Jeden
Morgen, wenn ein neuer Wintertag graut, spielt sich in zahllosen unbescholtenen
Haushalten unseres Landes eine Schreckensszene ab. Ihr beklagenswerter Held: der
deutsche Mann und Vater – dem es schon beim Aufstehen dämmert, dass er heute
als Mann und Vater nur verlieren und versagen kann. Alles gibt seinen düstersten
Vorahnungen Recht. Die Morgennachrichten ein Missgetön. Das Frühstück ein
Debakel. Das Frühstücksei zu weich oder zu hart oder beides zusammen. Die Frühstückszeitung
zu links oder zu rechts oder beides zusammen. Kaum also hat der Tag begonnen, möchte
man ihn am liebsten schon wieder beenden. Möchte zurückkehren ins
Schlafgemach, an der Daunendecke rütteln und mit letzter Kraft zum Bette hin
rufen: „Ich will hier rein!“ Eine Katastrophe droht, die nur durch das
beherzte Einschreiten der Familie, durch das Weinen der Mütter, das Flehen der
Kinder, noch einmal abgewendet werden kann. Und der Mann geht hinaus ins Leben,
trostlos, aber tapfer.
Andere machen es anders.
Andere machen es besser. Andere sind einfach gut drauf. „Ich bin gut
drauf!“, hat vor ein paar Tagen Wolfgang Gerhardt gesagt, Beruf
Riesenstaatsmann. Dass er so gut drauf ist, obwohl seine Partei nicht so gut
drauf ist, zeigt erneut seine überragenden Führungsqualitäten. Und so können
wir ohne Mühe einen Tag im Leben des G. imaginieren. Wie er schon am Morgen,
beim ersten Anblick seines Spiegelbildes, gleich wieder weiß, dass er auch
heute verdammt gut drauf sein wird. Wie er sich bei der Morgengymnastik mit
„Gerhardt! Gerhardt!“- Rufen selber anfeuert. Wie er, ein Prachtbild
liberaler Dynamik, frohgemut ins Schaumbad steigt. Aber verlassen wir nun die
bukolische Szene – und schauen kurz herum in der Weltvollversammlung der Großsprecher
und Selbstanpreiser. Klaus Kinski sehen wir dort und Claus Peymann, Helmut Kohl
und Gerhard Schröder (die immer schon reinwollten ins Kanzleramt und am
liebsten nie wieder raus), Muhammad Ali den Größten und Laberlothar aus
Herzogenaurach. Aber auch kleinere Großmäuler, wie den unvergessenen Stürmer
Jürgen Wegmann („Ich bin giftiger als eine Kobra!“).