue Denkweisen erfordern.

In den 30er Jahren beschäftigte Bertalanffy sich zum ersten Mal mit dem Prozeßaspekt. Er formulierte eine Theorie der " offenen Systemen", erweiterte in den 40er Jahren sein Denksystem und versuchte die verschiedenen Begriffe des Systemdenkens und der organismischen Biologie in einer formalen Theorie lebender Systeme zu vereinen. Er gilt als Urheber der ersten Formulierung eines umfassenden theoretischen Denksystems, das die Organisationsprinzipien lebender Systeme beschreibt. Er erkannte (wie Alexander Bogdanow), daß lebende Systeme offene Systeme sind, die sich fern vom Gleichgewicht befinden. 1968 erschien seine "Allgemeine Systemtheorie".

Bertalanffy prägte den Begriff "Fließgleichgewicht" und postulierte, daß die klassische Wissenschaft durch eine neue Thermodynamik offener Systeme ergänzt werden müsse.

1972 starb Ludwig von Bertalanffy. Sein Ziel, seine allgemeine Systemtheorie in " eine mathemetische Disziplin, in sich rein formal, aber anwendbar auf die verschiedenen empirischen Wissenschaften" überzuführen, war ganz sicher nie erreicht worden.

Alexander BOGDANOW

Bevor Ludwig von Bertalanffy seine "Allgemeine Systemlehre"; veröffentlichte, arbeitete auch schon der russische Medizinwissenschaftler, Philosoph und Wirtschaftwissenschaftler Alexander Bogdanow daran, eine ähnliche komplexe Systemtheorie zu entwickeln, die außerhalb von Rußland leider noch immer weiterhin unbekannt ist. Bogdanow nannte seine Theorie "Tektologie". Das bahnbrechende Buch erschien auf russisch in drei Bänden zwischen 1912 und 1917.

Sein Hauptziel war die Ausarbeitung und Verallgemeinerung der Organisationsprinzipien aller lebenden und nichtlebenden Strukturen.

Bogdanow wollte eine "universale Wissenschaft der Organisation" formulieren. Er versuchte, die Begriffe Organisation, Muster, Komplexität in eine folgerichtige Systemtheorie zu integrieren.

Er verwendete die Ausdrücke "komplex" und "System" abwechselnd und austauschbar und unterschied 3 Arten von Systemen:

Bogdanow verstand die Stabilität und Entwicklung aller Systeme in Form zweier einfacher Organisationsmechanismen: Bildung und Regulierung.

Er untersuchte beide Formen der Organisationsdynamik und veranschaulichte sie anhand zahlreicher Beispiele aus natürlichen und sozialen Systemen. Er erkannte, daß lebende Systeme offene Systeme sind, die sich ganz und gar nicht im Gleichgewicht befinden. Bogdanow hat zwar nicht versucht, seine Ideen mathematisch zu formulieren, aber er hat sich immerhin die künftige Entwicklung eines abstrakten "tektologischen Symbolismus" vorgestellt, eine neuartige Mathematik zur Analyse der von ihm entwickelten Organisationsmuster. Ein halbes Jahrhundert später ist diese Mathematik tatsächlich entstanden.

Von seinen Zeitgenossen wurde Bogdanow größtenteils mißverstanden, weil er seiner Zeit so weit voraus war. Seine Ideen wurden von den marxistischen Philosophen angefeindet, weil sie in der Tektologie ein neues philosophisches System erblickten, das den Marxismus ersetzen sollte, auch wenn Bogdanow wiederholt gegen die Verwechslung seiner Universalwissenschaft der Organisation mit der Philosophie protestierte.

Seit einiger Zeit allerdings, im Gefolge von Gorbatschows Perestroika, haben Bogdanows Schriften große Aufmerksamkeit unter russischen Wissenschaftlern und Philosophen gefunden.

Fritjof CAPRA

Der Autor des erfolgreichen Sachbuches "Lebensnetz", wurde am 1. Februar 1939 geboren. Er ist österreichischer Physiker und Philosoph und gilt als Vertreter des New Age. Er strebt das ganzheitliche Denken an und bekämpft das rationalistische Weltbild. Dieses Buch mit dem Originaltitel " The web of life" erschien im Sommer 1996. Fritjof Capra beschreibt in diesem Werk seine Denkweisen in der sogenannten Capra-Synthese. Um ein lebendes System definieren zu können, verwendet er drei Schlüsselkriterien:

  1. ORGANISATIONSMUSTER:

Das Organisationsmuster ist die Anordnung von Beziehungen, die die wesentlichen Merkmale des Systems festlegt. Es bestimmt ob das System lebend oder nicht lebend ist. In lebenden Systemen ist jede Komponente bei der Erzeugung und Umwandlung anderer Bestandteile behilflich, während das gesamte Netzwerk aufrechterhalten wird.

  1. STRUKTUR:

Die Struktur ist die materielle Verkörperung des Organisationsmusters des Systems. Die Struktur eines lebenden Systems ist immer offen für Materie und Energiezufluß.

  1. PROZESS:

Der Lebensprozeß ist die, in der kontinuierlichen Verkörperung des Organisationsmusters des Systems stattfindende, Aktivität.

Alle drei Kriterien sind voneinander abhängig: Das Organisationsmuster läßt sich nur erkennen, wenn es in einer materiellen Struktur verkörpert ist, und in lebenden Systemen ist die Verkörperung ein unaufhörlicher Prozeß.

Warren McCULLOCH

Der Kybernetiker schloß sich während des zweiten Weltkrieges mit Gehirnwissenschaftlern und Ingeneuren zusammen, um die Kybernetik zu erforschen.

Die ersten Kybernetiker stellten sich der Herausforderung, den geistigen Phänomenen zugrunde liegende Mechanismen im Gehirn aufzudecken und sie in klarer mathematischer Sprache auszudrücken.

Warren McCulloch war der Leiter der 10 Macy-Konferenzen in New York. Außerdem war er Professor für Psychiatrie und Physologie an der University of Illinois.

Manfred EIGEN

Manfred Eigen wurde am 12.7.1927 geboren und erhielt 1967 den Nobelpreis für Chemie.

Er ist der Direktor des Max-Planck Institutes für biophysikalische Chemie in Göttingen und er untersuchte das Phänomen der Selbstorganisation.

Er legte zu Beginn der 70er Jahre dar, daß der Ursprung des Lebens auf der Erde das Ergebnis eines Prozesses der fortschreitenden Organisation in chemischen Systemen fern vom Gleichgewicht gewesen sein könnte.

Er glaubte, daß Hyperzyklen von vielfachen Rückkoppelungsschleifen dabei eine wichtige Rolle gespielt haben. Die von Eigen untersuchten Hyperzyklen sind zur Selbstorganisation, Selbstreproduktion und Evolution fähig. Man nennt die von ihm untersuchten chemischen Systeme "katalytische Zyklen".

Er und seine Kollegen untersuchten in den 60er Jahren katalytische Reaktionen unter Beteiligung von Enzymen. Eigen entdeckte, daß katalytische Zyklen bei genügend Zeit und einem ständigen Energiestrom dazu neigen, sich miteinander zu verbinden und geschlossene Schleifen zu bilden.

Gail FLEISCHAKER

Die Biologin und Philosophin faßte die Eigenschaften eines autopoietischen Netzwerkes in drei Kriterien zusammen:

Das System muß selbstbegrenzt, selbsterzeugend und selbsterhaltend sein

Heinz von FOERSTER

Der Physiker und Kybernetiker wurde in den späten 50er Jahren ein wichtiger Vermittler der Idee der Selbstorganisation, als er Konferenzen zu diesem Thema organisierte, finanzielle Zuschüsse für viele Teilnehmer beschaffte und ihre Beiträge veröffentlichte. Zwei Jahrzente lang unterhielt er eine interdisziplinäre Forschungsgruppe, die sich dem Studium selbstorganisierender Systeme widmete.

Heinz von Foerster selbst trug schon sehr früh zum theoretischen Verständnis der Selbstorganisation bei. In den späten 50er Jahren erlaubte die Mathematik der Komplexität es Foerster, ein frühes, qualitatives Modell der Selbstorganisation zu entwickeln.

Hermann HAKEN

Hermann Haken wurde am 12.7.1927 geboren.

Der Physiker untersuchte die Physik von Lasern und veröffentlichte 1970 seine vollständige, nichtlineare Lasertheorie im "Handbuch der Physik". Er begründete die wissenschaftliche Synergetik.

Gaston JULIA

Der französische Mathematiker entdeckte während des ersten Weltkrieges die Julia-Mengen, die aber in Vergessenheit gerieten und erst in den 70er Jahren von Benoit Mandelbrot wiederentdeckt und populär gemacht wurden.

James LOVELOCK

Der Atmosphärenchemiker stellte sich vor, daß der Planet Erde als ein Ganzes ein lebendes, selbstorganisierendes System ist. Die Ursprünge von Lovelocks kühner Hypothese liegen in der Frühzeit des Weltraumprogrammes der NASA. Die NASA lud James Lovelock ein, Instrumente für die Suche nach Leben auf dem Mars mitzuentwickeln. Er begann, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, was Leben eigentlich sei. Zusammen mit Lynn Margulis entwickelte er in den 70er Jahren die Gaia-Theorie.

1969 präsentierte er seine Hypothese über die Erde, als ein selbstregelndes System, erstmals auf einer Konferenz in Princeton.

1972 veröffentlichte er die erste ausführliche Fassung einer Theorie mit dem Titel: "Gaia, durch die Atmosphere betrachtet."

Er entwickelte das Daisyworld-Computer-Modell, eine einfache mathematischen Simulation eines Planeten mit einer Biosphäre, die ihre Temparatur selbst regulierte.

Benoit MANDELBROT

Der französische Mathematiker ist der Urheber der fraktalen Geometrie.

Humberto MATURANA:

Der 1928 in Chile geborene Gehirnwissenschaftler studierte und forschte in den 50er Jahren in England und den USA, zusammen mit Warren McCullochs Gruppe, wobei er sehr stark von der Kybernetik beeinflußt wurde.

1960 kehrte er an die Universität von Santiago zurück, wo er Spezialist auf dem Gebiet der Gehirnwissenschaft, insbesondere für das Verständnis der Farbenwahrnehmung, wurde.

Er beschäftigte sich in den 60er Jahren auch ganz allgemein mit der Frage: "Was ist Leben?" "Welche Eigenschaften muß ein System besitzen, damit man es als wahrhaft lebend bezeichnen kann?" "Können wir klar zwischen lebenden und nichtlebenden Systemen unterscheiden?"

Er schaffte es, 2 Traditionen des Systemdenkens zu vereinen, indem er erkannte, daß die Verbindung im Verständnis der "Organisation des Lebendigen" liegt:

1) Die organismische Biologie, die das Wesen der biologischen Formen untersucht.

2) Die Kybernetik, die das Wesen des Geistes zu verstehen versucht.

Er setzte in Folge die Kognition mit dem Prozeß des Lebens gleich, veröffentlichte seine Ideen 1970 und es begann die Zusammenarbeit mit Francisco Varela, einem jüngerem Gehirnwissenschaftler.

Die beiden entwickelten den Begriff Autopoiese und veröffentlichten 2 Jahre später ihre erste Beschreibung dieses Begriffes. In ihrem Aufsatz gehen sie davon aus, daß die Autopoiese ein allgemeines Organisationsmuster ist, das allen lebenden Systemen gemeinsam ist, wie auch immer ihre Bestandteile beschaffen sein mögen. Sie betonen, daß die Organisation des Systems unabhängig von den Eigenschaften seiner Bestandteile ist, sodaß sich eine bestimmte Organisation auf viele verschiedene Weisen durch viele verschiedene Arten von Bestandteilen verkörpern kann.

Nach Maturana und Varela ist der Begriff der Autopoiese notwendig und ausreichend, um die Organisation lebender Systeme zu charakterisieren.

Maturana entwickelte in den 60er Jahren den neuen Begriff des Geistes: der Geist ist kein Ding, sondern ein Prozeß - der eigentliche Prozeß des Lebens.

1969 präsentierte er diesen Grundgedanken auf einer Konferenz über Kognition in Chicago.

Zusammen mit Varela entwickelte Maturana eine Systemtheorie der Kognition, die auch Santiago-Theorie genannt wird. In dieser Theorie wird die Kognition, der Erkenntnisprozeß mit dem Prozeß des Lebens gleichgesetzt.

Maturana über Sprache und Kommunikation:

Kommunikation ist nach Maturana nicht eine Übermittelung von Information, sondern vielmehr eine Verhaltenskoordination zwischen lebenden Organismen durch wechselseitige, strukturelle Koppelung.

Nach Maturana können wir das menschliche Bewußtsein nur durch die Sprache sowie durch den gesamten sozialen Kontakt verstehen, in den diese eingebettet ist.

PLATON (427-347 v.Chr.)

Der Schüler des Sokrates gründete 387 v.Chr. in Athen eine eigene Schule (Akademie). Platons Philosophie, die klassische Form des Idealismus, ist in einer Reihe von Dialogen festgehalten. Kern seiner Lehre sind die Ideen, die unveränderlichen Urbilder, denen im Gegensatz zu den wahrnehmbaren Dingen, den Abbildern der Ideen, wirkliche Existenz zukommt.

Höchste Idee ist die Idee des Guten, aus der die Tugenden abgeleitet werden können.

In seiner Politik entwirft Platon das Bild des bestmöglichen Staates, an dessen Spitze der Beste, mit Einsicht regierende stehen soll.

Ilya PRIGOGINE

Der in Rußland geborene Illya Prigogine ist Nobelpreisträger und Professor für physikalische Chemie an der freien Universität in Brüssel. Ihm gelang es, die neue Thermodynamik, die Ludwig von Bertalanffy forderte, zu formulieren.

Zur Neuformulierung des zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik zog er eine neue Mathematik heran, wobei er die traditionellen, wissenschaftlichen Vorstellungen über Ordnung und Unordnung radikal neu durchdachte, so daß er die beiden einander scheinbar widersprechenden Anschauungen des 19. Jh. über Evolution und Ordnung miteinander in Einklang bringen konnte.

Die erste und vielleicht einflußreichste ausführliche Beschreibung selbstorganisierender Systeme war die Theorie der "dissipativen Strukturen" von Prigogine.

1967 stellte Prigogine seinen Begriff der dissipativen Strukturen zum ersten Mal in einem Vortrag bei einem Nobel-Symposium in Stockholm vor. Prigogines Theorie der dissipativen Strukturen zeigt, wie komplexe, biochemische Systeme, die fern vom Gleichgewicht operieren, katalytische Schleifen erzeugen, die zu Instabilitäten führen und neue Strukturen von höherer Ordnung produzieren könen.

Er entwickelte seine Theorie zwar aus Untersuchungen physikalischer und chemischer Systeme, aber nach seiner eigenen Erinnerung brachte ihn das Nachdenken über das Wesen des Lebens dazu. Am meisten faszinierte es ihn, daß lebende Organismen in der Lage sind, ihre Lebensprozesse unter den Bedingungen des Nichtgleichgewichts in Gang zu halten. Er begann Systeme fern vom thermischen Gleichgewicht zu untersuchen, um herauszufinden, unter welchen genauen Bedingungen Zustände des Nichtgleichgewichts stabil sein könen.

Der entscheidende Durchbruch gelang Prigogine in den 60er Jahren, als er entdeckte, daß Systeme fern vom Gleichgewicht durch nichtlineare Gleichungen beschrieben werden müssen.

Die klare Erkenntnis dieser Verbindung zwischen "fern vom Gleichgewicht" und "Nichtlinearität" eröffnete für ihn einen Weg der Forschung, der ein Jahrzent später in seiner Theorie der Selbstorganisation seinen Höhepunkt finden sollte. Um das Rätsel der Stabilität fern vom Gleichgewicht zu lösen, untersuchte er keine lebenden Systeme, sondern wandte sich viel einfacheren Phänomenen der Wärmekonvektion zu, der sogenannten "Bernard-Instabilität", die inzwischen als ein klassischer Fall von Selbstorganisation gilt. Ein weiteres erstaunliches Phänomen der Selbstorganisation, das Prigogine und seine Kollegen in Brüssel untersucht haben, sind die chemischen Uhren.

Nachdem Prigogine und Mitarbeiter den entscheidenden Zusammenhang zwischen Nichtgleichgewicht und Nichtlinearität erkannt hatten, entwickelten sie eine nichtlineare Thermodynamik für Systeme fern vom Gleichgewicht mit Hilfe von Techniken der neuen Mathematik der Komplexität, die sich gerade zu entwickeln begann.

Prigogine über Instabilität:

Prigogine stellte fest, daß chemische Instabilitäten nicht automatisch fern vom Gleichgewicht auftreten. Sie fordern das Vorhandensein katalytischer Schleifen, die das System durch wiederholte selbstverstärkende Rückkoppelung an den Punkt der Instabilität bringen.

Francisco VARELA ( siehe Umberto Maturana)

Francisco Varela wurde 1946 in Chile geboren und lehrt an der Ecole Polytechnique Universität in Paris. Anfang der 70er Jahre erkannte Varela, daß die schrittweisen Sequenzen von Zellautomaten, die ideal für Computersimulationen geeignet sind, ein leistungsfähiges Werkzeug zur Simulation autopoietischer Netzwerke darstellt.

1974 gelang es ihm, zusammen mit Humberto Maturana und dem Informatiker Ricardo Uribe, die Konstruktion der entsprechenden Computersimulation. ( F. Capra "Lebensnetz" Seite 224-227). Der von Varela und seinen Kollegen studierte Zellautomat war eines der ersten Beispiele dafür, wie sich die selbstorganisierenden Netzwerke lebender Systeme simulieren lassen.

Neben der Entwicklung von Computersimulationen verschiedener selbstorganisierter, autopoietischer wie nichtautopoietischer Netzwerke ist den Biologen und Chemikern vor kurzem auch die Synthese autopoietischer Systeme im Labor gelungen. 1989 wurde diese Möglichkeit von Varela und Pier Luigi Luisi theoretisch dargelegt und anschließend in zwei Arten von Experimenten von Luisi realisiert. Diese neuen theoretischen und experimentellen Entwicklungen haben die Debatte darüber, was denn das Leben in seiner minimalen Form ausmache, entschieden verschärft. Neuerdings hält man in der Wissenschaft auch virtuelles Leben für möglich.

Varela über das Immunsystem:

Varela und seinen Kollegen meinen, das Immunsystem müsse als ein autonomes kognitives Netzwerk verstanden werden, das für die " molekulare Identität" des Körpers verantwortlich ist. Das Immunsystem besitzt die wichtige Funktion, das Zell,- und Molekülrepertoire des Organismus zu regulieren. Nach Varelas Meinung wird sich ein komplexes psychosomatisches Verständnis der Gesundheit erst dann entwickeln, wenn wir das Nervensystem und das Immunsystem als zwei kognitive Systeme in ständiger Wechselwirkung verstehen - als zwei "Gehirne", die ständig miteinander im Dialog stehen.

Varela über Primäre Bewußtseinszustände:

In den letzten Jahren hat Francisco Varela einen anderen Ansatz bei der Betrachtung des Bewußtseins verfolgt, der, wie er hofft, Maturanas Theorie um eine neue Dimension erweitern wird. Seiner Grundhypothese zufolge gibt es in allen höheren Wirbeltieren, eine Form von primärem Bewußtsein, die zwar noch nicht selbstreflektierend ist, aber schon die Erfahrung eines "einheitlichen geistigen Raums" oder " geistigen Zustands" aufweist.

Varela veröffentlichte vor kurzem einen Aufsatz, in dem er seine Grundhypothese darstellt und einen bestimmten Mechanismus im Gehirn zur Herstellung primärer Bewußtseinzustände in allen höheren Wirbeltieren postuliert. Der entscheidende Gedanke dabei besagt, vorübergehende Erfahrungszustände entstünden durch ein Resonanzphänomen, den sogenannten " Phasenschluß", bei dem verschiedene Hirnregionen miteinander vernetzt sind, daß alle ihre Neuronen ihre Signale "im Gleichschritt abgeben". Durch diese Synchronisation der Nerventätigkeit bilden sich vorübergehend Zellansammlungen, in der viele verschiedene Nerventätigkeiten - die mit Sinneswahrnemung, Gefühlen, Erinnerungen, Körperbewegungen usw. - verbunden sind - zu einem vorübergehenden, aber eng zusammenhängenden Ensemble von schwingenden Neuronen vereint sind.

Varelas Hypothese stellt eine neurologische Basis für die Unterscheidung zwischen bewußter und unbewußter Kognition dar.

Norbert WIENER

Norbert Wiener wurde 1894 geboren. Zusammen mit Claude Shannon gilt er als Begründer der Informationstheorie. Er ist maßgeblich an der Entwicklung elektronischer Rechenautomaten beteiligt. 1964 starb Wiener.

Bild von Norbert Wiener
Wiener war nicht nur ein großartiger Mathematiker, sondern auch ein wortgewandter Philosoph. Er interesierte sich für die Biologie und bewunderte die Reichhaltigkeit natürlicher Systeme.

Er definierte die Kybernetik als die Wissenschaft der Regelung und Kommunikation im Lebewesen und in der Maschine.

Insbesonders Wiener erkannte, daß die neuen Begriffe Nachricht, Steuerung und Rückkoppelung, Organisationsmuster - das heißt nichtmaterielle Einheiten - bezeichneten, die äußerst wichtig für eine vollständige wissenschaftliche Beschreibung sind.

Später entwickelte Wiener den Begriff des Musters: Von den Mustern der Kommunikation und Steuerung, die Lebewesen und Maschinen miteinander gemeinsam haben, zur allgemeinen Idee des Musters als einem Schlüsselmerkmal des Lebens.

Norbert Wiener war die beherrschende Gestalt auf den 10 MACY-Konferenzen in New York, die er mit seinem leidenschaftlichen Engagement für die Wissenschaft belebte, während er seine Kollegen mit seinen brillianten Ideen und seinen oft respektlosen Methoden hinriß. Viele Augenzeugen haben berichtet, daß Wiener bei diesen Diskussionen oft einschlief und sogar schnarchte wobei ihm aber offenbar nicht entging, worüber gesprochen wurde. Denn nach dem Erwachen gab er augenblicklich ausführliche und scharfsinnige Kommentare zum Besten oder verwies auf logische Unstimmigkeiten. Bei diesen Konferenzen stellte er einen Komplex neuer Ideen vor, die im Laufe der Jahre zur Informations- und Kommunikationstheorie führten.

Die Informationstheorie befaßt sich vorwiegend mit dem Problem, wie man eine als Signal codierte Nachricht durch einen rauschenden Kanal empfängt. Allerdings hat Norbert Wiener auch betont, daß diese codierte Nachricht im Prinzip ein Organisationsmuster sei, und indem er einen Vergleich zwischen den gegebenen Kommunikations,-und Organisationsmuster in Organismen zog, leistete er weitere Vorarbeit, um das Verständnis lebender Systeme mit Hilfe des Begriffs Muster voranzutreiben.

Zusammen mit Julian Bigelow und Arturo Rosenblueth schrieb Wiener 1943 einen Artikel, in dem die erste ausführliche Erörterung von Rückkoppelungsschleifen beschrieben wird. (Titel: "Behaviour, Purpose and Teleology" = Verhalten, Ziel und Teleologie)

In diesem bahnbrechenden Beitrag führten die Autoren die Idee der zirkulären Verursachung als das dem technischen Konzept der Rückkoppelung zugrundeliegende logische Muster ein. Darüber hinaus wandten sie es auch zum ersten Mal an, um das Verhalten lebender Organismen modellhaft zu demonstrieren.

Wiener und seine Kollegen erkannten in der Rückkoppelung auch den entscheidenden Mechanismus der Homöostase, der Selbstregelung, die es lebenden Organismen erlaubt, sich in einem Zustand des dynamischen Gleichgewichts zu halten.


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