Es gibt Sätze, die man nicht hinschreiben sollte, ohne ein „vielleicht“ davor zu setzen. „Gott existiert“ zum Beispiel, oder „Gott existiert nicht“, oder „Am 24. Dezember wird es schneien. “ Seit einigen Wochen gehört hierher auch der Satz „Die Vereinigten Staaten von Amerika haben einen Präsidenten. “ Gewiss ist nur eines: Niemand wird je erfahren, wie man Präsident wird in Amerika. Man muss sich bewerben, klar, und man muss vor, während und nach der Bewerbung einen Haufen Geld verteilen. Aber an wen genau? Schon diese Frage dürfte den Kandidaten in Zukunft wesentlich mehr Kopfzerbrechen bereiten, als sie es bis vor kurzem getan hat. Andererseits, die bis dahin häufig auftretende Nervosität kurz vor dem Wahltermin wird in Zukunft keinen Kandidaten mehr um seine Nachtruhe bringen: Auf real existierende Wählerstimmen, so viel darf mittlerweile als sicher gelten, kommt es dabei so wenig an wie auf Gerichtsurteile; es gibt einfach zu viele Gerichte in den USA.
Mittlerweile (aber auch das kann sich ändern) sieht es so aus, als würde der Wahlsieger durch den Verlierer bestimmt. Logisch leuchtet das ein: Solange zwei Leute behaupten, sie seien der Präsident von Amerika, ist es eben keiner von beiden. Hingegen, wenn einer sagt, er sei es nicht – also das wäre, wie wenn der FC Bayern den HSV mit 2:1 schlüge, der HSV aber sich zum Sieger erklärte. Daraufhin regte der FC Bayern an, die Tore nachzuzählen, aber der HSV würde sagen, da könne ja jeder kommen, der erboste FC Bayern würde die Justiz anrufen, der HSV würde auch die Justiz anrufen . . . Wie auch immer: Jetzt ist also der HSV Präsident von Amerika oder auch der FC Bayern, es ist ja eh wurscht. Gottlob herrscht anderswo noch Ordung. In Peru zum Beispiel haben sie klare Wahlgesetze: Es dürfen nur Peruaner Präsident werden, genauer: nur Nur-Peruaner. Warum sie dort trotzdem einen japanischen Staatsbürger gewählt, nun ja, gewählt, also irgendwie zum Präsidenten gemacht haben? Weil sie das nicht wussten, sagen sie. Aber bitteschön, wenn einer schon Fujimori heißt!
Wir rekapitulieren: Präsidialdemokratien bestimmen ihre Präsidenten nicht immer demokratisch. Wenn doch, dann sind es Japaner; und wenn sie nicht Japaner sind, sondern ordnungsgemäße Ureinwohner wie etwa der französische Präsident, so müssen sie sich von irgendwelchen Regierungschefs hineinregieren lassen. Cohabitation, in des Wortes einstiger Bedeutung, war ein angenehmes sexuelles Privileg. Cohabitation heute dagegen: das Begriff gewordene Scheitern des Versuchs, den mausgrauen Alltag der Demokratie mit präsidialer Majestät zu vergolden. Gerade reife Demokratien sollten ihre eigenen Grenzen erkennen. Zurück also zum guten alten Erbrecht, zurück beziehungsweise (was die USA betrifft) vorwärts zur Monarchie!