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Der Spaß an der Niederlage
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Schalke 04 verliert zwar 2:3 bei Arsenal, erfreut sich aber an der
Entdeckung des eigenen Könnens
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London – Für einen Moment wollte niemand in Huub Stevens’
Nähe sein. „Bleibe ich hier ganz alleine?“, fragte der Trainer des
FC Schalke 04, als er bei der Pressekonferenz nach dem Spiel einsam auf
dem Podium saß. „Ja, du stehst unter Anklage!“, rief aus dem Saal
Andreas Müller, der zweite Mann hinter Rudi Assauer im Schalker Fußball-Management.
2:3 (1:2) hatte der letztjährige Bundesligazweite das Vorrundenmatch
der Champions- League bei Arsenal London verloren – doch die
Niederlage hatte den Schalkern offensichtlich so viel Freude bereitet,
dass sie noch Späße machten.
In einer Branche, in der angeblich nur das nackte Resultat zählt,
stieß Schalke am Mittwoch in Nordlondon auf einen erstaunlichen Fund:
Sie entdeckten ein Relikt aus der Zeit des Amateursports – die
ehrenwerte Niederlage. Sie hätten die übliche Verlierer-Nummer
abziehen können: Meckern über einen Elfmeter gegen sie, der niemals
einer war, weil Arsenals Patrick Vieira ein Foul von Schalkes gutem
Torwart Oliver Reck provoziert hatte. Lamentieren, dass sie mit ihrer
Leistung sicher ein Unentschieden verdient gehabt hätten. Aber diesmal
sparte sich Trainer Stevens all das. Er war einfach zufrieden. Sich, und
allen, die zuschauten, hatte Schalke im Highbury- Stadion einen schönen
Abend gemacht.
Dass Arsenal besser als Schalke 04 ist, kann nicht als sensationelle
Erkenntnis verkauft werden. Das wusste man vorher. In kleinen Momenten
des Spiels war es immer wieder zu sehen: Während Arsenals Weltmeister
Vieira einen 30-Meter-Pass aus der Luft nahm und der Ball an seinem
Schuh klebte, als sei der mit Pattex versehen, konnte Schalkes van
Hoogdalem schon mal Zuspiele aus fünf Meter nicht sauber kontrollieren.
Während Arsenals Internationale Freddy Ljungberg, Giovanni van
Bronckhorst und Thierry Henry den Ball auf höchstem Tempo ohne Stoppen
über fünf, sechs Stationen elegant laufen ließen, spielten Schalkes
Stürmer Emile Mpenza und Victor Agali zu sehr neben- anstatt
miteinander. Und doch war der Champions-League-Neuling Schalke bestimmt
nicht schlechter als der letztjährige Viertelfinalist. Verteidiger
Hajto stand exemplarisch für seine Elf: Seine Beschränkungen als Fußballer
waren deutlich zu sehen – aber eben auch, weil er bis an seine Grenzen
ging.
Ihren Mangel an Visionen, den vor allem der sichere, aber
risikoscheue Spielmacher Andreas Möller zu verantworten hatte,
vertuschten sie mit Mut, Lebendigkeit und Engagement. Mit so viel Freude
an der Offensive spielen wenig Teams in Highbury. Zweimal lagen sie mit
zwei Toren zurück, 0:2 durch Treffer von Freddy Ljungberg und Thierry
Henry nach 36 Minuten, 1:3 nach Henrys verwandeltem Elfmeter direkt nach
der Pause – „der eine oder andere bei uns neigt dazu, seinem Gegnern
einfach hinterher zu sehen“, erklärte Manager Rudi Assauer die
Gegentore, „hinterherlaufen mögen sie nicht so.“ Van Hoogdalem,
Hajto und Sven Vermant dürfen sich angesprochen fühlen.
Doch zweimal arbeiteten sie sich zurück ins Spiel, van Hoogdalem mit
einem bemerkenswerten Schuss zum 2:1 und Mpenza mit einem Flugkopfball
brachten sie wieder heran. „Wir können auch Fußball spielen“,
sagte Huub Stevens, und im ersten Moment war man versucht zu denken: Ach
was, wirklich?! Tatsächlich war das der beste Satz des Abends: Nicht
mehr und nicht weniger hatte sein Team gegen eine etablierte europäische
Klasseelf nachgewiesen: Schalke kann Fußball spielen.
In der Tabelle der Gruppe D lässt sich dieses Urteil leider weniger
ablesen, Letzter mit null Punkten aus zwei Partien ist die Elf, auch
wenn „das erste Spiel kein Spiel war“, wie Trainer Stevens über das
0:2 gegen Panathinaikos Athen am Tag des Terroristenangriffs auf die USA
sagt. Die Champions League hat kaum begonnen, da ist für Schalke das
Ende schon abzusehen. Drei Siege aus den ausstehenden vier Spiele bräuchte
es mindestens, um den Aufstieg aus der Vorrunde doch noch zu schaffen.
„Vielleicht kann man ja was in Athen drehen“, sagte Assauer. Das
Spiel gegen Panathinaikos gewinnen, wollte er wohl sagen.
Zum ersten Mal seit vier Jahren gibt es in dieser Champions-League-
Saison wieder mehr als eine deutsche Spitzenmannschaft. Dortmund und
auch das spielfreudige Leverkusen haben das Potenzial, soweit zu kommen
wie sonst fast immer nur der Bayern München: ins Viertelfinale.
Schalke, das bleibt trotz aller Bravour in London die Quintessenz, steht
noch einen Schritt dahinter. „Ich bitte um Nachsicht“, sagte Manager
Assauer. „Wir sind zum ersten Mal dabei. Wir lernen noch.“ Dann warf
er zwei Stücke Zucker in seinen Tee. Statt bitterer Gedanken gab es für
ihn nach diesem Spiel nur süße Getränke.
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