Der Misanthrop hat’s gut. Er muss sich nicht dafür entschuldigen, nicht einmal vor sich selbst, dass er keine Menschen mag. Er ist halt so, weil alle anderen so sind, wie sie sind. Bei den Nicht-Misanthropen aber, und von denen gibt es eigenartigerweise immer noch viele, ist das anders. Dieser Spezies, die ihre Mitmenschen grundsätzlich für interessant, beachtenswert und im Einzelfall sogar für nett hält, muss man vielleicht nicht lange erklären, warum man denen nicht begegnen will: dem Skinhead von nebenan, dem stets betrunkenen Hausmeister aus dem ersten Stock, der hypochondrischen Tante oder Roland Koch. Dann aber wird es schon schwierig. Der Abteilungsleiter zum Beispiel ist zwar ein egozentrischer Dumpfling, aber manchmal erweckt er sogar den Eindruck, er habe Gefühle. Der Lebensgefährte nervt zwar erheblich, aber dennoch verbindet einen vieles mit ihm, und sei es nur die Vergangenheit. Der Kollege riecht zwar meistens nach Schweiß, aber die Tatsache, dass er seine Hemden zu selten wechselt, wiegt nicht so schwer wie seine Bereitschaft, am Sonntag Dienst zu machen, weil man selbst unbedingt zum Skifahren gehen muss.

Die Welt also ist voller Menschen, die man leider nicht völlig ablehnen kann, weil sie irgendetwas haben, das sie menschlich macht. Und damit ist man auch schon bei Jürgen Möllemann. Einerseits hat Möllemann ja deutlich Züge wenn nicht von Roland Koch, so doch zumindest vom stets betrunkenen Hausmeister. Er taucht immer dann auf, wenn man ihn nicht sehen will, und redet ungefragt stets von Dingen, die außer ihm sonst niemand glaubt, versteht oder hören möchte. Beim Hauswart sind die einschlägigen Nerv-Themen die Fahrräder auf dem Flur, die lärmenden Türken im Nachbarhaus und die strahlende Zukunft von Borussia Dortmund; bei Möllemann sind es seine Kanzlerkandidatur, der Reiz des Fallschirmspringens und die wunderbaren Aussichten der FDP.

Andererseits aber ist Möllemann, im Gegensatz zum Hausmeister, selten betrunken, und manchmal hat er sogar Recht. Was immer er etwa über Wolfgang Gerhardt sagt, stimmt meistens, sofern er ihn politisch oder persönlich beleidigt, was in aller Regel der Fall ist. Dazu kommt, dass Möllemann ein prinzipenfester Kerl ist. Er hat schon immer geglaubt, er sei der wichtigste und begabteste Politiker der FDP. Dieser Glaube leitet ihn bis heute und deswegen ist sogar sein zuletzt am Montag geäußerter Wunsch verständlich, nun endlich Bundeskanzler werden zu dürfen. Wenn jemand, wie Möllemann, ganz, ganz fest der Meinung ist, er sei der Beste, will er das auch irgendwann ganz, ganz oben beweisen. Nach dem Unmöglichen zu streben, ist zutiefst menschlich. In diesem Sinne muss man manchmal sogar Jürgen Möllemann ein bisschen mögen.