Hallo liebe Leute,

heute möchte ich an Euch wenden, um Euch den Unsinn einer Unsitte vor
Augen zu führen, der schon seit einiger Zeit die meisten unserer jungen
Haushalte unterwandert hat: Das massenhafte "feurige" Vervielfältigen
von Musik-CDs.
Daß Computerspiele und komplette Musik-CDs gebrannt werden, ist ja eine
Gewohnheit, über die sich hauptsächlich wohl die entsprechende Industrie
ärgern muß, wobei sicher auch die Bands darunter zu leiden haben.
Jeder Musikliebhaber, der mal einen seit langem gesuchten Musiktitel auf
dem Tonträger eines Bekannten entdeckt, kennt die gönnerhafte Antwort
auf die Frage nach einer eventuellen zeitlich begrenzten
Zwischerlagermöglichkeit zwecks Überspielen auf andere Medien: "Laß mal
stecken, ich brenn' Dir schnell die CD!"
Solch protzig anmutende Reaktion, die die Allmacht, jede CD ungeachtet
ihres Gehalts unendlich oft kopieren zu können, suggeriert, wird doch
wohl dem Suchaufwand nach dem auserkorenen Musikstück nicht gerecht!
Viel schlimmer aber sind die selbstkreiierten Mix-CDs mit ihren
grausligen Covern, die in 90% aller Fälle mit dem beigelieferten
Editprogramm erstellt wurden.
Hier zeigt sich dann Musik nur noch als Massenware, nach
Interpretennamen und Tracknummern sortiert. Kaum jemandem ist noch
Kreativität beim Zusammenstellen und Illustrieren mehr geläufig, denn
bei den Mengen, die materialverschwenderisch kopiert werden, bleibt
dafür keine Zeit.
Was waren das noch für Zeiten, als man einem Musikfreund (gerade auch
gerne einer Musikfreundin - also einem Kassettenmädchen) anbieten
durfte, ihm eine spezielle persönliche Musikauswahl auf das
unverwüstliche silbrige Band einer Kassette zu bannen. Eine Auswahl, bei
der man sich sicher sein konnte, daß der Kompilator eine Menge Zeit und
Gehirnschmalz auf die Zusammenstellung und Reihenfolge verwendet hatte.
Heute aber ist das Medium Kompakt-Kassette wenn nicht aus den Regalen
der HiFi-Geschäfte (die wissen immer noch, was gut ist), so doch aus der
Aufmerksamkeit der Konsumierenden gerückt. Es soll ja sogar Leute geben,
die die Notwendigkeit eines Tapedecks soweit anzweifeln, daß sie noch
nicht einmal mehr eines besitzen. Dabei ist doch so ein halbwegs
mechanisch funktionierendes Gerät durch die Möglichkeit der
Selbstreparatur weitaus langlebiger als ein CD-Player, den man kaputt
eigentlich nur austauschen kann (Das weiß ich aus eigener Erfahrung).
Leider ist das Argument der perfekten analogen Musikwiedergabe ja
hinfällig, denn mittlerweile kommt ja doch irgendwie alles von CD. Aber
klingt ein Musikstück von einer Kassette, vielleicht nach einiger Zeit
von dem Nachlassen einiger Frequenzen oder leichten Nebengeräuschen
gezeichnet, nicht doch ein wenig wärmer?
Und wissen wir, wie lange unsere Compact-Discs denn dem Zahn der Zeit
trotzen können? Ist diese Unsicherheit, wann und in welcher Weise ein
unvorhergesehener Datenverlust auftreten kann, nicht äußerst
unbehaglich? Und erst die Hilflosigkeit, mit der man einem möglichen
Störfall entgegentreten könnte?
Kassetten dagegen halten ewig. (Wenn man sie vor starken Magneten
schützt, die Gefahr ist bekannt, wenn mir auch kein Beispiel einer durch
störenden Einfluß eines Magneten zerstörten Aufnahme bekannt ist.) Das
wissen wir spätestens, seit wir Kassetten aus tagelang überhitzten
Autoradios auswarfen, nach dem Winter aus dem Gartenteich holten oder
ihr Band aus einem funktionsgestörtem Billig-Ghettoblaster zerrten.
Stets kam nach vorsichtigem Neustart ein Freudenausbruch mit den Worten:
"Die läuft ja noch!"
Man sieht also, es gilt in einer Zeit des Musikmassenkonsums darum einen
bewahrenswerten Teil unserer (Jugend-)Kultur am Leben zu erhalten.
So habt Ihr nun schon die Langspielplatten (von Singles und -kennt einer
noch Maxis?- ganz zu schweigen) bis zurück auf die DJ-Plattenteller
gedrängt, so laßt doch zumindest den Kasettendecks auch außerhalb Eures
Autos noch eine Chance zum Überleben!

In diesem Sinne
Martin