Wenn du,
ohne nachzudenken, nur ein Wort über Fußball sagen sollst, welches ist es?
Maracanã? Viererkette? Wembleytor? Scheißbayernmünchen? Nein. Wiese ist das
Wort. Es war zuerst da, alles andere kam später. Die Wiese war uneben, sie
hatte lauter handtellergroße Grasbüschel. Du bist dauernd umgeknickt, und der
Ball sprang umher wie eine Flipperkugel, der braune Lederball, der ganz speckig
war, mit Fett bestrichen, damit er lange hielt. So war das.
Du kriegst
das nicht aus deinem Kopf heraus, dass Fußball ein Vergnügen ist. Du würdest
wie früher jeden Tag spielen, wenn du nicht dauernd Zähne bohren müsstest
oder Artikel schreiben oder Laster fahren oder was auch immer. Zufrieden würdest
du am Abend ins Bett fallen. Und jetzt der harte Schwenk in die Umkleidekabine
des Nou Camp, wo die Spieler des FC Barcelona sitzen. Ostermontagabend. Sie müssten
längst umgezogen sein. Atletico Madrid ist ja auch schon umgezogen. Gleich soll
das Pokal-Halb-finale losgehen. Aber Guardiola, der Kapitän, lehnt im
Ausgeh-Anzug mit dem Rücken an seinem Schrank und murrt, ich habe keine Lust
heute, geht es euch auch so? Mmh, sagt Kluivert, der maulfaule Stürmer. Luis
Figo, der Rechtsaußen, der immer der Schnellste ist, steht einfach auf und
verschwindet. Nur Dani bleibt sitzen. Dani ist ein junger Ersatzspieler. Sein
Schrank ist schon geöffnet, er würde gern kicken. Beim Abmarsch tritt ihm
Frank de Boer, der heimliche Chef, wie versehentlich auf den Fuß.
So ist es
immer. Wenn die Großen nicht wollen, lauern die Kleinen auf ihre Chance. Aber
sie haben sie nicht bekommen in Barcelona. Der FC hat sich geweigert zu spielen,
„wegen Überlastung“, wie die Agenturen melden, „wegen der
Termindichte“. Alle zwei, drei Tage ein Match, da gehen wir kaputt, stöhnen
die Katalanen. Sie und die Bayern und Manchester und die anderen feilschen jetzt
um freie Zeit, aber die Überlastung ist nicht der Punkt. Sondern? Der Punkt
ist, dass Fußball stumpfe Arbeit geworden ist. Manchmal macht die Arbeit natürlich
noch Spaß. Aber oft nicht. Meist ist es eine Verrichtung. Und wie widernatürlich
sie ist. „Ich halte nichts vom Recht auf Arbeit“, hat Rossini gesagt, „ich
halte es lieber für das größte Recht des Menschen, nichts zu tun.“ In
diesem Sinne wäre es in Ordnung, wenn sich Barcelona und Bayern und Manchester
auflösten. Also die Mannschaften. Sie könnten sich auf die Swimmingpools der
Welt verteilen. Die Vereine mit ihren schönen Emblemen und ihren Mythen
hingegen könnten bleiben, und die Stadien auch. Sie sollten instand gehalten
werden, die Stadien. Denn war es nicht unser Traum, damals, zwischen den Grasbüscheln,
einmal im Nou Camp zu spielen? Im
Olympiastadion? In Old Trafford? Also
gebt uns die Murmel, gebt sie uns. Es wird uns immer ein Vergnügen sein.